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Die Individualität der Celebrity

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
590 Seiten
Deutsch
Herbert von Halem Verlagerschienen am01.10.20141. Auflage
Das Interview ist - medienübergreifend - eines der erfolgreichsten journalistischen Genres. Es etabliert sich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts in der Zeitung, um gelegentlich in Buchform zu überdauern. Im 20. Jahrhundert wird es zu einem wesentlichen Bestandteil von Hörfunk und Fernsehen und im 21. Jahrhundert sucht es seinen Platz im Internet. Umso erstaunlicher ist es, dass eine systematische Erforschung der Geschichte und Funktion des Genres bislang aussteht. Vor diesem Hintergrund vermisst Jens Ruchatz das breite Feld des journalistischen Interviews und entwirft dessen Gattungsgeschichte als Mediengeschichte. Als Konstante dieser 150-jährigen Geschichte erweist sich das generisch garantierte Versprechen, durch die authentische Wiedergabe eines Gesprächs die Authentizität der befragten Person so zu erfassen, dass das Individuum seine sozialen Masken ablegt. Das dem Genre so stabil zugeschriebene Vermögen bindet es funktional eng an die medienkulturelle Figur der Celebrity. Diese wiederum erweist sich seit Beginn des 19. Jahrhunderts als bevorzugter Ort, um in populärer Form das moderne Problem zu verhandeln, wie man sich überzeugend als Individuum darstellen kann. In der Verknüpfung von Interview, Celebrity und Individualität arbeitet diese Studie die besondere Funktion der Interviewform heraus, exemplarisch individualisierende Selbstbeschreibungen vorzuführen, die im massenmedial hergestellten Zwiegespräch stets schon kommunikativ eingelöst sind.

Prof. Dr. Jens Ruchatz lehrt Medienwissenschaft an der Universität Marburg. Mit der vorliegenden Arbeit habilitierte er sich an der Universität Erlangen-Nürnberg.
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Produkt

KlappentextDas Interview ist - medienübergreifend - eines der erfolgreichsten journalistischen Genres. Es etabliert sich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts in der Zeitung, um gelegentlich in Buchform zu überdauern. Im 20. Jahrhundert wird es zu einem wesentlichen Bestandteil von Hörfunk und Fernsehen und im 21. Jahrhundert sucht es seinen Platz im Internet. Umso erstaunlicher ist es, dass eine systematische Erforschung der Geschichte und Funktion des Genres bislang aussteht. Vor diesem Hintergrund vermisst Jens Ruchatz das breite Feld des journalistischen Interviews und entwirft dessen Gattungsgeschichte als Mediengeschichte. Als Konstante dieser 150-jährigen Geschichte erweist sich das generisch garantierte Versprechen, durch die authentische Wiedergabe eines Gesprächs die Authentizität der befragten Person so zu erfassen, dass das Individuum seine sozialen Masken ablegt. Das dem Genre so stabil zugeschriebene Vermögen bindet es funktional eng an die medienkulturelle Figur der Celebrity. Diese wiederum erweist sich seit Beginn des 19. Jahrhunderts als bevorzugter Ort, um in populärer Form das moderne Problem zu verhandeln, wie man sich überzeugend als Individuum darstellen kann. In der Verknüpfung von Interview, Celebrity und Individualität arbeitet diese Studie die besondere Funktion der Interviewform heraus, exemplarisch individualisierende Selbstbeschreibungen vorzuführen, die im massenmedial hergestellten Zwiegespräch stets schon kommunikativ eingelöst sind.

Prof. Dr. Jens Ruchatz lehrt Medienwissenschaft an der Universität Marburg. Mit der vorliegenden Arbeit habilitierte er sich an der Universität Erlangen-Nürnberg.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783744507738
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum01.10.2014
Auflage1. Auflage
Seiten590 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3799 Kbytes
Illustrationen17 s/w Abbildungen
Artikel-Nr.11214943
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

I. Die Genese der Gattung in den Printmedien: authentisch/nicht authentisch
I.1. Das Interview als Gattung

Wenn vom Interview im Kollektivsingular die Rede ist, dann meint dies in der Regel zunächst eine - ziemlich große - Gruppe von Texten, die aufgrund bestimmter, identifizierbarer Gemeinsamkeiten zusammengehört. Die Literaturund Kulturwissenschaften haben für nach strukturellen Merkmalen gebildete Textklassen die oft synonym gebrauchten Begriffe Genre und Gattung reserviert. Insofern es sich nicht um literarische, sondern um alltagssprachliche Texte handelt, würde die Textlinguistik das Interview hingegen als journalistische Textsorte untersuchen, deren Kennzeichen es typologisch von anderen zu unterscheiden und in Bezug auf die Herausbildung einer Texttradition zu historisieren gilt.51 Unter dem sehr breit gefassten Terminus Textsorte lassen sich überdies nicht nur schriftliche oder druckschriftliche Texte, sondern auch orale Kommunikationsformen bündeln. Im Rahmen der Publizistik unterscheidet man dagegen vorzugsweise journalistische Darstellungsformen52 und deutet damit an, dass man zur Behandlung desselben Themas über diverse formale Optionen verfügt, so beispielsweise den Sieg einer Fußballmannschaft durch einen Spielbericht, eine Reportage aus der Fankurve oder ein Interview mit dem Trainer darzustellen vermag. Journalistische Darstellungsformen sind denn auch weniger historischtheoretisch aufgearbeitet, als dass sie in Anleitungen zur journalistischen Praxis als zu erlernendes »Einmaleins«53 vorgegeben werden. Vor diesem Hintergrund redet Journalistik-Professor Gunter Reus seinen Fachkollegen ins Gewissen, »daß wir in der Erforschung von Darstellungsformen kaum vorangekommen sind, obwohl dies Fachvertreter schon in der Gründerzeit der Journalistikinstitute angemahnt hatten.« Es lägen in Deutschland, »so unglaublich das klingt«, keine »geschlossene Geschichte der Reportage«, aber auch »keine Geschichte des Porträts, keine Geschichte des Features, keine Geschichte des Essays und keine Geschichte des Interviews«54 vor. Anders gesagt: Das Wissen über journalistische Darstellungsformen findet sich in den Fachpublikationen in der Regel nicht deskriptiv und historisiert, sondern präskriptiv und praxisorientiert ausformuliert.

Obgleich die disziplinären Traditionen legitim auf einer Differenzierung dieser Begriffe beharren können, werde ich mich fortan auf die Kulturwissenschaft und Journalismus übergreifende Begrifflichkeit der Gattung beschränken und weitere Nuancierungen außen vor lassen, denn mir geht es gerade nicht um eine wind- und wetterfeste Kategorie, sondern ausschließlich um die Funktion entsprechender Generalisierungen im Mediengebrauch.55 Versuche, zunächst zu bestimmen, was einzelne Gattungen und Genres essentiell ausmacht, um darauf ein als apriorisch gedachtes, quasi-naturwissenschaftliches Klassifikationssystem für Texte zu bauen, sind trotz aller heuristischen Produktivität als gescheitert anzusehen.56 Der Erfolg generischer Klassifikation in der kulturellen Praxis beruht vermutlich gerade auf der Diffusität und Wandelbarkeit der Gattungsgrenzen.57 An die Stelle fixer Bestimmungen sind im aktuellen wissenschaftlichen Diskurs daher stärker pragmatisch eingefärbte Konzeptualisierungen getreten, die wie »Gattungsbewusstsein« den Gebrauch von Gattungsunterscheidungen relativ unabhängig von klar eingrenzbaren Merkmalen halten, sondern etwa unter Abgleich mit bestimmten prototypischen Vertretern verstehen und damit variabel handhaben.58

Schon daher spricht viel dafür, die Funktion von Gattungsunterscheidungen und -bezeichnungen in massenmedialer Kommunikation zu untersuchen. Die Ausbildung formaler und thematischer Invarianten ermöglicht, Kommunikation so zu strukturieren, dass dadurch ein Gewinn an Komplexität realisiert werden kann. Sobald beispielsweise in das System des Films Genres eingeführt werden, können Erwartungen nicht mehr nur innerhalb eines Films, »sondern auch im Zusammenhang zwischen den Filmen«59 gebildet werden. Wenn ich voraussetzen kann, wie ein Western narrativ funktioniert, dann wird es möglich, mit den aufgrund solchen Wissens gebildeten Erwartungen zu operieren, statt diese erst textimmanent bilden zu müssen. Die Notwendigkeit, Erwartungen zwischen einzelnen Texten zu bilden und damit wesentliche Voraussetzungen nicht jedes Mal aufs neue etablieren zu müssen, ist dafür verantwortlich, dass sich in jedem Medium, das eine gewisse Komplexität der Sinnproduktion erreicht, eine Ordnung von Gattungen vorfinden lässt. Bei Gattungen handelt es sich freilich um vergleichsweise komplexe Ordnungssysteme. Sie stellen auf strukturelle und formale Invarianten ab, die anders als etwa eine Ordnungsgröße wie Autorschaft mit der Diffusität umgehen muss, dass noch nicht einmal festgelegt ist, welche Eigenschaften eines Textes überhaupt als gattungskonstitutiv anzusehen sind.60 Ein Drama und ein Interview mögen sich formal sehr ähnlich sehen und werden üblicherweise doch anhand der Unterscheidung Fiktion/Nicht-Fiktion auseinandergehalten. Nicht zuletzt weil die auschlaggebenden Bestimmungsstücke nicht verbindlich festgelegt sind, bleiben Gattungsgrenzen fluide.

In den bisherigen Überlegungen impliziert, aber für die kommunikative Leistung von Gattungsbildung entscheidend ist die Tatsache, dass es sich bei Gattungswissen um ein sozial geteiltes Wissen handeln muss, dass also sowohl auf Rezipienten- als auch auf Produzentenseite koordinierte, wenn auch nicht notwendig identische Vorstellungen darüber bestehen müssen, was die formalen Merkmale, üblichen Inhalte und kommunikativen Funktionen der einzelnen Gattungen sind. Dass Gattungen dazu dienen, die Erwartungen in Produktion und Rezeption aufeinander zu beziehen, gehört mittlerweile zum Konsens der Theorie.61 Kommunikative Strukturen werden durch reflexive Erwartungen, über Erwartungserwartungen, stabilisiert: »Soziale Relevanz [...] gewinnen Erwartungen aber nur, wenn sie ihrerseits erwartet werden können.«62 Produzenten und Autoren können erwarten, was das Publikum erwartet, wenn es beispielsweise einen Western angekündigt bekommt, und sich danach richten; das Publikum seinerseits weiß, welche Erwartungen von ihm legitim erwartet werden können, wenn es sich dafür entschieden hat einen Western zu sehen und wird sich darauf einstellen, anstatt sich darüber zu beklagen, dass weder Liebesbeziehungen noch kriminalistische Ermittlungen im Mittelpunkt stehen. Gattungen gewinnen ihre Identität wesentlich im Vergleich zu anderen Gattungen, von denen sie sich formal, inhaltlich aber auch hinsichtlich ihrer Sinnversprechen unterscheiden.63

Als Wissen, dessen gesellschaftliche Verfügbarkeit vorausgesetzt wird, machen Gattungen das Gelingen komplexerer Kommunikation wahrscheinlich. Man kann nun sehen, dass sich Gattungsunterscheidungen weniger auf eine Summe einander ähnlicher, auf eine bestimmte Art gestalteter Texte beziehen, sondern insbesondere auf die Regeln und Versprechen, die Texte überhaupt erst zu Elementen solcher Gruppe machen. Kurz: Es geht weder um die einzelnen Interviewtexte noch um ihre Gesamtheit, sondern um das Wissen, das zu einem gegebenen Zeitpunkt, die Erzeugung, Distribution und Rezeption dieser Texte regelt. Mit Jason Mittells Vorschlag zu einer Theorie der Fernsehgenres ließe sich auch formulieren, dass das Genre kein Element medialer Texte sei, das es aus diesen zu extrahieren gelte, sondern eine ihnen übergeordnete Kategorie, die überhaupt erst Verbindungen zwischen den einzelnen Texten herstelle: »The members of any given category do not create, define, or constitute the category itself. Categories link a number of discreet elements together under a label for cultural convenience.«64 Ein Genre würde dann allein durch das kollektive Wissen gebildet, das diese Kategorie aufspannt.

In aktualisierter Form durchzieht dieses Wissen selbstverständlich auch die einzelnen Exemplare einer Gattung. Gattungswissen und Gattungsbewusstsein bilden sich in der Regel ja erst im Umgang mit bestimmten Texten und den ihnen angehefteten Etikettierungen heraus. Dabei wird vom einzelnen Text abstrahiert und intertextuell auf textübergreifende Invarianten geschlossen, die dann mit einem Gattungsbegriff korreliert werden können: Texte, die unter der Bezeichnung Interview auftauchen, bilden sicherlich nicht ausschließlich die Kategorie Interview , aber ihre Gemeinsamkeiten sind eine wesentliche Grundlage, um ein Gattungswissen herauszubilden.65 Ihrerseits referiert die Produktion der einer Gattung zugerechneten Texte zumeist auf eben dieses Wissen. Mittells Modell unterschätzt, wie sehr die Einschreibung bestimmter Muster in die einer Gattung sich zurechnende Texte, diese an der Aushandlung der Gattungskonturen beteiligt. Dennoch möchte ich im Folgenden seine Anregung aufgreifen, Gattungen als diskursive Praxis zu untersuchen und als kategoriebezogenes Wissen theoretisch spezifizieren. Die Kategorie Interview findet sich dann nicht nur - und nicht einmal vorrangig - in den Interviews selbst, sondern überall dort, wo mit dem Begriff Interview hantiert wird:

»Genres do run through texts, but also operate within the practices of critics, audiences, and industries - anyone who uses generic terms is participating in the constitution of genre categories. Thus we might look at what audiences and industries say about genres, what terms and definitions circulate around any given generic instance, and how specific cultural assumptions are linked to...
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