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Flüchtige Freunde

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Berlin Verlagerschienen am27.04.2023Auflage
Halloween - die Nacht, in der man alles und jeder sein darf. Auf dem Collegecampus bereitet man sich aufgeregt auf das wilde Treiben vor. Leda, Studentin im dritten Jahr, will eigentlich cool bleiben, aber als Ian signalisiert, sie auf einer Party treffen zu wollen, lässt sie sich doch in die allgemeine Aufregung mit hineinziehen. Am nächsten Morgen wacht sie mit einen Filmriss und einem tiefen Riss in der Lippe auf. Was genau ist letzte Nacht passiert? Als dann eine Kommilitonin vermisst wird, versucht Leda obsessiv herauszufinden, wo sie stecken könnte. Immer unschärfer werden ihre Motive für diese Nachforschungen: Sucht Leda noch Charlotte? Oder eigentlich sich selbst?

Anna Caritj studierte Englische und Spanische Literatur an der University of Virginia und Creative Writing an der Hollins University. Sie lebt in Südwestvirginia. ?Flüchtige Freunde? ist ihr erster Roman.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR23,99

Produkt

KlappentextHalloween - die Nacht, in der man alles und jeder sein darf. Auf dem Collegecampus bereitet man sich aufgeregt auf das wilde Treiben vor. Leda, Studentin im dritten Jahr, will eigentlich cool bleiben, aber als Ian signalisiert, sie auf einer Party treffen zu wollen, lässt sie sich doch in die allgemeine Aufregung mit hineinziehen. Am nächsten Morgen wacht sie mit einen Filmriss und einem tiefen Riss in der Lippe auf. Was genau ist letzte Nacht passiert? Als dann eine Kommilitonin vermisst wird, versucht Leda obsessiv herauszufinden, wo sie stecken könnte. Immer unschärfer werden ihre Motive für diese Nachforschungen: Sucht Leda noch Charlotte? Oder eigentlich sich selbst?

Anna Caritj studierte Englische und Spanische Literatur an der University of Virginia und Creative Writing an der Hollins University. Sie lebt in Südwestvirginia. ?Flüchtige Freunde? ist ihr erster Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783827080714
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum27.04.2023
AuflageAuflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse8258 Kbytes
Artikel-Nr.11140814
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1
Samstag, 31. Oktober

Leda band sich die neonpinken Laufschuhe, während Engel, Astronauten und Superhelden sich auf die erste Runde »Süßes oder Saures!« machten. Sie gingen vor der Treppe der Psi-Delta-Verbindung vorbei, richteten ihre Heiligenscheine, zerrten Polyesterschwänze hinter sich her, rannten (oder bekamen zu hören: Nicht rennen!), wurden auf dem Arm getragen: eine staunende Hummel, eine Erbsenschote. Im Astronomieseminar hatte Leda gelernt, dass die Welt 4,5 Milliarden Jahre alt war und die Menschheit den kosmischen Plan kaum angeknittert hatte. Das Leben war klein, so viel stand fest. Aber in solchen Augenblicken kam es ihr gewaltig vor - wenn sie Kinderstimmen hörte, das Zwitschern der Meisen und Polizeisirenen, die irgendwo heulten -, beinahe lieblich. Es kam ihr gewaltig vor, wenn sie einfach die Tür öffnen und die letzten roten Blätter des Hartriegelstrauchs betrachten konnte, die klaren Sonnenstrahlen und die weißen Rechenperlen, die am Himmel vorbeizogen. Da stand Leda, und die Welt um sie herum summte. Da stand Leda auf der Schwelle des Tages und fragte sich, ob heute alles beginnen oder zu Ende gehen würde. Etwas kam ins Rutschen, das spürte sie.

Die Kinder strömten auf den Lawn - den viereckigen, begrünten und in Terrassen angelegten Hof des Colleges, umgeben von zehn Pavillons und um die fünfzig Zimmern für Studierende der höheren Jahrgänge, deren Bewohner, wie Leda annahm, bereits vor der Tür standen und Süßigkeiten verteilten. Als Kind war Leda auch zu diesem Spektakel gegangen. Als sie einmal gemerkt hatte, wie ihre Mutter ihr einen Schokoriegel stibitzte, hatte die kauend gewitzelt, sie wolle nur testen, ob er vergiftet sei.

Inzwischen war Leda zu alt für Süßes oder Saures. Sie dehnte sich mit dem Kopf nach unten und gespreizten Beinen vor dem Haus. Sie roch bemoosten Stein und gefallenes Laub. Kopfüber sah sie eine Piratenbande über die Ampel an der Ecke Memorial Road und University laufen. Sie beobachtete ein T-Bone-Steak, wie es zum Planschbecken der Nachbarn rannte, in dem noch unberührte Bierdosen in geschmolzenem Eis lagen. Das Elternteil des Steaks (eine Kuh) fing das Kind wieder ein und trug es durch taubedeckte rote Plastikbecher hindurch zurück auf den Gehweg.

Leda dehnte sich und berührte mit der Schädeldecke beinahe den Boden. Sie sah an ihren sommersprossigen Beinen empor, den kurzen Shorts, dahinter eine V-Formation schreiender Gänse und windgetriebene Wolken. Morgen, schätzte sie. Wobei die Zeit eigentlich keine Rolle spielte. Es war Samstag. Sie gähnte kopfüber und hielt sich die Hand vor den Mund. Komische Geste, wo doch niemand in der Nähe war.

Sie trottete zum benachbarten Varsity Field, um die Waden zu dehnen. Mit den grauen Säulen und den Sitzbänken aus Beton hatte es etwas von einem klassischen römischen Theater, und die verfallene Atmosphäre, die allgemeine Heruntergekommenheit, sorgte dafür, dass die Studenten es sich hier gern gemütlich machten, eine Runde schliefen, benutzte Tampons zurückließen oder Sex hatten, wobei das Leda eher ungemütlich schien - immerhin lagen überall Glasscherben. Die Bögen und Kolonnaden gehörten zum Stil, auf den sich ihre Universität seit zweihundert Jahren etwas einbildete, obwohl die Architektur hier eher verwahrlost wirkte. Das Feld lag außerhalb des Campus und war umgeben von Verbindungshäusern (heißt: Horden Betrunkener).

Am anderen Ende standen unscheinbare Backsteinwohnheime. Dahinter konnte Leda O-Hill (O wie Observatorium) sehen, eine ihrer beiden liebsten Laufstrecken. Die Route führte durch einen dichten Wald und endete am Linsenteleskop der Universität. Ziel der zweiten Strecke war ein Friedhof aus Bürgerkriegszeiten in der Innenstadt. Die war zwar kürzer, dauerte jedoch jedes Mal länger als O-Hill, weil Leda gern zwischen den Gräbern umherstreifte und gedankenverloren nach Familiennamen suchte. Sie entdeckte nie welche. Das entscheidende Grab - das ihrer Mutter - lag sechzig Kilometer entfernt.

Leda kehrte dem Hügel den Rücken, stellte die Zehenspitzen auf eine Stufe und schob die Fersen nach unten. Jemand hatte Glitter verschüttet, der Kies schimmerte. Über ihr flatterten fünf Höschen an einer Leine, die zwischen zwei Säulen der dorischen Kolonnade gespannt war. Auf der anderen Straßenseite lugte die Sonne über das Dach der Kappa-Chi-Verbindung. Griechische Buchstaben und Kürzel von Geheimbünden zierten alle Seiten des Gebäudes. Ein Mädchen mit Paillettenoberteil saß auf einem Bierfass vor einem aufgemalten Chi auf der Veranda. Das weiße X breitete sich hinter ihr aus wie Flügel.

An einem Pfahl im Vorgarten baumelte eine fleischartige Maske. Im Inneren des Frat-Hauses knisterte etwas wie ein Rückkoppelungsgeräusch. Leda wollte sich gerade unter der Höschengirlande hindurchducken und loslaufen, als Klaviermusik aus der Verbindung schallte. Zwei Tauben schossen gen Himmel wie Feuerwerkskörper. Das Paillettenmädchen schaute ihnen nach, und die Musik leierte, jetzt waren es Synthesizer, dann wieder Klavier. Vielleicht eine verbogene Schallplatte, oder es war Ledas Gehör, das den Klang fehlinterpretierte, Durakkorde, die zu Mollakkorden verschwammen, keine eindeutige Tonart. Dann hob die Klaviermelodie wieder an, dazu der schwummerige Gesang:

You can dance ...

Ein Zug ratterte hinter dem Sportplatz vorbei und übertönte »Dancing Queen«. Als Leda mit den Füßen zu schlurfen begann - ein müder Tanz -, hörte sie die Musik kaum noch. Der Zug zischte hinter dem Maschendrahtzaun vorbei, in den Waben wiederholte sich das schwarz-rot-graue Muster. Normalerweise winkte Leda dem Lokführer zu, eine alberne Angewohnheit aus Kindertagen, aber heute sah sie niemanden im Fenster.

See that girl ...

Das Paillettenmädchen verschwand, als Leda um die Ecke bog. Sie kam an weiteren Fraternitys und einigen Sororitys vorbei. Sie überquerte die Beta Bridge mit ihren Generationen von Farbschichten, die nach der Zugdurchfahrt in anhaltende Stille gehüllt war. Ein Auto fuhr vorbei und hinterließ einen Luftstoß. Vor ihr auf dem Gehweg spazierte ein winziger Power Ranger mit seiner Mutter. Leda lief. Sie sprang über Glasscherben - zerschmettert wie Kies - und überquerte die Straße, dort lagen ebenfalls Scherben. Die Rotunda erhob sich in der Ferne, aber sie bog in eine Nebenstraße ab und verlor sie aus den Augen. Sträucher wucherten auf den Bürgersteig. Über dem Verandageländer einer Studentinnenverbindung hingen Handtücher mit Disneyprinzessinnen: Jasmin, Belle, Dornröschen.

In der Fraternity Row überholte sie eine andere Joggerin. Dann noch eine. Sie kam an einem Esstisch vorbei, der unter einer Stechpalme hervorragte und mit künstlichen Spinnweben und orangefarbenen Perlen bedeckt war. Sie kam an drei Styroporbehältern mit etwas vorbei, das nicht nach Essen aussah. Sie kam an vier Jungs vorbei, die auf dem Dach eines Verbindungshauses saßen, aus roten Bechern tranken und Würstchen aßen. Zwar trug nur einer von ihnen eine Toga, aber alle vier warfen sich in Pose wie Möchtegerngötter. Einer schleuderte seine Sonnenbrille vom Dach und brüllte etwas. Leda lief unbeirrt weiter. Sie wollte ihnen nicht das Vergnügen ihrer Aufmerksamkeit gönnen. Sie summte: Young and sweet ... Die Straße wurde breiter. Hinter ihr grölten die Götter vom Dach, weil sie so wenig Beachtung gefunden hatten.

»Fotze«, rief ihr einer hinterher. »Schlampe!«

Leda salutierte. In den drei Jahren am College hatte sie schon Schlimmeres zu hören bekommen. Die Bezeichnungen, mit denen Frauen, Männer - alle - bedacht wurden, waren wie die Namen von Tieren und Pflanzen: angenehm praktisch, eine Vereinfachung der unzähligen Ausprägungen der Welt. Denn vor all diesen Bezeichnungen, bevor sie sich wirklich an etwas erinnern konnte, war sie ein Kind mit einem Plastikkürbis in der Hand gewesen: klein und wundersam und auf dem Weg ins Hier und Jetzt. Genau wie alle anderen.

Sie gähnte erneut. Hielt sich die Hand vor den Mund, damit niemand ihre Zunge und Zähne sehen musste. Sie...
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