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Frauen an der Front

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
541 Seiten
Deutsch
Insel Verlag GmbHerschienen am09.10.2023Deutsche Erstausgabe
Sie berichteten unter Lebensgefahr mitten aus dem Machtzentrum der Nazis in Berlin und von der Front, erlebten den D-Day am Strand der Normandie und gehörten zu den ersten, die die Befreiung der Konzentrationslager dokumentierten. Sechs außergewöhnlichen Frauen, die die bis dahin weitgehend männliche Domäne der Kriegsberichterstattung erobert haben: Lee Miller, Martha Gellhorn, Sigrid Schultz, Virginia Cowles, Clare Hollingworth und Helen Kirkpatrick

Judith Mackrell folgt den Lebenswegen dieser heldenhaften Frauen, die immer im Zentrum der Ereignisse waren und kein Risiko scheuten, um ihre Leser:innen wahrheitsgemäß zu informieren. Entstanden ist ein faktenreiches und vielschichtiges Buch aus einer spezifisch weiblichen Perspektive, wie man es so noch nicht gelesen hat. Von der Machtergreifung der Nazis in Deutschland 1933 bis zu den Nürnberger Prozessen - chronologisch aufgebaut gibt dieses Buch auch einen unverstellten Blick auf die Jahre 1933 bis 1946.


Judith Mackrell ist eine der wichtigsten Tanzkritikerinnen Großbritanniens und Autorin mehrerer Bücher, darunter die Biografie über die russische Ballerina Lydia Lopokova und ihren Mann John Maynard Keynes, die 2008 für den Costa Biography Award auf der Shortlist stand. Judith Mackrell lebt in London.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR28,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR23,99

Produkt

KlappentextSie berichteten unter Lebensgefahr mitten aus dem Machtzentrum der Nazis in Berlin und von der Front, erlebten den D-Day am Strand der Normandie und gehörten zu den ersten, die die Befreiung der Konzentrationslager dokumentierten. Sechs außergewöhnlichen Frauen, die die bis dahin weitgehend männliche Domäne der Kriegsberichterstattung erobert haben: Lee Miller, Martha Gellhorn, Sigrid Schultz, Virginia Cowles, Clare Hollingworth und Helen Kirkpatrick

Judith Mackrell folgt den Lebenswegen dieser heldenhaften Frauen, die immer im Zentrum der Ereignisse waren und kein Risiko scheuten, um ihre Leser:innen wahrheitsgemäß zu informieren. Entstanden ist ein faktenreiches und vielschichtiges Buch aus einer spezifisch weiblichen Perspektive, wie man es so noch nicht gelesen hat. Von der Machtergreifung der Nazis in Deutschland 1933 bis zu den Nürnberger Prozessen - chronologisch aufgebaut gibt dieses Buch auch einen unverstellten Blick auf die Jahre 1933 bis 1946.


Judith Mackrell ist eine der wichtigsten Tanzkritikerinnen Großbritanniens und Autorin mehrerer Bücher, darunter die Biografie über die russische Ballerina Lydia Lopokova und ihren Mann John Maynard Keynes, die 2008 für den Costa Biography Award auf der Shortlist stand. Judith Mackrell lebt in London.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783458778028
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum09.10.2023
AuflageDeutsche Erstausgabe
Seiten541 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.11379605
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Einleitung


Als Virginia Cowles am 31. August 1939 nach Berlin flog, wusste sie, dass dieser Auftrag einer der gefährlichsten ihrer beruflichen Laufbahn werden konnte. Schimmernde schwarze Jagdflugzeuge standen in Reih und Glied entlang der Start- und Landebahnen des Flughafens Tempelhof, Flugabwehrgeschütze ragten in den Berliner Himmel, die gesamte Stadt glich einem »schwer bewaffneten Heerlager«. Die Straßen waren voller Militärfahrzeuge, in den Hotellobbys wimmelte es von Einsatzkommandos der Nazis. Der Kriegsausbruch in Europa stand so unmittelbar bevor, dass sämtliche britische Journalisten nach Hause beordert worden waren und man die britischen Botschaftsangehörigen angewiesen hatte, ihre Habseligkeiten zu packen. Sogar das Wetter wirkte unheilverkündend. Ein trockener, staubiger Wind fegte durch die Stadt, der sich in Virginias Ohren anhörte wie »ein Todesröcheln«, wenn er »Papier und Abfälle über den Gehsteig blies«.1

Trotzdem war Virginia Cowles, eine amerikanische Korrespondentin der Sunday Times, entschlossen, lange genug in der Stadt zu bleiben, um sich den vermutlich allerletzten Bericht für die Zeitung zu sichern, bevor Deutschland feindliches Territorium wurde. Sie war ehrgeizig, neugierig, eigensinnig und hartgesotten und besaß unbändiges Vertrauen in ihren Überlebenswillen. Ihr unerschütterlicher Glaube an sich selbst hatte ihr geholfen, die New Yorker Klatschspalten hinter sich zu lassen, und hatte sie zuerst nach Italien geführt, wo sie Mussolini zu Beginn seines Einmarschs in Abessinien interviewte, dann nach Spanien, wo sie zu den wenigen gehörte, die von beiden Seiten über den Bürgerkrieg berichteten. Im Hinblick auf ihre Karriere war Virginia zu allem bereit; als stärkste Waffe diente ihr der Charme. Großäugig und zierlich gebaut, mit Lippenstift und hohen Absätzen nachgerade beunruhigend glamourös, konnte sie ein Offizierskasino oder das Büro eines Politikers betreten und noch den härtesten, unwilligsten Mann zum Reden bringen.

Ihre Aufgabe in Berlin bestand darin, die Stimmung in der deutschen Öffentlichkeit auszuloten. Als sie am Morgen nach ihrer Ankunft beim Aufwachen hörte, Adolf Hitler habe seine Truppen in Polen einmarschieren lassen, erwartete sie, die Stadt in höchster Aufregung vorzufinden. Die Invasion stellte einen klaren Verstoß gegen die Friedensvereinbarung dar, die Hitler im Jahr zuvor mit Großbritannien und Frankreich unterzeichnet hatte, eine eindeutige Kriegsprovokation. Die meisten Berliner Bürger, mit denen Virginia sich an jenem Tag unterhielt, schienen sich der drohenden Krise jedoch nicht bewusst zu sein - der Mann an der Rezeption ihres Hotels beispielsweise fiel aus allen Wolken, als sie andeutete, dass sein Land schon bald einen Konflikt mit halb Europa heraufbeschwören könnte: »Das mit Polen ist einzig Sache der Deutschen«, erklärte er. »Was hat das mit halb Europa zu tun?«2

Dr. Böhmer hingegen, der Leiter der Berliner Auslandspresseabteilung, brach in Tränen aus, als er die Morgennachrichten hörte: »Jetzt kann nichts mehr die Lage retten«, klagte er. »Bald wird die gesamte Welt in die Sache hineingezogen.«3 Als einer der Klarsichtigeren unter den hochrangigen Nazis begriff Böhmer, welch gefährliches Spiel Hitler spielte. Und Virginia musste erkennen, wie prekär ihre eigene Situation nun war. Es würde sich nur noch um Stunden handeln, bis Großbritannien und seine Verbündeten den Fehdehandschuh aufnahmen, den Hitler ihnen hingeworfen hatte, und sobald sie das taten, konnte es Wochen, wenn nicht Monate dauern, bis Virginia es schaffte, nach Hause zurückzukehren.

Aber es gelang ihr, schnell genug wieder in London zu sein, um ihren Bericht pünktlich für die nächste Ausgabe der Zeitung abzuliefern. Sie war gerade noch rechtzeitig aus Berlin herausgekommen. Von da an stand der Krieg im Mittelpunkt von Virginias Karriere, in deren Verlauf sie sich weit größeren Gefahren gegenübersehen sollte. Sie schilderte den Angriff der Russen auf Finnland, die deutschen Luftbombardements von London, die Besetzung Frankreichs und tauchte tiefer in den Wüstenkrieg in Tunesien ein als sämtliche anderen Korrespondenten und Korrespondentinnen.

Anfangs versuchten die Herausgeber der Zeitungen noch, Virginia als Teil der Storys zu präsentieren - eine attraktive junge Frau, die sich unerschrocken der Gefahr von Kugeln und Bomben aussetzte, ein ehemaliges »Society Girl«, das in der Lage war, sich unter den Männern in den Schützengräben zu behaupten. Berichterstatterinnen wie Virginia Cowles waren, als 1939 der Krieg ausbrach, noch ein Novum, und um sie wurde großer Wirbel gemacht. Doch eine kleine, aber entschlossene Gruppe von Frauen berichtete bereits seit fast einhundert Jahren von den Schlachtfeldern der Welt.

Die möglicherweise Erste von ihnen war Jane Cazeneuve, die 1846 den mexikanisch-amerikanischen Krieg schilderte; schon zwei Jahre später folgte ihr Margaret Fuller, die von der New York Tribune beauftragt worden war, über die italienischen Aufstände gegen Österreich zu schreiben. 1897 verfasste Cora Taylor Crane Artikel über den Krieg zwischen der Türkei und Griechenland für das New York Journal, und 1899 berichtete Lady Mary Howard für den Daily Telegraph über den Burenkrieg in Südafrika. 1914, als Redakteure in Europa und Amerika das finanzielle und zahlenmäßige Potenzial ihrer weiblichen Leserschaft zu erkennen begannen, wünschten sie sich plötzlich Artikel über den Ersten Weltkrieg aus weiblicher Sicht. Obwohl man von den Korrespondentinnen, die in die Kampfgebiete geschickt wurden, erwartete, dass sie ihre Storys auf die Arbeit von Krankenschwestern und die Vorgänge in Lazaretten beschränkten, gelang es ein paar Mutigen, auch Depeschen von der Front zu senden.

Erst der Zweite Weltkrieg bot den Korrespondentinnen die entscheidende Gelegenheit, sich zu bewähren. In dem Maße, wie die Kampfschauplätze sich vermehrten und die Themen sowohl Soldaten als auch Zivilpersonen umfassten, mussten die Herausgeber der Zeitungen ihre globale Berichterstattung ausdehnen, und gegen Ende des Krieges waren etwa zweihundertfünfzig der bei den Alliierten akkreditierten Reporter und Fotografen weiblichen Geschlechts.[1] 

Die Bekannteste unter ihnen dürfte Clare Hollingworth gewesen sein. Obgleich praktisch ein Neuling in der Branche, schaffte sie es, einen Vertrag als freiberufliche Korrespondentin für den Daily Telegraph zu ergattern, denn sie glaubte noch unerschütterlicher an sich selbst als Virginia. In Kattowitz (Katowice) im Südwesten Polens, wohin man sie geschickt hatte, lieh sie sich als Erstes einen Wagen vom britischen Konsulat und fuhr nach Deutschland, um die dortigen Truppenbewegungen auszuforschen. Damals, am 29. August 1939, war eine solche Unternehmung der reine Irrsinn - Clare hätte gut und gern als Spionin festgenommen oder von einem nervösen Wachposten erschossen werden können. Aber sie wollte sich unbedingt als Reporterin beweisen, und am Ende wurde sie mit einem bemerkenswerten Exklusivbericht belohnt. Sie war nahe der Grenze auf einer beiderseits durch breite Trennwände aus Sackleinwand abgeschirmten Straße unterwegs. Als eine der Absperrungen vom Wind weggerissen wurde, bot sich ihr der Blick ins Tal, wo neun Panzerdivisionen in Gefechtsformation warteten.

Ein eindeutiger Hinweis auf eine bevorstehende Invasion. Der Bericht, den Hollingworth telefonisch aus Kattowitz durchgab, schmückte am folgenden Morgen die Titelseite des Telegraph. In London hoffte man nach wie vor, dass sich der Krieg abwenden ließe, doch am 1. September wurde Clare in der Morgendämmerung von lautem Flakfeuer geweckt, in der Ferne kreisten Kampfflugzeuge. Der Angriff auf Polen war in vollem Gange. Als die Journalistin die zweite Titelstory ihrer noch jungen Laufbahn durchs Telefon diktierte, rührte das Adrenalin in ihren Adern weniger von Furcht her als von der Gewissheit, dass sie ihre Berufung gefunden hatte.

Sigrid Schultz, eine der mutigsten Korrespondentinnen überhaupt, berichtete erstmals im Januar 1945 direkt aus einer Kampfzone, obwohl sie sich seit 1933 an ihrer ganz persönlichen aufreibenden Front befand. Als Leiterin des Berliner Büros der Chicago Tribune hatte Sigrid sich zu einer unerbittlichen Gegnerin...
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