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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
128 Seiten
Deutsch
Atlantis Literaturerschienen am23.03.20231. Auflage
Wenn Joseph in den Stall kommt und den Geruch der Tiere einatmet, fühlt er sich zu Hause. Joseph ist Landarbeiter in der Auvergne. Hier im Cantal war er auf fast allen Höfen angestellt, und er kennt auch die unguten Geschichten. Bald wird er sechzig. Seine wenigen Habseligkeiten passen in einen Koffer, er hat sich im Altersheim angemeldet. Joseph liebt seine Arbeit, die Tiere, besonders die Kälber, den Hund. Er ist schweigsam, beobachtet lieber die anderen. Als er dreißig war, liebte er Sylvie, einen Sommer lang. Aber die ging mit einem anderen weg, und Joseph begann zu trinken - zwölf Jahre wie in Watte, an die er sich kaum erinnert. Sein Bruder hat sich anderswo ein Leben aufgebaut. »Joseph«, heißt es, »hat kein Heim gegründet, Leute wie er gründen kein Heim.« In knapper, rhythmischer Sprache porträtiert Marie-Hélène Lafon nicht nur einen Mann, der sich nie über sein Schicksal beklagt, sondern auch ein unbekanntes Frankreich, weit, sehr weit von Paris entfernt. Es ist eine Welt, die im Untergang begriffen ist, wo die Jungen weggehen und die, die bleiben, wissen, dass es nach ihnen aufhört. »Joseph«, angelehnt an Flauberts berühmte Novelle »Ein schlichtes Herz«, ist ein berührender Roman über das Glück des Anspruchslosen.

MARIE-HÉLÈNE LAFON, 1962 geboren, lebt heute in Paris. Die meisten ihrer rund fünfzehn Bücher, die in mehrere Sprachen übersetzt wurden, spielen im Cantal, in der abgeschiedenen, von Landwirtschaft geprägten Bergwelt, wo Lafon aufgewachsen ist. Sie gehört zu den interessantesten literarischen Stimmen im gegenwärtigen Frankreich. 2016 erhielt sie den Prix Goncourt de la nouvelle, 2020 den Prix Renaudot. »Joseph« ist nach »Die Annonce« und »Geschichte des Sohnes« der dritte Roman der Autorin auf Deutsch, übersetzt von Andrea Spingler.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR20,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR15,99

Produkt

KlappentextWenn Joseph in den Stall kommt und den Geruch der Tiere einatmet, fühlt er sich zu Hause. Joseph ist Landarbeiter in der Auvergne. Hier im Cantal war er auf fast allen Höfen angestellt, und er kennt auch die unguten Geschichten. Bald wird er sechzig. Seine wenigen Habseligkeiten passen in einen Koffer, er hat sich im Altersheim angemeldet. Joseph liebt seine Arbeit, die Tiere, besonders die Kälber, den Hund. Er ist schweigsam, beobachtet lieber die anderen. Als er dreißig war, liebte er Sylvie, einen Sommer lang. Aber die ging mit einem anderen weg, und Joseph begann zu trinken - zwölf Jahre wie in Watte, an die er sich kaum erinnert. Sein Bruder hat sich anderswo ein Leben aufgebaut. »Joseph«, heißt es, »hat kein Heim gegründet, Leute wie er gründen kein Heim.« In knapper, rhythmischer Sprache porträtiert Marie-Hélène Lafon nicht nur einen Mann, der sich nie über sein Schicksal beklagt, sondern auch ein unbekanntes Frankreich, weit, sehr weit von Paris entfernt. Es ist eine Welt, die im Untergang begriffen ist, wo die Jungen weggehen und die, die bleiben, wissen, dass es nach ihnen aufhört. »Joseph«, angelehnt an Flauberts berühmte Novelle »Ein schlichtes Herz«, ist ein berührender Roman über das Glück des Anspruchslosen.

MARIE-HÉLÈNE LAFON, 1962 geboren, lebt heute in Paris. Die meisten ihrer rund fünfzehn Bücher, die in mehrere Sprachen übersetzt wurden, spielen im Cantal, in der abgeschiedenen, von Landwirtschaft geprägten Bergwelt, wo Lafon aufgewachsen ist. Sie gehört zu den interessantesten literarischen Stimmen im gegenwärtigen Frankreich. 2016 erhielt sie den Prix Goncourt de la nouvelle, 2020 den Prix Renaudot. »Joseph« ist nach »Die Annonce« und »Geschichte des Sohnes« der dritte Roman der Autorin auf Deutsch, übersetzt von Andrea Spingler.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783715275116
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum23.03.2023
Auflage1. Auflage
Seiten128 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1288 Kbytes
Artikel-Nr.11342272
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Josephs Hände liegen flach auf seinen Schenkeln. Sie scheinen ein Eigenleben zu führen und sind von winzigen Zuckungen durchbebt. Sie sind rund und kurz, fast junge Hände, wie von einem Kind und doch alterslos. Die quadratischen Fingernägel sind dicht an den Kuppen geschnitten, man sieht, dass sie dick sind, man sieht, es ist sauber gemacht, Joseph pflegt seine Hände, sie dienen ihm für die Arbeit, er tut das Nötige. Die Handgelenke sind kräftig, breit, man ahnt die sehr weiße, fleischige, weiche und leicht gewölbte Innenseite. Die Haut ist glatt, unbehaart, und darunter treten die Adern hervor. Joseph kehrt dem Fernseher den Rücken zu. Seine Füße stecken reglos und parallel in den grün und marineblau karierten Pantoffeln, die er im Casino bei der Cécile gekauft hat; diese Pantoffeln sind robust und nutzen sich fast nicht ab, ihr Platz ist im Regal rechts von der Tür des Kabuffs. So nennt die Bäuerin das kleine Gewölbe, das die Milchkammer von der Küche trennt. Es ist ihr lieber, wenn die Männer da durchgehen, anstatt direkt von der Veranda einzutreten, das ist praktischer, so machen sie nicht so viel Schmutz, vor allem bei schlechtem Wetter oder wenn sie mit Stiefeln aus dem Stall kommen. Diese Bäuerin geht nicht in den Stall, sie kümmert sich um den Käse, führt ihren Haushalt und sagt, auf einem Hof müsse man die Männer dressieren, damit sie die Arbeit der Frauen respektieren. Zur Essenszeit gleiten Josephs Pantoffeln über den glänzenden braunen Kachelboden; Joseph hinterlässt keine Spuren und macht keinen Lärm. Er bemüht sich auch, nicht zu riechen, er hat es mit dem Alter gelernt; in seiner Jugend achtete man weniger auf diese Dinge. Er wäscht sich nicht im Badezimmer der Bauern, das unten vom Flur abgeht; man hat nicht darüber gesprochen, als er auf diesen Hof kam, aber er hat verstanden, dass er das Waschbecken im Kabuff benutzen sollte oder das im Stall, das er vorzieht, weil er weiß, zu welcher Zeit er ungestört seine große Wäsche erledigen kann, wogegen er im Kabuff, man sagt auch Hinterkeller, immer befürchten würde, in der Unterhose, in Socken oder im Unterhemd oder noch schlimmer vor der Bäuerin, dem Bauern oder dem Sohn zu stehen, die durchgehen und nicht klopfen, bevor sie eintreten, denn sie sind hier ja zu Hause. Der Hund bleibt bei ihm, wenn er sich wäscht, neben dem Waschbecken, aber etwas abseits, um keine Spritzer abzubekommen, und immer auf der Seite der Mehlsäcke, an die er sein Hinterteil drückt; der Hund ruht sich aus und verfolgt Josephs Verrichtungen, er neigt den Kopf nach rechts nach links, er wirkt ratlos, und seine seidigen Ohren zittern unerklärlich, manchmal könnte man meinen, er lacht und macht sich über die Menschen lustig, die all diese Spinnereien nötig haben. Der Hund heißt Raymond, er ist schon alt, mindestens zwölf; am Anfang war es Joseph unangenehm, einen Hund mit dem Namen seines Vaters zu rufen, der zwar seit fast sechsunddreißig Jahren tot ist, aber trotzdem; dann hat er gedacht, dass dieser Name perfekt passt für einen Hund wie diesen, einen schwarz-weißen Hund mit glänzendem, weichem Fell vor allem zwischen den Vorderpfoten und an der Brust, ein Hund, der immer zur rechten Zeit am rechten Ort ist, wenn man ihn braucht; er treibt das Vieh zusammen, ohne zu bellen und ohne zu beißen, auch die Jungtiere, auch bei Gewitter und selbst die Schweine; er erscheint, er zeigt sich, er dreht seine Runde, trottet hin und her, läuft in weitem Bogen, in mehr oder weniger großem Abstand zur Herde, je nach der Beschaffenheit des Geländes, der Zahl der Tiere, ihrem Erregungszustand, ihrer Verteilung auf der Weide oder der Koppel; dieser Hund kann auch sauber Eier ausschlürfen, ein Ei pro Tag, nicht mehr und nicht weniger, und die Schale mit einem kleinen Loch darin im Strohhaufen hinter der Scheunentür verstecken. Ein Hund wie dieser sollte nicht sterben, niemals, er ist fast besser als ein Mensch. Joseph würde es sich übel nehmen, diese Dinge zu denken, aber er denkt sie, auch wenn er sie nicht sagt, zu niemandem; das geht ihm manchmal durch den Kopf, wenn er eine Arbeit tut, die nicht zu viel Aufmerksamkeit erfordert, wie beispielsweise nach dem Melken den Gang und die Gitter im Stall reinigen; vor allem in der schönen Jahreszeit kommen die Kühe wieder nach draußen, er bleibt im Stall, er bringt Ordnung und Sauberkeit hinein, es ist gepflegt; das geht fast von allein, die Arme, der Oberkörper, sich vorbeugen, drücken, aber nicht zu stark, damit der Besen gleitet und alles gut zusammengekehrt wird, allein am Geräusch hört er, ob es gut läuft oder nicht, er schaut kaum hin, er ist wie ferngesteuert, aber mit dem Alter spürt er, dass die Müdigkeit ihn einholt, überall im Körper zieht und brennt es. Also denkt er an diesen Hund, Raymond, er wäre der beste Hund, den er gekannt hat; es ist wie ein Streitgespräch mit sich selbst, er tadelt sich, er beschimpft sich als alter Griesgram, der den Leuten die Tiere vorzieht, na und na und; er redet mit sich selbst, im Stall murmelt er vor sich hin, na und na und, und hebt forsch das Kinn; er denkt an den François von La Gazelle zurück, den er in seinen Anfängen gekannt hat, auf einem Hof, dem zweiten oder dritten, wo er zwei Jahre geblieben ist. Den Nachnamen vom François von La Gazelle hat er nicht gewusst, man nannte ihn so, weil er aus diesem Ort in der Gemeinde Ségur kam, wo seine Mutter noch ein Haus mit Blechdach bewohnte. Joseph erinnert sich an weitere Einzelheiten in Bezug auf den François von La Gazelle, man sagte immer der François, nicht einfach nur François, und niemand sagte seinen Nachnamen, der François soll die Tiere rauslassen oder die Kartoffeln ausgraben oder wenn der François wiederkommt; er verschwand für drei oder vier Tage, er kam wieder, der Bauer schrie ordentlich, der François hatte graue Haut, wenn er wiederkam, er war mager wie ein Wolf, man bedauerte seine Mutter, er hatte kein Alter. Die Hündin des Hauses, Loulou, liebte er über alles, eine Hündin mit gelblichem Fell und spitzer Schnauze, die mit den Tieren sehr gut auskam, aber nur ihm wirklich gehorchte; sie schien zu wissen, wann er wiederkam, und wartete unter der Linde auf ihn, an dem Tag postierte sie sich da und rührte sich nicht mehr; man sagte es sich im Haus, die Hündin riecht ihn, vor dem Abend ist er da, und er kam, er lief über den Hof, sie bereitete ihm ein Fest, zog närrische Kreise um ihn, sprang hoch zu seinen Knien, seinen Hüften, seinen Flanken, berührte ihn aber nicht, und er berührte sie auch nicht. Niemand durfte diese Hündin berühren, die in der Scheune unter einem Haufen alter Holzstangen aufgewachsen war und an Juniabenden, wenn die Tage nicht endeten und man noch nicht richtig zu heuen begonnen hatte, mit dem Ball spielte; der Ball hatte keine Zeit zu fallen, sie kam angeschossen, unvermeidlich, sie wirbelte durch die Luft, der Bauer sagte, sie würde die beste Torwärtin der Welt abgeben, man lachte im Hof, sogar die Bäuerin kickte mit dem Fuß gegen den Ball, und die Mädchen auch, sie hatten drei Töchter und einen großen Sohn auf diesem Bauernhof, und sie waren fröhlich, die Schwalben schwangen sich in den Himmel, alle spielten sie in ihrem Gezwitscher. Joseph dachte daran zurück, er war jung gewesen auf diesem Hof der Gemeinde Ségur im Tal der Santoire, jetzt war das nicht mehr ein einziger Hof, auf der einen Seite war das Land an zwei verschiedene Bauern verkauft worden, die große Betriebe unterhielten, und das Haus, ein massives, fast quadratisches Haus mit in Stein gehauenen Skulpturen zu beiden Seiten der Tür und mindestens sieben Räumen, gehörte nicht mehr der Familie, es war ein sehr gepflegter Zweitwohnsitz geworden. Joseph wusste das, er verfolgte diese Dinge und erinnerte sich an die Häuser, Tiere, Wiesen, Wälder, Leute, daran, wie es gewesen war, daran, wie es wurde, es wurde etwas Besseres oder weniger Gutes, er hätte es nicht sagen können, etwas anderes, die Leute und die Tiere starben, aber nicht die Wiesen, nicht das Land, nicht der Fluss, alles blieb erhalten, und er hatte viel zu denken. Die Santoire zum Beispiel, er war an ihrem Ufer geboren, er hatte dort gelebt, nicht weit entfernt, in ihrem Tal oder in der Nähe, er hatte sie oft nachts gehört und kannte alle ihre Jahreszeiten, ein wenig, als wäre sie in seinem Innern geflossen. Der François von La Gazelle sagte zum Bauern, dass man Loulou, wenn sie tot wäre, vom Lehrer ausstopfen lassen müsste, der stopfte Füchse aus und könnte es auch mit einem Hund machen, vor allem einem so kleinen und so mageren Hund, dann würde man sie hier aufstellen, in der Küche, auf dem Büfett, obendrauf, in der Mitte, er drehte sich um, er zeigte mit seiner Gabel oder seinem Messer, man hätte Platz genug, ein so kleiner Hund, und man könnte ihr sogar noch einen Ball zwischen die Vorderpfoten legen, einen sauberen, platten Ball, denn sie machte alle platt, er würde einen auf die Seite legen, er würde ihn aufbewahren, man solle daran denken, vorbereitet sein. Alle lachten am Tisch, jedes Mal, man kannte das schon, aber man lachte trotzdem, man lachte viel auf diesem Hof und oft. Joseph wäre gern geblieben. Im Jahr darauf war der François von La Gazelle gestorben, Joseph war nach Ségur zur Beerdigung gegangen, der Bauer hatte mit ihm gesprochen; niemand hätte den François von La Gazelle davon abhalten können, dieses Moped zu kaufen, der Anfang vom Ende, ein Moped, der Bauer sagte Knatterkiste, für einen Kerl wie ihn, ein sehr geschickter Bursche, der François von La Gazelle, der Köpfchen hatte und mit Tieren genauso wie mit Maschinen umgehen konnte, mit beidem, was selten war, ohne Suff hätte er alles werden können, der Anfang vom Ende, diese Knatterkiste, wiederholte der Bauer, mit dem, was er sich hinter die Binde kippte, der...
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Autor

MARIE-HÉLÈNE LAFON, 1962 geboren, lebt heute in Paris. Die meisten ihrer rund fünfzehn Bücher, die in mehrere Sprachen übersetzt wurden, spielen im Cantal, in der abgeschiedenen, von Landwirtschaft geprägten Bergwelt, wo Lafon aufgewachsen ist. Sie gehört zu den interessantesten literarischen Stimmen im gegenwärtigen Frankreich. 2016 erhielt sie den Prix Goncourt de la nouvelle, 2020 den Prix Renaudot. »Joseph« ist nach »Die Annonce« und »Geschichte des Sohnes« der dritte Roman der Autorin auf Deutsch, übersetzt von Andrea Spingler.