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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
200 Seiten
Deutsch
Verbrecher Verlagerschienen am30.04.2023Überarbeitete Neuausgabe
Muslimaniac steht für europäische Fantasien und Sehnsüchte nach Homogenität und Kontrolle, die sich am Feindbild Islam ausbilden. Aber genauso für die Gefühlswelt von Musliminnen und Muslimen selbst. Dafür, was es heißt, in ein Integrationskorsett gezwängt zu werden und sich ununterbrochen beweisen zu müssen. Es steht für die Diskrepanz zwischen Fremd- und Selbstbild. Dafür, sich in Debatten, die über den eigenen Kopf hinweg geführt werden, nicht mehr erkennen zu können. Die Anfeindungen und Anschuldigungen, die Stereotype und Verschwörungsmythen - sie stecken wie ein Kloß im Hals. Es ist schwer, unter der Last der Fremdbilder ein selbstbestimmtes Ich auszubuchstabieren. Muslimaniac - in diesem Wort mischt sich die Fremdkonstruktion mit dem Geist des Ausbruchs aus Stereotypen. Ozan Zakariya Keskink?l?ç erzählt in 'Muslimaniac' vom Phänomen des antimuslimischen Rassismus in unserer Gesellschaft anhand von Fakten, persönlichen Erfahrungen und Beobachtungen, historischen Bezügen und Analysen der Gegenwartsdebatten. Die Besonderheit seines Buches macht der sachliche, empathische und geradezu poetische Ton aus.

Ozan Zakariya Keskink?l?ç ist Politikwissenschaftler, freier Autor und Lyriker. Er forscht und lehrt an Berliner Hochschulen u. a. zu (antimuslimischem) Rassismus, Antisemitismus, Orientalismus sowie zu Erinnerung und widerständiger Kunst- und Kulturproduktion. 2021 wurde er als Mitglied in die Berliner Expert*innenkommission gegen antimuslimischen Rassismus berufen, seit 2020 ist er Beiratsmitglied am Museum für Islamische Kunst. Regelmäßig publiziert er zu gesellschaftspolitischen Themen, u. a. auf Zeit Online und zdf heute. Neben wissenschaftlichen Texten schreibt er Essays, Prosa, Hörstücke und Lyrik. Im Herbst 2022 erschien sein Gedichtband 'prinzenbad' im Elif Verlag.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR20,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextMuslimaniac steht für europäische Fantasien und Sehnsüchte nach Homogenität und Kontrolle, die sich am Feindbild Islam ausbilden. Aber genauso für die Gefühlswelt von Musliminnen und Muslimen selbst. Dafür, was es heißt, in ein Integrationskorsett gezwängt zu werden und sich ununterbrochen beweisen zu müssen. Es steht für die Diskrepanz zwischen Fremd- und Selbstbild. Dafür, sich in Debatten, die über den eigenen Kopf hinweg geführt werden, nicht mehr erkennen zu können. Die Anfeindungen und Anschuldigungen, die Stereotype und Verschwörungsmythen - sie stecken wie ein Kloß im Hals. Es ist schwer, unter der Last der Fremdbilder ein selbstbestimmtes Ich auszubuchstabieren. Muslimaniac - in diesem Wort mischt sich die Fremdkonstruktion mit dem Geist des Ausbruchs aus Stereotypen. Ozan Zakariya Keskink?l?ç erzählt in 'Muslimaniac' vom Phänomen des antimuslimischen Rassismus in unserer Gesellschaft anhand von Fakten, persönlichen Erfahrungen und Beobachtungen, historischen Bezügen und Analysen der Gegenwartsdebatten. Die Besonderheit seines Buches macht der sachliche, empathische und geradezu poetische Ton aus.

Ozan Zakariya Keskink?l?ç ist Politikwissenschaftler, freier Autor und Lyriker. Er forscht und lehrt an Berliner Hochschulen u. a. zu (antimuslimischem) Rassismus, Antisemitismus, Orientalismus sowie zu Erinnerung und widerständiger Kunst- und Kulturproduktion. 2021 wurde er als Mitglied in die Berliner Expert*innenkommission gegen antimuslimischen Rassismus berufen, seit 2020 ist er Beiratsmitglied am Museum für Islamische Kunst. Regelmäßig publiziert er zu gesellschaftspolitischen Themen, u. a. auf Zeit Online und zdf heute. Neben wissenschaftlichen Texten schreibt er Essays, Prosa, Hörstücke und Lyrik. Im Herbst 2022 erschien sein Gedichtband 'prinzenbad' im Elif Verlag.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783957325624
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum30.04.2023
AuflageÜberarbeitete Neuausgabe
Seiten200 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2121 Kbytes
Artikel-Nr.11607181
Rubriken
Genre9201
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Inhalt/Kritik

Leseprobe

EINLEITUNG: UNTER VERDACHT

Auf meinem Rechner sammele ich seit einigen Jahren Zuschriften »besorgter Bürger:innen«, die in mir so etwas wie den Pressesprecher der »islamischen Welt« sehen. Anders kann ich mir die Vielzahl von Nachrichten nicht erklären, die mich regelmäßig per E-Mail, über Social-Media-Kanäle, manchmal sogar traditionell auf dem Postweg erreichen. Da ist zum Beispiel Herr A. Er schickt mir eine selbst erstellte Excel-Liste diverser Gräueltaten, die von Muslim:innen weltweit begangen wurden oder begangen worden sein sollen, penibel sortiert nach Datum, Ort und Ausmaß der Brutalität. Er bittet mich um Stellungnahme bis zur kommenden Woche.

Meistens sind die Nachrichten kurz und knackig. »Ich werde dir 9/11 niemals verzeihen«, schrieb mir ein Unbekannter auf Facebook. Bis dato wusste ich noch nicht, dass ich höchstpersönlich für die Anschläge auf das World Trade Center verantwortlich war und erschrak für einen Moment über die Hinterlistigkeit, mit der ich sogar mich selbst betrog. Einige Zeitgenossen fordern mich auf, das Land zu verlassen, am besten bis morgen. Anderen reicht das nicht, sie wünschen mir gleich den Tod.

Zum Glück gibt es mitunter kreative und einfallsreiche Zuschriften, die mich manchmal sogar zum Lachen bringen. Vor einigen Jahren erreichte mich in meinem Hochschulpostfach ein handschriftlich verfasster Brief von Herrn F., der sich als FDP-Mitglied vorstellte. Er begann den Brief damit, mehrfach zu betonen, dass er Afghan:innen Deutschunterricht gibt und zwar kostenlos. Herr F. schrieb, dass er weltoffen ist. Dass Hass und Gewalt durch nichts zu rechtfertigen sind. Das klang alles sehr schön. Doch meine langjährige Erfahrung als unbezahlter Pressesprecher der »islamischen Welt« lehrte mich, dass nach der Mitteilung solch aufopfernder Gesten am Anfang eines Briefes das Aber nicht weit entfernt sein kann.

Und tatsächlich, da kam die Einschränkung schon im nächsten Satz. Die Grenzen der Toleranz des Herrn F. waren nämlich jetzt erreicht. Er störte sich generell an den Muslim:innen. In seinem Brief beklagte er, dass das Kopftuch Alltag geworden sei und dass die Liste an Gewalttaten, die diese Menschen begehen, gar nicht in seinen Brief passen würde. Dafür hätte er auch keine Zeit. Mir ein Bild zu malen, dafür jedoch schon. Dem Brief war eine selbst gemalte Zeichnung beigelegt. Sie zeigt eine Person, einmal in Nikab und einmal in Burka. Dunkle Wassermalfarben auf DIN A4. Die Notiz zum Kunstwerk lautete: »Diese Dame hätte ich so nicht gewählt - es ist Frau Bundeskanzlerin Merkel.«

Das Bild habe ich eingerahmt und über meinen Schreibtisch gehängt. Es erinnert mich daran, dass die »Islamisierung Deutschlands« ganz nach Plan verläuft. Den Eindruck haben jedenfalls nicht wenige Menschen im Land. Einmal abgesehen von PEGIDA, den Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes, und der Alternative für Deutschland (AfD), fühlt sich fast die Hälfte »durch die vielen Muslime hier (â¦) manchmal wie ein Fremder im eigenen Land«1. 23,6 Prozent - in Ostdeutschland sogar 46,6 Prozent â plädieren dafür, Muslim:innen die Zuwanderung nach Deutschland zu verbieten. Der Vorwurf lautet Unterwanderung und Überfremdung. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Einwanderungsverbot, weil muslimisch.

Zwanzig Jahre nach der Geburtsstunde der »Leitkultur-Debatte« und zehn Jahre nach der Veröffentlichung von Thilo Sarrazins Hetzschrift, Sie wissen welche, steht die Warnung vor »dem« Islam als Gefahr für Gesellschaft, Demokratie und Rechtsstaat auf der Tagesordnung. Über die Kultur und Religion der Anderen wird leidenschaftlich debattiert und gestritten, in der medialen Berichterstattung und auf Demonstrationen gegen Migration und Asyl, in Polit-Talkshows über Terror und Gewalt, in wissenschaftlichen Studien über vermeintlich integrationsunwillige muslimische Jugendliche oder ganz beiläufig auf der familiären Weihnachtsfeier und in der Supermarktschlange.

Der Islam weckt Misstrauen. Er symbolisiert das Fremde, mit ihm ist eine Liste unzähliger Defizite assoziiert, die es zu korrigieren oder abzuwehren gilt. Er funktioniert wie eine Mülltonne, in die Probleme entsorgt werden können, um den Rest der Gesellschaft von seiner Verantwortung freizusprechen und das eigene Gewissen reinzuwaschen. Die Sozialpädagogin und Rassismusforscherin Iman Attia spricht deshalb von einer »Muslimisierung« gesellschaftlicher Probleme und Debatten. Sie schreibt: »Indem politische, gesellschaftliche und soziale Phänomene zunehmend mit der Religion der anderen verknüpft werden, können eigene Anteile an diesen Phänomenen und am problematischen Verhältnis zueinander geleugnet werden. [â¦] Die Lage der Anderen wird mit deren Kultur begründet, die wesentlich durch ihre Religion geprägt sei, der Islam sei für desolate Zustände verantwortlich und gefährde darüber hinaus uns .«2

Kein Wunder also, dass einige meinen, sie würden Sexismus, Queerfeindlichkeit, Antisemitismus, Gewalt und Terror abschaffen, indem sie gegen »den« Islam auf die Barrikaden gehen und die Einwanderung von »den« Muslim:innen und »den« Geflüchteten ablehnen. Oder indem sie Frauen mit Kopftuch die Ausübung des Lehrerinnenberufs untersagen und gegen den Bau einer Moschee in ihrem Stadtviertel protestieren. Nicht gerade überzeugende Maßnahmen für mehr Demokratie, Freiheit und Sicherheit.

Der Islam ist ein Sündenbock, er ist wie ein verzerrtes Spiegelbild, in dem sich Europa selbst idealisiert: rational, modern, egalitär und entwickelt.

Seit Jahren wird darüber diskutiert, ob der Islam zu Deutschland gehört, ohne zu verstehen, dass die Leidenschaft, mit der das geschieht, bereits beweist, wie abhängig das Land von »seinen Fremden« geworden ist. Ohne Islamdebatte kein Deutschland mehr. Und wer dazugehören will, betreibt »Islamkritik«. Das gehört zum guten Ton. Mich hat das Wort schon immer irritiert. Es klingt so, als gäbe es »den« Islam als absolute Kategorie, eine Art Bauklotz mit klaren Ecken und Kanten, in eindeutiger Farbe und immer gleichem Muster. Er muss kritisiert und korrigiert werden, dieser Islam, weil er sonst nicht zu den restlichen Bauklötzen passen würde, weil das Haus andernfalls zusammenbricht. Islamkritik, das heißt: Kritik am Islam ist überlebensnotwendig.

Während Islam und Kritik wie Pech und Schwefel aneinanderkleben, genießt das Christentum ein unsichtbares Privileg. »Das« Christliche verkörpert Menschenwürde und Nächstenliebe. Es wird mit Europa und Demokratie verknüpft. »Der« Islam bildet seine Antithese. Dem positiven Christlich-Europäischen steht das negative Islamisch-Orientalische gegenüber. Deshalb muss es offensichtlich das Wort Islamkritik geben, genauso wie den Pauschalverdacht »politischer Islam«3, mit dem man alle über einen Kamm scheren kann, die die gesellschaftliche und politische Bühne als Muslim:innen betreten.

Wenige Tage nach dem islamistischen Angriff in Wien im November 2020 forderte der österreichische Kanzler Sebastian Kurz einen gleichnamigen Straftatbestand, »um gegen diejenigen vorgehen zu können, die selbst keine Terroristen sind, aber den Nährboden für solche schaffen«. Als im selben Twitter-Thread von der »Einführung eines Imame-Registers« die Rede war,4 lief mir ein eiskalter Schauer über den Rücken. Das klang nach Gesinnungsstrafrecht für Muslim:innen. Da hätten doch Alarmglocken läuten müssen. Ich will mir nicht vorstellen, wie leicht ein Straftatbestand »Politischer Islam« missbraucht werden könnte.

Manch ein Experte behauptet, dieser ominöse politische Islam, ein Begriff ohne jegliche definitorische Trennschärfe, wäre eine viel gefährlichere Ideologie als der Wahabismus oder der Salafismus.5 Gefährlicher deshalb, weil seine Anhänger:innen sich tarnen, Integration nur vorspielen, sich bewusst distanzieren, sich nett und freundlich geben, aber in Wirklichkeit andere Pläne verfolgen würden. Wer so etwas sagt, lädt die Gesellschaft dazu ein, in allen Muslim:innen heimliche Islamist:innen zu vermuten.

Und tatsächlich: Im Juni 2021 stellte die umstrittene »Dokumentationsstelle Politischer Islam« in Österreich eine »Islam-Landkarte« vor. Über 600 Moscheen, islamische Gemeinden und Einrichtungen wurden kartografiert. In den Kurzbeschreibungen werden u. a. auch ethnische Zugehörigkeiten und weltanschauliche Ausrichtungen verzeichnet. Das alles sollte angeblich Transparenz schaffen, förderte aber nur Misstrauen. Rechtsextreme nutzten das Serviceangebot für ihre Zwecke. Sie montierten Warnschilder vor mehreren Moscheen in Wien mit der Aufschrift »Achtung! Politischer Islam in deiner Nähe«. Und an die Tür einer Moschee in Salzburg schmierte jemand: »Der Führer ist...
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Ozan Zakariya Keskinkiliç ist Politikwissenschaftler, freier Autor und Lyriker. Er forscht und lehrt an Berliner Hochschulen u. a. zu (antimuslimischem) Rassismus, Antisemitismus, Orientalismus sowie zu Erinnerung und widerständiger Kunst- und Kulturproduktion.
2021 wurde er als Mitglied in die Berliner Expert*innenkommission gegen antimuslimischen Rassismus berufen, seit 2020 ist er Beiratsmitglied am Museum für Islamische Kunst. Regelmäßig publiziert er zu gesellschaftspolitischen Themen, u. a. auf Zeit Online und zdf heute.
Neben wissenschaftlichen Texten schreibt er Essays, Prosa, Hörstücke und Lyrik. Im Herbst 2022 erschien sein Gedichtband "prinzenbad" im Elif Verlag.
Weitere Artikel von
Keskinkiliç, Ozan Zakariya

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt