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Geliebte Orlando

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
276 Seiten
Deutsch
DuMont Buchverlag GmbHerschienen am01.11.20231. Auflage
London 1922. Bei einem Abendessen lernt Virginia Woolf die zehn Jahre jüngere Vita Sackville-West kennen und ist so fasziniert wie eingeschüchtert von der burschikosen Hocharistokratin: Schön, skandalumwittert und schriftstellerisch erfolgreich ist sie ganz anders als Virginia, die sich als unzulänglich in allen Bereichen empfindet. Doch auch Vita ist hingerissen von Virginia, von ihrem Wesen, ihrem Geist. Aus Freundschaft wird berauschende Leidenschaft. Und eine tragische Liebe, die nicht nur Virginias Leben, sondern auch ihr Werk maßgeblich beeinflussen wird.

KATJA KULIN wurde in Bochum geboren und lebt seit 2018 in einem kleinen Dorf in der Voreifel. Sie studierte Germanistik und Erziehungswissenschaften und schreibt Romane, Romanbiografien sowie Sachbücher. Bei DuMont erschien ihr biografischer Roman >Der andere Mann< (2021), der die Liebesgeschichte zwischen Simone de Beauvoir und Nelson Algren erzählt.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR18,99

Produkt

KlappentextLondon 1922. Bei einem Abendessen lernt Virginia Woolf die zehn Jahre jüngere Vita Sackville-West kennen und ist so fasziniert wie eingeschüchtert von der burschikosen Hocharistokratin: Schön, skandalumwittert und schriftstellerisch erfolgreich ist sie ganz anders als Virginia, die sich als unzulänglich in allen Bereichen empfindet. Doch auch Vita ist hingerissen von Virginia, von ihrem Wesen, ihrem Geist. Aus Freundschaft wird berauschende Leidenschaft. Und eine tragische Liebe, die nicht nur Virginias Leben, sondern auch ihr Werk maßgeblich beeinflussen wird.

KATJA KULIN wurde in Bochum geboren und lebt seit 2018 in einem kleinen Dorf in der Voreifel. Sie studierte Germanistik und Erziehungswissenschaften und schreibt Romane, Romanbiografien sowie Sachbücher. Bei DuMont erschien ihr biografischer Roman >Der andere Mann< (2021), der die Liebesgeschichte zwischen Simone de Beauvoir und Nelson Algren erzählt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783832160845
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum01.11.2023
Auflage1. Auflage
Seiten276 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1518 Kbytes
Artikel-Nr.11595808
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


EINS

Zauber des Anfangs: Annäherung
(Januar bis Juli 1924)

Die Beine, die Hände, der Körperbau waren die eines Jungen, aber kein Junge hatte je einen solchen Mund gehabt;
kein Junge diese Brüste; kein Junge Augen, die aussahen, als wären sie vom Grund des Meeres gefischt worden.
Orlando

Das Auftreten der Aristokratie ähnelt dem der Schauspielerinnen - keine falsche Schüchtern- oder Bescheidenheit - [...] ich fühle mich dagegen jungfräulich, schüchtern, wie ein Schulmädchen. Dennoch gab ich nach dem Abendessen plappernd meine Ansichten zum Besten. Sie ist ein Grenadier; hart, wunderschön, männlich.

Virginia in ihrem Tagebuch, 15. Dezember 1922


Mrs Woolf ist so einfach: Sie macht unbedingt den Eindruck von etwas Großem. Sie ist völlig ungekünstelt, ganz ohne äußere Verzierungen - sie zieht sich abscheulich an. [...] Sie ist sowohl distanziert wie menschlich, schweigt, bis sie etwas sagen will, und sagt es dann unübertrefflich gut. [...] Darling, ich habe richtig mein Herz verloren.

Vita an Harold, 19. Dezember 1922



Vor zwei Tagen haben die Nicolsons hier gegessen. Unter elektrischem Licht zeigen Eier dunkle Flecken. Soll heißen, wir haben sie beide für unheilbar geistlos befunden.

Virginia in ihrem Tagebuch, 13. März 1923



Die Sekretärin des P.E.N.-Clubs hat mir geschrieben, dass ich zum Mitglied gewählt worden bin. Ich bedaure sehr, dass ich ablehnen muss, da ich aus den Clubunterlagen ersehen kann, dass es sich um einen reinen Dinner Club handelt [...].

Virginia an Vita, 15. April 1923


18. JANUAR 1924
HOGARTH HOUSE, RICHMOND, GREATER LONDON

»Ich war wirklich entzückt, als ich hörte, dass Sie Ihren Hauptwohnsitz in die Stadt verlegen. Mit Ihnen darin wird London gleich viel heller sein - und zwar jegliche Bedeutung betreffend, die man diesem Wort nur geben kann.« Vita senkte den Blick auf ihren Pudding, lächelte nach innen gekehrt, als wäre sie ebenso überrascht und erfreut über ihr kleines Sprachspiel wie über den anstehenden Umzug. Dann fing sie sich und hob ihren Likörkelch. »Lassen Sie uns darauf anstoßen.«

Lord Berners, den Vita ihr hatte vorstellen wollen, weil er nicht nur Ehrenattaché und Komponist war, sondern auch mit dem Gedanken an die Schriftstellerei spielte, tat es ihr gehorsam nach, also hob auch Virginia ihr Wasserglas. Immerhin hatte es fast das ganze Dinner gebraucht, bis sie auf die Neuigkeit zu sprechen kommen konnte. Dafür kannte sie nun bereits die gesamte Lebensgeschichte des Lords einschließlich seiner Zeit als Attaché in Konstantinopel, wo er das Ehepaar Nicolson kennengelernt hatte. Er war blass und rund, sein Auftreten aber von einer gewissen Entschlossenheit, wobei es Virginia ein wenig so vorkam, als hätte er diese allein seinem Titel zu verdanken. »Sie können wohl kaum entzückter sein als ich, liebe Vita. Schließlich werden Sie ja nicht von einer Druckpresse bedrängt. Wir sitzen nicht ohne Grund in der Küche. Zuerst hat sie mit allem Zubehör das Esszimmer belegt - ein weiteres Exemplar hält die Speisekammer besetzt -, und nun macht sie uns langsam, aber sicher den Platz im eigenen Bett streitig.«

»Interessantes Szenario«, sagte Lord Berners. »Vielleicht stelle ich es in meinem Gästezimmer nach.« Er lachte herzhaft über das, was ein Scherz sein mochte, vielleicht aber auch nicht, denn der Lord war Vitas Bericht nach bekannt für seinen Hang zur Exzentrik.

»Nun, am Tavistock Square wird die Hogarth Press jedenfalls im Keller ihr neues Zuhause finden. Er gleicht einem Labyrinth, und alles, was sich hier stapelt, wird einen eigenen Platz bekommen. Wir wollen unbedingt versuchen, die Anzahl der erscheinenden Titel stetig zu erhöhen.« Und sehen, ob es uns gelingen wird, den Umsatz so zu steigern, dass Leonard die Redakteursstelle bei der Nation aufgeben kann, dachte sie bei sich.

»Das müssen Sie«, meinte Lord Berners. »Sie haben ein Händchen für Talente. Ich bin kein großer Freund von Lyrik, aber Das wüste Land war eine Offenbarung!«

»Eliot ist wunderbar, ein sehr korrekter Mann. Wir haben schon 1919 einen Band mit sieben Gedichten von ihm veröffentlicht, das war erst unser viertes Buch, aber es wurde in der Literary Supplement gelobt, und eines Morgens danach fanden wir den Boden vor der Haustür mit Briefen übersät vor. Bestellungen von Buchhändlern aus dem ganzen Land.«

Lord Berners strich sich anerkennend nickend über den Schnurrbart. »Dann können Sie und Ihr Mann sich durchaus so etwas wie seine Entdecker nennen.«

»Eliot jedenfalls hat einen guten Anteil daran, dass wir, was als Freizeitbeschäftigung gedacht war, nun etwas professioneller aufziehen wollen.« Virginia hauchte das Streichholz, mit dem sie sich gerade eine Zigarette angezündet hatte, aus und beobachtete, wie die Glut erlosch. »Aber wissen Sie, mehr noch als auf den Ausbau des Verlags freue ich mich auf London selbst. Kultur, Freunde, Bücher, Verlage, all die anregenden Großstadtszenarien werden wieder in greifbarer Nähe sein. Ich denke, meinem Schreiben wird es guttun.«

Für einen kurzen Moment versank sie in der Vergangenheit. Seit Leonard und sie zwei Jahre nach ihrer Heirat und einer Reihe von Katastrophen, die beinahe zu ihrem Tod geführt hatten, aus ihrer kleinen Wohnung im Clifford´s Inn und nach Richmond gezogen waren, hatte sie sich oft abgeschnitten von der Welt gefühlt. Leonard hatte, auch als es ihr längst besser ging, weiter darauf beharrt, der Trubel im Zentrum Londons würde ihre Nerven zu sehr strapazieren. Seine Fürsorge war damals gewiss ihre Rettung gewesen, doch von der Art, dass jeder Ratschlag, der einmal aus dem Mund eines Arztes kam, wörtlich und auf ewig befolgt werden musste. Dabei nahmen sie inzwischen so häufig an Gesellschaften in London teil, dass der Umzug nach Bloomsbury sich mehr als anbot. Nun war es ihr also endlich gelungen, sich durchzusetzen. Ach, Genugtuung fühlte sich gut an.

»Wann ist es denn so weit?«, fragte Lord Berners, der Augenblicke des Innehaltens offenbar nicht ertrug.

»Anfang März wahrscheinlich.«

»Ich könnte Ihnen den Rolls-Royce für den Umzug leihen, würde das helfen?«, preschte Vita, wie immer ohne falsche Zurückhaltung, vor. Bei dem Essen bei Clive - ihr Kennenlernen im Dezember 1922 - war ihr eine Schmuckperle ins Essen gefallen, und sie - papageienbunt gekleidet, rotwangig und mit Damenbart gleichzeitig einer Göttin und einem Grenadier gleichend - hatte sie völlig unbekümmert mit einer Hand herausgefischt, Clive geschenkt und nach Likör verlangt.

»Sehr liebenswürdig, Vita. Aber wir werden wohl alles einer Umzugsfirma überlassen. Genug davon. Wie ich sehe, können die Mädchen abräumen. Gehen wir doch ins Wohnzimmer und sprechen über Tiefsinnigeres.«

Wie sich herausstellte, zog Lord Berners das Lachen dem Denken vor. Kaum saßen sie eng beieinander am Kamin - Virginias Terriermischling Grizzle biederte sich sofort bei Vita an, leckte ihr die Hand, warf sich wedelnd auf den Rücken - und hatten sich eine Zigarette angezündet, ergänzte er die Eckpfeiler seiner Biografie um allerlei witzige Anekdoten, die sämtlich Zeugnis seiner Unangepasstheit ablegten. Ganz selbstverständlich fing er bei Adam und Eva an, nämlich seiner Kleinjungenrache, zu deren Zweck er alle Toilettenschlüssel im Haus seiner Mutter einsammelte und in den Teich warf, nachdem sie ihn wegen schlechten Betragens in einen Schrank gesperrt hatte. Es verstand sich von selbst, dass er hier und heute derjenige war, der sich am köstlichsten darüber amüsierte.

Auch Vita hatte nichts den Intellekt Anregendes beizutragen, und das, obwohl sie, Anfang dreißig und damit zehn Jahre jünger als Virginia selbst, bereits sehr erfolgreich als Schriftstellerin war. Aber nun, sie schrieb unglaubliche fünfzehn Seiten am Tag, der echte Geist des Künstlers fehlte ihr, auch wenn sie im Gegensatz zu ihrem Gatten Harold gute Ansätze besitzen mochte.

»Kennen Sie Moore?«, versuchte Virginia dem Gespräch eine neue Richtung zu geben. Natürlich meinte sie George Edward Moore, den von den Bloomsberries hochverehrten Philosophen, doch Vita fragte zurück: »Sie meinen den Romancier?« Sie dachte an George Augustus, den skandalumwitterten alten Realisten.

Virginia war kurz davor, »Mehr Hirn, oh Herr, mehr Hirn!« auszurufen, so wie es George Meredith in dem Sonett tat, das sie schon in ihrer Jugend gern zitiert hatte. »Aber nein, Vita, warum sollte ich ausgerechnet über ihn reden wollen? Der moderne Schriftsteller muss den Realismus aufgeben, und zwar dringend. Wir haben wohl wirklich sehr unterschiedliche Ansätze.«

Innerlich krümmte Vita sich unter diesem Hieb zusammen, äußerlich behielt sie bis auf ein kurzes Zusammenpressen der Lippen die Contenance. Plötzlich fühlte sie sich in den letzten März zurückversetzt, als Virginia Harold und sie zu einer Party im Haus ihrer Schwester Vanessa geladen hatte. Seit jeher traf sich die Bloomsbury-Gloomsbury-Bande bevorzugt dort, und an jenem Abend sollten Harold und sie in ihren Kreis eingeführt werden. Ein Ereignis, dem man am besten mit ein wenig Freude, vor allem aber mit Furcht begegnete. Und mit Aufregung, denn es war ihr fünftes - und in der Folge dann auch bis heute letztes - Aufeinandertreffen mit Virginia gewesen, ihr Herz schon damals unrettbar an sie verloren. Seit...
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