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Ich sterbe, wie ich will

E-BookEPUBDRM AdobeE-Book
208 Seiten
Deutsch
Ernst Reinhardt Verlagerschienen am20.04.20233. Auflage
Sabine Mehne (1957-2022) hatte den Krebs besiegt und sich mit all ihrer Kraft ins Leben zurückgekämpft. Mit Mitte 60 zählte sie zu den Langzeitüberlebenden nach einer Knochenmarktransplantation. Die mannigfaltigen, sehr belastenden Spätfolgen der Krebsbehandlung bekam kein Arzt in den Griff. Deshalb traf sie eine radikale Entscheidung: Sie möchte die moderne Hochleistungsmedizin kein weiteres Mal in Anspruch nehmen. 'Sterbefasten' lautet Sabine Mehnes persönliche Antwort auf die Frage, wie sie ihr Leben selbstbestimmt und ohne weitere Qualen vollenden kann. Wie sie sich und die ihr nahestehenden Menschen darauf vorbereitet, erzählt sie offen in diesem Buch. Damit gibt sie auch wertvolle Anregungen für Menschen, die sich für das Thema interessieren oder diese Option für sich selbst in Betracht ziehen.

Sabine Mehne (1957-2022), war bis zu ihrer Krebserkrankung 1995 als Physiotherapeutin und systemische Familientherapeutin tätig. Sie setzte sich seitdem intensiv mit dem Sterben auseinander und gab zahlreiche Vorträge und Lesungen, u. a. über selbstbestimmtes Sterben. Ihr Werk "Ich sterbe, wie ich will" ist als Buch und Hörbuch im Ernst Reinhardt Verlag erschienen.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR22,00
E-BookPDFDRM AdobeE-Book
EUR21,99
E-BookEPUBDRM AdobeE-Book
EUR21,99

Produkt

KlappentextSabine Mehne (1957-2022) hatte den Krebs besiegt und sich mit all ihrer Kraft ins Leben zurückgekämpft. Mit Mitte 60 zählte sie zu den Langzeitüberlebenden nach einer Knochenmarktransplantation. Die mannigfaltigen, sehr belastenden Spätfolgen der Krebsbehandlung bekam kein Arzt in den Griff. Deshalb traf sie eine radikale Entscheidung: Sie möchte die moderne Hochleistungsmedizin kein weiteres Mal in Anspruch nehmen. 'Sterbefasten' lautet Sabine Mehnes persönliche Antwort auf die Frage, wie sie ihr Leben selbstbestimmt und ohne weitere Qualen vollenden kann. Wie sie sich und die ihr nahestehenden Menschen darauf vorbereitet, erzählt sie offen in diesem Buch. Damit gibt sie auch wertvolle Anregungen für Menschen, die sich für das Thema interessieren oder diese Option für sich selbst in Betracht ziehen.

Sabine Mehne (1957-2022), war bis zu ihrer Krebserkrankung 1995 als Physiotherapeutin und systemische Familientherapeutin tätig. Sie setzte sich seitdem intensiv mit dem Sterben auseinander und gab zahlreiche Vorträge und Lesungen, u. a. über selbstbestimmtes Sterben. Ihr Werk "Ich sterbe, wie ich will" ist als Buch und Hörbuch im Ernst Reinhardt Verlag erschienen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783497617883
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisDRM Adobe
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum20.04.2023
Auflage3. Auflage
Seiten208 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.11547248
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Von hinten denken

Unser Wohnmodell - einer wird übrig bleiben

Einer wird übrig bleiben, das ist die nackte Realität für alle Paare im Alter. Darüber mag keiner gerne nachdenken, aber es lohnt sich, sich genau diese Frage beizeiten zu stellen: Wie will ich leben, wenn ich übrig bleibe? Für mich war schnell klar, dass ich nicht alleine in einem viel zu großen Haus übrig bleiben wollte, so wie es meine Mutter über Jahre beharrlich ausgesessen hatte. Bis zu ihrem Sturz, der alle zwang, schnell eine neue Lösung zu finden. Außerdem hatte ich mit drei Kindern genug zu tun gehabt, um Ordnung im Haus zu halten. Nachdem alle ausgezogen waren, hatte ich dazu keine Lust mehr. Im Alter wollte ich nicht mehr das klassische Rollenklischee erfüllen und weiterhin für das Kochen und den Haushalt zuständig sein, so wie wir es Jahre lang aus praktischen Erwägungen gelebt hatten, auch wenn wir viel Unterstützung hatten, weil ich dieses Pensum lange Zeit nicht alleine bewältigen konnte. Unser Haus hatte zu viele Treppen, war zu groß geworden für meinen Mann und mich und als mein Mann dann noch in Pension ging, hatten wir auf einmal so viel Zeit zusammen, wie noch nie zuvor in unserem Leben. Ehrlich gesagt, war uns das bisweilen auch zu viel Nähe. Vor allem ich liebe die Stille und die Einsamkeit. Ja ich brauche das regelrecht. Das ist meine beste Medizin, besonders wenn es mir schlecht geht.

An dieser Stelle möchte ich mit einer Traumvorstellung aufräumen, die ich zunehmend lese und höre. Das gemeinsame Altwerden wird gern über den grünen Klee gelobt. Wie wunderbar das Zusammenleben alter Paare sei! Natürlich ist es schön, wenn man so lange und vor allem so vertraut gemeinsam leben kann. Ich glaube, dass trotzdem nicht alles davon stimmt. Es wird einfach zu viel schöngeredet, vor allem im Nachhinein. Alt werden ist nichts für Feiglinge , so titelte der Schauspieler Joachim Fuchsberger. Er wollte mit seinem literarischen Weckruf vor allem Mut verbreiten und sich den Lebensabend nicht durch demographische Schwarzmalerei verderben lassen (Fuchsberger 2011). Mit seinem Optimismus hat er sicher auch recht. Angeblich sollen Menschen im höheren und hohen Alter wieder deutlich zufriedener sein als in den mittleren Erwachsenenjahren. Doch es bleibt die Tatsache, dass alt werden nichts für Feiglinge ist. Und gemeinsam altwerden ist meines Erachtens erst recht nichts für Feiglinge. Ich habe es in der eigenen und in anderen Familien erlebt. Altwerden bedeutet nämlich Stress und gemeinsam alt werden scheint mir doch eine große Herausforderung, was sich keiner bei der Eheschließung ausmalen kann und möchte. Was mich betrifft, so sage ich ganz klar: In meinem Leben hatte ich genug Stress, den will und brauche ich nicht auch noch im Alter. Aus meiner eigenen Erfahrung rate ich jedem, das Leben beizeiten auch von hinten her zu denken. Dies ist eine gute Methode, um Klarheit für die wesentlichen Fragen des Lebens zu gewinnen. Für mich galt nicht nur zu überlegen, wie wir im Alter leben wollen, sondern ich wusste auch schon lange, dass ich gerne zu Hause sterben möchte. Doch es reicht nicht nur, sich das zu wünschen. Nein, dafür müssen auch Vorkehrungen getroffen werden, unter anderem auch baulicher Art.

Was meinen Mann und mich betrifft, so leben wir seit Dezember 2014 in zwei Wohnungen. Tür an Tür in einem Neubaugebiet, wieder zurück in der Stadt und trotzdem in der Nähe eines Waldes. Jeder von uns hat eine Dreizimmerwohnung. Die Wohnungen liegen wie zwei Muschelhälften nebeneinander. Zwischen unseren beiden Küchen gibt es eine Verbindungstüre. Wir nennen unser Wohnmodell aus Spaß Getrennte Käfighaltung im Alter , weil es bisweilen besser ist, wenn man sich, wie im Tierreich nicht zu eng auf der Pelle sitzt. Die Macken werden im Alter nicht weniger, die Kraft, diese auszuhalten, an manchen Tagen leider schon. Ich bin die Lerche, mein Mann die Eule. Jetzt kann jeder nach seinem Rhythmus leben, ohne den anderen zu stören. Zur Nachtruhe bleibt die Türe meist zu, tagsüber ist sie viel offen. Im Winter wiederum weniger, weil ich es wärmer brauche als mein Mann. Wie bei vielen Paaren ist einer von uns der Bewahrer und der andere, das bin in unserem Fall ich, der Aussortierer und Ordnungsliebende. Auch das geht jetzt leichter, denn jeder ist für seine Ordnung oder Unordnung selbst verantwortlich. Das leidige Thema Kochen handhaben wir nun auch unterschiedlich. Wir kochen beide nicht gerne und ich muss sehr oft Diät essen. So haben wir Tage, an denen sich jeder sein eigenes Süppchen kocht, und Tage, an denen wir ein gemeinsames Essen finden, das wir beide gut vertragen und mögen. Wir leben im zweiten Stock, dem Himmel also schon ein bisschen näher. Die Sonne scheint morgens und abends in die Räume, Licht und Helligkeit sind uns beiden wichtig. Alles befindet sich auf einer Ebene, ein Fahrstuhl ist im Haus vorhanden, und mein Schlafzimmer habe ich mir von Anbeginn auch schon als mein Sterbezimmer vorgestellt und dementsprechend eingerichtet. Ich besitze schon lange ein Bett mit vier Motoren. Solch ein Bett habe ich in der Klinik kennen und schätzen gelernt. Eine Schiebetüre habe ich mir ebenfalls bereits einbauen lassen, da ich, wenn ich sterbe, Raum und Weite haben möchte. All das klingt speziell! Das gebe ich gerne zu. Doch bei diesem Neustart, den wir hingelegt haben, wäre es fahrlässig gewesen, nicht von Anbeginn die Räumlichkeiten so zu planen, wie sie auch genutzt werden wollen. In anderen Lebensphasen tut man das ja schließlich auch.

In der Zwischenzeit haben wir uns hier sehr gut eingelebt. Wir genießen es, so leben zu können, und sind dafür sehr dankbar. Im letzten Sommer haben wir uns extra für den Balkon ein kleines Zweiersofa geleistet, um einfach nur nebeneinander sitzen zu können. Einfach so. Nur in Liebe sitzen. Genau so, wie ich es mir damals bei meiner Krebserkrankung gewünscht und vorgenommen hatte. In der Abendsonne im Sommer ist das Nebeneinandersitzen am schönsten. Manchmal lutsche ich dann meine Eiswürfel, die ich später brauchen werde. Ich teste jetzt schon die verschiedenen Geschmacksnuancen, mit denen ich experimentiere.

Wir haben eine gute Hausgemeinschaft entwickelt, wir helfen und unterstützen uns, lassen uns aber auch in Ruhe. Sollte etwas sein, wissen wir, wo wir klingeln dürfen. Das finde ich sehr wichtig. In unmittelbarer Nachbarschaft stehen zwei Wohnblöcke, in denen generationsübergreifend gelebt wird. Die Atmosphäre in unserem Viertel empfinde ich als sehr vielfältig, harmonisch und angenehm. Es finden in der Nachbarschaft immer wieder interessante Veranstaltungen statt. Wir könnten, wenn wir wollten, auch beim Mittagstisch teilnehmen. Die Straßenbahn ist in wenigen Minuten zu erreichen, ein Leben ohne Auto ist also gut möglich. Mit der Tram kommen wir ohne Umsteigen mitten in die Stadt oder an den Bahnhof. In unmittelbarer Nähe befindet sich der Verein Hiergeblieben-Kranichstein e.V. Er bietet selbstbestimmtes Wohnen im Alter an und hilft, das möglichst lange in der eigenen Wohnung unter aktiver Teilhabe zu ermöglichen. Im Alter, bei Krankheit oder bei Beeinträchtigungen durch Behinderung will der Verein ermöglichen, hierzubleiben , im gewohnten Viertel, und das mit Versorgungssicherheit (die Adresse befindet sich im Anhang).

Wir können also in jeder Nuance gemeinsam allein sein . Unter diesem Titel gibt es sogar eine Filmdokumentation über meinen Mann, mich und unser Wohnmodell (Bergfeld / von Hören 2016). Das Alleinsein fiel uns beiden noch nie schwer. Schon in jungen Jahren konnten wir sehr gut auch mit uns selbst glücklich sein. Vielleicht ein guter Grund, warum wir noch immer zusammen sind? Für das Alter bekommt dies eine ganz neue Bedeutung, und bisweilen sollte man sich dessen bewusst werden und es vielleicht ab und an schon mal üben? Schön finde ich, dass in unserem früheren Haus, in dem wir fast dreißig Jahre gelebt haben und in dem unsere drei Kinder aufgewachsen sind, jetzt wieder Gewusel ist. Eine junge Familie mit mittlerweile auch drei Kindern ist glücklich, dort wohnen zu können. Das freut uns sehr, denn es ist definitiv mehr ein Haus für Kinder als für ältere Menschen.

Einer wird übrig bleiben bedeutet in unserem Fall, dass mein Mann oder ich unverändert in seiner jeweils eigenen vertrauten Wohnung bleiben kann. Sollte das aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich sein, so haben wir zwei Straßen weiter ein großes, schönes Seniorenheim. Dann wäre zumindest das Viertel vertraut, und man kann die Angebote zur Unterstützung hier in der nahen Umgebung nutzen. Außerdem kann der Hinterbliebene entscheiden, was er mit der anderen Wohnung machen will. Die Vielfalt der Möglichkeiten finden wir gut. Ein Freund oder eine Freundin könnte einziehen, eine Pflegekraft oder vielleicht eines der Kinder, wenn es passt, vorübergehend oder auf Dauer. Derzeit ist das eher unwahrscheinlich, weil alle beruflich in anderen Städten gebunden sind. Aber man weiß nie, wie das Leben spielt. Es könnte auch eine Studenten-WG werden, bei der man mal zum Essen kommen darf, oder in weiter Zukunft ein Enkelkind, das hier studiert. Zu guter Letzt könnte die Verbindungstüre auch zurückgebaut und die Mauer geschlossen werden, sodass diese Wohnung fremd vermietet werden kann.

Ein weiterer Aspekt unseres Neuanfangs bestand darin, dass wir ordentlich ausgemistet haben und dass vor allem ich, die Ordnungsliebende , nur noch mit kleinem Gepäck umgezogen bin. Sich von Ballast bewusst und mit genügend Zeit zu verabschieden ist in meinen Augen ein wichtiger Schritt. Für mich war es regelrechte Trauerarbeit. Alle Teile meines Lebens in Ruhe zu sortieren, denn in...
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Autor

Sabine Mehne (1957-2022), war bis zu ihrer Krebserkrankung 1995 als Physiotherapeutin und systemische Familientherapeutin tätig. Sie setzte sich seitdem intensiv mit dem Sterben auseinander und gab zahlreiche Vorträge und Lesungen, u. a. über selbstbestimmtes Sterben. Ihr Werk "Ich sterbe, wie ich will" ist als Buch und Hörbuch im Ernst Reinhardt Verlag erschienen.