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Als mir die Welt gehörte

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
368 Seiten
Deutsch
Braumüller Verlagerschienen am30.03.20231. Auflage
Man ist, wer man beschließt zu sein. Victor Lustig, bekannt als 'der Mann mit den tausend Gesichtern', erfand sich sein Leben lang neu. Vom Taschendieb mauserte er sich zu einem der berühmtesten und kreativsten Trickbetrüger, Geldfälscher und Hochstapler der Geschichte. Neben seinem größten Coup, dem erfolgreichen 'Verkauf' des Eiffelturms an einen Schrotthändler, gelang es ihm unter anderem, Al Capone übers Ohr zu hauen sowie dermaßen viel Falschgeld drucken und in Umlauf bringen zu lassen, dass er beinahe das gesamte amerikanische Finanzsystem aus den Angeln hob. Doch was passiert, wenn der scheinbar unverwundbare Charmeur beschließt, sich nicht länger an seine eigenen Regeln zu halten? Es beginnt ein Katz-und-Maus-Spiel mit dem FBI und dem Secret Service - und das Netz zieht sich langsam zu ...

Bastian Kresser, 1981 in Feldkirch geboren, studierte Anglistik und Amerikanistik mit Fokus auf Amerikanischer Literatur an der Leopold-Franzens- Universität Innsbruck. Lebt und schreibt in Vorarlberg. Für den Debütroman 'Ohnedich' erhielt er 2014 den achensee.literatour-Preis. Im selben Jahr wurde ihm der Anerkennungspreis der Wuppertaler Literatur Biennale für die Kurzgeschichte 'Vergessen' verliehen. 2019 stand er auf der Shortlist des Literaturpreises Alpha. Bei Braumüller erschienen: Die andere Seite, Roman (2019) Klopfzeichen, Roman (2021)
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR26,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR22,99

Produkt

KlappentextMan ist, wer man beschließt zu sein. Victor Lustig, bekannt als 'der Mann mit den tausend Gesichtern', erfand sich sein Leben lang neu. Vom Taschendieb mauserte er sich zu einem der berühmtesten und kreativsten Trickbetrüger, Geldfälscher und Hochstapler der Geschichte. Neben seinem größten Coup, dem erfolgreichen 'Verkauf' des Eiffelturms an einen Schrotthändler, gelang es ihm unter anderem, Al Capone übers Ohr zu hauen sowie dermaßen viel Falschgeld drucken und in Umlauf bringen zu lassen, dass er beinahe das gesamte amerikanische Finanzsystem aus den Angeln hob. Doch was passiert, wenn der scheinbar unverwundbare Charmeur beschließt, sich nicht länger an seine eigenen Regeln zu halten? Es beginnt ein Katz-und-Maus-Spiel mit dem FBI und dem Secret Service - und das Netz zieht sich langsam zu ...

Bastian Kresser, 1981 in Feldkirch geboren, studierte Anglistik und Amerikanistik mit Fokus auf Amerikanischer Literatur an der Leopold-Franzens- Universität Innsbruck. Lebt und schreibt in Vorarlberg. Für den Debütroman 'Ohnedich' erhielt er 2014 den achensee.literatour-Preis. Im selben Jahr wurde ihm der Anerkennungspreis der Wuppertaler Literatur Biennale für die Kurzgeschichte 'Vergessen' verliehen. 2019 stand er auf der Shortlist des Literaturpreises Alpha. Bei Braumüller erschienen: Die andere Seite, Roman (2019) Klopfzeichen, Roman (2021)
Details
Weitere ISBN/GTIN9783992003419
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum30.03.2023
Auflage1. Auflage
Seiten368 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1973 Kbytes
Artikel-Nr.11378209
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

Blicke ich zurück, habe ich das Gefühl, Zeit meines Lebens ein Ziel verfolgt zu haben, das ich nicht aus den Augen lassen konnte. Es war eine innere Unruhe, die mich bereits im Kindesalter mit voller Wucht gepackt und seitdem nicht mehr losgelassen hat. Als ich mit zwölf von zu Hause geflüchtet bin und zum ersten Mal Freiheit geatmet habe, begriff ich, dass die Welt voller Möglichkeiten steckt.

Schuld daran war ⦠Nein! Schuld impliziert etwas Negatives. Doch mein Drang, das Leben in vollen Zügen zu genießen, hat nichts ⦠Auch hier muss ich kurz innehalten und mich selbst korrigieren.

Lassen Sie es mich anders formulieren: Immer schon verlangte etwas in mir, meinen größten Feind, die Langeweile, mit allen Mitteln zu bekämpfen. Gerne würde ich behaupten, dies hätte ausschließlich Positives mit sich gebracht, aber das wäre zu viel des Guten. Dennoch, blicke ich heute zurück, will ich nur wenig von dem, das ich erlebt habe, missen. Würde ich Dinge anders machen? Wer würde das nicht. Viele Kleinigkeiten fallen mir ein, doch letzten Endes reduziert es sich auf eine einzige Banalität: den Schlüssel. Dieser kleine, unscheinbare Schlüssel, der alles veränderte und mich dahin gebracht hat, wo ich heute bin.

Doch genug der Selbstzweifel! Dies ist nicht das Ende meiner Geschichte. Es ist ein Zwischenkapitel, das bald vergessen sein wird. Ich sehe es als eine Verschnaufpause und sage mir selbst, dass ich sie verdient habe. Mir ist bewusst, dass mein Alltag, wenn ich erst wieder draußen bin, nicht mehr der gleiche sein wird. Allein die Tatsache, dass die Zeitungen derartiges Interesse an meiner Person hatten, dass sie die Sache mit dem Eiffelturm herausgefunden haben und dass wochenlang über meinen Werdegang, meine Verhandlung und schließlich meine Verurteilung berichtet wurde, wird so einiges verändern.

Doch dies ist nur eine Pause.

Diese Worte sind zu meinem Mantra geworden. Ich wiederhole sie jeden Tag. Dies. Ist. Nur. Eine. Pause. Schon bald werde ich meine Geschichte weiterschreiben. Al Capone glaubt ebenfalls daran. Und wenn der König von Chicago das sagt, dann muss doch was dran sein, nicht wahr?

Al Capone, der Vorzeigehäftling. Wer hätte das gedacht? Manchmal, wenn ich Zeit mit ihm verbringe, wenn wir ein Gespräch im Hof führen, uns im Speisesaal gegenübersitzen oder er mir im Gang über den Weg läuft, mustert er mich, wie er es bei unserem ersten Treffen im Lexington Hotel getan hat. Es fühlt sich für mich nach wie vor befremdlich an. Und das, obwohl ich ihn inzwischen als meinen Freund bezeichnen würde. Wir haben immerhin schon einiges miteinander erlebt. Wir lagen nebeneinander an seinem Pool in Liegestühlen, fischten von dem kleinen, nahe gelegenen Steg aus im Meer, töteten wortlos unseren Fang mit einem gezielten Schlag auf das Genick, schlitzten den Fischen mit einem scharfen Messer den Bauch auf und zogen mit den Fingern die weichen, glänzenden Eingeweide heraus. Wir waren viele Male gemeinsam golfen. Ich war Teil seiner Entourage, als er und einige andere, die Al Capone ebenfalls gerne als ihren Freund bezeichnen würden, sich auf dem Burnham Woods Golfplatz bis zur Besinnungslosigkeit betranken. An diesem Tag belog ich ihn, gaukelte ihm vor, ich sei ebenfalls berauscht, lallte, torkelte und lachte über jeden Witz. Ich war Zeuge, als er den Golfball, anstatt mit einem Driver, mit dem Griff seiner Thompson Maschinenpistole, die er liebevoll seinen Chicago-Typewriter nennt, abschlug und dann, als der Ball nur einige Meter weit rollte, mit dem Typewriter eine Salve auf ihn abfeuerte, bis nur noch kleine weiße Fetzen von ihm übrig waren.

Al Capone hat mir sein Leben offenbart. Er erzählte mir von seiner Kindheit, von seiner gewalttätigen Jugend, wer ihm die zwei deutlich sichtbaren Narben auf seiner Wange verpasst hat und was mit diesem Mann passiert ist - er wurde sein engster Bodyguard. Al Capone hat mir viele seiner Geheimnisse verraten, und ich habe mir einige für ihn ausgedacht. Er vertraut mir, und ich vertraue ihm, meistens.

Dennoch wird es nie zu etwas Alltäglichem werden, von diesem Mann ins Visier genommen zu werden. Er mustert mich mit seinem stechenden Blick, und es scheint, als habe er mich, als habe er uns vergessen. Als wären all unsere Gespräche, ganz besonders jene der vergangenen Monate, vollständig ausgelöscht. Es läuft jedes Mal gleich ab: Capone hält inne, verschränkt die Arme vor seiner mächtigen Brust, kneift seine dunklen Augen zusammen, was seine ausgeprägten Wangen noch fülliger erscheinen und die obere seiner beiden Narben noch präsenter werden lässt, und mustert mich von oben bis unten. Diese Szene erinnert mich stets an unsere erste Begegnung, aber etwas hat sich inzwischen verändert: Capones Blick ist nicht mehr der gleiche. Er hat, besonders in letzter Zeit, an Schärfe und Autorität eingebüßt. Eine Tatsache, die ihm zu schaffen macht, hat er doch, wie auch ich, sein Leben lang an seinem Image gefeilt.

»Der Graf!«, sagt er dann jedes Mal, stolz, sich zu erinnern. »The Count!« Nach wie vor spricht er in einem harten Brooklyn-Akzent, als hätten die vielen Jahre in Chicago keinen Einfluss auf ihn gehabt. Er löst seine verschränkten Arme und deutet mit ausgestrecktem Zeige- und Mittelfinger auf mich. Al Capones Daumen ist nach oben gerichtet. Seine Hand erinnert an eine Pistole. Über die No-Talking-Rule, die der Gefängnisdirektor vor einiger Zeit eingeführt hat, setzt er sich unbekümmert hinweg, und niemand, nicht einmal der schärfste Wärter, hat den Mumm, ihn dafür zu maßregeln. Jeder hier drinnen weiß, dass er nur wegen Steuerhinterziehung hinter Gittern sitzt, dass er Alcatraz irgendwann wieder verlassen wird, und alle fürchten sich vor eventuellen Vergeltungsschlägen.

»Mr. Capone«, antworte ich stets höflich und mit einem wohlwollenden Lächeln. Selbst dann, wenn wir uns gerade mitten in einer lebhaften Unterhaltung befunden haben und seine plötzliche Gedächtnisstörung unser Gespräch abrupt unterbrochen hat. Ich müsste nicht derart höflich sein und bin es doch. Er ist gerade mal sechsunddreißig, und ich habe mit meinen fünfundvierzig Jahren beinahe ein Jahrzehnt mehr auf dem Buckel. Ich bin der Senior von uns beiden, doch das ist nicht der Grund für meine Zuvorkommenheit. Es ist unser Spiel. Zumindest betrachte ich es als unser Spiel. »Mr. Capone«, sage ich und schupse mit dem Knöchel meines angewinkelten Zeigefingers meine imaginäre Kappe nach oben. Capone öffnet seinen Mund ein wenig, schiebt, wie er es gerne tut, seine voluminöse Unterlippe vor, befeuchtet sie kurz mit seiner Zungenspitze und nickt kaum merklich. Nicht selten folgt daraufhin ein breites, nahezu kindliches Lächeln. Es ist interessant. Würde man ihn darauf reduzieren und seinen Charakter, seine beeindruckende Statur und seine gewalttätige Vergangenheit, die in den Mundwinkeln und den Falten seines Gesichts ihre Spuren hinterlassen hat, ausblenden, man könnte ihn beinahe als harmlos und geradezu liebenswert einschätzen. Immer wieder hat er mir angeboten, ihn Snorky zu nennen, wie es auch seine anderen Freunde tun. Ich mache es nie. Sage stattdessen ausnahmslos: »Vielleicht beim nächsten Mal, Mr. Capone.«

Al Capone hat viele Spitznamen, doch ich verwende keinen einzigen. Weder Snorky noch Big Al noch Big Shot. Und selbstverständlich habe ich ihn noch nie Scarface genannt, da jeder weiß, wie sehr er diesen Namen hasst. Zudem haben die Zeitungen auch mir diesen degradierenden Spitznamen verpasst. Narbengesicht. Das ist zu unkreativ. Zu »on the nose«, wie die Amerikaner sagen würden.

Dennoch kann ich es ihnen nicht wirklich übel nehmen. Alles hat seinen Grund: Unsere Gesichter haben in jungen Jahren Bekanntschaft mit einer kalten, scharfen Messerklinge gemacht. Beide während eines Barbesuchs, beide waren wir betrunken. Al Capone behauptet zwar inzwischen oft, dass er sich die Narben im Großen Krieg zugezogen hat, doch das ist eine Lüge. Selbst mir hat er diese Geschichte mehr als einmal versucht zu verkaufen. Es war für mich offensichtlich, dass er log. Ich war und bin gut darin, mein Gegenüber zu lesen. Ich muss es sein, habe ich doch meine gesamte Existenz darauf aufgebaut, einerseits Menschen zu lesen und andererseits verschiedenste Rollen, mehr noch, verschiedenste Leben anzunehmen. Aus diesem Grund nennt man mich den Grafen. Anders als Al Capones Snorky ist Der Graf jedoch mehr als nur ein Spitzname. Der Graf bin ich und ich bin der Graf. Oder sollte ich sagen: Ich war der Graf? Hier drinnen gibt es nämlich nicht viel, das an mein adeliges Leben erinnert.

Auch in diesem Punkt sind wir einander ähnlich, da Snorky jemanden beschreibt, der sich herausputzt und schneidig kleidet. Sein Leben lang hat Al Capone großen Wert darauf gelegt, und ich weiß, dass ihm die hiesige Kleidervorschrift schwer zu schaffen macht. Jeden Tag ein weißes T-Shirt oder ein hellblaues...
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Autor

Bastian Kresser, 1981 in Feldkirch geboren, studierte Anglistik und Amerikanistik mit Fokus auf Amerikanischer Literatur an der Leopold-Franzens- Universität Innsbruck. Lebt und schreibt in Vorarlberg. Für den Debütroman "Ohnedich" erhielt er 2014 den achensee.literatour-Preis. Im selben Jahr wurde ihm der Anerkennungspreis der Wuppertaler Literatur Biennale für die Kurzgeschichte "Vergessen" verliehen. 2019 stand er auf der Shortlist des Literaturpreises Alpha.

Bei Braumüller erschienen:
Die andere Seite, Roman (2019)
Klopfzeichen, Roman (2021)
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Kresser, Bastian