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Montag bis Mittwoch

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
440 Seiten
Deutsch
Dörlemann eBookerschienen am08.03.2023
Zwei, die in den achtziger Jahren jung sind, stehen auf einer Lichtung in den Bergen von Tolfa nördlich von Rom. Horst hofft, hier im Herzen des Etruskerlands Artefakte auszugraben und sich mit dem Erlös die Freiheit zu erkaufen. Marius hat eine glänzende akademische Karriere vor sich und macht hier nur aus Lust am Spiel mit. Der Dritte im Bund, Alfred, ist an diesem heißen Augustmontag nur in einem Traum präsent, der aber für alle drei sehr reale Konsequenzen haben wird. So wie überhaupt jener Tag für sie und eine Reihe weiterer Protagonisten. Am Ende schließt sich der Kreis, auf dem sich die Geschichte durch die Monate eines Jahrs bewegt, an einem Mittwoch auf überraschende Art. MONTAG BIS MITTWOCH führt an verschiedene Schauplätze, Rom, Zürich, eine kleine Stadt in Oberfranken, wobei Christina Viragh die Fäden menschlicher Beziehungen und Schicksale über Zeiten und Distanzen hinweg zu einem lebendigen Teppich verknüpft.

CHRISTINA VIRAGH, geboren 1953 in Budapest, kam mit sieben Jahren nach Luzern. Nach dem Studium der Philosophie und Literatur ist sie seit den 1980er-Jahren als Schriftstellerin und Übersetzerin tätig. Nach zahlreichen Publikationen erschien zuletzt der Roman EINE DIESER NÄCHTE (2018). Christina Viragh übersetzte u. a. Marcel Proust, Imre Kertész, Sándor Márai und Péter Nádas. Für ihre Übersetzung von Nádas' Parallelgeschichten erhielt sie 2012 den Preis der Buchmesse Leipzig. Für ihren Roman EINE DIESER NÄCHTE war sie 2018 für den Deutschen Buchpreis nominiert und erhielt 2019 sowohl den Schweizer Literaturpreis als auch den Kunst- und Kulturpreis der Stadt Luzern. Sie lebt in Rom.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR28,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR19,99

Produkt

KlappentextZwei, die in den achtziger Jahren jung sind, stehen auf einer Lichtung in den Bergen von Tolfa nördlich von Rom. Horst hofft, hier im Herzen des Etruskerlands Artefakte auszugraben und sich mit dem Erlös die Freiheit zu erkaufen. Marius hat eine glänzende akademische Karriere vor sich und macht hier nur aus Lust am Spiel mit. Der Dritte im Bund, Alfred, ist an diesem heißen Augustmontag nur in einem Traum präsent, der aber für alle drei sehr reale Konsequenzen haben wird. So wie überhaupt jener Tag für sie und eine Reihe weiterer Protagonisten. Am Ende schließt sich der Kreis, auf dem sich die Geschichte durch die Monate eines Jahrs bewegt, an einem Mittwoch auf überraschende Art. MONTAG BIS MITTWOCH führt an verschiedene Schauplätze, Rom, Zürich, eine kleine Stadt in Oberfranken, wobei Christina Viragh die Fäden menschlicher Beziehungen und Schicksale über Zeiten und Distanzen hinweg zu einem lebendigen Teppich verknüpft.

CHRISTINA VIRAGH, geboren 1953 in Budapest, kam mit sieben Jahren nach Luzern. Nach dem Studium der Philosophie und Literatur ist sie seit den 1980er-Jahren als Schriftstellerin und Übersetzerin tätig. Nach zahlreichen Publikationen erschien zuletzt der Roman EINE DIESER NÄCHTE (2018). Christina Viragh übersetzte u. a. Marcel Proust, Imre Kertész, Sándor Márai und Péter Nádas. Für ihre Übersetzung von Nádas' Parallelgeschichten erhielt sie 2012 den Preis der Buchmesse Leipzig. Für ihren Roman EINE DIESER NÄCHTE war sie 2018 für den Deutschen Buchpreis nominiert und erhielt 2019 sowohl den Schweizer Literaturpreis als auch den Kunst- und Kulturpreis der Stadt Luzern. Sie lebt in Rom.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783038209058
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum08.03.2023
Seiten440 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1513 Kbytes
Artikel-Nr.11178527
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


 

Montag im August, alle noch am Leben, die beiden zum Beispiel, die jetzt in der größten Hitze nördlich von Rom in den Bergen von Tolfa, eigentlich Vulkanhügel, sechshundert Meter über Meer, nach einer etruskischen Totenstadt graben. Selbstverständlich ohne Genehmigung, wer käme schon an dieser entlegenen Waldlichtung vorbei. Sie sieht ja auch nicht nach Totenstadt aus, keine von Vegetation überwachsenen Höcker, die auf etruskische Tumulusgräber deuten, wie es in Etrurien, Toskana, Umbrien, Latium, viele gibt, ausgegrabene und nicht ausgegrabene. Die Lichtung ist mehr oder weniger viereckig, ihre Längsachse genau nach Norden ausgerichtet. In ihrem südöstlichen Teil eine alte Eiche. Am Boden trockenes gelbes Gras, vertrocknete Disteln. Ringsum Mischwald, Buche, Eiche, Hagebuche, immergrüne Steineiche, Erdbeerbaum. Im Wald dichter Schatten, da und dort ein Sonnenfleck. Zikadensägen.

Jetzt um den Mittag an diesem Montag Anfang der achtziger Jahre sitzen die beiden im Schatten am Waldrand, so verrückt sind nicht einmal sie, um diese Zeit in der Erde zu stochern. Sie essen ihre panini, pomodoro e mozzarella, bresaola e rucola. Vor ihnen sitzt ein mittelgroßer gelber Hund, fixiert sie. Einer der beiden reißt ein Stück von seinem panino ab und wirft es ihm hin. Einer der beiden, vierundzwanzig, groß gewachsen, dünn und trotz der Hitze in langer Hose und mit geschlossenen Schuhen, vielleicht aufgrund korrekter Überlegungen betreffend Sonneneinstrahlung, Dornengestrüpp und Vipern. Er ist Schweizer. Der andere, zweiundzwanzig, trägt abgeschnittene ausgefranste Jeans und sonst nichts außer Turnschuhen. Dementsprechend Kratzer an seinem Oberkörper und seinen Waden. Es führt ja kein Weg durchs Gestrüpp, das Hemd des Schweizers hat die Art Riss, die man in der Schweiz Dreiangel nennt. Sogar der Hund hat einen blutigen Kratzer an einem der aufgerichteten, an der Spitze geknickten Ohren. Er ist eine Promenadenmischung, einem Dingo nicht unähnlich, mittelgroß, gelbes Fell, lang gezogene Schnauze, so ein Hund von der Sorte Vorstadt-Anubis, sagt der korrekt gekleidete junge Mann. Im Übrigen heißt der Hund Vel. Etruskischer Name, hat der Halbnackte, ein Deutscher, gesagt, er hat dem Hund den Namen gegeben. Er selbst lässt sich Oreste nennen, eigentlich heißt er Horst, aber das spricht dir kein Italiener aus. Der Schweizer heißt Marius. Ja, sein Vater ist Lateinprofessor. Marius. Nenn ihn ja nicht Mario, das verträgt er nicht, solche Anbiederungen, genauer gesagt, die Unterstellung, dass er sich mit der Italianisierung seines Namens anbiedern wollen würde. Er spricht besser Italienisch als Horst-Oreste, der ihn in der via dei Capocci, Rom, mit deutschem Akzent auf Englisch ansprach und ihm dann auf Deutsch für fünfzigtausend Lire zehn Gramm Marihuana andrehen wollte. Marius kifft nicht. Was ihn nicht gehindert hätte, das Zeug zu kaufen, hätte er so viel Geld dabeigehabt.

Also, am Waldrand im Schatten, ein Uhr jetzt, Montag im August und alle noch am Leben. Sie essen die letzten Bissen ihrer panini, pomodoro e mozzarella, bresaola e rucola, der Hund Anubis Vel sitzt neben Horst. Horst Oreste zu nennen, weigert sich Marius. Obwohl Oreste doch, hat Horst gesagt, ein römischer Kaiser war. Klar, hat Marius gesagt, und hat er nicht auch Rom angezündet. Nero, hat Horst gesagt, das war Nero, glaube ich.

Sie sitzen im Schatten am Waldrand, Marius sagt, die Zikaden sollte man abstellen können. Das Gesäge ist ohrenspaltend, und man hat das Gefühl, es erzeuge die Hitze. Die Frage, wie die Zikaden das vom Morgen bis zum Sonnenuntergang durchhalten, strengt einen Teil des Denkens dauernd an. Horst sagt, hast recht, die sollte man abstellen können. Er drückt eine Handfläche und die Faust mit dem panino gegen die Ohren, nimmt sie weg, drückt sie wieder an, wodurch das Gesäge noch verrückter pulsiert. Ein Stück mozzarella fällt aus dem panino. Der Hund schnellt hoch und schnappt es sich.

Sie liegen im Schatten am Waldrand, auf trockenen Blättern, vertrockneten Eichelkapseln, stacheligem Gras, Steinchen, roten Waldameisen. Scheiße, sagt Horst, diese ganzen Ameisen. Lass sie doch, sagt Marius. Auf seinem weißen Hemd krabbeln sie schon. Horst hat sein T-Shirt angezogen, nützt nicht viel. Soll doch dieser Vel Jagd auf sie machen, wozu ist der ein Hund. Los, Vel, da. Mit der Höflichkeit der Hunde schnappt Vel nach einer Ameise, kaut mit hochgezogenen Lefzen und angeekeltem Ausdruck lange an ihr. Vergiss es, sagt Horst. Marius wischt sich die Ameisen vom Hemd, nein, stimmt nicht, er berührt sie nicht, die Hand wischt ein paar Zentimeter über dem Stoff durch die Luft, fällt zu Boden. Marius ist weg. Weggetreten. Dass der einfach so einschlafen kann. Horst liegt wach im Grillensägen wie auf einem, wie heißt das Ding, Fakirbett oder Fakirbrett.

Vielleicht hat Horst doch eine Weile geschlafen, der Hund schläft immer noch, auf der Seite liegend, die Läufe weggestreckt. Es ist jetzt zwei Uhr an diesem Montag im Schatten am Waldrand, Marius lacht im Traum so komisch. Mann, was ist? Da war einer, sagt Marius. Er ist wie immer auf einen Schlag hellwach. Was für einer? Einer mit einem komischen Namen, etwas wie Touristisch. Den hast du geträumt? Ja. Scheiße, das ist Alfred. Muss Alfred sein. Der heißt Turidis, ist Litauer. Alfred Turidis. Turidis, ja, könnte sein, sagt Marius. Und was machte Alfred im Traum? Hauptsächlich umherlaufen, hier auf der Lichtung, zwischen kleinen Tumulusgräbern. Echt? Echt. Ach du große Scheiße. Ich wüsste nicht, warum das eine Scheiße wäre. Doch, um Alfred ist es geschehen. Träum nicht jemanden auf einer Etruskerlichtung zwischen Gräbern, wenn du nicht willst, dass er stirbt. Jetzt übertreib nicht. Ich weiß, was ich sage, sagt Horst. Was ist das für ein Alfred? Ja, eben aus Litauen, aber er spricht deutsch, Mutter Deutschlitauerin, er wohnt in der via in Selci. Und was macht er in der via in Selci? Nichts, studieren, ich weiß es nicht so genau, er ist schon seit mehr als einem Jahr in Rom. Der arme Alfred.

Halb drei im Schatten am Waldrand, Horst sitzt an einen Stamm gelehnt, der Hund schläft immer noch, Marius wieder. Wenn der nur nicht von Alfred weiterträumt, und der Hund womöglich auch. Man sollte sich eine rollen, aber Horst wagt nicht, sich eine zu rollen, das Zeug, das er hat, ist zwar nicht stark, aber wer weiß, was man plötzlich auf der Lichtung sehen könnte. Den Alfred oder geradewegs die Etrusker, ja, die Etrusker, dort, im Schatten der einzelnen Eiche. Früher Nachmittag im August, die Sonne steht nicht mehr im Zenit, aber das Licht ist noch überhell, Dinge im Schatten siehst du so schlecht, dass sie auch da sein könnten. Und dieser Vel ist auf einmal wach und spitzt die Ohren so komisch. Hat die eingeknickten Spitzen plötzlich aufgestellt. Und blickt zur Eiche hinüber, genau zur Eiche. Horst kneift die Augen zusammen, sieht nichts. Aber vielleicht nur, weil die dort stillstehen, den einen Arm vorgestreckt, die Hand erhoben, die andere Hand auf den Kopf gelegt, in Trauerhaltung, reglos. Sie trauern um Alfred. Und um die Kinder, die hier begraben sind, Marius hat doch diese ganzen kleinen Tumulusgräber geträumt. Horst klaubt eine Sonnenbrille aus seiner Umhängetasche, von lausiger Qualität, die Brille, im Gegenlicht hast du einen Film darauf. Abnehmen, wieder die Augen zusammenkneifen, immer noch nichts. Aber die Ohren von diesem Vel immer noch bis in die Spitzen aufgestellt. Die Etrusker sind da. Du denkst, das gibt s nicht, wenn sie da wären, müsste man eine Bewegung sehen, so lange so reglos können die doch unmöglich stehen, den einen Arm vorgestreckt, die Hand erhoben, die andere Hand auf den Kopf gelegt, aber sie können. Weil sie nicht so sind wie wir. Kannst nicht, denkt Horst, von uns zu ihnen extrapolieren. Extrapolieren, das hat ihm jemand gesagt, hat ihm erklärt, dass es Ausdehnen eines Sachverhalts auf andere, unbekannte Sachverhalte bedeutet. Soll man nicht. Wenn wir nicht so stehen können, so reglos, können die noch lange. Auch weil sie selber tot sind. Alte Etrusker von sechshundert vor Christus, die hier Alfred und ihre im Jahr sechshundertzwölf oder sechshundertsieben oder sechshundertdrei verstorbenen Kinder betrauern. Kannst nicht zu ihnen extrapolieren. Du denkst, na gut, klar kann man so reglos stehen, wenn man tot ist, aber das ist nur für dich reglos, was weißt du, was der Tote eigentlich macht. Was wird Alfred machen, ausgestreckt auf einer Bahre, in seinem orangen outfit, in seinem orangen indischen Pyjama mit den Glitzerfäden.

Sie sitzen und liegen im Schatten am Waldrand, Montag im August und alle noch am Leben, auch wenn dieser Marius vielleicht gerade träumt, wie Alfred zwischen den Tumulusgräbern getorkelt kommt, er und doch nicht mehr er, die Augen mandelförmig, die Lippen in einem schiefen Lächeln, seltsame Flecken auf dem outfit, die Glitzerfäden ohne Glanz. Ja, um ihn trauern die Etrusker dort, den einen Arm vorgestreckt, die Hand erhoben, die andere Hand auf den Kopf gelegt. Auch um ihn. Der Vel liegt ja auch so komisch, wach, in angespannter Haltung, den Kopf flach zwischen den gestreckten Vorderläufen. Der wartet auf etwas. Dass Alfred näher kommt? Der sieht vielleicht, was Marius im Traum sieht. Vel, sagt Horst. Der Hund dreht kurz ein Ohr in seine Richtung. Es wäre besser, denkt Horst, wenn der nicht hier wäre, Hunde sehen zu viel, das ist ein Stress, neben diesem Marius. Wäre auch besser ohne Marius, aber wer käme sonst mit, jetzt im August, in dieser Hitze, in diesem Grillengesäge. Was willst du da finden, hat Marius in der via dei Capocci gefragt. Irgendwas, es liegt bestimmt was in der Erde, Grabbeigaben, eine Eidechse aus Bronze, eine Scherbe mit aufgemalter dreiköpfiger Schlange, eine genoppte Goldfibel, ein hinterhältig lächelnder Mädchenkopf, eine...

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Autor

CHRISTINA VIRAGH, geboren 1953 in Budapest, kam mit sieben Jahren nach Luzern. Nach dem Studium der Philosophie und Literatur ist sie seit den 1980er-Jahren als Schriftstellerin und Übersetzerin tätig. Nach zahlreichen Publikationen erschien zuletzt der Roman EINE DIESER NÄCHTE (2018). Christina Viragh übersetzte u. a. Marcel Proust, Imre Kertész, Sándor Márai und Péter Nádas. Für ihre Übersetzung von Nádas' Parallelgeschichten erhielt sie 2012 den Preis der Buchmesse Leipzig. Für ihren Roman EINE DIESER NÄCHTE war sie 2018 für den Deutschen Buchpreis nominiert und erhielt 2019 sowohl den Schweizer Literaturpreis als auch den Kunst- und Kulturpreis der Stadt Luzern. Sie lebt in Rom.

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt