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Das Erbe von Talgrund

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
400 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am13.03.2024
Patriarch Bruno Hofer ist mit 97 Jahre verstorben, und die entzweite Familie wird auf den Familienstammsitz Talgrund gebeten. Alle sind angespannt, hat Bruno doch kürzlich Änderungen im Testament angekündigt. Dann zieht ein heftiges Unwetter auf. Kurz bevor Überschwemmungen das Gutshaus tagelang isolieren, trifft Maya Dudek ein. Wer ist diese junge Frau, die angeblich eine Freundin von Bruno sein soll? Und was fällt ihr ein zu behaupten, auf Gut Talgrund seien im Zeiten Weltkrieg Zwangsarbeiter verpflichtet worden? Auf sich allein gestellt begibt sich die Familie auf die Suche nach einem plötzlich verschwundenen Testament und einer verdrängten Familiengeschichte, die jahrzehntelang im Verborgenen lag.

Rebecca Martin studierte Englisch und Deutsch in Frankfurt am Main und in Dublin, Irland. Ihre Leidenschaft gehört dem Reisen und dem Schreiben. Ihr Roman 'Die verlorene Geschichte' gelangte sofort nach Erscheinen auf die SPIEGEL-Bestsellerliste, gefolgt von 'Der entschwundene Sommer', 'Die geheimen Worte' und 'Das goldene Haus' und die 'Die vergessene Freundin'. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in einem kleinen Dorf im Nahetal.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR7,99

Produkt

KlappentextPatriarch Bruno Hofer ist mit 97 Jahre verstorben, und die entzweite Familie wird auf den Familienstammsitz Talgrund gebeten. Alle sind angespannt, hat Bruno doch kürzlich Änderungen im Testament angekündigt. Dann zieht ein heftiges Unwetter auf. Kurz bevor Überschwemmungen das Gutshaus tagelang isolieren, trifft Maya Dudek ein. Wer ist diese junge Frau, die angeblich eine Freundin von Bruno sein soll? Und was fällt ihr ein zu behaupten, auf Gut Talgrund seien im Zeiten Weltkrieg Zwangsarbeiter verpflichtet worden? Auf sich allein gestellt begibt sich die Familie auf die Suche nach einem plötzlich verschwundenen Testament und einer verdrängten Familiengeschichte, die jahrzehntelang im Verborgenen lag.

Rebecca Martin studierte Englisch und Deutsch in Frankfurt am Main und in Dublin, Irland. Ihre Leidenschaft gehört dem Reisen und dem Schreiben. Ihr Roman 'Die verlorene Geschichte' gelangte sofort nach Erscheinen auf die SPIEGEL-Bestsellerliste, gefolgt von 'Der entschwundene Sommer', 'Die geheimen Worte' und 'Das goldene Haus' und die 'Die vergessene Freundin'. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in einem kleinen Dorf im Nahetal.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641298951
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum13.03.2024
Seiten400 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1708 Kbytes
Artikel-Nr.11383063
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1

Talgrund, Frühling 1941

Leni holte noch einmal Schwung, bevor sie das Seil am höchsten Punkt losließ und mit einem hellen Aufschrei in den Mühlenweiher eintauchte. Das Wasser schlug über ihrem Kopf zusammen. Sie sank noch ein Stück tiefer, kurz war es still, aber als sie wenig später die Wasseroberfläche durchbrach, hörte sie auch schon das durchdringende Jubeln der anderen. Es war geradezu so, als trügen sie die Stimmen ihrer Freunde, während sie mit kräftigen Armschlägen das Ufer ansteuerte: »Leni, Leni!«, feuerte ihr Cousin Friedrich sie besonders laut an. Ihr gemeinsamer Freund Georg kam der knapp Neunzehnjährigen bei ihrer Ankunft bereits mit ihrem Handtuch und einem Lächeln entgegen, das sie für einen Moment innehalten ließ. Seine blaugrünen Augen strahlten und das Sonnenlicht ließ sein Haar noch heller wirken. Georg mochte der Sohn des ersten Knechts sein, doch sie alle verbrachten ihre Zeit bereits gemeinsam, solange sie sich erinnern konnte, und nie hatte etwas zwischen ihnen gestanden. Jeder wusste um die besondere Beziehung zwischen Friedrichs Vater Alfred und Georgs Vater Werner, die beide als junge Männer, fast Kinder noch, die Schrecken des Großen Krieges durchlebt hatten. Werner, so hatte Alfred mehr als einmal erzählt, hatte ihm damals das Leben gerettet. Das hatte er ihm nicht vergessen.

Auch wenn es ihre Eltern Siegfried und Ilse anders sehen mochten und Georg gern an seinen Platz verwiesen hätten, war Alfred der Herr über Talgrund, und so waren sie als Kinder gemeinsam ganze Tage über die Wiesen und Felder des Guts gezogen. Sie waren kleine Schluchten hochgeklettert, die sich hier und da die umliegenden Berge hinaufzogen, ausgewaschen von Bächen und kleineren Flussläufen, die manchmal ganz verschwanden und dann wieder auftauchten, wenn es stark regnete. Sie hatten sich Hütten in den Wäldern gebaut oder Verstecken gespielt, Cowboy und Indianer, Römer und Germanen. Natürlich war es stets Friedrich als Arminius, der Varus besiegte. Varus, gib mir meine Legionen wieder.

Ja, wie viele heiße Tage hatten sie hier nicht schon gemeinsam am Weiher verbracht, waren im algengrünen Wasser bis auf den Grund getaucht oder hatten sich Geschichten von Wassermännern erzählt, die sie immer bedrohlicher ausschmückten, je älter sie wurden. Und wie oft schon hatten sich die Jungs Wettkämpfe geliefert, wer dem Wehr mit seinen unangenehmen Strudeln und Strömungen am nächsten kommen konnte. Man konnte es nicht anders sagen, aber ihr Gefüge war gut ausbalanciert, so wie ein fein austariertes Uhrwerk.

Georgs Lächeln vertiefte sich, als Leni aus dem Wasser stieg. Sie streckte die Hand nach dem Handtuch aus. Der Siebzehnjährige öffnete den Mund, um etwas zu sagen, da rief Lenis Bruder Bruno sie zu sich.

Rasch müsse sie kommen, wenn sie noch etwas von den Leckereien wolle, die man heute früh eingepackt habe.

Während Leni sich neben ihrem zwei Jahre jüngeren Bruder niederließ, war es nun an Friedrich und Georg, ein weiteres Mal ins Wasser zu rennen. Für einige Zeit schwammen die beiden um die Wette. Irgendwann tauchten sie. Vorübergehend waren ihre Köpfe nur noch ab und an zu sehen. Dann erschien Friedrich plötzlich hinter Georg und schwärzte ihm mit dem dunklen Schlamm vom Grund des Weihers das Gesicht. Der wehrte sich prustend und schließlich gelang es ihm, Friedrich zu entkommen. Erst in einiger Entfernung kam er wieder hoch.

Bruno schnalzte bedauernd.

Leni runzelte die Stirn. Ja, sie hatten immer gut gemeinsam gespielt, aber da war auch immer diese Konkurrenz zwischen Bruno und Georg gewesen. Man stritt sich um den Platz, der Friedrichs am nächsten kam, aber das waren Kleinigkeiten.

Leni schloss die Augen und öffnete sie gleich wieder. Hier zu sein, hatte sich dennoch immer wie das Paradies angefühlt, bis ...

»Es ist schön, dass du heute dabei bist«, riss Brunos Stimme sie unvermittelt aus den Gedanken. Fröstelnd zog Leni ihr Handtuch enger um die Schultern.

»Eben, als ich Georgs schwarzes Gesicht gesehen habe, musste ich an den Sommer der Olympiade denken, damals, als wir in Berlin waren«, fuhr ihr Bruder fort. Sie runzelte die Stirn. »1936 ... Es ist viel passiert seitdem«, murmelte sie. Ihre Stimme klang rau und etwas verloren, undefiniert. Sie fragte sich, ob sie an dasselbe dachten, und ob sie daran denken sollte an einem Tag, so schön wie dieser ...

»Ja, das stimmt. Ich ...« Vielleicht wollte Bruno noch etwas anderes sagen, aber dann tat er es nicht. Sie sprachen nicht über die Dinge, die sich vor nun über zwei Jahren ereignet hatten, oder über Esther Goldstein, Lenis beste Freundin und deren Familie.

Esther wird immer meine beste Freundin sein.

»Weißt du noch, wie Friedrich Georg das Gesicht damals mit Kohle geschwärzt hat, damit er mehr wie Jesse Owens aussieht?«, hörte sie ihren Bruder sagen.

Natürlich erinnerte sie sich. Die Jungen hatten die Läufe der Olympiade nachgestellt. Damals waren sie alle noch Kinder gewesen. Inzwischen hatte sich das geändert.

Sie seufzte.

»Aber du hast den Wettlauf gewonnen.«

Bruno sah kurz sehr zufrieden aus, dann zuckte er die Schultern.

»Owens hat damals vier Goldmedaillen gewonnen.«

»Dabei war man sich eigentlich sicher gewesen, dass ein Schwarzer keinen Weißen, und vor allem keinen Deutschen besiegen kann, nicht wahr? Aber es ist anders gekommen«, sagte Leni nachdenklich.

Vieles ist anders gekommen, setzte sie stumm hinzu. Ihre Stimmung drohte zu kippen. Sie wollte das nicht.

Bruno nickte nur. In jenem Sommer 1936 war der Jubel über die Olympiade groß gewesen und der dunkelhäutige Jesse Owens ihr heimlicher Held.

»Es waren gute Tage.« Er räusperte sich. »Ich erinnere mich noch an das Reichssportfeld und die Formationen der Hitlerjugend und des BDM und wie wir Unter den Linden nach dem Kirner Stadtwappen gesucht haben. Weißt du noch, die vielen, vielen Fahnenmaste?«

»Natürlich, es gibt Fotografien davon.«

»Ach ja, stimmt.«

Erst hatte Friedrich ein Bild von Bruno und ihr aufgenommen, dann hatte Bruno dasselbe mit Leni und Friedrich gemacht, und zum Abschluss hatten sie noch einen zufällig vorbeikommenden Passanten gebeten, ein Bild von ihnen allen gemeinsam zu machen. Bruno räusperte sich. »Vater hat mir damals erzählt, dass diese Aluminium-Profil-Maste eine technische Meisterleistung aus der Flugzeugfertigung sind.«

Hätte jemand ahnen können, dass man sich bereits drei Jahre später tatsächlich im Krieg befinden würde, fuhr es Leni durch den Kopf. Hier auf Talgrund bekam man nicht viel davon mit. Natürlich beschwerten sich die Eltern manchmal, dass ihnen die Arbeitskräfte fehlten, wenn nach den jungen auch noch die älteren Knechte an die Front geschickt wurden. Sie griff nach ihrem Zopf, um ihn über die Schulter nach vorne zu ziehen und legte sich das Handtuch neu um die Schultern.

»Und weißt du noch die Fernsehstuben?«, fragte Bruno.

Leni nickte. Ja, sich die Wettkämpfe im Fernsehen anzusehen, war wirklich etwas Besonderes gewesen. Das hatte es vorher nicht gegeben. Seitdem hatte keiner von ihnen mehr ferngesehen.

Wieder musste sie an die anderen Dinge denken, die sich seitdem geändert hatten. Als sie aus Berlin zurückgekehrt waren, hatte es diesen kurzen Moment gegeben, in dem sie sich sicher gewesen war, dass alles gut werden würde, dass sie alle ihr Leben weiterführen konnten, wie sie sich das wünschten. Sie war zuversichtlich gewesen und hatte das auch den Goldsteins gegenüber geäußert. Esthers Bruder Heinrich aber hatte nur gelacht und er hatte recht behalten.

Sie blinzelte, die Tränen kamen nicht. Bruno legte eine Hand auf ihren linken Arm.

»Es ist wirklich gut, dass du dabei bist, Leni, du hast so sehr gefehlt.«

»Ich weiß.«

Sie schluckte unvermittelt. Sie wusste ja, wie es war, wenn jemand fehlte. Nachdem ihre beste Freundin Esther und deren Familie Deutschland Anfang 1939 verlassen hatten, hatte sie sich einsam wie noch nie zuvor in ihrem Leben gefühlt. Für einige Zeit hatte sie sich von den gemeinsamen Unternehmungen ganz zurückgezogen und auch danach nicht mehr so häufig daran teilgenommen. Sie vermisste Esther noch immer. Sie würde sie immer vermissen. Sie verstand auch, dass ihre Freundin wahrscheinlich nie wieder etwas mit ihr zu tun haben wollte, weil sie eine Deutsche war, aber es tat weh.

Ilse fiel es schwer, sich vom Anblick der Kinder draußen loszureißen. Die kleine Gruppe war erst vor ein paar Minuten vom Weiher herübergekommen, schien jedoch noch nicht daran zu denken hereinzukommen. Vielleicht war es auch falsch, sie Kinder zu nennen, sogar Friedrich, der Jüngste, war inzwischen siebzehn Jahre alt. Ihre Tochter Leni ordnete gerade ihre Haare mit den Fingern, um sie dann in einen lockeren Zopf zu flechten. Georg stand mit ihrem Handtuch an ihrer Seite und tat sich offenbar schwer, den Blick abzuwenden, was Ilse missbilligend die Augenbrauen heben ließ. Sie würde mit ihrer Tochter reden müssen - wieder einmal.

Ilse schaute kurz zu ihrer...

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