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Schelmenroman

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
608 Seiten
Deutsch
Hoffmann und Campe Verlagerschienen am04.01.2024
Kurz vor der WM 1994 kettet Martin Schlosser sich im Rahmen einer Titanic-Mahnwache vor der Frankfurter DFB-Zentrale an, um die Nominierung des Fußballstars Bernd Schuster zu erzwingen, was jedoch misslingt. Aber Martin Schlosser bleibt dem Leben gegenüber aufgeschlossen. Er unternimmt Lese- und Lustreisen, experimentiert mit Drogen, schreibt mit dem Kollegen Günther Willen auf Spiekeroog ein Buch über das dritte Tor von Wembley, übersteht einen katastrophalen Umzug von Frankfurt nach Göttingen, löst gemeinsam mit Wiglaf Droste ohne allzu böse Absicht einen Literaturskandal. Und zugleich sind es die Jahre, in denen Martin Schlosser sich auf den Abschied von seiner geliebten 'Oma Jever' einstellen muss.

Gerhard Henschel, geboren 1962, lebt als freier Schriftsteller in der Nähe von Hamburg. Sein Briefroman Die Liebenden (2002) begeisterte die Kritik ebenso wie die Abenteuer seines Erzählers Martin Schlosser, die mit dem Kindheitsroman 2004 ihren Anfang nahmen. Henschel ist außerdem Autor zahlreicher Sachbücher. Er wurde unter anderen mit dem Hannelore-Greve-Literaturpreis, dem Nicolas-Born-Preis und dem Georg-K.-Glaser-Preis und dem Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor ausgezeichnet.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR26,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR20,99

Produkt

KlappentextKurz vor der WM 1994 kettet Martin Schlosser sich im Rahmen einer Titanic-Mahnwache vor der Frankfurter DFB-Zentrale an, um die Nominierung des Fußballstars Bernd Schuster zu erzwingen, was jedoch misslingt. Aber Martin Schlosser bleibt dem Leben gegenüber aufgeschlossen. Er unternimmt Lese- und Lustreisen, experimentiert mit Drogen, schreibt mit dem Kollegen Günther Willen auf Spiekeroog ein Buch über das dritte Tor von Wembley, übersteht einen katastrophalen Umzug von Frankfurt nach Göttingen, löst gemeinsam mit Wiglaf Droste ohne allzu böse Absicht einen Literaturskandal. Und zugleich sind es die Jahre, in denen Martin Schlosser sich auf den Abschied von seiner geliebten 'Oma Jever' einstellen muss.

Gerhard Henschel, geboren 1962, lebt als freier Schriftsteller in der Nähe von Hamburg. Sein Briefroman Die Liebenden (2002) begeisterte die Kritik ebenso wie die Abenteuer seines Erzählers Martin Schlosser, die mit dem Kindheitsroman 2004 ihren Anfang nahmen. Henschel ist außerdem Autor zahlreicher Sachbücher. Er wurde unter anderen mit dem Hannelore-Greve-Literaturpreis, dem Nicolas-Born-Preis und dem Georg-K.-Glaser-Preis und dem Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor ausgezeichnet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783455016659
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum04.01.2024
Seiten608 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1905 Kbytes
Artikel-Nr.11413712
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
CoverTitelseiteIn Frankfurt erwarteten mich [...]An Ernst Jüngers 100. Geburtstag [...]In einer Taschenbuchreihe namens [...]Über Gerhard HenschelImpressummehr
Leseprobe


An Ernst Jüngers 100. Geburtstag erschien unsere kleine Anzeige in der Welt, in der taz und in der jungen Welt:

Der erste Anrufer war ein junger Mann, der seinen ganzen Mut zusammengenommen zu haben schien, um mich, den er für Ernst Jünger hielt, fragen zu können, wie viele Leute ich im Ersten Weltkrieg getötet hätte.

»Och, gar keinen«, sagte ich, »das ist ja alles nur so Wind, Presse - hallo? Hallo?«

Dieser Anrufer hatte anscheinend nur seine Frage hören wollen und gleich wieder aufgelegt.

Doch es ging sofort weiter. Ich meldete mich mit einer schlecht nachgemachten Krächzstimme: »Hallo? Jünger?«

»Ja, schönen guten Tag, Herr Jünger, damit hab ich jetzt aber gar nicht gerechnet«, sagte ein Herr, der etwas verschüchtert wirkte.

»Ich aber«, sagte ich. »Wer spricht da bitte?«

»Ich, äh, äh, bin wohnhaft in Berlin. Detlef Lutz.«

»Guten Tag, Herr Lutz.«

Er sagte, daß er gerade die Anzeige in der taz gelesen habe, und ich erwiderte, daß ich sehr gern die taz läse.

»Wer hat denn das veranlaßt?«

»Mein Freundeskreis. Aber ich hab auch gute Kontakte zu den jungen Leuten von der Presse.«

»Aha ...«

»Ja, und wollten Sie auch was wissen?« fragte ich. »Haben Sie Krankheiten?«

»Ich?«

»Krankheiten? Oder Kriegsverletzungen?«

»Kriegsverletzungen?«

»Kriegsverletzungen haben Sie auch nicht? Sind Sie weißer Jahrgang?«

»Wie nennen Sie das?«

»Sie haben nicht gedient?«

»Nicht gedient, nein.«

»Ja, dann tut´s mir leid - ich hab hier noch Kameraden zu sprechen. Aber ich wünsche Ihnen noch ein schönes Leben. Sie könnten´s ja mal in der Fremdenlegion versuchen. Haha! Das war jetzt ein Scherz von mir. Auf Wiederhören!«

Die nächsten Anrufer wurden von Thomas Gsella bedient, der sich mit Atemrasseln behalf, um Jünger nachzuahmen, während Christian Schmidt sich nach der zweiten Wachablösung in der Rolle von Jünger als krähender Kommißkopf ausgab. Und er hatte Glück, denn er bekam einen alten Freund des nationalsozialistischen Bildhauers Arno Breker an die Strippe, einen Herrn Schrödeler, der beklagte, daß Breker, »der ewig Verfemte«, in den Gedenksendungen im Fernsehen nicht genannt worden sei.

Da habe man ja keinen Einfluß drauf, schnarrte Christian. »Sie wissen ja, die Medien heutzutage, was da alles für ein Gesocks ...«

Mehr mußte er gar nicht sagen, um Herrn Schrödeler in Ekstase zu versetzen.

Als ich den Telefonhörer wieder übernahm, wurde es unangenehm. Eine Dame herrschte mich an: »Ja, also, äh, ich möchte nur gern wissen, wer hinter dieser Anzeige eigentlich steht!«

»Ja, das bin ich«, sagte ich. »Zum Geburtstag.«

»Nein, also, das ist nicht Ernst Jünger! Also bitte: Wer steht hinter dieser Anzeige?«

Ich verlegte mich aufs Schwallen: »Ja, man ist nicht mehr derselbe mit hundert, aber, äh, das Leben ist schön ...«

»Also, hören Sie, was Sie mir da erzählen, will ich gar nicht hören. Ich möchte gern wissen, wer hinter der Anzeige steht!«

»Ja, das sind unter anderem meine Gratulanten und Freunde ...«

»Ach was! Also, Sie sind nicht Ernst Jünger, sondern Sie sind derjenige, der hier das in Auftrag gegeben hat!«

»Ja, aber Sie wollen mich ja nur schmähen«, erwiderte ich. »Entschuldigung, ich hab so viele Feinde, mit denen möchte ich nicht so gerne sprechen ...«

»Ach, Unsinn, das ist alles Unsinn, was Sie sagen!« rief die Dame.

Ich legte auf und nahm sofort wieder ab. »Ja, Jünger. Hallo?«

»Ja, hier ist Günter Gerhard, Bad König«, baritonte es aus dem Hörer. »Wer ist am Telefon?«

»Ich bin´s, das Geburtstagskind, und beantworte gerne Fragen zum Lebenslauf oder auch so andere Sachen, was Sie wissen möchten ...«

»Was ich wissen möchte«, dröhnte Herr König, »wie Sie, Herr Jünger, den aufkommenden Nationalismus beurteilen, etwa in Österreich den Haider oder Le Pen oder bei uns die Nationalsozialisten, die ja stark im Kommen sind. In Rußland, im ehemaligen, gibt´s ähnliche Tendenzen.«

Im ehemaligen Rußland? Ob er das Zarenreich meinte?

Ich quasselte einfach drauflos: »Ja, ich bin da nicht dafür. Ich bin mehr ein konservativ denkender Mensch, und das ist nicht gut.«

»Ja, das ist nicht gut«, sagte Herr Gerhard. »Aber was können wir dagegen tun?«

»Lichterketten, demonstrieren, Unterschriftenlisten ... und ich spreche aber auch persönlich mit dem Präsidenten darüber.«

»Ja, das war schon mein Anliegen«, fuhr Herr Gerhard fort, ohne sich von Jüngers Plädoyer für Lichterketten verwirren zu lassen. »Ich meine, ich hab gestern die ZDF-Sendung gesehen und hab auch Marmorklippen gelesen, und solche Fragen sind so aktuell, daß Sie als prominenter Philosoph und Schriftsteller da sicher ´ne Meinung zu haben.«

»Das ist richtig.«

»Ich bedanke mich.«

»Ja, ich auch«, sagte ich, »und ich spreche mit dem Präsidenten Hindenburg darüber. Wiederhören!«

 

Meine Steuerberaterin schrieb mir, daß ich für das Jahr 1993 noch 3197 Mark ans Finanzamt abführen und ab Juni vierteljährlich 1295 Mark vorauszahlen müsse. Plus 102 Mark Solidaritätszuschlag für die Kosten der deutschen Einheit. Da mußte ich durch.

 

In der Zeitung Die Woche trat der Literaturkritiker Werner Fuld mein neues Buch in die Tonne:


Er argumentiert mit dem Holzhammer, belästigt mit Belehrungen, statt durch Witz zu überzeugen, kurz: Martin Schlosser ist ein furchtbarer deutscher Humorist. In der Zeitschrift »Titanic« hat er seine Spielecke, da darf er zur Schadenfreude seines pubertären Publikums Leute anpinkeln. Franz Alt und Luise Rinser, Lothar Matthäus und Uta Ranke-Heinemann zählen zu seinen Lieblingsopfern. Er ballert blindlings in die Menge. Und weil beim ersten Mal keiner reagiert hat, legt Schlosser seine alten Glossen noch mal als Buch vor. Wäre nicht nötig gewesen.


Die Tatsache, daß ich den Fußballspieler Lothar Matthäus gegen seine Kritiker in Schutz genommen hatte, war dem Rezensenten leider nicht aufgefallen. Anscheinend hatte er mein Buch überhaupt nicht gelesen.

»Kritik ist, wenn man auf wen eine Wut hat«, hatte Karl Kraus geschrieben. Aber weshalb mochte der mir persönlich unbekannte Kritiker Fuld wütend auf mich sein?

 

Oma Jever war inzwischen gesundet, und Tante Doro berichtete mir, daß Tante Hanna in ein Altersheim namens Schloß Elmischwang in Fischach im Landkreis Augsburg umgezogen sei.

Dort wollte ich sie in absehbarer Zeit mal besuchen.

 

Bei meiner nächsten Berlinvisite erzählte Wiglaf mir im Heidelberger Krug, daß die Radaubrüder in Nürnberg »Nazis raus!« skandiert und sein Publikum bespuckt hätten.

Nun war Wiglaf also nicht mehr nur ein Sexist und ein Täterschützer, sondern ein Nazi. Ich glaubte jedoch nicht, daß Adolf Hitler viel Freude an ihm gehabt hätte.

 

Herr Rutschky, mit dem ich mich ebenfalls traf, warnte davor, sich vom Auftreten solcher Lesungsstörer zu apokalyptischen Prognosen verleiten zu lassen. Er würde das unter »Jugendirresein« abbuchen. »Über kurz oder lang werden diese Jungmenschen ihre Ritterrüstung ausziehen und sich in normale Steuerzahler verwandeln ...«

 

Als ich Max besuchte, hing bei ihm an einem Garderobenhaken ein Stück Beutekunst: eine Halskette der Freundin des taz-Kulturredakteurs Jörg Lau. Diese Kette war Max in die Hände geraten, als er in einer Kneipe spaßhaft mit jener Freundin gerangelt hatte.

Das Gemecker im Spiegel habe ihn nur ungefähr zwei Tage lang belastet, sagte er. Danach seien alle diese Vorwürfe wie eine Dreckkruste von ihm abgeplatzt.

 

Untergekommen war ich in diesen Tagen wieder einmal bei Claudia Denker und ihrer Familie. Ich wollte mich auch mit Kerstin treffen, doch sie konnte sich an diesem Wochenende nicht loseisen.

 

Abenteuerlustige Titanic-Leser konnten sich jetzt tatsächlich für 1590 Mark in eine Reisegesellschaft einkaufen, die im September eine Woche lang Albanien erkunden sollte.

Ich war fester entschlossen denn je, mich an diesem von Christian Schmidt angeleierten Wahnsinnsprojekt nicht zu beteiligen. In den Schwarzwald wäre ich gern mitgefahren, und vielleicht sogar nach Tirol, aber die Balkanhalbinsel fand ich ungefähr so verlockend wie den Jupiter. Und das Ganze dann auch noch mit möglicherweise geistig angedötschten Titanic-Lesern?

»Mann, Schlosser, zier dich doch nicht so!« rief Christian. »Achim und Heribert haben schon zugesagt, und wahrscheinlich wird auch Eckhard Henscheid mitkommen!«

Doch wieso hätte ich Eckhard Henscheid nach Albanien begleiten sollen, wenn ich ihn auch in Deutschland besuchen konnte?

 

In Achim Gresers neuer Cartoon-Serie »Der Führer privat« präsentierte Eva Braun dem Größten Feldherrn aller Zeiten ihr auf ein Hitlerbärtchenformat gestutztes Schamhaar und sagte: »Gefalle ich dir so, Dolferl?«

Meinem Rat, Joachim C. Fest das Original dieser Zeichnung zum Kauf anzubieten, mochte Achim nicht folgen. So etwas würde die diplomatischen Beziehungen zwischen Titanic und FAZ nur unnötig verkomplizieren, meinte er.

 

Eine fiebrige Erkältung hatte mich geschwächt. Ich schluckte Rhinopront-Tabletten, die nicht viel bewirkten, und mir war eigentlich nicht danach, unter Leute zu gehen, doch die...
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Autor

Gerhard Henschel, geboren 1962, lebt als freier Schriftsteller in der Nähe von Hamburg. Sein Briefroman Die Liebenden (2002) begeisterte die Kritik ebenso wie die Abenteuer seines Erzählers Martin Schlosser, die mit dem Kindheitsroman 2004 ihren Anfang nahmen. Henschel ist außerdem Autor zahlreicher Sachbücher. Er wurde unter anderen mit dem Hannelore-Greve-Literaturpreis, dem Nicolas-Born-Preis und dem Georg-K.-Glaser-Preis und dem Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor ausgezeichnet.