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Baise-moi - Fick mich

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Kiepenheuer & Witsch GmbHerschienen am07.09.20231. Auflage
Nadine hat einen Mord begangen. Manu auch. Beide eher zufällig. Auf der Flucht begegnen sie sich, und beschließen, sich gemeinsam durchzuschlagen. Erst scheint alles gutzugehen, doch irgendwann eskaliert das Abenteuer. Virginie Despentes erzählt in diesem Roman, der 1999 in Frankreich erschien und ihren Ruhm als Skandalschriftstellerin begründete, ungeschminkt und radikal von anarchischer Lebenswut, von Drogen und Gewalt. Sie erzählt aber auch von einer intensiven Frauenfreundschaft, in der vor allem eines wichtig ist: unabhängiges, selbstbestimmtes Handeln, auch wenn es in den Abgrund führt. Der Roman und ebenso die Verfilmung unter der Regie von Virginie Despentes gerieten zum internationalen Skandal, aber die Themen, die sie hier setzte, beschäftigen die Autorin und unsere Gesellschaft bis heute.

Virginie Despentes, Jahrgang 1969, zunächst bekannt als Autorin der »Skandalbücher« »Baise-moi - Fick mich« und »King Kong Theorie«, hat sich spätestens mit ihren Vernon-Subutex-Romanen in den Olymp der französischen Schriftsteller:innen geschrieben. Sie ist eine der wichtigsten literarischen Stimmen Frankreichs. Ihr Roman Apocalypse Baby wurde mit dem Prix Renaudot ausgezeichnet.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextNadine hat einen Mord begangen. Manu auch. Beide eher zufällig. Auf der Flucht begegnen sie sich, und beschließen, sich gemeinsam durchzuschlagen. Erst scheint alles gutzugehen, doch irgendwann eskaliert das Abenteuer. Virginie Despentes erzählt in diesem Roman, der 1999 in Frankreich erschien und ihren Ruhm als Skandalschriftstellerin begründete, ungeschminkt und radikal von anarchischer Lebenswut, von Drogen und Gewalt. Sie erzählt aber auch von einer intensiven Frauenfreundschaft, in der vor allem eines wichtig ist: unabhängiges, selbstbestimmtes Handeln, auch wenn es in den Abgrund führt. Der Roman und ebenso die Verfilmung unter der Regie von Virginie Despentes gerieten zum internationalen Skandal, aber die Themen, die sie hier setzte, beschäftigen die Autorin und unsere Gesellschaft bis heute.

Virginie Despentes, Jahrgang 1969, zunächst bekannt als Autorin der »Skandalbücher« »Baise-moi - Fick mich« und »King Kong Theorie«, hat sich spätestens mit ihren Vernon-Subutex-Romanen in den Olymp der französischen Schriftsteller:innen geschrieben. Sie ist eine der wichtigsten literarischen Stimmen Frankreichs. Ihr Roman Apocalypse Baby wurde mit dem Prix Renaudot ausgezeichnet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783462312270
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum07.09.2023
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse1965 Kbytes
Artikel-Nr.11462897
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Kapitel 1

Im Schneidersitz vor dem Bildschirm hockend, drückt Nadine auf den Vorspulknopf, um den Vorspann zu überspringen. Der Videorekorder ist alt und hat keine Fernbedienung.

Auf dem Bildschirm ist eine dicke Blondine kopfüber an ein Rad gefesselt. Großaufnahme ihres geröteten Gesichts, unter dem Make-up schwitzt sie stark. Ein Typ mit Brille besorgt es ihr kräftig mit einem Peitschenstiel. Er nennt sie fette, geile Hündin, und sie gluckst.

In diesem Streifen sehen die Schauspieler alle wie Kleinkrämer aus. Der irritierende Charme eines gewissen deutschen Filmstils.

Eine Frauenstimme aus dem Off faucht: »Und jetzt piss, was das Zeug hält, du Schlampe!« Pisse prasselt wie Feuerwerk. Die Off-Stimme gestattet dem Mann, sich an diesem Segen zu erfreuen. Begierig macht er sich über den Strahl her. Er wirft entrückte Blicke in Richtung Kamera, labt sich an der Pisse und zieht schwungvoll seine Nummer ab.

Schnitt: Dasselbe Mädchen hockt auf allen vieren und spreizt gewissenhaft die weißen Backen ihres dicken Hinterns. Ein Typ, der dem ersten ähnlich sieht, nagelt sie schweigend durch.

Die Blondine macht auf jugendliche Geliebte. Genießerisch leckt sie sich die Lippen, zieht die Nase kraus und stöhnt wohlgefällig. An ihren Oberschenkeln wird die Zellulitis paketweise hin und her geschoben. Ein wenig Spucke läuft ihr übers Kinn, und man sieht ganz deutlich die Pickel unter der Schminke. Mädchenhafte Gebärden eines alten, schlaffen Körpers.

Ihre gesamte Überzeugungskraft verwendet sie auf die Bewegung ihres Hinterns, und so achtet niemand mehr auf ihren Bauch, die Orangenhaut und das hässliche Gesicht. Ein Bravourstück. Nadine zündet sich eine Kippe an und lässt dabei den Fernseher nicht aus den Augen. Sie ist beeindruckt.

Szenenwechsel: Eine Schwarze, ziemlich drall, was ihr rotes Lederkleid gut zur Geltung bringt, geht die Treppe zu einem Mietshaus hoch. Ein vermummter Typ versperrt ihr den Weg und kettet sie blitzschnell ans Geländer. Dann packt er sie bei den Haaren und zwingt sie, ihm einen zu blasen.

Die Wohnungstür fällt ins Schloss, und Nadine grummelt was in dem Stil: »Die Schlampe wollte doch mittags nicht nach Hause kommen.« Gleichzeitig sagt der Typ im Film: »Du wirst schon sehn, zum Schluss magst du meinen Schwanz, allen geht es am Ende so.«

Ehe sie überhaupt die Jacke aus hat, fängt Séverine schon an zu schimpfen: »Du guckst dir ja schon wieder diesen Dreck an!«

Nadine antwortet, ohne sich umzudrehen: »Du kommst genau richtig. Der Anfang hätte dich ja ziemlich aus der Fassung gebracht, aber diese Schwatte muss doch selbst dir gefallen.«

»Mach das sofort aus, du weißt genau, dass mich das anwidert.«

»Und das mit den Handschellen zieht immer, fahr ich voll drauf ab.«

»Mach die Kiste aus. Sofort.«

Es ist das gleiche Problem wie mit Insekten, wenn sie sich an das Insektenspray gewöhnt haben: Man braucht immer was Neues, um sie totzukriegen.

Als Séverine zum ersten Mal ein Pornovideo auf dem Wohnzimmertisch fand, war sie so schockiert, dass sie gar nichts mehr gesagt hat. Dann setzte bei ihr der Abhärtungseffekt ein, und nun muss man immer härtere Geschütze auffahren, um sie sich vom Hals zu halten.

Nadines Ansicht nach kriegt Séverine von ihr eine richtige Therapie geboten. Lockerungsübungen in Sachen Sex.

Währenddessen hat die Schwarze an dem Phallus des Typen wirklich Gefallen gefunden. Gierig verschlingt sie ihn und zeigt dabei ihre Zunge. Er ejakuliert ihr in den Mund, und sie fleht ihn an, sie von hinten zu nehmen.

Séverine baut sich neben ihr auf, achtet sorgsam darauf, nicht in Richtung Bildschirm zu blicken, und schreit mit schriller Stimme: »Du bist echt krank, und mich machst du damit auch noch wahnsinnig!«

Nadine fragt zurück: »Könntest du bitte in die Küche gehen? Ich würde lieber hier vor dem Fernseher masturbieren. Es nervt mich, dafür in mein Zimmer zu verschwinden. Natürlich kannst du auch dableiben.«

Séverine erstarrt. Sie versucht zu verstehen, was los ist, und sucht nach einer Antwort. Sie hat´s nicht leicht.

Nadine freut sich, sie aus dem Konzept gebracht zu haben, und macht den Videorekorder aus.

»War nur ´n Scherz.«

Séverine ist sichtlich erleichtert, schmollt, noch etwas unsicher, und fängt an zu reden. Sie erzählt belangloses Zeug über ihren Arbeitstag und zischt ab ins Badezimmer, um sich im Spiegel zu begaffen. Mit der Besessenheit eines Feldwebels inspiziert sie ihren Körper, wild entschlossen, Haut und Fleisch den Normen der Saison anzupassen, egal um welchen Preis. Ihre Stimme gellt aus dem Bad: »Und es hat keiner für mich angerufen?«

Sie ist nicht davon abzubringen, dass der Kerl, der sie letzte Woche bestiegen hat, sich melden wird. Aber der Junge schien nicht bekloppt zu sein, und es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass er´s macht.

Séverine stellt jeden Tag die gleiche Frage. Und jeden Tag ergeht sie sich in wütendem Gezeter: »Nie hätte ich gedacht, dass der so drauf ist. Wir haben uns prima unterhalten, ich versteh nicht, warum er nicht mehr anruft. Ist doch eklig, wie der mich benutzt hat.«

Sie benutzt hat. Als wäre ihre Möse zu fein, um es sich von einem Schwanz besorgen zu lassen.

Zum Thema Sex lässt sie oft derartigen Schwachsinn vom Stapel. Da wird sie fast verschwenderisch, sie kann endlos darüber reden und Widersprüche aufhäufen, die sie dann einfach so stehen lässt. Im Moment wiederholt sie gerade mit Nachdruck, dass sie »so eine« aber nicht sei. Die Gattung »so eine« umfasst für Séverine das Schlimmste, was die Menschheit je hervorgebracht hat. Dabei kann sie in diesem Punkt ganz beruhigt sein. Sie ist dumm, wahnsinnig eingebildet, auf ekelerregende Weise egoistisch und erschreckend banal, sobald sie den Mund aufmacht. Aber »so eine« ist sie wirklich nicht. Entsprechend lässt sie es sich sehr selten besorgen, obwohl sie es dringend nötig hätte.

Nadine schaut Séverine von der Seite an und findet sich damit ab, wieder mal die Vertraute spielen zu müssen. Sie schlägt vor: »Setz doch fürs nächste Mal ´n Vertrag auf. Der Typ soll sich verpflichten, dir am Tag danach Gesellschaft zu leisten oder dich im Laufe der Woche anzurufen. Solange er nicht unterschrieben hat, machst du nicht die Beine breit.«

Séverine braucht eine Weile, bis sie versteht, ob sie das als Beleidigung, Witz oder klugen Rat auffassen soll. Schließlich hält sie es für das Beste, kurz und geziert aufzulachen. Gewollt subtil und erschreckend vulgär. Dann fährt sie unerbittlich fort: »Ich versteh das einfach nicht, der ist doch gar nicht so ein Typ, der es mit jeder macht, sonst hätte ich ja auch nicht gleich am ersten Abend gewollt. Aber es hatte doch wirklich gefunkt zwischen uns. Ich glaube, ich hab ihm Angst eingejagt. Das soll man nicht unterschätzen: Männer fürchten sich vor Frauen, die eine starke Persönlichkeit haben.«

Auf das Thema ihrer »starken Persönlichkeit« kommt sie gern zu sprechen. Wie sie auch oft von ihrer lebhaften Intelligenz oder ihrer umfassenden Allgemeinbildung faselt. Mysterium des menschlichen Gehirns, Gott allein weiß, wie sie sich das in den Kopf setzen konnte.

Immer auf der Suche nach anspruchsvollen Themen. Was sie sagt, vermengt sie mit haarsträubenden Theorien, die bei den Leuten, mit denen sie verkehrt, Gültigkeit haben. Sie hat auch eine ganze Reihe kultureller Anspielungen auf Lager, die sie wie Modeaccessoires wählt: immer der letzte Schrei und mit dem richtigen Riecher für den Geschmack von Hinz und Kunz.

Ihre Persönlichkeit ist ihr so wichtig wie die säuberliche Enthaarung der Bikinizone. Schließlich weiß sie, dass man nichts unversucht lassen darf, um einen Mann zu verführen. Höchstes Ziel dabei ist, einen von denen für immer an sich zu binden, und so wie sie sich anstrengt, hat sie wohl vor, sich einen fetten Bürgerfisch zu angeln.

Dank ihrer männlichen Intuition machen die Jungs einen großen Bogen um dieses Bonsai-Bäumchen. Aber einer wird schon noch auf sie hereinfallen. Dann wird sein Schädel die Kloschüssel sein, in der sie täglich ihre Alltagsscheiße ablässt.

Nadine streckt sich und empfindet kurz aufrichtiges Mitleid mit dem armen Kauz, der Séverine in die Falle tappen wird. Sie steht auf und holt sich ein Bier. Séverine folgt ihr in die Küche und redet ohne Atempause weiter. Mit dem Flegel, der nicht mehr anruft, ist sie fertig, davon wird sie erst morgen wieder anfangen. Eifrig macht sie sich an die Bestandsaufnahme der neuesten Gerüchte.

Nadine lehnt am Kühlschrank und schaut ihr beim Salatessen zu.

Sie sind nur aus praktischen Gründen zusammengezogen. Nach und nach hat das Zusammenleben pathologische Züge angenommen, aber keine von ihnen besitzt das Geld, sich allein eine Wohnung zu nehmen. Solange sie keinerlei Einkommensnachweis hat, kann sich Nadine sowieso bei keiner Hausverwaltung blicken lassen. Und Séverine erträgt sie im Grunde besser, als man denken würde. Als eingefleischte Masochistin hat sie fast Spaß an den ständigen Angriffen. Pervers und herzlos.

Nadine trinkt ihr Bier aus und kramt im Aschenbecher nach einem brauchbaren Zigarettenstummel. Sie ist zu faul, zum Tabakladen zu gehen. Sie findet einen Joint, der nur zur Hälfte aufgeraucht ist. Genug, um sich damit zuzudröhnen, dieser unerwartete Fund bringt sie in Stimmung.

Geduldig wartet sie, bis Séverine wieder zur Arbeit muss, und wünscht ihr...
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Autor

Virginie Despentes, Jahrgang 1969, zunächst bekannt als Autorin der »Skandalbücher« »Baise-moi - Fick mich« und »King Kong Theorie«, hat sich spätestens mit ihren Vernon-Subutex-Romanen in den Olymp der französischen Schriftsteller:innen geschrieben. Sie ist eine der wichtigsten literarischen Stimmen Frankreichs. Ihr Roman Apocalypse Baby wurde mit dem Prix Renaudot ausgezeichnet.