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Nimm meinen Schmerz

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Droemer Knaurerschienen am02.10.20231. Auflage
Nimm meinen Schmerz: 24 erschütternde Berichte aus dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine - erstmals in Buchform festgehalten von der preisgekrönten russischen Journalistin Katerina Gordeeva.  In der Übersetzung von Jennie Seitz. Nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Übersetzung, 2024. »Viele haben erst durch Gordeeva verstanden, was der Krieg bedeutet.« 3SAT Kulturzeit, 14.6.2024 »Geschichten aus der Wirklichkeit mit ungeheurer literarischer Kraft und tätigem Mitgefühl.« Volker Weidermann, DIE ZEIT 48, 16.11.2023 »Gordeeva lässt die Menschen einfach reden - und die oft bizarren Details der Realität lassen die  Wirklichkeit zur Literatur gerinnen.« Klaus Rimpel, Münchner Merkur Nr. 245 | Dienstag, 24. Oktober 2023 »In seinen besten Momenten hat das Buch etwas von der erschütternden Präzision derTexte Swetlana Alexijewitschs, man spürt,  eine nackte, existenzielle Unbehaustheit umgibt diese Menschen.« Sonja Zekri, Süddeutsche Zeitung Nr. 244, Montag, 23. Oktober 2023 »Das Buch bringt diesen Krieg viel näher als die allbekannten Berichte, unerträglich nahe. Man spricht häufiger davon, dass ein Buch erschütternd sei. Dieses hier ist es.« Holger Heimann, Andruck - Das Magazin für Politische Literatur I Deutschlandfunk, 02. Oktober 2023, 19:15 Uhr Die russische Journalistin und Trägerin des Internationalen Anna-Politkowskaja-Journalistenpreises, Katerina Gordeeva, interviewte nach Ausbruch des Krieges betroffene Menschen in Flüchtlings-Zentren in der Ukraine, in Russland und Europa. Sie sprach mit Flüchtlingen, russischen Dissidenten und Helfern, den Menschen in Europa, die Geflüchtete aufgenommen haben. 24 erschütternde Kriegsschicksale: von Butscha über Mykolajiw bis Mariupol Mit großer literarischer Kraft und dokumentarischem Blick schildert Gordeeva die Kriegs-Erlebnisse dieser Menschen und fängt die Gräuel und Ungerechtigkeiten des Krieges auf besonders nahbare Art ein. So entsteht ein direktes, unverfälschtes, schmerzvolles Stimmungsbild.  Geschichten von Leben, Flucht und Überleben, die unser Wissen über den Krieg verändern werden Katerina Gordeevas Buch ist ein brisanter Text, der umfassend das Kriegserleben schildert, sowohl von russischer als auch ukrainischer Seite. Diese Geschichten werden unser Wissen über den Krieg verändern und sind zugleich Zeugnis und Appell für Demokratie, objektiven Journalismus, für Wahrheit und für Frieden. Das Buch wurde bislang in 14 Sprachen übersetzt.

Katerina Gordeeva, geb. 1977, wurde zu einer der zehn einflussreichsten unabhängigen Journalistinnen Russlands ernannt (Romir Research Holding) und vielfach ausgezeichnet, u. a. 2022 mit dem Internationalen Anna-Politkowskaja-Journalistenpreis. Mit ihrer Familie lebt sie im Exil in Lettland. Bis 2012 arbeitete sie als TV-Reporterin und als Kriegsberichterstatterin. Im Jahr 2014 verließ sie Moskau aus Protest gegen Russlands Annexion der Krim. 2020 gründete sie ihren eigenen YouTube-Kanal und erreicht damit heute ein Millionenpublikum.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR19,99

Produkt

KlappentextNimm meinen Schmerz: 24 erschütternde Berichte aus dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine - erstmals in Buchform festgehalten von der preisgekrönten russischen Journalistin Katerina Gordeeva.  In der Übersetzung von Jennie Seitz. Nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Übersetzung, 2024. »Viele haben erst durch Gordeeva verstanden, was der Krieg bedeutet.« 3SAT Kulturzeit, 14.6.2024 »Geschichten aus der Wirklichkeit mit ungeheurer literarischer Kraft und tätigem Mitgefühl.« Volker Weidermann, DIE ZEIT 48, 16.11.2023 »Gordeeva lässt die Menschen einfach reden - und die oft bizarren Details der Realität lassen die  Wirklichkeit zur Literatur gerinnen.« Klaus Rimpel, Münchner Merkur Nr. 245 | Dienstag, 24. Oktober 2023 »In seinen besten Momenten hat das Buch etwas von der erschütternden Präzision derTexte Swetlana Alexijewitschs, man spürt,  eine nackte, existenzielle Unbehaustheit umgibt diese Menschen.« Sonja Zekri, Süddeutsche Zeitung Nr. 244, Montag, 23. Oktober 2023 »Das Buch bringt diesen Krieg viel näher als die allbekannten Berichte, unerträglich nahe. Man spricht häufiger davon, dass ein Buch erschütternd sei. Dieses hier ist es.« Holger Heimann, Andruck - Das Magazin für Politische Literatur I Deutschlandfunk, 02. Oktober 2023, 19:15 Uhr Die russische Journalistin und Trägerin des Internationalen Anna-Politkowskaja-Journalistenpreises, Katerina Gordeeva, interviewte nach Ausbruch des Krieges betroffene Menschen in Flüchtlings-Zentren in der Ukraine, in Russland und Europa. Sie sprach mit Flüchtlingen, russischen Dissidenten und Helfern, den Menschen in Europa, die Geflüchtete aufgenommen haben. 24 erschütternde Kriegsschicksale: von Butscha über Mykolajiw bis Mariupol Mit großer literarischer Kraft und dokumentarischem Blick schildert Gordeeva die Kriegs-Erlebnisse dieser Menschen und fängt die Gräuel und Ungerechtigkeiten des Krieges auf besonders nahbare Art ein. So entsteht ein direktes, unverfälschtes, schmerzvolles Stimmungsbild.  Geschichten von Leben, Flucht und Überleben, die unser Wissen über den Krieg verändern werden Katerina Gordeevas Buch ist ein brisanter Text, der umfassend das Kriegserleben schildert, sowohl von russischer als auch ukrainischer Seite. Diese Geschichten werden unser Wissen über den Krieg verändern und sind zugleich Zeugnis und Appell für Demokratie, objektiven Journalismus, für Wahrheit und für Frieden. Das Buch wurde bislang in 14 Sprachen übersetzt.

Katerina Gordeeva, geb. 1977, wurde zu einer der zehn einflussreichsten unabhängigen Journalistinnen Russlands ernannt (Romir Research Holding) und vielfach ausgezeichnet, u. a. 2022 mit dem Internationalen Anna-Politkowskaja-Journalistenpreis. Mit ihrer Familie lebt sie im Exil in Lettland. Bis 2012 arbeitete sie als TV-Reporterin und als Kriegsberichterstatterin. Im Jahr 2014 verließ sie Moskau aus Protest gegen Russlands Annexion der Krim. 2020 gründete sie ihren eigenen YouTube-Kanal und erreicht damit heute ein Millionenpublikum.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783426468586
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum02.10.2023
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse1207 Kbytes
Artikel-Nr.11462662
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

VORWORT

1.

Der Verlag bat mich um ein Vorwort. Ich sollte kurz erzählen, wie dieses Buch entstanden ist. Ich habe mich bemüht, die Bitte innerhalb der vorgegebenen Frist zu erfüllen, aber stattdessen saß ich wochenlang vor einem leeren Dokument.

Ich bin Journalistin. Ich habe jahrelang für das russische Fernsehen gearbeitet, war als Reporterin an vielen Brennpunkten unterwegs. Ich musste meine Tätigkeit für das Fernsehen aufgeben, als das freie Wort nach und nach durch Propaganda ersetzt wurde und die Professionalität durch Loyalität gegenüber dem Regime. Nach der Annexion der Krim und der Entfesselung des Kriegs im Südosten der Ukraine verließ ich Russland. Ich wurde freie Journalistin: Ich betreibe einen YouTube-Kanal mit 1,5 Millionen Followern, meine Filme werden von Dutzenden Millionen von Menschen gesehen. Auch im Exil hörte ich nicht auf, von Russland zu erzählen: Eine andere Heimat werde ich in diesem Leben nicht haben.

Am 24. Februar 2022 überwältigte mich das Gefühl, dass das alles jeden Sinn verloren hat. Ich hätte nie gedacht, dass ich zu meinen Kindern jemals den Satz sagen würde müssen: »Heute Morgen hat der Krieg begonnen.« Und noch weniger habe ich kommen sehen, dass ich ihnen erklären muss, dass diesen Krieg jenes Land begonnen hat, das unsere Heimat ist.

Die Hälfte unserer Familie lebt in der Ukraine, in Kyjiw: mein Cousin und meine Cousine, ihre Familien und Kinder, mein Onkel, der 1939 geboren ist.

Der Staat, dessen Bürgerin ich bin, hat - formell also auch in meinem Namen - die Menschen angegriffen, die ich liebe.

Mein Beruf hat mir geholfen, nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren: Ich habe sofort beschlossen, die Ereignisse festzuhalten. Wir alle sind auf den schwärzesten Seiten des Geschichtsbuchs gelandet.

Seit Februar war ich kaum zu Hause. Ich reiste herum, redete mit Menschen, drehte. Aber neben den geplanten Reisen und Terminen kamen die Heldinnen und Helden dieses Buches zu mir: an Grenzübergängen, im Zug, auf der Straße, über Bekannte und Bekannte von Bekannten, aus zufällig mitgehörten Gesprächen, zufällig gestellten Fragen.

Der Krieg zerstörte Leben, riss uns mit auf der Abwärtsspirale von endlosem Hass, aber Schritt für Schritt gelang es mir, hinter das Unerträgliche, Unverzeihliche, Tödliche zu dringen. Ich weiß, wie schwer es für meine Heldinnen und Helden manchmal war, sich mit mir zu treffen und zu sprechen. Ausgerechnet mit mir zu sprechen. Manchmal war genau das das Problem. Aber jedes Mal nahmen diese großartigen Menschen irgendwo die Kraft her. Und wir redeten.

So entstand der Film, der im Sommer 2022 auf meinem YouTube-Kanal erschienen ist.

Ich dachte, dass es mir leichter ums Herz würde, sobald der Film herausgekommen wäre. Dass ich aufhören würde, mit dem Gehörten und Gesehenen zu leben, dass ich die Geschichten loslassen würde. Dass ich durchatmen könnte.

Doch der Film erschien, und die Figuren - sowohl die im Film als auch die, die nicht in der endgültigen Fassung vorkamen - ließen mich nicht los. Ich träumte von ihnen. Hörte ihre Stimmen ständig in meinem Kopf. Mir wurde klar, dass ich es aufschreiben muss, dass es anders nicht geht.

So begann ich im Sommer 2022, an diesem Buch zu arbeiten. Und während ich schrieb, kamen immer neue Figuren in mein Leben. Der Krieg war nicht vorbei. Obwohl es immer schwieriger wurde, sich nicht daran zu gewöhnen. Auch dagegen schrieb ich an. So entstand dieses Buch.

Als der Verlag mich nun bat, ein Vorwort zu verfassen, saß ich also wochenlang vor einem leeren Blatt. Es war unheimlich, ich verstand nicht, was mit mir los war, warum ich kein Wort zu Papier bringen konnte.

Mich rettete ein Brief, den mir eine der Heldinnen dieses Buchs schrieb, nachdem sie das Manuskript gelesen hatte. Sie schrieb: »Jeder von uns hat seine schreckliche, tragische Geschichte erlebt - aber nur die eine. Und du hast sie alle erlebt.«

Ja, da ist etwas dran.

2.

Mit dem Zug sind es von Berlin nach Naumburg gute drei Stunden, mit einem Umstieg in Halle an der Saale.

In Halle muss ich 28 Minuten auf den nächsten Zug warten. Es ist ein großer Bahnhof. Mit einem Glasdach. Ein Flugzeug fliegt vorüber. Ich stelle mir vor, wie es eine Bombe direkt über dem Bahnhof abwirft. Über so etwas denke ich jetzt ständig nach.

Außerdem kann ich mir keine Videos ansehen, die mit einer Drohne aufgenommen wurden. Es nimmt absurde Züge an: Ein Bekannter schickte mir Videoaufnahmen von einer Elchkuh in der russischen Oblast Iwanowo, die Junge geboren hat und mit ihnen im Wald lebt. Die Aufnahmen hat er mit einer Drohne gemacht: Elchkuh, Elchjunge, Wald. Aber ich kann nicht hinsehen. Ich habe Angst. Ich denke, jeden Moment könnte jemand aus dem Wald gerannt kommen und anfangen zu schießen; dann schießt jemand zurück; er stirbt; dieser Tod wird gefilmt, und ich muss ihn sehen. Den Tod anstelle der süßen Elchjungen. Ich weine nicht. Nach anderthalb Jahren Krieg habe ich, wie alle anderen auch, das Weinen verlernt.

Aber ich bin am Bahnhof in Halle. Alles ist gut. Niemand hat vor, uns zu bombardieren, niemand hier hat Angst vor Drohnen. Ich versuche, meine Angst unauffällig wegzuatmen. Ich kaufe mir einen Orangensaft. Wie viel hat er gekostet? Drei Euro? Vier? Zwei fünfzig? Ich weiß es nicht mehr. In dem Moment, als der Preis an der Kasse aufleuchtete, schrieb mir Tanja aus Mariupol: »Seit Anfang März, als der Morskoy-Boulevard, wo unsere Wohnung war, unter Dauerbeschuss stand, lebte ich mit den Kindern im Keller des Hauses meiner Mutter auf dem Meotydy-Boulevard. Alle drei bis vier Tage lief ich zu Fuß etwas mehr als einen Kilometer zu uns nach Hause, wo unsere zwei Katzen geblieben waren. So ging ich sie auch am 11. März füttern. Ich wollte gerade wieder aufbrechen, als der Beschuss losging. Die Armee hatte auf dem Dach unseres Hauses einen Granatwerfer positioniert. Das Haus bebte, Zementstaub hing in der Luft. Eines der Geschosse schlug ganz in der Nähe ein, es traf die Baptistenkirche. Die Splitter und die Druckwelle schlugen die Fenster samt den Rahmen aus. Auf der Straße hörte man Maschinengewehre. Durch die Wohnung pfiffen Kugeln, sie flogen durch die Fensteröffnungen und blieben in den Wänden stecken. Ich lag auf dem Boden im Durchgang zwischen zwei Wohnungen. Die Nachbarn waren nicht da. Bomben, Dunkelheit, Kälte, vollkommene Einsamkeit. Gegen Abend gab es wieder einen Einschlag, das Haus ging in Flammen auf. Es brannte die ganze Nacht. Ich hatte Angst, dass das Feuer auf unseren Hauseingang überspringt, der Wind kam aus Osten. Aber gegen Morgen beruhigten sich die Kämpfe, und das Feuer erlosch fast vollständig. Gegen 4:30 Uhr schüttete ich den Katzen mehrere Kilo Trockenfutter auf den Boden, füllte eine Waschschüssel mit Wasser und verließ das Haus. Vor mir tat sich ein Bild der Apokalypse auf. Es fühlte sich surreal an, und ich hatte das akute Gefühl, dass ich sterben würde, wenn ich in die Wohnung zurückkehrte. Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass ich nie mehr nach Hause zurückkehren würde, dass mein Haus ein paar Tage später zusammen mit meinen geliebten Tieren, meinen bettlägerigen Verwandten und den darin Verstorbenen niederbrennen würde ...

Ich rannte über Glasscherben und Schutt zurück in den Schutzkeller zu meiner Familie, kletterte über Betonplatten. Ich rannte vorbei an toten Körpern, die eingeklemmt unter einem Kindergartenzaun lagen. Von zu Hause habe ich nur meinen Pass und meinen Behindertenausweis mitgenommen. In meiner Tasche steckte, für den Fall, dass ich nicht ankomme, ein Zettel mit meinem Namen und den Adressen meiner Mutter und meines Bruders, damit man sie benachrichtigen konnte, wenn ich gefunden würde.

Unterwegs begegnete mir nicht eine lebendige Seele. Aber ich schaffte es in den Schutzkeller. Noch in der Tür fragte mich meine Tochter: »Wo ist denn Ljoscha?« Mir wurde schlecht. Ljoscha ist mein Sohn. Er war mich am Abend suchen gegangen. Aber er ist weder an unserem Haus noch zurück im Keller angekommen. Wenige Tage später fanden ihn die Männer aus unserem Versteck auf einer Brachfläche zwischen den beiden Häusern. Sein Bauch war aufgerissen. Es ist meine Schuld, er wollte mich suchen. Das werde ich mir nie verzeihen. Wir beerdigten Ljoscha im Hof.

Ich fahre nach Naumburg, um Tanja zu treffen. Ich habe ein Foto von ihr: Eine dunkelhaarige Frau steht im Gang eines Zugwagens mit Abteilen. Sie lässt die Arme hängen, es sieht aus, als würde sie in der einen Hand einen Beutel tragen. Vielleicht trägt sie auch gar nichts. Dieses Foto hat mir der Freiwillige geschickt, der Tanja geholfen hat, von Russland nach Naumburg zu fliehen. Der Freiwillige sagte zu mir: »Tanja war für mich der schwierigste Fall des ganzen Kriegs.«

Ich denke daran, wie vielen Menschen dieser Freiwillige wohl zur Flucht verholfen hat. Und daran, dass dieser Freiwillige in seinem früheren Leben Zahnarzt in einer mittelgroßen russischen Stadt war und in seiner Freizeit Kaschmirschals gestrickt hat. Jetzt weiß er, wie man jemanden ohne gültige Papiere aus Russland herausbringt, wie man jemanden, der alles verloren hat, überredet, weiterzuleben, wie man Gewebeproben aus Russland in die Ukraine bringt, um Tote zu identifizieren. Wichtige Kenntnisse.

Tanja versucht, mir das Treffen auszureden: »Ich habe Kinderlähmung«, schreibt sie, »das ist kein schöner Anblick.« Und ich denke: Mit so einer Krankheit zwei Kinder zur Welt bringen, das ist mutig! Wie stolz sie gewesen sein muss.

Tanja...
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Autor

Katerina Gordeeva, geb. 1977, wurde zu einer der zehn einflussreichsten unabhängigen Journalistinnen Russlands ernannt (Romir Research Holding) und vielfach ausgezeichnet, u. a. 2022 mit dem Internationalen Anna-Politkowskaja-Journalistenpreis. Mit ihrer Familie lebt sie im Exil in Lettland. Bis 2012 arbeitete sie als TV-Reporterin und als Kriegsberichterstatterin. Im Jahr 2014 verließ sie Moskau aus Protest gegen Russlands Annexion der Krim. 2020 gründete sie ihren eigenen YouTube-Kanal und erreicht damit heute ein Millionenpublikum.Jennie Seitz arbeitet seit 2013 als freischaffende Übersetzerin aus dem Russischen. Zu den von ihr übersetzten Autor*innen gehören Nadeschda Tolokonnikowa, Oleg Senzow und Dmitry Glukhovsky. Sie überträgt regelmäßig journalistische Texte für das Russland-Portal Dekoder.org. Für ihre Arbeit an Katerina Gordeevas Nimm meinen Schmerz. Geschichten aus dem Krieg wurde sie für den Preis der Leipziger Buchmesse 2024 in der Kategorie Übersetzung nominiert.