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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Copycaterschienen am01.03.2023
'Alexander I.' ist ein historischer Roman, dessen Hauptfiguren der 'Freidenker' Wassili Golizyn, Kaiser Alexander I, seine Frau Elisabeth und die uneheliche Tochter des Herrschers, Sofija Naryschkina, Golitsyns Geliebte, sind. 'Alexander I.' ist eine Geschichte über adlige Verschwörungen, Freimaurerei, religiöse Sekten und Liebe. Dieser Roman wird den Lesern eine neue Perspektive auf die russische Geschichte eröffnen.mehr

Produkt

Klappentext'Alexander I.' ist ein historischer Roman, dessen Hauptfiguren der 'Freidenker' Wassili Golizyn, Kaiser Alexander I, seine Frau Elisabeth und die uneheliche Tochter des Herrschers, Sofija Naryschkina, Golitsyns Geliebte, sind. 'Alexander I.' ist eine Geschichte über adlige Verschwörungen, Freimaurerei, religiöse Sekten und Liebe. Dieser Roman wird den Lesern eine neue Perspektive auf die russische Geschichte eröffnen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9788028281694
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Verlag
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum01.03.2023
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.11136763
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

II.

Inhaltsverzeichnis


Bald nach dem Tag von Austerlitz war in den ausländischen Zeitungen folgende Meldung aus Petersburg erschienen: »Frau Naryschkina hat alle ihre Nebenbuhlerinnen besiegt. Der Kaiser besuchte sie gleich am ersten Tage nach seiner Rückkehr vom Kriegsschauplatz. Dieses Verhältnis wurde bisher geheim gehalten; jetzt sorgt aber Frau Naryschkina dafür, daß die Sache publik wird, und alle liegen vor ihr auf den Knien. Dieses offene Liebesverhältnis bereitet der Kaiserin großen Kummer.«

Auf einem Hofballe hatte die Kaiserin Maria Antonowna nach ihrem Befinden gefragt. »Es geht mir nicht ganz gut,« hatte jene entgegnet, »mir scheint, ich bin schwanger.«

Beide wußten von wem.

Man hatte auch von Ehescheidung gesprochen.

Nun waren zwanzig Jahre vergangen, alle hatten sich an das Verhältnis gewöhnt, und niemand wunderte sich mehr darüber. Maria Antonowna war in der Tat so schön, daß niemand den Mut fand, ihren Geliebten zu verurteilen.

»Mit weit aufgerissenem Mund stand ich im Theater vor ihrer Loge und starrte ganz blöde auf ihre Schönheit, die so vollkommen ist, daß sie übernatürlich und unmöglich erscheint,« so schrieb über sie nach vielen Jahren ein Zeitgenosse.

»Sage ihr, daß sie ein Engel ist,« schrieb Kutusow an seine Frau, »und daß ich die Frauen nur darum vergöttere, weil sie zu diesem Geschlechte gehört: wenn sie ein Mann wäre, so wären mir die Frauen gleichgültig.«

Göttlich ist Aspasia,
Schwarz das Feuer ihrer Augen,
Zart und schwellend ist ihr Busen ...
Wenn sie seufzet, wenn sie atmet,
Spürt man ihre keusche Seele;
Doch sie weiß es selber nicht,
Daß sie schöner ist als alle ...

hatte sie der alte Derschawin angedichtet.

Niemand wunderte sich auch darüber, daß der Gatte Maria Antonownas, Dmitrij Ljwowitsch Naryschkin zwei Ämter bekleidete: ein öffentliches, das eines Oberhofmeisters, und ein geheimes, das eines »nachsichtigen Gatten«. Man nannte ihn auch »den Großmeister der Freimaurerloge der Gehörnten«. Die tugendhafte Kaiserin-Mutter Maria Feodorowna schrieb der tugendhaften Gattin Maria Antonowna: »Ihr Gemahl bereitet mir viel Vergnügen, wenn er von Ihnen mit solcher Liebe spricht, wie sie nur wenige Frauen ihr Eigen nennen dürfen.«

Der Geliebte war übrigens nicht weniger nachsichtig als der Gatte. Einmal überraschte er Maria Antonowna mit seinem eigenen Adjutanten Oscharowskij. Ihr gelang es aber, dem Kaiser einzureden, daß eigentlich nichts geschehen sei, und er glaubte ihren Worten mehr, als seinen eigenen Augen.

Beide Töchter, die Kaiserin Jelisaweta Alexejewna ihrem Gemahl gebar, starben im zarten Kindesalter. Die erste Tochter, die Maria Antonowna von ihm hatte, war gleichfalls gestorben. Die zweite Tochter, Sophie, blieb am Leben, war aber von Kind auf lungenkrank. Man fürchtete, daß sie die Schwindsucht habe. Dieses letzte und einzige Kind, das Alexander für sein eigenes hielt (was übrigens angezweifelt wurde), die kleine Sofotschka, war sein Liebling.

Der alte Golitzin war ein alter Freund der Naryschkins und daher wurde auch Fürst Valerian von ihnen wie ein naher Verwandter behandelt. Sophie liebte ihn wie einen Bruder. Er liebte sie mehr als man eine Schwester liebt, obwohl er sich dessen nicht bewußt war. Sie trennten sich oft für lange Zeit voneinander, denn Sophie mußte fast jedes Jahr nach dem Süden gebracht werden. Sie vergaßen einander ganz; wenn sie sich aber wieder trafen, knüpften sie sofort ihre früheren rührenden Beziehungen wieder an. Maria Antonowna pflegte zu sagen:

»Es ist wirklich die beste Partie für Sofotschka.«

Während des Kongresses zu Verona stellte ihr aber der Kaiser einen anderen Heiratskandidaten vor, den Grafen Andrej Petrowitsch Schuwalow, einen erst eben dem Ministerium für auswärtige Angelegenheiten zugeteilten jungen Diplomaten der Metternichschen Schule.

Graf Andrej war wie alle Schuwalows ein gewandter Streber und Schmeichler, der es allen recht zu machen verstand. Der Kaiser bevorzugte übrigens immer solche Menschen.

Die alte Gräfin, die Mutter des Bräutigams, die seit Jahren in Italien lebte, war zur katholischen Kirche übergetreten. Die römischen Jesuiten hatten diese Ehe eingeleitet, und die Pariser Scharlatane brachten das Unternehmen zum Abschluß. Der Mesmerismus wurde um jene Zeit wieder modern, und so begann man auch Sophie nach diesem Verfahren zu behandeln. Graf Andrej magnetisierte sie nach den Vorschriften der Somnambulen. Das fünfzehnjährige Mädchen, fast noch ein Kind, gab ihm ihre Hand, wie sie sie nach dem Wunsche des Vaters auch jedem andern Manne gegeben hätte, ohne sich der Bedeutung dieses Schrittes bewußt zu sein.

Auch Fürst Valerian hielt sich um jene Zeit in Verona auf; erst als er Sophie für immer verloren sah, begriff er, wie sehr er sie liebte. Er reiste nach Paris zu Tschaadajew. Im Verkehr mit dem Weisen fand er keinen Trost, wohl aber die Hoffnung, später einmal in der Liebe zu Gott und Vaterland Ersatz für die Liebe zu diesem Mädchen zu finden.

Nach zwei Jahren brachte man Sophie, mit Genehmigung der Somnambulen, wieder nach Petersburg, wo die Hochzeit stattfinden sollte. Im Winter begannen die gewohnten Mittwochabende bei den Naryschkins, die an der Fontanka, in der Nähe der Anitschkow-Brücke wohnten.

Maria Antonowna, eine geborene polnische Fürstin Swjatopolk-Tschetwertinskaja, versammelte um sich die polnischen Patrioten. Man erzählte sich, daß Polen seine Verfassung nur ihr zu verdanken hatte. Auch die russischen Liberalen betrachteten sie als ihre Beschützerin. Ihr Salon war der einzige Ort in Petersburg, wo man ganz ungeniert nicht nur über die Bestechlichkeit der Beamten, sondern sogar über Araktschejew, den sie übrigens haßte, sprechen konnte.

In den großen Fasten wurden bei den Naryschkins jeden Mittwoch Konzerte veranstaltet. An jenem Mittwoch, an dem Fürst Valerian den Naryschkins seinen ersten Besuch nach seiner Rückkehr aus dem Auslande abstatten wollte, sollte ein Konzert des Grafen Michail Wjelgorski, der als Cellovirtuos außerordentlich geschätzt wurde, stattfinden.

* * *

Fürst Valerian betrat den weißen säulengeschmückten Saal, dessen eine Wand von einem riesigen Spiegel eingenommen wurde, in dem sich ein Jugendbildnis des Kaisers Alexander Pawlowitsch spiegelte; die erste Abteilung des Konzerts war gerade zu Ende, und der letzte Ton des Cellos erstarb wie ein menschliches Schluchzen. Man hörte begeistertes Klatschen, den Lärm von zurückgeschobenen Stühlen, das Rauschen von Damentoiletten und das Summen vieler Stimmen. Schwarze Diener in goldstrotzenden Livreen trugen auf hocherhobenen Armen Tablette mit Gefrorenem und richteten die Wachskerzen in den Girandolen.

Fürst Valerian erblickte im Hintergrunde des Saales seinen Freund, den Leibgardeoberst Fürsten Sergej Trubezkoj, den Direktor des Nordbundes der Geheimen Gesellschaft. Er wollte auf ihn zugehen, um mit ihm den von ihm endgültig beschlossenen Eintritt in die Gesellschaft zu besprechen; er besann sich aber noch und beschloß, diese Unterredung etwas hinauszuschieben.

Wie im Empfangszimmer des Onkels wehte ihm auch hier ein altvertrauter Geruch entgegen, die ewige Langeweile längst bekannter Träume.

Alles war hier genau wie vor zwei Jahren. Eine ältere Dame mit entblößten knochigen Schultern rief ebenso affektiert wie vor Jahren die gleiche stereotype Phrase:

»Fürst Michail spielt wie die Engel auf den Konzerten beim lieben Gott!«

Mit der gleichen Gebärde neigte sich zur Gräfin Helene Radziwill der Jesuit P. Rosavenna und flüsterte ihr etwas zu; der junge schöne Italiener, ein Abgott der Petersburger Damen, glich in seiner schwarzseidenen Sutane einem glatten schwarzen, schnurrenden Kater. Man konnte nie wissen, ob er einer Dame einfach den Hof machte, oder ihre Beichte hörte. Mit der gleichen Gewandtheit spielte er einen Postillon d'amour und reichte mitten im Getümmel der Bälle seinen neu zum katholischen Glauben bekehrten Verehrerinnen das heilige Abendmahl aus einem geheimen Ziborium. Gräfin Helene wurde in der Gesellschaft »Öhrchen« genannt, weil bei ihr nie das ganze Gesicht, sondern immer nur eines ihrer reizenden, kleinen, Perlmuscheln gleichenden Ohren errötete. Auch jetzt, während ihr P. Rosavenna etwas zuflüstert, wird eines ihrer Ohren feuerrot; vielleicht wird sie sich auch einmal, nach dem Beispiele der schönen Gräfin Kurakina, einen Finger an der Kerze verbrennen, um den christlichen Märtyrerinnen ähnlich zu werden. Die neunzigjährige Großmutter Archarowa mit einem ponceauroten, mit grünen Federn verzierten chaldäischen Turban auf dem Kopfe, gepudert und geschminkt, ihrem Mops, der immer auf ihrem Schoße schnarcht, nicht unähnlich, lorgnettiert malitiös nach diesem Paar - dem Jesuitenpater und der Gräfin Öhrchen - und bereitet offenbar einen bösen Klatsch vor.

Auf seinem gewohnten Platze in der Nähe des Ofens sitzt der Fabeldichter Krylow. Offenbar hatte er sich gleich, nachdem er gekommen, auf diesen Sessel niedergelassen, um ihn vor dem Nachtmahl nicht wieder zu verlassen. »Es ist nett von der klugen Hausfrau, daß sie meinen Platz unbesetzt ließ; hier ist es viel wärmer.« Dieser große, in einen weiten, wie ein Morgenrock bequemen, tabakbraunen Frack mit Messingknöpfen und einem trübe gewordenen Ordensstern gesteckte Körper, erscheint hier wie ein notwendiges Möbelstück. Er hält seine Hände auf die Knie gestemmt, denn auf dem Bauche können sie nicht mehr zusammenkommen. Sein Mund ist etwas schief: eine Folge des Schlaganfalles, den er vor...
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