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Der Mitropäer

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Copycaterschienen am01.03.2023
In dem Roman 'Der Mitropäer' hat der Autor ein satirisches Bild der verschiedenen geistigen Strömungen in Europa gezeichnet. Der Roman ist eine allegorisch-groteske Darstellung der politischen Ideen in Europa zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg. Aus dem Buch: 'Zwei Brüder, Vertreter zweier polar entgegengesetzter Generationen, fuhren in diesem roten Taxi den Boulevard St. Germain hinunter. Zehn Jahre Unterschied, zwei Welten. Der Jüngling des Vorkriegs und der des Nachkriegs. Der trotz allem Leid Hoffnungsvolle und der trotz allen Festen Hoffnungslose. Der gütige Dicke und der boshafte Schlanke. Das Ja und das Nein. Edmund und Edgar.'mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR2,13
Book on DemandKartoniert, Paperback
EUR8,10

Produkt

KlappentextIn dem Roman 'Der Mitropäer' hat der Autor ein satirisches Bild der verschiedenen geistigen Strömungen in Europa gezeichnet. Der Roman ist eine allegorisch-groteske Darstellung der politischen Ideen in Europa zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg. Aus dem Buch: 'Zwei Brüder, Vertreter zweier polar entgegengesetzter Generationen, fuhren in diesem roten Taxi den Boulevard St. Germain hinunter. Zehn Jahre Unterschied, zwei Welten. Der Jüngling des Vorkriegs und der des Nachkriegs. Der trotz allem Leid Hoffnungsvolle und der trotz allen Festen Hoffnungslose. Der gütige Dicke und der boshafte Schlanke. Das Ja und das Nein. Edmund und Edgar.'
Details
Weitere ISBN/GTIN9788028281625
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Verlag
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum01.03.2023
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.11136783
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

3. Kapitel

Inhaltsverzeichnis


Zwei Brüder, Vertreter zweier polar entgegengesetzter Generationen, fuhren in diesem roten Taxi den Boulevard St. Germain hinunter. Zehn Jahre Unterschied, zwei Welten. Der Jüngling des Vorkriegs und der des Nachkriegs. Der trotz allem Leid Hoffnungsvolle und der trotz allen Festen Hoffnungslose. Der gütige Dicke und der boshafte Schlanke. Das Ja und das Nein. Edmund und Edgar.

Madame de Tizac, von griechischer Abstammung, im klassischen ägäischen Meer geboren, war in erster Ehe mit einem bedeutenden Reeder in Malta verheiratet gewesen, dem man später oft nachgesagt hat, er sei deutschen Ursprungs gewesen. Sie gebar Edmund auf dem Überseedampfer »Alighieri«, an einem Morgen, an dem gerade die perlgraue rosige Küste gesichtet wurde. Das Kind bekam vom ganzen Schiff Geschenke, die schönsten und die einzigen seines Lebens. Edmund besaß davon heute noch ein in Elfenbein gebundenes Notizbuch, in das ein afrikanischer Missionar ein Gedicht von Mörike hineingeschrieben hatte, und eine Suez-Aktie, von einer reichen Irländerin, die in seinen Vater verliebt war.

Das Papier stellte später das einzige Kapital dar, das ihm von seinem Vater geblieben. Denn dieser, in unglückliche Unternehmungen verwickelt, siedelte bald darauf in die Schweiz über und starb dort, als Edmund acht Jahre alt war.

Die Mutter steckte ihn in ein Institut und ließ sich nach wenigen Monaten von einem Mitglied der französischen Gesandtschaft nach Paris entführen.

Edmund verbrachte eine uninteressante und idealistische Jugend in den Schweizerbergen: angesichts eines Gletschers lernte er »De virtute« übersetzen, den Begriff der Treue aus den »Nibelungen« und den Corneillischen Dramen herleiten, was aber seine Lehrer vor allem von ihm verlangt hatten, war die genaue Kenntnis der Bodengestaltung der Schweizerkantone, die Tiefe der Seen und die Namen aller Stationen der Eidgenössischen Eisenbahnen in Glarus. Also klassisch gebildet bezog er die Universität von Lausanne.

Er lernte das waadtländische Zivilrecht. In einem vermorschten Klosterbau, zu dem man auf gefährlich knarrenden Treppen und waghalsigen Wegen hinauf kletterte, in Bänken, in die noch die Namen heute hundertjähriger Bräute eingeschnitzt waren, versaß Edmund seine kräftigsten Jahre. Da kam der Krieg. Edmund hatte nie gewußt, welcher Nationalität er angehörte, ob er Grieche war wie sein Vater, Franzose wie später seine Mutter, oder Glarner, wozu ihn sein Vormund, ein entfernter Verwandter, naturalisieren lassen wollte. Er war auf wogendem Meer geboren, zwischen den Kontinenten.

Schließlich wurde er Schweizer und entdeckte gleichzeitig sein »über dem Getümmel schwebendes« Herz. Romain Rolland war an den Genfersee geflüchtet und hatte dort, in einem kleinen Hotel, das den Namen Byrons trug, Europa entdeckt. Endlich, endlich fand der Enthusiasmus, der in jeder jugendlichen Brust wie ein Naturkraut wächst, geeigneten Boden: Edmund fuhr zu Rolland und wurde sein erster Apostel. In einem feierlichen Zeitungsartikel beschrieb er die Zufluchtstätte des großen Denkers wie die neue Arche Noah über der Blutflut.

Langsam war er dann in politisches Getriebe linkshin geglitten. Jemand nannte seinen Namen in einer Zeitschrift, und schon hielt er sich für berufen. Mit Deserteuren aller Länder, mit Russen, Türken, Deutschen, Franzosen, Serben und Irländern zusammen buchstabierte er die Worte Menschlichkeit, Güte, Brudertum. Er wurde der Verwaltungschef der Bruder - A. G. Romain Rolland war der Gott dieser religiösen Bewegung. Altäre wurden ihm errichtet in den Cafés von Genf, Bern, Zürich und Locarno.

Sozialisierende Sekten schlossen sich der Bewegung an. Die noch in unbekannten vegetarischen Restaurants und russischen Lesestuben umherirrenden Theoretiker der Revolution klopften ihm manchmal auf die Schulter, und deshalb konnte er später stolz berichten, daß Trotzki, Lenin und Lunatscharski seine besten Freunde gewesen waren. Er übersetzte eine Novelle von Tolstoi für das »Droit du Peuple«. Er rezitierte Dichtungen Verhaerens bei der Totenfeier des großen belgischen Poeten.

Kurz, Edmund war ein neuer Europäer und Freiheitskämpfer geworden. Er hatte ein Programm: »Die Menschengüte«, und wer ein Programm im Leben hat, der hat es gut: er braucht nicht mehr zu zweifeln. Er reiste mit diesem von Stadt zu Stadt, empfing an den Bahnhöfen die aus den Kriegsbastionen entflohenen Kameraden, organisierte, schrieb, sprach, hoffte. Am Ende war die Revolution. Gefahren gab es, öffentliche und verbotene Versammlungen, Prozesse, Gefängnis.

Endlich die Russische Revolution, der Friede, der Völkerbund, Tagore und Gandhi, und dann, und dann ...

Dann sah sich Edmund eines Tages in seinem möblierten Zimmer um und rief: »Wo ist mein Ich?«

Nach dem Waffenstillstand aber, nach Beendigung der Sintflut, kehrten die internationalen Menschheitsfreunde jeder in sein Land zurück und paßten ihr müdes Ideal den Notwendigkeiten des Tages und der Mitmenschen an. Das heißt, die meisten mischten ihren Wein mit Wasser und tauschten die großen Ziele gegen kleinere, aber nähere Aufgaben ein. Edmund blieb allein in der Schweiz zurück. Er hatte keinen richtigen Beruf. Das Studium des waadtländischen Zivilrechts hatte er längst aufgegeben und niemals ein Examen gemacht. Zum erstenmal überlegte er, daß die Jugendjahre vorüber waren.

Da hatte er sich erinnert, daß er in Paris eine Mutter und einen Halbbruder hatte. Während des ganzen Krieges war der Kontakt zwischen ihnen unterbrochen gewesen, nachdem ihn die Mutter im September 1914 aufgefordert hatte, in die französische Armee einzutreten und er ihr als Antwort einen seiner ketzerischen Artikel geschickt hatte. Der jüngere Bruder Edgar war damals zwölf Jahre alt gewesen und wußte von Edmund fast nichts. Und dessen Vater, der zweite Gatte der schönen Griechin, Bertrand de Tizac, war bei Château-Thierry gefallen, was auf den fernen Stiefsohn einen noch dunkleren Schatten geworfen hatte.

Langsam aber, nach dem flügellosen Frieden, flaute die Stimmung von Tapferkeit und Tugend ab, und die Frauen waren die ersten, die den Heroismus, der zu nichts geführt hatte, in mancher Weise lächerlich fanden. Zu Weihnachten schrieb Frau de Tizac ihrem Sohn einen leisen, sehr vernünftigen Brief, und fragte ihn, ob er nicht einmal nach Paris kommen wolle.

Da war Edmund nun, entwurzelt wie ein Bauer. Sein Konfektionsanzug saß schlecht. Er trug zu einem bunten Hemd einen weichen weißen Kragen. Keine Handschuhe. Bis jetzt war sein äußeres Auftreten immer zweiten Ranges gewesen, selbst wenn er in der Nähe von Frauen gelebt hatte.

Das heimatliche Gefühl, das er am Morgen bei der Einfahrt in Paris empfunden hatte, verschwand. Die Lichtreklamen, wie ein sommerliches Feuerwerk, entzündeten die Straßen. Alles schien festlich aufgeregt. Und er so wenig darauf eingestellt. Edgar neben ihm schwieg, mit ziemlich gelangweiltem Ausdruck: da wagte Edmund nicht mehr, zu staunen, sich zu wundern, sich zu freuen und Fragen zu stellen.

Als sie aber über den Concorde-Platz fuhren, der mit seinen hundert silbernen Bogenlampen wie ein Diamant in Platinfassung schimmerte, hielt er es nicht zurück: »Wie herrlich!«

Edgar rief mißmutig: »Der letzte Schmuck einer alten Kurtisane. Mit viel Schminke und rotgefärbten Haarwellen. Wen ich dir einmal das richtige Paris zeige, die Kloaken, die baufälligsten Ruinen Europas, reines Mittelalter noch überall, und mittelalterlich die Menschen, das Ende eines Jahrtausends, kein Anfang. Kein Grund, stolz zu sein!«

Warum machte Edgar jetzt auch Paris herunter?

»Wie sind die Freunde, zu denen wir fahren?«

»Lauter Menschen, die nicht wissen, was sie wollen. Die sich unerhört langweilen. Die den glänzendsten Esprit von Frankreich versprühen. Aber auch der Esprit nützt sich ab. Es sind alles ganz junge Menschen, die nur aus Raffinement oder Freude am Kontrast manchmal einen Fremden bei sich aufnehmen. Aber im Grunde sind sie schon alte Weiber und wie Voltaire: voll Neugier und Médisance. Sie haben zuviel Geist und zu wenig Ideen, und wissen darum nicht, wie den ersten verspritzen. Ich sage dir das, weil du mein Bruder bist. Ich gehöre ja auch zu ihnen, und verderbe ein wenig das Spiel.«

Das Taxi hielt in einer der belebtesten Straßen, wie ein Boot andauernd von den Wellen der Flut geschlagen. Der Hof des Hauses indes, in den sie traten, war kühl und still wie ein Bergsee. Im Vestibül stand ein großer Spiegel, diskret genug, um nur den Eingeweihten aufzufallen und die Fremden nicht zu erschrecken. Edgar, mit einem Blick, ermaß den ganzen Unterschied zwischen sich und Edmund: keiner wird mir glauben, dachte er, daß das mein Bruder sein soll.

Cocherel, der Chef der Jugend, kannte das Geheimnis seiner Zeit: Cocktail. Keine reinen Getränke, keine einfachen Gefühle, keine eindeutigen Worte. Er wollte den neuen Typ der Zeit schaffen: Alcibiades-Wilde-Carpentier. Er wob Legenden um sich wie Efeu und Papierrosen. Aber er hatte eine Macht: den Esprit, und übte mit ihm eine unbeschränkte Diktatur aus. Eine Schar von Zwanzigjährigen war ihm auf den Tod ergeben. Cocherel selbst trug Maske und Ansehen des Zwanzigjährigen, obwohl er gut das Doppelte zählte; die Geheimnisse einer Marquise, die, fünfundvierzigjährig, ihn verführt hatte, waren auf ihn als alleinigen Erben übergegangen. Alles in Paris ist Vererbung.

Zum sichtbaren Zeichen seiner Jugend bewohnte er im Patrizierhause seiner Mutter ein kleines, unscheinbares Zimmer auf den Hof, das der Bohême äußere Armut vortäuschte und seiner unechten Lebenshaltung als Kulisse diente. Dieser...
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