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Minestrone um Mitternacht

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
224 Seiten
Deutsch
Emons Verlagerschienen am20.04.2023
Ein kulinarischer Kriminalroman, der Appetit auf mehr macht. Die junge Köchin Clara steckt in ihrem Alltagstrott fest und sehnt sich nach aufregenden Abenteuern. Als sie Viktor, den charmanten Kunstfälscher und Auftragsräuber, kennenlernt, ändert sich ihr Leben auf einen Schlag. Statt kulinarische Kunstwerke zu schaffen, übergibt sie Hehlerware, raubt Villen aus und beteiligt sich an einem Millionenbetrug in London. Doch ein Kunstexperte von Interpol ist dem Pärchen dicht auf den Fersen. Als er Clara ins Kreuzfeuer nimmt, muss sie eine folgenschwere Entscheidung treffen.

Simone Hausladen wurde 1977 in der Oberpfalz geboren. Die Therapeutin und Autorin ist Mutter von drei Kindern. Sie lebte zehn Jahre lang in Zürich und sechs Jahre in Shanghai. Derzeit ist sie mit ihrer Familie in Münster zu Hause.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextEin kulinarischer Kriminalroman, der Appetit auf mehr macht. Die junge Köchin Clara steckt in ihrem Alltagstrott fest und sehnt sich nach aufregenden Abenteuern. Als sie Viktor, den charmanten Kunstfälscher und Auftragsräuber, kennenlernt, ändert sich ihr Leben auf einen Schlag. Statt kulinarische Kunstwerke zu schaffen, übergibt sie Hehlerware, raubt Villen aus und beteiligt sich an einem Millionenbetrug in London. Doch ein Kunstexperte von Interpol ist dem Pärchen dicht auf den Fersen. Als er Clara ins Kreuzfeuer nimmt, muss sie eine folgenschwere Entscheidung treffen.

Simone Hausladen wurde 1977 in der Oberpfalz geboren. Die Therapeutin und Autorin ist Mutter von drei Kindern. Sie lebte zehn Jahre lang in Zürich und sechs Jahre in Shanghai. Derzeit ist sie mit ihrer Familie in Münster zu Hause.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783987070068
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum20.04.2023
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3590 Kbytes
Artikel-Nr.11547840
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Gefüllte Zucchiniblüten

»Erde an Clara! Erde an Clara! In welchen Sphären schwebst du wieder?«

Clara zuckte zusammen, als ihr Kollege Enzo, der Patissier, sie anrempelte und dabei unsanft mit dem rechten Ellenbogen in die Rippen stieß.

»Ach, lass mich in Ruhe, Enzo. Ich muss mich konzentrieren.«

»Eben. Deshalb sollst du aufhören zu träumen, sonst überwürzt du die Füllung für die fiori di zucchina ripieni.« Er betonte jedes seiner Worte und machte dazu diese typisch italienische Geste, für die er die Fingerspitzen von Daumen, Zeige- und Mittelfinger zusammenpresste und vor seinem Gesicht wippen ließ. Grinsend steckte er sich einen seiner duftenden Mandelkekse, die den Gästen zum Kaffee serviert wurden, in den Mund. Er hatte sie vor ein paar Minuten aus dem Ofen geholt.

»Jaja, schon gut.« Enzo hatte recht. Sie sollte sich besser auf ihre Arbeit konzentrieren.

Die zerbrechlichen zartorangen Zucchiniblüten, die sie gleich füllen würde, lagen ungeduldig wartend vor ihr auf der blank polierten Arbeitsfläche. Mit geübter Hand vermengte sie Ricotta und frisch gehackte Kräuter zu einer glatten Paste und löffelte diese in einen Spritzbeutel. Es war höchste Zeit, dass das Gemüse in seinem weichen Bett aus Weißwein und Butter zur Ruhe kam.

Claras Gedanken waren heute häufiger abgeschweift als sonst. Der Tag war schleppend langsam vergangen, aber nun, bevor die ersten Gäste des Abends in die Cucina Ventura kommen würden, stand sie unter Zeitdruck.

Es war Donnerstag. Für Clara der aufregendste Tag der Woche. Jeden Donnerstag aß seit ein paar Monaten ein Mann in der Cucina zu Abend, der durch ihre Tagträume zu einem ständigen Begleiter für sie geworden war. Der Unbekannte übte auf sie eine unbegreifliche Faszination aus. Seine Ausstrahlung war besonders, anders. Fand sie.

In ihrer Phantasie brach sie aus dem starren Rahmen ihres Alltags aus. Häufig träumte sie nur so vor sich hin und malte sich ein anderes Leben aus. Ihre Parallelwelt, die sie sich erschaffen hatte, schien ihr manchmal realer als die Wirklichkeit.

Sie sehnte sich nach Abenteuer und Aufregung. Alles war so eingefahren. Ihr Job, ihre Beziehung, die Freundschaften, die sie pflegte. Wenn sie träumte, konnte sie sein und aussehen, wie sie es sich schon als Mädchen gewünscht hatte. Sie konnte tun, was sie wollte. In den lebendigen, vor Farbe strotzenden Bildern, die sie sich ausmalte, sah sie sich in ihrem eigenen Restaurant. Die zahlreichen Bewunderer ihres Kochhandwerks lagen ihr zu Füßen wie dampfende Cannelloni, die in Reih und Glied in eine Auflaufform geschichtet waren. Die Restaurantkritiker überschlugen sich mit Lob. Nicht nur für den extravaganten und unverkennbaren Stil ihrer Gerichte, sondern auch wegen der außergewöhnlichen Selbstverständlichkeit der kulinarischen Neuschöpfungen, die sie ihren Gästen immer wieder aufs Neue kredenzte. Sie zierte die Titelseiten von Kochmagazinen und Kochbüchern, ihr eigenes war kürzlich erschienen. Die Hautevolee Münchens gab sich die Klinke ihres Restaurants in die Hand.

In ihren Träumen war Clara groß, schlank, in den Bewegungen anmutig wie eine Elfe, die mit ihren zarten Fingerspitzen aus frischen Zutaten Wonne und Freude kreierte. Ihr ebenmäßiges Gesicht rahmten dichte, glänzende goldene Haarwellen ein, auf denen ihre Kochmütze wie ein Diadem aus Edelsteinen saß. Wenn sie lächelte, faszinierte das Strahlen ihrer tiefblauen Augen die anderen, und jeder hing an ihren wohlgeformten Lippen, beobachtend, wie sie von silbernen Löffeln Delikatessen verkostete.

Die Wirklichkeit offenbarte der Welt ein anderes, wenn auch liebenswürdiges, hübsches Gesicht. Dass Essen in ihrem Leben eine große Rolle spielte, lag ja für eine Köchin auf der Hand, was man ihrer Figur auch ein wenig ansah. An der Taille zwickte die Jeans. Ihre Haare, die sie zur Arbeit streng nach hinten zu einem Zopf geflochten trug, zeigten ein Erdbeerblond, in dem sich das gemütliche Licht der abendlichen Restaurantbeleuchtung weich brach. Obwohl ihr die Dämpfe aus Töpfen, Brätern, Siphons und Pfannen mehrmals täglich den Schweiß auf die Stirn trieben, schminkte sie ihre grünen Augen, bedeckte ihre Wangen mit roséfarbenem Rouge. Seit sie in der offenen, für die Gäste einsehbaren Küche der Cucina Ventura arbeitete, legte sie Wert darauf, auch sich selbst ansprechend zu präsentieren, nicht nur die von ihr liebevoll dekorierten Teller. Und das vor allem an Donnerstagabenden, wenn der Mann ihrer Träume zum Essen kam.

Niemand kannte den Namen des geheimnisvollen Gastes, er reservierte nie einen Tisch. Das taten stets seine Begleiter, die jede Woche wechselten.

Clara wusste nichts über diesen Menschen und fühlte sich ihm trotzdem verbunden. Für sie war er einmal ein Spion, dann ein Erfinder, ein Arzt oder ein einsamer Single, der nur auf sie gewartet hatte und sich nicht traute, sie anzusprechen. In ihrer Vorstellung verliebte er sich jedes Mal unsterblich in sie, nahm sie mit in sein Haus im Süden, und nichts konnte die Liebenden mehr trennen - für den Rest ihres Lebens.

Eines Abends hatte er auf dem Weg zu seinem Tisch an der Theke der offenen Küche haltgemacht und ein paar Worte an Clara gerichtet. Er hatte ihr freundliche Floskeln darüber gesagt, dass er sich wieder auf ihr Wochenmenü freue und alles, was sie bisher für ihn gekocht hatte, köstlich fände.

Das Gespräch war nichts Besonderes gewesen. Viele Gäste plauderten ab und an mit den Köchen. Das war der Gedanke der »offenen Küche«. Für Clara war es nur er: seine Stimme, das schöne Gesicht, die tiefschwarzen Haare, die einen Hauch zu lang in die hohe Stirn hingen. Seine braunen Augen, deren Intensität sie kaum hatte standhalten können. Ihre Knie waren weich geworden, in ihr baten die Schmetterlinge zum Tanz.

Von diesem Moment an war es ihr sehr bewusst gewesen. Sie hatte sich verliebt. Lächerlich kindisch verliebt in einen Fremden, in eine Phantasie. Verliebt wie ein Teenager in ein Popidol. Und das mit dreiunddreißig Jahren. Sie dachte Tag und Nacht an den Fremden. Bei der Arbeit, in der Freizeit und vor allem in ihrem Zuhause, das sie sich seit drei Jahren mit ihrem Freund Franklin teilte.

***

»Clara, leg bitte einen Zahn zu! Ich habe eben noch eine Reservierung für einen Fünfer reinbekommen. Wir sind wieder voll.«

Dante Ventura, Claras Chef, fuhr mit seinem dicklichen Zeigefinger den Rand der Schüssel entlang, die noch vor Clara stand, und leckte ihn schmatzend ab.

Als sie vor zwei Jahren als neue Souschefin bei Dante begonnen hatte, hatte es sie einiges an Überzeugungskraft gekostet, ihrem Chef klarzumachen, dass der Trend der modernen italienischen Küche an seinen Rezepten und Ideen längst vorbeigezogen war. Sie war eine der wenigen Frauen, die sich in einer professionellen Küche behaupten konnten, und hatte im Laufe der Zeit gelernt, nicht klein beizugeben und sich durchzusetzen. So war es ihr gelungen, Dante davon zu überzeugen, das Restaurant neu zu positionieren, umzudekorieren und junge Köche einzustellen. Schließlich waren die samtenen Vorhänge, die früher die Gäste vor neugierigen Passanten auf der Straße geschützt hatten, verschwunden. Die ausladenden runden Tische und die Stühle mit den schweren brokatüberzogenen Sitzflächen waren schlichtem Holzmobiliar gewichen. Unbemerkt hatten sich die Tische 20 und 21 eingereiht und trugen an guten Abenden dazu bei, die Investition schnellstmöglich zu amortisieren. Auf die silbernen Platzteller und das unhandliche Besteck hatte Dante aber trotz Abraten des Inneneinrichters bestanden. Es gab schließlich Grenzen, hatte er zu Clara gesagt. Sie hatte gelacht und es akzeptiert. Sie mochte Dante und wusste, dass er in ihr manchmal die Tochter sah, die er nie gehabt hatte. Beide trieb ein unerschütterlicher Ehrgeiz in der Küche, und sie teilten die Liebe zur Perfektion, die keinen Wert legte auf unnötige Täuschung und Dekoration auf Tellern und in Gerichten. Was zählte, war Qualität. Die brauchte keine Ablenkung.

Die Speisekarte der Cucina trug noch Dantes Handschrift, den Titel Chef de Cuisine ließ er sich nicht nehmen. In ausladenden marineblauen Lettern prangte der zusammen mit seinem Namen auf der blendend weißen Kochjacke, die er jeden Abend trug. Clara störte das nicht. Sie liebte ihren Beruf wegen seiner Vielfältigkeit und brauchte den Titel nicht. Bisher war sie glücklich damit, die Speisen der Menüs zeitgemäß zu gestalten und auf die Klientel des Restaurants zuzuschneiden, die, wie Dante immer wieder lautstark feststellte, jedes Jahr jünger wurde.

Dante Ventura hatte seine Karriere betreffend keine Ambitionen mehr. Das betonte er bei jeder Gelegenheit. Mehr und mehr zog er sich in Repräsentationsaufgaben zurück, für die Clara die Zeit fehlte.

Gemeinsam mit seiner Ex-Frau hatte Dante vor mehr als zwanzig Jahren die Cucina Ventura gegründet und mit seinem Konzept der offenen Küche eine neue Ära der Restaurantszene in München eingeläutet. Er hatte sein Leben dem Restaurant gewidmet und kochte seit der Trennung von seiner Frau, die genug von ihm und der Cucina gehabt hatte, nur noch für Menschen, die ihm am Herzen lagen. Oder wenn es darum ging, eine Dame, die sein Interesse geweckt hatte, zu beeindrucken. Die wirkliche Arbeit machten Clara und ihr Team.

Clara hatte ihn immer bewundert und sich als Kind bei Spaziergängen rund um den Gärtnerplatz vorgestellt, wie es wohl wäre, dort zu essen. Sie hatte schon sehr früh davon geträumt, hinter einem Kochtresen wie dem in der Cucina zu stehen oder vielleicht sogar ihr eigenes Restaurant zu besitzen. Inzwischen war es nichts Besonderes mehr, dass man Köchen bis zu einem gewissen Grad bei der Arbeit über die Schulter schauen...
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