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Der Welt zu Diensten

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
320 Seiten
Deutsch
Verlag Antje Kunstmannerschienen am20.04.2023
Ein Buch, das Oligarchen nicht lesen wollen: wie Großbritannien der Diener von Milliardären, Finanzbetrügern, Kleptokraten und Kriminellen wurde. Die Suezkrise von 1956 gilt als der Tiefpunkt der britischen Geschichte im 20. Jahrhundert, der Moment, in dem eine globale Supermacht in die Knie gezwungen wurde. In den berühmten Worten des US-Außenministers Dean Acheson: »Großbritannien hat sein Reich verloren, aber noch keine neue Rolle gefunden.« Das entsprach nur der halben Wahrheit, denn Großbritannien hatte schon eine neue Rolle gefunden und das Kostüm dazu lag auch schon bereit. Die Welt hatte es nur noch nicht bemerkt. Oliver Bullough enthüllt in diesem Buch, wie Großbritannien zu einem der zentralen Orte der globalen Offshore-Ökonomie und zum Handlanger der Oligarchen, Kleptokraten und Kriminellen dieser Welt wurde. Denn während Großbritannien nach außen gerne die Werte des Fairplay und der Rechtsstaatlichkeit betont, gibt es wenige Länder, die die globale Anti-Korruptions-Anstrengung mehr behindern und von einem unregulierten Finanzmarkt mehr profitieren.

Oliver Bullough, geb. 1977, hat in Oxford Geschichte studiert und arbeitet als Journalist u.a. für den Guardian, die New York Times und als freier Autor. Auf Deutsch erschien zuletzt »Land des Geldes« (2020).
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR26,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR20,99

Produkt

KlappentextEin Buch, das Oligarchen nicht lesen wollen: wie Großbritannien der Diener von Milliardären, Finanzbetrügern, Kleptokraten und Kriminellen wurde. Die Suezkrise von 1956 gilt als der Tiefpunkt der britischen Geschichte im 20. Jahrhundert, der Moment, in dem eine globale Supermacht in die Knie gezwungen wurde. In den berühmten Worten des US-Außenministers Dean Acheson: »Großbritannien hat sein Reich verloren, aber noch keine neue Rolle gefunden.« Das entsprach nur der halben Wahrheit, denn Großbritannien hatte schon eine neue Rolle gefunden und das Kostüm dazu lag auch schon bereit. Die Welt hatte es nur noch nicht bemerkt. Oliver Bullough enthüllt in diesem Buch, wie Großbritannien zu einem der zentralen Orte der globalen Offshore-Ökonomie und zum Handlanger der Oligarchen, Kleptokraten und Kriminellen dieser Welt wurde. Denn während Großbritannien nach außen gerne die Werte des Fairplay und der Rechtsstaatlichkeit betont, gibt es wenige Länder, die die globale Anti-Korruptions-Anstrengung mehr behindern und von einem unregulierten Finanzmarkt mehr profitieren.

Oliver Bullough, geb. 1977, hat in Oxford Geschichte studiert und arbeitet als Journalist u.a. für den Guardian, die New York Times und als freier Autor. Auf Deutsch erschien zuletzt »Land des Geldes« (2020).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783956145490
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum20.04.2023
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse904 Kbytes
Artikel-Nr.11547861
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

KAPITEL 1
DAS BUTLERGESCHÄFT

VOR EIN PAAR JAHREN fragte ein US-amerikanischer Akademiker an, ob ich mich mit ihm auf einen Kaffee treffen wolle. Sein Name war Andrew. Er recherchierte chinesische Geldanlagen und wollte von mir etwas über Vermögenswerte von Chinesen in London wissen und darüber, wie die britische Regierung sicherstellte, dass die Eigentümer ihren Besitz legal erworben hatten. Ich bekomme gelegentlich derartige Anfragen, weil ich Stadtführer bei den London Kleptocracy Tours bin, einer Rundfahrt zu den Immobilien in den Londoner Stadtteilen Knightsbridge und Belgravia, die Oligarchen gehören, und ich helfe gern, wenn ich kann.

Wir trafen uns in einem Café im ersten Stock einer Buchhandlung in einem recht stattlichen Gebäude am Trafalgar Square. Um einen Streit beizulegen, hatten ukrainische Oligarchen das Gebäude im Jahr 2016 untereinander getauscht, so wie mein Sohn nach einem Streit auf dem Spielplatz einem Freund eine seltene Fußballkarte gibt. Ein witziger Zufall angesichts des Themas, das Andrew und ich besprechen wollten.

Andrew kam gut vorbereitet zu unserem Treffen und hatte eine Checkliste, die er abarbeiten wollte. Offensichtlich wollte er von mir Namen hören von Leuten, mit denen er sonst noch reden konnte. Welche Strafverfolgungsbehörde ging in erster Linie gegen chinesische Geldwäsche vor? Mit wem konnte er bei dieser Behörde am besten sprechen? Welche Staatsanwälte hatten die besten Fälle vor Gericht gebracht? Wer hatte die effektivsten Nachforschungen dazu durchgeführt, wie viel chinesisches Geld im Vereinigten Königreich kursierte und in was dieses Geld vor allem angelegt wurde? Welche Politiker wussten am besten über dieses Thema Bescheid, und wie organisierten sie sich?

Wegen der gemeinsamen Sprache glauben US-Amerikaner und Briten oft, ihre Länder seien sich ähnlicher, als sie es in Wirklichkeit sind. Das geht mir leider genauso. Wenn ich in den USA recherchiere, bin ich immer erstaunt, wie bereitwillig Amtsträger sich mit mir treffen und über ihre Arbeit sprechen. Ich rufe sie ohne Empfehlung an, und doch vertrauen sie mir, dass ich die Details unserer Gespräche vertraulich behandle. Gerichtsakten sind leicht zugänglich und Staatsanwälte bereit, darüber zu reden. Den Politikern scheint es tatsächlich wichtig zu sein, ihre Arbeit einer breiteren Öffentlichkeit nahezubringen, was dazu führt, dass sie sich gerne mit Autoren wie mir unterhalten. US-amerikanische Journalisten beschweren sich über ihre Arbeitsbedingungen wie alle Journalisten überall, aber wenn man als Europäer in den USA über Wirtschaftskriminalität recherchiert, fühlt man sich wie ein Kind im Spielwarenladen.

Andrew musste jedoch feststellen, dass die Überraschung in umgekehrter Richtung nicht ganz so erfreulich war. Er hatte wohl gehofft, dass ich ihm ein paar Kontakte vermitteln würde zu den entsprechenden Leuten in Großbritannien, wie ich sie bei meinen Besuchen in Miami, Washington, San Francisco und New York ohne große Probleme gefunden hatte. Vielleicht befürchtete er auch, dass ich ihm keinen Einblick in mein Adressbuch gewähren würde, aber er schien gar nicht auf die Idee gekommen zu sein, dass ich gar kein Adressbuch hatte, in das er hätte schauen können; dass die Kontaktleute, die er suchte, gar nicht existierten.

Es gab keine konzertierten Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden gegen chinesische Geldwäsche. Ich sagte Andrew, es gäbe im Grunde keine Ermittler, die mit ihm sprechen könnten. Es gab praktisch keine Strafverfolgung, sodass er sich auch nicht über deren Stand informieren konnte, und es wurde auch so gut wie nicht nachgeforscht, wohin die Gelder fließen, wie sie dorthin gelangen, oder auch nur, wie viel Geld überhaupt im Umlauf ist.

Er probierte es mit immer neuen Fragen aus verschiedenen Richtungen, als glaube er, er müsse nur das richtige Passwort finden, um die Tür öffnen zu können, hinter der sich die britischen Vollzugsorgane verbargen. Wo war die Entsprechung der International Corruption Squad des FBI? Wer machte die Arbeit der Kleptokratie-Taskforce im US-Justizministerium? Was war mit den Homeland Security Investigations; gab es in Großbritannien etwas Entsprechendes? Trugen britische Staatsanwälte Beweismaterial zusammen, wie man es im Southern District in New York tat? Konnte es für jemanden zum Karrieresprungbrett werden, wenn er einen großen chinesischen Geldwäschering zu Fall brachte? Welche parlamentarische Untersuchungskommission beschäftigte sich mit dem Thema? Irgendjemand musste es doch wohl tun! Während er sprach, sah ich die Situation zunehmend mit seinen Augen und gewann so eine Perspektive, die mir völlig neu war.

Das Problem war, dass er immer neue Passwörter ausprobieren konnte, bis die Felswände von selbst zusammenfielen, ohne dass es das Geringste brachte: Es gab keine Schatzhöhle, die sich ihm hätte öffnen können. Wenn er herausfinden wollte, wie viel chinesisches Geld nach Großbritannien floss, wer es bewegte und was damit gekauft wurde, musste er die Arbeit selbst machen und dabei ganz von vorn anfangen. Andrew war nach London gekommen, um herauszufinden, wie Großbritannien illegale Finanzgeschäfte bekämpfte, und musste feststellen, dass es gar nicht geschah. Ganz im Gegenteil.

Natürlich hilft nicht nur Großbritannien chinesischen Kleptokraten und Kriminellen bei der Geldwäsche. Das Schattenbanksystem, dessen sich chinesische Kriminelle bedienen, ist von Natur aus grenzübergreifend. Es überschreitet Ländergrenzen und erhält seine Macht und seine Widerstandsfähigkeit gerade dadurch, dass es nicht auf einen bestimmten Ort angewiesen ist: Wenn es in einem Land zu ungemütlich wird, dann zieht das Geld mühelos in ein anderes Land weiter, das toleranter ist. Und das System wächst pausenlos, weil Anwälte, Buchhalter und andere Akteure Politiker überreden, ihnen zu ermöglichen, an Geldbewegungen zu verdienen. Entsprechendes findet man in Dubai, Sydney, Liechtenstein und Curaçao ebenso wie in der Schweiz oder in New York. Vor allem aber gibt es das in London.

Im Gespräch mit Andrew fiel mir außerdem auf, dass Großbritannien sehr viel stärker in diese Art von Geschäften eingebunden ist als all diese anderen Orte. Finanzbetrug geschieht im Vereinigten Königreich nicht einfach; er wurde hier jahrzehntelang durch konzertierte Bemühungen gefördert. Das ist nur schwer zu begreifen, weil es dem öffentlichen Image Großbritanniens so sehr widerspricht: als das Land von Harry Potter, Königin Elizabeth II. und Downton Abbey; als Ort, der durch Ironie, Tradition und ein gehaltvolles Frühstück definiert wird. Kriminelle Banker sind vulgär, und wenn Großbritannien eines bekanntermaßen nicht ist, dann vulgär. Aber die Fakten sprechen eine andere Sprache. So schlimm die anderen Länder auch sein mögen, Großbritannien ist seit Jahrzehnten schlimmer. Es fungiert als gigantisches Schlupfloch, das die Regelungen anderer Länder unterläuft, Steuersätze drückt, Regulierungen außer Kraft setzt und das Geld ausländischer Krimineller wäscht.

Großbritannien stellt nicht nur keine Untersuchungen gegen die Gauner an, es hilft ihnen sogar noch. Vor allem bewegt und investiert das Land das Geld dieser Gauner natürlich, aber das ist nur der Anfang: Großbritannien bildet ihre Kinder aus, kümmert sich um ihre Rechtsstreitigkeiten, erleichtert ihnen den Eintritt in die High Society der Welt, verbirgt ihre Verbrechen und vermeidet grundsätzlich, dass sie die Konsequenzen ihres Handelns tragen müssen. All das wusste ich auch vorher schon, aber ich hatte es nie als ein zusammengehöriges Phänomen betrachtet. Erst durch Andrews Fragen kristallisierte sich das Bild heraus.

»Großbritannien ist wie ein Butler«, versuchte ich schließlich für uns beide zu erklären, was geschah. »Wenn jemand reich ist, ganz egal, ob er Chinese, Russe oder was auch immer ist, und er will, dass etwas getan oder versteckt oder gekauft wird, dann kümmert sich Großbritannien für ihn darum. Wir sind keine Polizisten, wie ihr drüben in Amerika, wir sind Butler, der Welt zu Diensten. Deswegen werden die Probleme, über die wir gesprochen haben, hier nicht untersucht - das gehört nicht zu den Aufgaben eines Butlers.«

Er sah mich einige Augenblicke lang an, als überlege er, ob ich das ernst meinte.

»Wie lange geht das schon so?«, fragte er schließlich, und ich musste über die Antwort nicht lange nachdenken. Sie war plötzlich offensichtlich.

»Es begann in den 1950er-Jahren. Wir brauchten ein neues Geschäftsmodell, nachdem die Vereinigten Staaten die Rolle als Supermacht der Welt übernommen hatte, und das ist dabei rausgekommen.«

Danach war unser Gespräch rasch beendet, und Andrew ging in Richtung Parlamentsgebäude, wahrscheinlich in der Hoffnung, dort mit jemandem sprechen zu können, der weniger deprimierende Informationen hatte, aber ich blieb...
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Autor

Oliver Bullough, geb. 1977, hat in Oxford Geschichte studiert und arbeitet als Journalist u.a. für den Guardian, die New York Times und als freier Autor. Auf Deutsch erschien zuletzt »Land des Geldes« (2020).