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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
128 Seiten
Deutsch
Kursbuch Kulturstiftung gGmbHerschienen am02.03.20231. Auflage
Die Welt, in der wir leben, ist von vielen Zufällen ebenso geprägt wie von Wahrscheinlichkeiten und Pfadabhängigkeiten. Im Gegensatz dazu stehen geschlossene Weltbilder und Denkräume, in denen alles vorbestimmt ist und einen Sinn hat. Abweichungsmöglichkeiten verschwinden, der Zufall soll möglichst eliminiert werden. Dieses Kursbuch wirbt für den Zufall. Katharina Nocun weist darauf hin, warum etwa für Verschwörungserzählungen der Zufall nicht gilt: alles hänge mit allem zusammen, was am Ende zu einer schlüssigen Verschwörungserklärung führen soll. Sibylle Anderl wiederum betrachtet die Rolle von Glück und Zufall in der Entwicklung des Universums und der Planeten. Einmalig zufällig betitelt sie die Evolution. Elena Esposito plädiert dafür, den Zufall neu zu denken und vor allem die produktive Funktion des Zufalls wieder in den Blick zu nehmen. Was Armin Nassehi aufnimmt und geradezu die Notwendigkeit des Zufalls fordert. Im Gespräch mit dem Serendipity-Forscher Christian Busch wird der Sinn für den Zufall gefordert, um 'einen Muskel fu?r das Unerwartete zu entwickeln und resilienter zu werden'. Die Frage für die Intermezzi lautete dieses Mal: Wie relevant ist für Sie der Zufall? Mit Texten von Danyal Bayaz, Dietmar Hansch, Tina Hildebrandt, Ursula Münch, Silke Schwandt, Olaf Unverzart und Pätrick Steller. Peter Felixberger blickt schließlich als Hundertjähriger auf 100 Jahre Zukunft zurück und bemerkt: 'Selbst der gro?ßte Zufall ko?nnte zufa?llig sein.'

ARMIN NASSEHI (*1960) ist Soziologieprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, Herausgeber des Kursbuchs und einer der wichtigsten Public Intellectuals in diesem Land. Im Murmann Verlag veröffentlichte er unter anderem »Mit dem Taxi durch die Gesellschaft«, in der kursbuch.edition erschien zuletzt »Das große Nein. Eigendynamik und Tragik gesellschaftlichen Protests«. PETER FELIXBERGER (*1960) ist Herausgeber des Kursbuchs und Programmgeschäftsführer der Murmann Publishers. Als Buch- und Medienentwickler ist er immer dort zur Stelle, wo ein Argument ans helle Licht der Aufklärung will. Seine Bücher erschienen bei Hanser, Campus, Passagen und Murmann. Dort auch sein letztes: »Wie gerecht ist die Gerechtigkeit?« SIBYLLE ANDERL (*1981), ist Astrophysikerin und Redakteurin im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Zuletzt erschien 'Das Universum und ich. Die Philosophie der Astrophysik.'
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR16,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextDie Welt, in der wir leben, ist von vielen Zufällen ebenso geprägt wie von Wahrscheinlichkeiten und Pfadabhängigkeiten. Im Gegensatz dazu stehen geschlossene Weltbilder und Denkräume, in denen alles vorbestimmt ist und einen Sinn hat. Abweichungsmöglichkeiten verschwinden, der Zufall soll möglichst eliminiert werden. Dieses Kursbuch wirbt für den Zufall. Katharina Nocun weist darauf hin, warum etwa für Verschwörungserzählungen der Zufall nicht gilt: alles hänge mit allem zusammen, was am Ende zu einer schlüssigen Verschwörungserklärung führen soll. Sibylle Anderl wiederum betrachtet die Rolle von Glück und Zufall in der Entwicklung des Universums und der Planeten. Einmalig zufällig betitelt sie die Evolution. Elena Esposito plädiert dafür, den Zufall neu zu denken und vor allem die produktive Funktion des Zufalls wieder in den Blick zu nehmen. Was Armin Nassehi aufnimmt und geradezu die Notwendigkeit des Zufalls fordert. Im Gespräch mit dem Serendipity-Forscher Christian Busch wird der Sinn für den Zufall gefordert, um 'einen Muskel fu?r das Unerwartete zu entwickeln und resilienter zu werden'. Die Frage für die Intermezzi lautete dieses Mal: Wie relevant ist für Sie der Zufall? Mit Texten von Danyal Bayaz, Dietmar Hansch, Tina Hildebrandt, Ursula Münch, Silke Schwandt, Olaf Unverzart und Pätrick Steller. Peter Felixberger blickt schließlich als Hundertjähriger auf 100 Jahre Zukunft zurück und bemerkt: 'Selbst der gro?ßte Zufall ko?nnte zufa?llig sein.'

ARMIN NASSEHI (*1960) ist Soziologieprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, Herausgeber des Kursbuchs und einer der wichtigsten Public Intellectuals in diesem Land. Im Murmann Verlag veröffentlichte er unter anderem »Mit dem Taxi durch die Gesellschaft«, in der kursbuch.edition erschien zuletzt »Das große Nein. Eigendynamik und Tragik gesellschaftlichen Protests«. PETER FELIXBERGER (*1960) ist Herausgeber des Kursbuchs und Programmgeschäftsführer der Murmann Publishers. Als Buch- und Medienentwickler ist er immer dort zur Stelle, wo ein Argument ans helle Licht der Aufklärung will. Seine Bücher erschienen bei Hanser, Campus, Passagen und Murmann. Dort auch sein letztes: »Wie gerecht ist die Gerechtigkeit?« SIBYLLE ANDERL (*1981), ist Astrophysikerin und Redakteurin im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Zuletzt erschien 'Das Universum und ich. Die Philosophie der Astrophysik.'
Details
Weitere ISBN/GTIN9783961962976
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum02.03.2023
Auflage1. Auflage
Seiten128 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3092 Kbytes
Artikel-Nr.11136971
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



So ein Zufall!
Im Gespräch mit dem Serendipitätsforscher Christian Busch, der an der New York University und der London School of Economics lehrt und forscht. Über die Kraft der Zufälle, agile Sinnsuche und warum ihn eine Nahtoderfahrung die Tür zu einem neuen Leben geöffnet hat.
Von Peter Felixberger und Armin Nassehi

»Serendipität ist ein potenzielles Werkzeug, das Leben besser auszuhalten. Es ist gleichermaßen Lebensphilosophie und Toolkit.«

Kursbuch: Studien zufolge sind mehr als 30 Prozent der großen wissenschaftlichen Durchbrüche das Ergebnis von Unfällen und Zufällen. Blindes, pures Glück, würde der Laie sagen. In deiner Forschung spielt der Begriff der Serendipität eine zentrale Rolle. Dahinter steht ein Konzept, das aber mehr als den bloßen Zufall beschreiben will?

Busch: Wir haben uns in den letzten zehn Jahren um die Frage gekümmert, was erfolgreiche Leute, die inspirieren und begeistern, von anderen Menschen unterscheidet. Und haben uns vor allem deren Innovationen angeschaut. Spannend ist, dass diese Menschen konstant ein bisschen mehr Glück und positive Zufälle erleben als andere. Das ist natürlich nicht nur bloßer Zufall, sondern diese Menschen tun etwas dafür. Darum geht es bei der Serendipität. Es bezeichnet das »aktive Glück« aus einem unerwarteten Ereignis heraus. Ein Beispiel: Es gibt ein Unternehmen in China, das Waschmaschinen und andere Haushaltsgeräte produziert. Eines Tages erhielt die Firma Anrufe von Bauern, die sich darüber beklagten, dass die Waschmaschinen immer kaputtgehen. Und warum? Die überraschende Antwort: »Wir versuchen, unsere Kartoffeln darin zu waschen, was einfach nicht klappt.« Was würde man normalerweise jetzt antworten? »Wascht euere Kartoffeln nicht in der Waschmaschine! Unsere Waschmaschine ist für Kleidung konzipiert.« Das Unternehmen hat aber genau das Gegenteil gemacht und geschlussfolgert, dass es eigentlich viele Bauern auf der Welt geben müsste, die ihre Kartoffeln in einer Waschmaschine reinigen würden. Warum bauen wir nicht einfach einen Schmutzfilter ein und machen daraus eine Kartoffelwaschmaschine? Das bedeutet Serendipität. Es hat sich einerseits etwas Zufälliges ereignet, gleichzeitig versucht man, etwas daraus zu machen.

Kursbuch: Dem Waschmaschinenhersteller gelingt, daraus einen Nutzen zu ziehen. Er verbindet relevante Punkte miteinander und findet den verborgenen Erfolgsfaktor Zufall, so lautet auch der deutsche Titel deines Buches. Ist es wirklich so einfach, die Punkte miteinander zu verbinden, oder müssen wir Serendipität erst mühsam erlernen?

Busch: Es gibt zwei Wege. Erstens, mehr positive Zufälle zu kreieren, was zunächst paradox klingt, aber es geht um die Erhöhung der Wahrscheinlichkeit, dass etwas positiv zufällig passieren kann. Oder anders gesagt, den Raum zu vergrößern, in dem Serendipität stattfinden kann. Zweitens, wenn das unerwartete Ereignis eintritt, übrigens positiv wie negativ, dann diesen Muskel für das Unerwartete zu stärken und sich vorzubereiten, besser darauf reagieren zu können. Dafür gibt es viele Praktiken, zum Beispiel die Stärkung der Resilienz bei einem negativen unerwarteten Ereignis. Sehr bedeutsam ist für mich persönlich das Buch ⦠trotzdem Ja zum Leben sagen von Viktor Frankl. Seine These: In jeder Krise kann man irgendeinen Sinn finden. Es geht nur darum, einen Startpunkt für die Sinnsuche zu finden.

Kursbuch: Was ist eigentlich das Gegenteil von Serendipität?

Busch: Das wäre die Tendenz, negative Dinge anzuziehen: Zemblanität. (Im Englischen: zemblanity.) Es gibt dazu sehr interessante Versuche, wie Pechvögel und Glückspilze mit bestimmten Situationen umgehen. Wie unterschiedlich reagieren sie und was sind die Muster dahinter? Eines meiner Lieblingsexperimente hat Leute ausgewählt, die sich tendenziell eher als Glückspilze oder Pechvögel bezeichnen würden. Die Versuchspersonen laufen eine Straße entlang, gehen in ein Café und bestellen einen Kaffee. Was ihnen nicht gesagt wird, ist, dass überall versteckte Kameras aufgestellt sind, vor dem Café zufällig ein Geldschein auf dem Boden herumliegt und im Café ein Stuhl am Tisch eines erfolgreichen Geschäftsmannes frei ist. Der Glückspilz geht die Straße hinunter, sieht den Geldschein, hebt ihn auf, geht ins Café und setzt sich neben den Geschäftsmann. Sie reden miteinander, tauschen Visitenkarten aus und es könnte womöglich etwas entstehen. Der Pechvogel geht ebenfalls die Straße entlang, übersieht den Geldschein, geht ins Café, setzt sich neben den Businessman und ignoriert ihn. Am Ende des Tages werden sie beide unabhängig voneinander gefragt, wie ihr Tag war. Der Glückspilz sagt: Super, ich habe Geld auf der Straße und einen neuen Bekannten gefunden. Der Pechvogel antwortet: Nichts passiert heute.

Kursbuch: Es gibt Leute, die das Unerwartete besser erkennen, sprich den Geldschein aufheben. Stellt sich die Frage, ob es nicht auch Zufall sein könnte, die Geldnote nicht zu sehen. Und passiert nicht beides letztlich zufällig? Man könnte ja auch den Geldschein aufheben, sich neben den Geschäftsmann setzen und nicht mit ihm reden, weil man gerade in Gedanken ist.

Busch: Eine sehr interessante Beobachtung. Du sprichst hier zwei Punkte an. Erstens, wir haben alle irgendwelche Vorurteile oder Biases. Zum Beispiel: Wir erwarten einfach nicht das Unerwartete. Und wir haben sogar eine Tendenz, eher das negative Unerwartete zu erwarten. Selbst wenn man über die Ampel bei Grün geht, blicken viele nach rechts oder links, weil ab und zu doch einer über die rote Ampel fahren könnte. Das positive Unerwartete erwarten wir nicht so häufig. Kinder beispielsweise finden öfter Geld auf der Straße als Erwachsene. Die Kinder erwarten eben nicht, dass auf der Straße kein Geld liegt, sie halten die Augen offen. Erwachsene unterschätzen, wie oft sich das positive Unerwartete ereignen könnte. Wir erleben es erst häufiger, wenn wir uns dafür öffnen. Erst dann fangen wir an, solche Beobachtungen zu machen und Verknüpfungen herzustellen. Der zweite Punkt: Es gab im Beispiel vorher zwei Zufallsmomente. Einmal, das Geld zu sehen. Und andererseits, mit der anderen Person zu sprechen. Serendipität entsteht sehr oft in der Kommunikation mit anderen Menschen. Und da spielen Filter, die zum Einsatz kommen, eine große Rolle. Wir haben beispielsweise in Studien CEOs von großen Unternehmen gefragt, was sie aus ihrer Sicht so erfolgreich macht. Das Muster, das herauskam, war eine Vision als Spielraum, in dem unerwartete Ereignisse willkommen sind und die gleichzeitig »filtert«, welche unerwarteten Ereignisse als hilfreich und welche als ablenkend interpretiert werden. Dann wird der Zufall Teil des Plans und Kartoffelwaschmaschinen werden Wirklichkeit.

Kursbuch: Irgendwie lässt mich das Cafébeispiel nicht los, in dem sich die eine Person für Serendipität öffnen kann und die andere nicht. Welche Rolle spielt hier der Begriff der Intuition und wie grenzt er sich von der Serendipität ab? Intuition als Fähigkeit, plötzlich ahnend etwas Komplexes erfassen zu können. Eine Ahnung, dass etwas plötzlich passieren könnte.

Busch: Das ist eine sehr interessante Überschneidung mit der Frage, wie man Entscheidungen trifft. Wir sind sehr darauf trainiert, mit dem Kopf zu entscheiden. Gleichwohl entscheiden wir nicht selten mit dem Bauch, wenngleich wir uns das nicht immer zugestehen wollen. Wir kennen das in der Forschung unter dem Begriff der Postrationalisierung. Ich tue im Nachhinein so, als ob alles geplant gewesen wäre. Meine schlechtesten Entscheidungen habe ich übrigens aus dem Bauchgefühl einer Angst getroffen. Ich merkte erst viel später, dass sie handlungsleitend war und nicht die Planung eines kontrollierten Ablaufs der Ereignisse. Und meine besten Entscheidungen wiederum habe ich aus einem »gereiften« Bauchgefühl getroffen, das auf der Abstimmung von Kopf und Bauch beruht. Es basiert auf dem Erkennen bereits erlebter Muster und nicht auf einem naiven, überstürzten Entscheiden. Das Unterbewusste nimmt mehr auf, als wir oberflächlich rational wahrnehmen, also sollten wir immer in den Bauch »hineinhören« - und dann versuchen, zu verstehen, was er uns wirklich sagen möchte.

Kursbuch: Ist der kreative Einfall die Königsdisziplin der Serendipität? Der Moment, wo scheinbar ganz zufällig eine plötzliche Idee kommt?

Busch: Der Moment, wo man plötzlich eine blitzschlagartige Erkenntnis hat. Auf einmal ist alles klar. Das Unterbewusste versucht eben alles, was es bisher aufgenommen hat, zu verarbeiten. Der Heureka-Moment kommt aus dieser Gesamtheit - und wir können ihn wahrscheinlicher machen, wenn wir uns mit verschiedenen Informationen »füttern«.

Kursbuch: Interessant ist, dass wir bei Entscheidungen oft diese Unterscheidung zwischen Kopf und Bauch vornehmen. Das eine interpretiert als bestimmt, das andere unbestimmt. Die Punkte zu verbinden, holt die Kontingenz mit herein, die etwas rational und nichtrational gleichzeitig betrachtet. Also nicht nur Bezug nehmend auf die Rationalität, die sich ja immer auf den einen Verbindungs- oder Begründungspunkt, der richtig ist, bezieht. Kontingent bedeutet, dass man auch andere Gründe benennen könnte. Alles könnte anders sein. Unter welchen Bedingungen findet man eine Serendipität, bei der mehrere Verbindungen denkbar werden?

Busch: Zwei Gesichtspunkte erscheinen mir hier wichtig zu sein. Erstens die Frage der Potenzialität, oder, wer kann ich als Person sein?...

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