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Siebeneinhalb Verzählungen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
196 Seiten
Deutsch
Books on Demanderschienen am18.04.20231. Auflage
Agnetta löst sich aus den Fängen des klebrigen Internets Salvatore setzt einem bösen, wiederkehrenden Traum ein Ende Die schon verloren geglaubte Liebe findet zu Tilda Konstantim entdeckt die Kraft der Tagebücher seiner früh verstorbenen Mutter Maxima verleugnet das Unglück der Welt und endet im Nichts Enzo überwindet die lähmende Mutlosigkeit Taub will hoch hinaus, aber landet neben dem Bett Alle begegnen sich und ihren eigenen Geschichten im Luna-Park Als wärs ein wilder, offener Traum

1966 im Schweizer Seeland geboren und dort aufgewachsen, lebt in einer Bilingue-Gemeinde bei Biel/Bienne am Jura-Südfuss. Matura, später Ausbildung zum eidgenössisch diplomierten Experten im betrieblichen Organisationsmanagement. Seit zwanzig Jahren in Universitätsspitälern und im Gesundheitswesen tätig, wo er auch als Sachbuchautor schrieb. Dazu freier Mitarbeiter im Rebbetrieb seines Ehemannes am Bielersee. Veröffentlicht Romane (darunter "Felser Glut"), Kurz- und Spontangeschichten und anderes.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR11,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR6,99

Produkt

KlappentextAgnetta löst sich aus den Fängen des klebrigen Internets Salvatore setzt einem bösen, wiederkehrenden Traum ein Ende Die schon verloren geglaubte Liebe findet zu Tilda Konstantim entdeckt die Kraft der Tagebücher seiner früh verstorbenen Mutter Maxima verleugnet das Unglück der Welt und endet im Nichts Enzo überwindet die lähmende Mutlosigkeit Taub will hoch hinaus, aber landet neben dem Bett Alle begegnen sich und ihren eigenen Geschichten im Luna-Park Als wärs ein wilder, offener Traum

1966 im Schweizer Seeland geboren und dort aufgewachsen, lebt in einer Bilingue-Gemeinde bei Biel/Bienne am Jura-Südfuss. Matura, später Ausbildung zum eidgenössisch diplomierten Experten im betrieblichen Organisationsmanagement. Seit zwanzig Jahren in Universitätsspitälern und im Gesundheitswesen tätig, wo er auch als Sachbuchautor schrieb. Dazu freier Mitarbeiter im Rebbetrieb seines Ehemannes am Bielersee. Veröffentlicht Romane (darunter "Felser Glut"), Kurz- und Spontangeschichten und anderes.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783756265091
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum18.04.2023
Auflage1. Auflage
Seiten196 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.11539590
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Verzählung Nummer zwei
Himmel, du Hölle

Sal kennt keine Träume, nur im Schlaf da ist er immer im gleichen Traum. Er steigt durch den Turm, einen Ausbund von einem gigantischen, unfertigen Turm, er steigt hinauf, hinunter, über Leitern und Treppengerüste, von einer Kammer in die nächste, landet in Hallen und Gängen, auf Emporen und Balkonen. Das Labyrinth ist voller Betriebsamkeit, emsig wabert es an allen Ecken und Enden: Hundertschaften von Handwerksleuten, alle versunken in der Tiefe einer Beschäftigung, die sie sich selbst auferlegt haben, so macht es den Eindruck. Auch Sal hat mitgearbeitet, auf halber Höhe des monumentalen Bauwerkes, im alten Hebekran. Wie die Hamster haben er und mehrere Männer sich im riesigen Tretrad fortbewegt und mit jedem schweren Stoss ihrer Füsse auf die Planken dem Kran zur Zugkraft verholfen. Sal hat alles richtig gemacht, er weiss es, lief nicht zu schnell, nicht zu langsam, hat seinem Vordermann nie in die Schuhe getreten, fiel nie zurück auf den Hintermann. So sehr wollte er doch keine Fehler machen, endlich alles zum guten Ende bringen, einmal wird es ihm gelingen müssen! Aber man hat ihm schon wieder wilde Gesten zugeworfen, ihm vielleicht den Marsch geblasen, so schien es ihm, da war etwas, eine Reklamation, die er nicht verstand, er fiel aus dem Takt, er fiel aus dem Rad. Nie zuvor ist ihm dies passiert, er kann es sich nicht verzeihen.

Jetzt sucht Sal wieder eine Arbeit und klettert herum im Turmkonstrukt, das sich fortlaufend verändert, wie in diesen Trugbildern, in denen Abwärtsstufen immer auch nach oben führen. Er irrt umher, nie hat er einen bereits begangenen Weg je wiedergefunden.

Den Traum vom Turm hat Sal immer dann, wenn der Arbeitgeber ihn plötzlich zu sich ruft, von den Zeiten spricht, die sich geändert haben und ihn ein weiteres Mal versetzt, von einem Job in den anderen. Knall auf Fall passiert das. So ist es üblich im Grossspital, dem er seit Jahren die Treue hält und das immer noch grösser wird, das immer Neues einverleibt. Zu den ganz Grossen will es gehören, nicht regional, nicht national, nein es will zuvorderst in die einschlägigen, sogenannten Rankings emporsteigen, in die Listen der Weltbesten, die im Internet um den Globus schwirren.

Knall auf Fall kommt häufig vor. Sal wird regelmässig versetzt, schwer verdauliche Ereignisse. Also träumt Sal seinen Turmtraum immer weiter fort.

Dabei wäre Sal ein guter Mitarbeiter, ein hervorragender Programmierer. Die Tools, die er erstellt und wartet, sollen funktionieren, jederzeit und in jedem Detail, dafür ist er da. Er will das Ziel in jedem Fall erreichen und restlos erfüllen, er bleibt dran wie kein Zweiter, Hindernisse beeindrucken ihn nicht. Aber man merke sich den Unterschied: Wo andere schwitzen, kämpfen und verzweifeln, folgt Sal nur der simplen Notwendigkeit, der man nicht ausweichen kann, er tut den einen Schritt, der sich just aus dem vorangehenden ergibt. Es ist, als vermehrten sich seine Kräfte wie die Wassermassen, die aus den Gletschern über Felsen und durch Gräben auf natürliche Weise dem Meer zustreben und mit jedem Zustrom nur mächtiger werden. Je vertrackter ein Problem daherkommt, je unwahrscheinlicher eine Lösung erscheint, umso angestachelter fühlt sich Sal, umso mehr entwickeln sich seine Energien, ergänzen sich sein Streben und seine Fertigkeiten, entpuppt sich zum Schluss seine Kunst, den Widerstand zu überwinden. Du bist wie das Salz in den Speisen, Salvatore, ohne dich schlagen die Rezepte fehl, hat sein bester Chef einmal zu ihm gesagt, ich nenn dich jetzt Sal, das ist Latein wie Salvator, der Retter, auch. Sal für Salz, es ergibt doppelt Sinn, du bist nämlich nie am Ende deines Lateins. Seither redet man ihn einfach mit Sal an - die meisten sprechen es eingeenglischt aus, mit «ä» - er ist der Säl, der mit allen Wassern Gewaschene, einer, der taugt, für die scheinbar ausweglosen Notlagen und gegen die Programmausfälle, die so gerne ins Bedrohliche wachsen. Sal hängt sich hinein, unermüdlich, unterbruchlos, bis er den Fehler behoben, bis er die verkorkste Situation deblockiert hat. Wahrlich ein hartgesottener Informatiker, würden die anderen sagen.

Keine zwei Jahre sind ins Land gegangen und schon wieder hat das Grossspital die Informatik auf den Kopf gestellt. Den einen Chef hat man spediert, er war nur ein Phantom, ungreifbar. Der nächste, ein Platzhalter, kam schon abgehalftert und schlug in Kürze so viel Schaum, dass der Überblick gänzlich verloren ging. Man rieb sich die Augen. Jetzt hat man einen von der Sorte mit den grossen Visionen geholt, einen, der an die eierlegenden Wollmilchsäue glaubt, der im Rollkragenpulli wie die Apple Manager voll inspiriert an den Tagungen auf der Bühne herumturnt, und Tagungen gibt es, weiss Gott, unzählige.

Die dunklen Wolken über dem Grossspital wollen sich nicht verziehen, die Besorgnis schlägt den Managern tief in die Mägen, sie suchen den Gastroenterologen im eigenen Hause auf, der zumindest hat Klasse. Klasse aber haben auch die Hacker, sie dringen bis weit in die Innereien der vielen Rechnermonster des Grossspitals vor, die weitherum im Land stehen, outgesourct, also von Dritten betrieben, die hoffentlich verstehen, wie man die Geräte unter Kontrolle hält. Bis jetzt konnte man die bösen Angreifer stoppen, gerade rechtzeitig noch. Man rüstet auf, kauft Rechner dazu mit Programmen, die andere Rechner überwachen. Programme gibt es viele, Aberhunderte, immer mehr, ein Inventar lässt sich nicht mehr erstellen. Wen wunderts, dass eine Software die andere beisst, dass sie einander ins Gehege kommen, wenn die Hersteller sie erweitern, im pausenlosen Turnus, um sie beständiger und sicher zu machen, wie sie behaupten.

Die Ärztinnen, die Pfleger und die Therapierenden leiden unter dem Wildwuchs in der Informatik, sie kümmern sich nicht mehr nur um die unzähligen Patienten, als wäre dies nicht schon genug, nein, sie ringen jetzt auch selbst um eine stabile Technik, schlagen sich herum mit überhitzten Akkus, welche die Computer verbiegen, kapitulieren vor erstarrten Bildschirmen, auf denen sich nichts mehr tut und die den Neustart des Gerätes nötig machen. Zigfach am Tag: Herunterfahren, Hochfahren, wieder fünf Minuten weg, wieder weniger Zeit für die Behandlung! Die Teams in den Kliniken kämpfen mit verhockter Software, die sich verabschiedet, im dümmsten Moment, manchmal für zwei Stunden, manchmal auch für länger, bis sich die Computersysteme endlich herunterkühlen und wieder laufen, so es diesen denn passt. Ungeduldig also warten die Teams, bis die Verstopfung in den Netzen endet, bis die Rechnermühlen wieder Schwung finden, Ausharren gehört jetzt zur Tagesordnung. Die Hilfe, dutzendfach angefordert, ist schon längst versiegt, die vielen Störungsmeldungen lösen sich auf, bündeln sich in das, was sich noch ein einziges Sammelticket nennt und sowieso das Problem postwendend für behoben erklärt, aus dem Nichts, als sei gerade ein Mirakel geschehen! Mit etwas Glück wird sich der User an der Nase herumführen lassen und keine Kraft mehr finden, ein neues Ticket zu eröffnen. Der Missstand bleibt weiterhin und noch lange ungelöst, vorne an der Arbeitsfront, die stets mühseliger wird.

Es ist schlimm für Sal, das Allerschlimmste, was passieren kann, ist eingetreten, er wird damit nicht fertig. Er war so nahe dran und hätte seine Arbeiten im Projekt in wenigen Wochen vollenden können. Die letzten Software-Tests in Kürze fertig, die hartnäckigen Mängel beinahe ausgemerzt, bald hätte es die Freigabe für die Nutzer gegeben. Es ging um die Früherkennung von Überwässerung in Körper und Lunge, die Patienten hätten ihre Messungen im Alltag ausserhalb des Spitals übers Internet machen und die Daten einsenden können, es ging um nichts Geringeres als Telemedizin. Gefleht hatte er, hochanständig, aber hartnäckig insistiert, er sei auf der Zielgerade, im Schlussspurt, nahe an den Früchten langer Arbeitsnächte, man gebe ihm nur noch kurze Zeit, er könne der neuen Dienstleistung nächstens zum Durchbruch verhelfen. Sein Instinkt täusche sich nie, den Beweis habe er doch schon so oft erbracht. Bitte, bitte, man möge mit seiner Versetzung zuwarten, ein paar Wochen nur!

Es brauche ihn andernorts jetzt dringlicher, der Wechsel sei nicht aufzuschieben, meint ein provisorischer Chef, der noch nie vor ihm sass, Sal gehöre jetzt ohnehin in ein anderes Team, bei den Schnittstellen - so heisst die neue Truppe, die das Software-Flickwerk zusammenzuschweissen versucht - werde er gut aufgehoben sein, und, ach ja, Telemedizin schreite eh weit zögerlicher vorwärts, als man erwartet habe, man müsse die Dinge etwas zurückstellen. So oder so: man hätte ihn in jedem Fall versetzen müssen.

Des nachts ist Sal jetzt wieder im Turm, in diesem Turm, wie ihn eine der vielen abgegriffenen Kunstkarten über seinem Home-Office-Pult zeigt. Seine Mamma liebt die alten Maler, den Johann Georg Platzer, den Benjamin West, den Pieter Bruegel und viele mehr. Hundertfach hat sie dem kleinen Buben abends auf der Bettkante die Dramen aus der Bibel zum Leben erweckt, jeweils mit einem Abzug...
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