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Auf Augenhöhe?

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
272 Seiten
Deutsch
Herbert von Halem Verlagerschienen am01.12.20111. Auflage
'Deutschland sucht den Superstar', 'Germany's next Topmodel' oder 'Die Super Nanny' - was macht diese Sendungen so interessant? Geht es um Voyeurismus oder Schadenfreude, wenn untalentierte Kandidaten von Dieter Bohlen bloßgestellt werden? Dient die Fokussierung auf das Optische bei Heidi Klum der Fixierung auf ein bestimmtes Körperideal? Sind Coachingformate wie 'Die Super Nanny' ein Alptraum oder moderne Lösungen für Hilfesuchende in scheinbar aussichtslosen Situationen? All diese Formate stehen seit Jahren bei den Zuschauern hoch im Kurs, werden aber auch heftig kritisiert. Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis geben Einblick in den aktuellen Diskurs und stellen die Ergebnisse der neueren Forschung zum Thema vor. Eine Studie zu den Sehmotiven und Verarbeitungsformen bei Kindern und Jugendlichen zeigt: Junge Zuschauer gehen mit Castingshows und Coachingssendungen nicht selten ganz anders um als erwartet.

Olaf Selg ist Publizist und Dozent im Bereich Medienbildung.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR29,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR26,99

Produkt

Klappentext'Deutschland sucht den Superstar', 'Germany's next Topmodel' oder 'Die Super Nanny' - was macht diese Sendungen so interessant? Geht es um Voyeurismus oder Schadenfreude, wenn untalentierte Kandidaten von Dieter Bohlen bloßgestellt werden? Dient die Fokussierung auf das Optische bei Heidi Klum der Fixierung auf ein bestimmtes Körperideal? Sind Coachingformate wie 'Die Super Nanny' ein Alptraum oder moderne Lösungen für Hilfesuchende in scheinbar aussichtslosen Situationen? All diese Formate stehen seit Jahren bei den Zuschauern hoch im Kurs, werden aber auch heftig kritisiert. Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis geben Einblick in den aktuellen Diskurs und stellen die Ergebnisse der neueren Forschung zum Thema vor. Eine Studie zu den Sehmotiven und Verarbeitungsformen bei Kindern und Jugendlichen zeigt: Junge Zuschauer gehen mit Castingshows und Coachingssendungen nicht selten ganz anders um als erwartet.

Olaf Selg ist Publizist und Dozent im Bereich Medienbildung.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783744504621
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2011
Erscheinungsdatum01.12.2011
Auflage1. Auflage
Seiten272 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2652 Kbytes
Artikel-Nr.11341057
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Einleitung
Joachim von Gottberg

Mit den Talkshows der 1990er-Jahre nahm eine Entwicklung ihren Anfang, bei der nahezu jeder, der vorher nur als Zuschauer am Fernsehen teilnahm, eine Chance bekam, selbst vor der Kamera aktiv zu werden. Während in der Tradition des öffentlich-rechtlichen Fernsehens fast ausschließlich Politiker, Stars aus Film, Musik oder Sport sowie eloquente Experten zu sehen waren, traten nun vor allem im privaten Fernsehen immer häufiger auch Menschen auf, die in ihrem echten Leben eher am unteren Rand der Gesellschaft zu finden sind. Nicht mehr Spielfilme oder Fernsehserien mit ausgeklügelten Geschichten und Dialogen, umgesetzt von begabten Regisseuren und begnadeten Schauspielern, wurden bevorzugt zur Unterhaltung eingesetzt, sondern die Konflikte und Probleme des Alltags, authentisch dargestellt von denen, die sie auszufechten haben. Schon damals war allerdings die Realität erst dann wirklich interessant, wenn das Verhalten oder die beteiligen Personen selbst jenseits des gesellschaftlichen Regelfalls lagen. Für die Fernsehakteure heißt das: Früher war Berühmtheit eine Voraussetzung, um im Fernsehen mitwirken zu können, heute ist der Auftritt im Fernsehen eine Voraussetzung, um berühmt zu werden.

Wer die Gesetzmäßigkeiten erfolgreicher Fernsehprogramme kennt, weiß, dass Menschen mit ihren alltäglichen Problemen und Konflikten kaum jemanden interessieren, wenn man deren reale Lebenssituation ohne Inszenierung und Kommentierung eins zu eins dokumentiert. Die Normalität, die jeder Mensch jeden Tag selbst erlebt, ist als Fernsehunterhaltung eigentlich ungeeignet. Würde man beispielsweise bei der Castingshow »Deutschland sucht den Superstar« (DSDS) vornehmlich solche Kandidaten auftreten lassen, die durchschnittlich - also weder besonders gut noch besonders schlecht - singen, wäre das in etwa so interessant wie die Teilnahme an einer Probe des örtlichen Gesangvereins. Die Realität ist nicht per se interessant. Notwendig sind vielmehr eine professionelle Auswahl der teilnehmenden Personen und ihrer Geschichten, ein formatinternes Regelsystem, das Differenzen oder Konflikte zwischen den teilnehmenden Personen provoziert, und eine Moderation oder ein Kommentar, der das Geschehen bewertet und für den Zuschauer unterhaltsam aufarbeitet. Interessant ist demnach nicht der Regelfall, sondern die Besonderheit. Wichtig dabei ist, dass es sich um Themen und Personen handelt, die auf möglichst vielen Ebenen einen Bezug zum Leben der Zuschauer bieten. Sowohl bei DSDS als auch bei »Germany´s next Topmodel« (GNTM) geht es um mehr als um den besten Sänger bzw. das beste Model. Es geht auch um die Fragen, wie die Kandidaten mit der Kritik von Dieter Bohlen oder Heidi Klum umgehen, wie sie sich kleiden, welche Art der Präsentation zum Erfolg führt und wie sie mit Erfolg oder Misserfolg umgehen.

Natürlich gab und gibt es auch jenseits von »Popstars«, DSDS oder GNTM Popmusiker oder Models, die gecastet werden. Diese Castings laufen vermutlich ebenso wenig sensibel und diplomatisch ab wie das, was in den Zusammenschnitten der Castingshows mit den zum Teil markigen Kommentaren der Juroren im Fernsehen zu sehen ist. Aber sie finden in einem geschlossenen Raum statt, sodass sich die Anzahl der Zuschauer in engen Grenzen hält. Bei DSDS werden aber nun gerade das Scheitern und der Erfolg als Fernsehunterhaltung für ein Millionenpublikum inszeniert. Wer nur einigermaßen singen kann, ist uninteressant. Von Interesse ist vielmehr, wer durch seinen Gesang und sein Showtalent wirklich gute Chancen im Wettbewerb hat oder wer von seinem Talent oder seiner Person her komplett ungeeignet ist, aber dafür auf andere Weise Unterhaltungswert besitzt - zum Beispiel indem er sich besonders gut als Opfer heftiger Kritik eignet.

Wie wird sich nun jemand fühlen, der vor einem Millionenpublikum von Dieter Bohlen als die »personifizierte Talentfreiheit« bezeichnet wird oder dessen Gesang »ein Echo« abgesprochen wird, denn das »hat auch Geschmack«? Mit welcher Häme und Schadenfreude muss er rechnen, wenn er in sein soziales Umfeld zurückkehrt? Oder wird er auch bewundert, weil er es geschafft hat, im Fernsehen aufzutreten?

GNTM folgt einem anderen Muster. Die jungen Frauen nehmen an der Sendung teil, weil sie Model werden möchten, und haben bereits aufgrund eines entsprechenden Äußeren eine Vorauswahl überstanden. Es kommt also weniger auf ein bestimmtes Können oder Nichtkönnen an als vielmehr auf eine ansprechende äußere Erscheinung und die Fähigkeit, sich möglichst anschaulich zu präsentieren. Während sich Dieter Bohlen in seiner Kommentierung als Juror über die Talentfreiheit der Kandidaten lustig macht, geht es Heidi Klum bei GNTM um ernst gemeinte Kritik, die letztlich eine Botschaft hat: Streng dich an und sei zu allem bereit, um dein Ziel zu erreichen! Was heißt das für die Zuschauer und hier besonders für die Zuschauerinnen? Wird hier die Persönlichkeit einer Frau auf ein möglichst perfektes Äußeres reduziert? Und wie nehmen Jugendliche diese strikte Fixierung auf Aussehen und Präsentation in der Öffentlichkeit wahr? Die Frage, wie viel Intimität einem Millionenpublikum geboten werden kann, wird gegenwärtig im gesellschaftlichen Diskurs verhandelt. Dass dies kein isoliertes Phänomen ist, zeigt der Erfolg sozialer Netzwerke im Internet, in denen Menschen in erstaunlicher Freizügigkeit intimste Informationen und Bilder aus ihrem privaten Leben zur Verfügung stellen. Die öffentliche Wahrnehmbarkeit wird offenbar als wichtiger empfunden als das Risiko, sich zu blamieren oder Persönliches preiszugeben, das andere für ihre Zwecke missbrauchen können.

Ein anderes, aber im Grunde ähnliches Problem findet man bei Coachingformaten wie »Teenager außer Kontrolle« oder »Die Super Nanny«. Wo die Supernanny ins Haus geholt wird, dort ist das Verhältnis zu den Kindern meist so zerrüttet, dass die Situation aussichtslos erscheint. Kinder beschimpfen ihre Eltern, Eltern demütigen ihre Kinder, es wird geschrien und geschimpft, Verständigung oder gar Zuneigung sind nicht zu erkennen. Zum Teil grenzt das Verhalten - meist der Mutter - an körperlicher oder psychischer Misshandlung. Anhand von Videomaterial, das ein Kamerateam über eine Woche lang in der Familie aufgenommen hat, arbeitet sich die Supernanny Katharina Saalfrank in die Situation ein. Da offenbar alle Beteiligen das Aufnahmeteam bald zu vergessen scheinen, erhält sie so einen realistischen Eindruck von der Art und Schwere des Konflikts. Das erklärte Ziel der Supernanny ist es, in gemeinsamen Gesprächen mit allen Beteiligten Regeln zu verabreden, die zu einer Verbesserung der Situation in der Familie führen. Darüber hinaus versucht sie, den Ursachen für die Konflikte und die auftretenden Verhaltensweisen, beispielsweise in nicht verarbeiteten Erfahrungen der Mutter während ihrer Kindheit, auf die Spur zu kommen. Die Supernanny löst Konflikte ohne Gewalt oder Demütigungen. Sie versucht, gegenseitiges Verständnis zwischen Mutter und Kind herzustellen und auf dieser Basis Regeln für ein besseres Miteinander festzulegen. Wie in einem Drama ist sie die gute Heldin, die eine zunächst ausweglos erscheinende Situation meistens doch noch zu einem Happy End führt. Dadurch kann bei manchen Zuschauern, die sich in einer vergleichbaren Lage befinden, die Hoffnung geweckt werden, auch für sie sei Hilfe möglich.

Dass die in der Sendung erreichte Befriedung lange anhält, mag mancher Therapeut, der weiß, wie schwer und langwierig es ist, verfahrene familiäre Konflikte zu bearbeiten, für unwahrscheinlich halten. Aber die Sendung kann auch keinen umfassend dokumentierten Therapieverlauf zeigen. Zum einen wäre das in den etwa 50 Minuten, die durchschnittlich für die Darstellung eines Falls zur Verfügung stehen, kaum möglich. Zum anderen muss der Sender darauf achten, dass der Unterhaltungseffekt erhalten bleibt. Und dazu ist es notwendig, die richtige Mischung von Szenen hinzubekommen, die durch schockierende oder Empathie erzeugende Bilder Aufmerksamkeit schaffen, und solchen, die den therapeutischen Weg zumindest halbwegs transparent machen. Es ist gut vorstellbar, dass die Kritik, die Sendung sei zu sehr auf extreme, fernsehtaugliche Bilder fokussiert und in Bezug auf den Therapieverlauf zu wenig transparent, auch der Diplom-Pädagogin Katharina Saalfrank bewusst ist und dass es hier vielleicht sogar mit den Produzenten zu Auseinandersetzungen um das richtige Maß zwischen Unterhaltungseffekt und pädagogischer Transparenz kommt.

Die große gesellschaftliche Aufmerksamkeit, die durch das Format hergestellt wird, hat nicht zuletzt auch dazu geführt, dass Erziehungsprobleme nicht mehr tabuisiert, sondern öffentlich thematisiert werden. Die Zuschauer können sich je nach eigener Situation mit der gezeigten Problemlage vergleichen. Kinder, die zu Hause Ähnliches erfahren, ziehen möglicherweise den ermutigenden Schluss: Dir geht es nicht allein so und Veränderung ist möglich. Andere Kinder und deren Eltern können zumindest für einige typische Problembereiche Strategien lernen, um sie in gegenseitigem Einvernehmen zu bewältigen.

In der...
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