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Der Puppenspieler

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
280 Seiten
Deutsch
Books on Demanderschienen am06.04.20234. Auflage
Es geht um Kämpfe des Alltags; manchmal komisch-banal scheinend, dann wieder sehr dramatische und existentielle, kaum in Worte fassbare. Es wird die Geschichte von Hannah und Charly, die bereits im "Drachentöter" erscheinen nochmals aufgegriffen, von anderer Seite beleuchtet. Der Puppenspieler tritt erstmals deutlicher hervor. Doch bleibt es nicht bei ihm. Unterschiedliche Themen werden aufgegriffen und aus unterschiedlichen Perspektiven gedeutet. Eine Vielzahl von Geschichten ranken sich um Hannah, Jakob und Charly. Ähnlichkeiten mit noch lebenden, bereits verstorbenen, oder zum Zeitpunkt der Herausgabe dieser Geschichten noch nicht geborenen Personen sind (wie in allen guten Geschichten) rein zufällig. Autorin: Claudia J. Schulze, Konstanz, Offenburg & Strasbourg, Illustrationen: Klára Sedlo, Prag

Studium der Literaturwissenschaften, Psychologie, Kognitionswissenschaften und Philosophie in Freiburg, Zürich, Karlsruhe und Konstanz. Abschluss in Pädagogischer Psychologie mit Literatur-Didaktik, Promotion in Freiburg. Redaktionsmitglied der Literaturzeitschrift WANDLER Veröffentlichung mehrerer Kurzgeschichten sowie Lyrik und Auszüge längerer Erzählungen in unterschiedlichen Literatur-Zeitschriften in Deutschland, Österreich und der Schweiz (Wandler, cet, Am Zeitstrand, decision, Anthologien wie die Bibliothek deutschsprachiger Gedichte, Hörbücher (In den Schuhen der Welt, Nachtflüge) Print- & Online-Veröffentlichungen, Print-On-Demand. Autorengruppen in sozialen Netzwerken mit Veröffentlichungen Veröffentlichung mehrerer Rezensionen (Print- und Online), Bibliothek deutschsprachiger Gedichte, Slam-Poetries, zahlreiche Autorengruppen und Literatur-Blogs, Sprecherin.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,80
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR7,49

Produkt

KlappentextEs geht um Kämpfe des Alltags; manchmal komisch-banal scheinend, dann wieder sehr dramatische und existentielle, kaum in Worte fassbare. Es wird die Geschichte von Hannah und Charly, die bereits im "Drachentöter" erscheinen nochmals aufgegriffen, von anderer Seite beleuchtet. Der Puppenspieler tritt erstmals deutlicher hervor. Doch bleibt es nicht bei ihm. Unterschiedliche Themen werden aufgegriffen und aus unterschiedlichen Perspektiven gedeutet. Eine Vielzahl von Geschichten ranken sich um Hannah, Jakob und Charly. Ähnlichkeiten mit noch lebenden, bereits verstorbenen, oder zum Zeitpunkt der Herausgabe dieser Geschichten noch nicht geborenen Personen sind (wie in allen guten Geschichten) rein zufällig. Autorin: Claudia J. Schulze, Konstanz, Offenburg & Strasbourg, Illustrationen: Klára Sedlo, Prag

Studium der Literaturwissenschaften, Psychologie, Kognitionswissenschaften und Philosophie in Freiburg, Zürich, Karlsruhe und Konstanz. Abschluss in Pädagogischer Psychologie mit Literatur-Didaktik, Promotion in Freiburg. Redaktionsmitglied der Literaturzeitschrift WANDLER Veröffentlichung mehrerer Kurzgeschichten sowie Lyrik und Auszüge längerer Erzählungen in unterschiedlichen Literatur-Zeitschriften in Deutschland, Österreich und der Schweiz (Wandler, cet, Am Zeitstrand, decision, Anthologien wie die Bibliothek deutschsprachiger Gedichte, Hörbücher (In den Schuhen der Welt, Nachtflüge) Print- & Online-Veröffentlichungen, Print-On-Demand. Autorengruppen in sozialen Netzwerken mit Veröffentlichungen Veröffentlichung mehrerer Rezensionen (Print- und Online), Bibliothek deutschsprachiger Gedichte, Slam-Poetries, zahlreiche Autorengruppen und Literatur-Blogs, Sprecherin.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783757835095
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum06.04.2023
Auflage4. Auflage
Seiten280 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.11425679
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Ein Fremder

Der verhüllte Greis sah Akim starr in die Augen und fragte: »Wen suchst du hier? « Er sprach deutsch, was Akim noch stärker befremdete als sein unvermitteltes Erscheinen.

Die marokkanische Wüste war nicht eben der Ort, deutsch zu sprechen.

Sprache, Land und seinen Taufnamen hatte er bereits hinter sich gelassen, aber offensichtlich war er noch immer nicht weit genug weg. Akim spürte eine grauenhafte Scham darüber, dass der Alte den Deutschen in ihm erkannt hatte. Hatte er sich in den vergangenen Jahren nicht etwa redlich bemüht, ein wahrer Marokkaner zu werden? Doch den Alten kümmerte das nicht. Was konnte er denn bloß von ihm wollen? Akim wand sich, kratzte sich, um sein Zittern zu verbergen, und verfluchte ihn, den Ungerührten, insgeheim.

Langsam nickend drehte dieser seinen mageren Körper in dem verwitterten, von feinen Tüchern umsponnenen, Kopf weg, als wüsste er bereits, dass er von Akim keine Antwort erwarten könnte.

Allein blieb Akim zurück, machte sich nicht die Mühe, der Fata Morgana im Gewand eines rätselhaften Alten zu folgen, denn in der Wüste muss man seine Kräfte zusammenhalten.

Doch dann, er konnte es sich nicht recht erklären, begann er zu laufen. Gegen den heißen Sand ankämpfend folgte er der Gestalt. Sand und Sonne verdunkelten seinen Blick, aber die Angst, den Mann nicht mehr zu erreichen, ließ ihn weiterlaufen. Wie verlassen fühlte er sich mit einem Mal ohne diesen Menschen, wie ganz und gar allein.

Als er ihn fand, verlangsamte sich sein Schritt. Akim sank in die Knie neben den Alten, der da lag. Tot, in der Wüste, das Gesicht vom Sand schon halb zugedeckt.

Warum er ihm den Sand aus dem Gesicht strich, wusste er auch nicht. In der Wüste war eine solche Geste sinnlos. In wenigen Augenblicken würde sie ihn wieder unter sich begraben haben. Aber er musste sich dieses Gesicht noch einmal genau anschauen. Und als es schließlich entblößt vor ihm lag, wusste er, warum. Es war sein eigenes Gesicht.

Und er wunderte sich nicht einmal darüber. Ruhig drückte er sich selbst die Augen zu. Es war vorbei.

Er war gestorben. In der Wüste. Allein. Heute. Aber irgendetwas an seinem Tod unterschied sich von dem Bild, das er sich vom irdischen Ende immer gemacht hatte. Der Tod hatte ihn nicht, so wie er sich das erhofft hatte, von seinen Gedanken, befreit. Konnte ein Toter leiden, etwa mehrfach sterben?

Und was bedeutete das »Heute« in der Wüste? In einem Ort, in dem es Raum und Zeit nicht zu geben schien? Wo Realität und Illusion eines waren. Was zählte in Anbetracht des Endes?

Was war wesentlich?

Wesentlich war in der Tat, er konnte nicht umhin, sich dies einzugestehen, dass er allein gestorben war, in der Wüste, weit weg von dem Ort, an dem er geboren wurde, weit weg von dem Land, in dem er nicht hatte leben können. Das war das unglückliche Deutschland gewesen.

Genauer: die Insel Norderney.

Die Insel, auf der er nichts gewesen war. Wo man durch ihn hindurchgeschaut hatte wie durch einen Fremden. Wie hatte er sich damals gewünscht, ein Fremder zu sein. Dann wäre ja klar gewesen, warum man ihn gemieden hätte, den Fremden auf der Frieseninsel. Aber er war ja kein Fremder. Er war Akim, geschwisterloser Sohn des alten Fährmanns, dessen Familie schon immer auf Norderney gelebt hatte. Leider. Wenn er in den Schulpausen also allein auf dem Hof herumstand, dann hatte das einen anderen Grund.

Dann war nur Akim, einst Achim genannt, persönlich gemeint. Selbst wenn er keine Erklärung dafür finden konnte, warum das so war.

Er hatte wahrlich nichts unversucht gelassen, sich Zuneigung und Bewunderung der anderen zu erdienen, aber seine Bemühungen waren umsonst gewesen.

Auf der Insel gab es nicht viele wie ihn, aber später, als er zum Studieren weggezogen war, da lernte er sie kennen. Jene, die wie er nach H. gezogen waren, in der Hoffnung, hier neu anzufangen. Auch Akim hatte es versucht, aber er hatte mit all diesen Existenzen nur eines gemein. Die Sprachlosigkeit.

Sie alle waren letztlich die Ausgestoßenen, die Sonderlinge. Was gab es da noch zu reden?

Stattdessen übten sie sich in der verzweifelten Sprache des hastigen Geschlechtsverkehrs. Akim verkehrte mit, er lockte sie sich nacheinander mit Bier und mit dem Kiff, den meist er bezahlen musste, in seine Wohnung, nahm was kam, alt oder jung, schwarz oder weiß, gesund oder krank, Mann oder Frau.

Über das Geschlechtsorgan dockte er an, wollte ihnen, die es doch selbst nicht wussten, das Geheimnis des Verbundenseins entlocken.

Ein bis in den After hinein heftig juckender Tripper, welchen er sich bei einer dieser Gelegenheiten zugezogen hatte, trug er stolz wie ein Mann in jener Hose umher, in der er nunmehr nicht mehr allein zu stecken schien.

Der recht gedrungene Geschlechtspartner des vergangenen Wochenendes, dessen Name ihm entfallen war, begleitete ihn. Die kleinen Stiche, die er beim Gehen und beim Pinkeln verspürte, waren warme Empfehlungen, Ehrbezeichnungen.

So hatte er sich entsprechend siegessicher dem wortkargen Dermatologen präsentiert.

Sollte dieser den Beweis dafür sehen, dass sich jemand für ihn interessiert hatte. Das war es, was schließlich zählte: ob für eine Minute, eine Stunde, eine Nacht: Er war nicht allein gewesen.

Allein hatte er sein ganzes sonstiges Leben verbracht, trotz aller Bemühungen, dies zu ändern.

So hatte er in den langen Jahren seines drögen Philosophiestudiums ganze sieben Sprachen gelernt. Wegen sieben einfacher Frauen aus der Fremde. Leichten Frauen, die einfache Lösungen und unbekannte Rezepte für das Leben mitgebracht hatten. Sieben Frauen, die er kennen gelernt und die ihn nacheinander verlassen hatten.

Und das, obgleich er alles von ihnen übernommen hatte. So war er Vegetarier und Metzger, Atheist und Prediger, Dieb und Kommissar gewesen, hatte sich gehäutet für jede neue Frau, hatte ihre Kleider angelegt und wurde am Ende doch von jeder abgelegt.

Nur eine war bei ihm geblieben - äußerlich zumindest. Das war Aya aus Marokko gewesen.

Marokko. Wegen Aya und wegen seiner Hoffnung war er in dieses Land gekommen.

Hier würde sein Anderssein nicht auffallen, hatte er vermutet, denn wenn er fremd erschiene, dann mit gutem Grund. Aber gerade dadurch würde er hier irgendwann dazugehören, da war er sich sicher gewesen auf der Busfahrt nach Casablanca, wenngleich er damals schon ahnte, dass die Begegnung mit ihm und Aya nichts mit Bogart und Bergmann zu tun haben würde.

Es war vielmehr das arrangierte Treffen eines listigen Vermittlers gewesen, der dort ungeliebte marokkanische Frauen durch Heirat mit glücklosen Europäern aus dem Land schleuste, und obgleich sie sich nicht kannten, war doch das gemeinsame Verlorensein eine mögliche, gute, Basis für ihr zukünftiges Zusammenleben.

Er würde all ihre Kleider tragen, ihre Sprache sprechen, ihre Liebes- und Klagelieder singen.

Wenn sie sich ihm nur dafür schenkte, er dafür nur einen Menschen erhielte, der bei ihm bleiben würde.

Damals, im Bus nach Casablanca, war Aya nur eine Vorstellung in seinem Kopf gewesen. Noch hatte er nicht gewusst, wie sie aussah. Nur dass sie fünf Jahre älter war als er hatte er erfahren und dass sie keine Kinder zu gebären bereit war, da sie ihr Leben in Freiheit zu genießen wünschte. Das hatte Akim nicht gestört, denn so würden sie einander genug sein können. Verstohlen hatte er sich damals im Bus an sein kühles Brautgeschenk gepresst. Es war ein Parfümflakon gewesen. »Princesse«, denn das hatte sie für ihn sein sollen, hätte es ihn doch zugleich in ähnlich edlen Stand erhoben.

Im Bus auf dem Weg nach Casablanca hatte er sich dieses neue, dieses erste Leben zurecht-geträumt.

Ein Lächeln hatte sein Gesicht ergriffen, als er sich vorgestellt hatte, wie vertraut die jetzt noch unbekannte Aya ihm bald Falafel, ungesäuertes Brot und Feigen reichen würde, liebevoll bauchtanzend, seine Einsamkeit vertreibend. Sie würden einander wirklich brauchen und sich somit niemals verlassen. Er hatte sich ihre neue Wohnung schon genau vorstellen können. Die grüngestreifte Sofagarnitur seiner Eltern durch bedruckte Kissen ausgetauscht.

Aya, sich dort mit ihm tummelnd, lachend, kardamomkauend, immerzu Schwarztee trinkend, fremdländischen Klängen lauschend, Kiff rauchend.

Damals hatte er es kaum erwarten können, sich mit ihr den Zauber des Orients und das Geheimnis der Geborgenheit in seine triste Studentenbude zu holen. Doch dann war alles anders gekommen. Aya, die so kleingewachsen war, dass er, der er beinahe lächerlich groß war, sich krümmen musste, um Halt zu finden, hatte seine Bemühungen, in Deutschland eine marokkanische Oase zu schaffen, nicht gewürdigt. Die bunten Kissen wollte sie durch eine anständige Sitzgarnitur ersetzt wissen und statt eines flatternden Gewandes trug sie Leggins und Turnschuhe aus dem hiesigen Discount.

Dem Minztee zog sie schnöde Rührschokolade vor und statt orientalischer Musik verlangte sie nach einem Fernseher mit einer Satelliten-schüssel, die so groß war, dass...
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