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Die gerühmte Frau

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
256 Seiten
Deutsch
Braumüller Verlagerschienen am03.04.20231. Auflage
Das literarische Debüt einer jungen Schriftstellerin wird zum sensationellen, international gefeierten Erfolg. Ihre neuen Werke werden mit Spannung erwartet. Der Druck wächst. In dieser Zeit trifft sie auf einen gleichaltrigen Regisseur. Wie sie ist er auf der Suche nach der rechten Sprache für das, was Menschen bewegt. Trotz ihrer oft verschiedenen Ansichten versuchen die beiden eine Annäherung und künstlerische wie private Gegensätze zu überwinden. Doch als sie ihn ihr neues Manuskript lesen lässt, verlieren sie den Halt, den sie einander gegeben haben. Die Sprache der Gefühle kennt keine Kompromisse.

Jürgen Kaizik, 1950 in Wien geboren, studierte Mathematik, Philosophie und Germanistik in Wien und Saarbrücken sowie Regie am Max Reinhardt Seminar. Dissertation über Robert Musil. Zahlreiche Theaterstücke, Drehbücher und Romane. Der freie Autor, Theater-, Film- und TV-Regisseur lebt in Wien, Berlin und Bad Aussee. Bei Braumüller erschienen: Die Zukunft der Gottesanbeterin (2015) Musils Mörder (2016) Liber Gott' (2017).
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR21,99

Produkt

KlappentextDas literarische Debüt einer jungen Schriftstellerin wird zum sensationellen, international gefeierten Erfolg. Ihre neuen Werke werden mit Spannung erwartet. Der Druck wächst. In dieser Zeit trifft sie auf einen gleichaltrigen Regisseur. Wie sie ist er auf der Suche nach der rechten Sprache für das, was Menschen bewegt. Trotz ihrer oft verschiedenen Ansichten versuchen die beiden eine Annäherung und künstlerische wie private Gegensätze zu überwinden. Doch als sie ihn ihr neues Manuskript lesen lässt, verlieren sie den Halt, den sie einander gegeben haben. Die Sprache der Gefühle kennt keine Kompromisse.

Jürgen Kaizik, 1950 in Wien geboren, studierte Mathematik, Philosophie und Germanistik in Wien und Saarbrücken sowie Regie am Max Reinhardt Seminar. Dissertation über Robert Musil. Zahlreiche Theaterstücke, Drehbücher und Romane. Der freie Autor, Theater-, Film- und TV-Regisseur lebt in Wien, Berlin und Bad Aussee. Bei Braumüller erschienen: Die Zukunft der Gottesanbeterin (2015) Musils Mörder (2016) Liber Gott' (2017).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783992003457
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum03.04.2023
Auflage1. Auflage
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2486 Kbytes
Artikel-Nr.11616164
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Am Morgen des mit einiger Ungeduld erwarteten Treffens mit der Schriftstellerin machte sich der Regisseur früher als nötig auf den Weg, um einen strategisch vorteilhaften Platz in seinem Café zu ergattern. Nach der nächtlichen Lektüre quer durch die drei literarischen Neuerwerbungen war nicht nur seine Fantasie angeregt, sondern auch sein Widerspruchsgeist geweckt. Aus Magda Lenas knappen Sätzen sprach deutlich ein neuer Ton. Immer wieder stürzte sie alteingesessene Vorurteile von den Podesten. Teils mit offener Schadenfreude, dann wieder mit feiner Ironie oder trockenem Sarkasmus. Oft war er sich jedoch nicht ganz sicher, ob die Männer, die in ihren Geschichten vorkamen, reale Menschen darstellen sollten, oder ob diese vor den Augen des Lesers längst zu Karikaturen ihrer selbst deformiert waren. Josef war teils amüsiert, teils fühlte er sich an empfindlichen Stellen attackiert. Jedenfalls reizte es ihn, die Autorin aus der Reserve zu locken. Das Gelesene einfach als Frauenliteratur abzutun und hinzunehmen, erschien ihm als zu simpel. Stattdessen plante er einen Überraschungsangriff, aus dem Hinterhalt einer scheinbar naiven Frage. Seine Vorfreude darauf wurde allerdings auf die Probe gestellt, denn die Schriftstellerin erschien um mehr als eine halbe Stunde zu spät. Sein Schwung war in der Wartezeit spürbar ermattet. Sie aber benahm sich, als hätte sie ihre Verspätung gar nicht bemerkt. Als er mahnend auf seine Uhr blickte, zuckte sie bloß mit den Schultern. Immerhin war Magda Lena aus den Wolkengebirgen ihrer Arbeit ohne Stärkung am Tisch des verabredeten Cafés gelandet, das sie überdies erst hatte suchen müssen. Da zählte doch eine halbe Stunde nichts, fand sie und lächelte ihr charmantestes Lächeln. Gleichzeitig bestellte sie ein umfangreiches Frühstück. Josef hatte Mühe, sich auf ihre unerwartete Fröhlichkeit einzustellen. Statt ebenso fröhlich zu improvisieren, griff er auf seine längst vorbereitete Frage zurück, als säßen sie beide in einem Germanistik-Seminar für Anfänger. Es ging um das feministische Grunddogma, man werde als Frau nicht geboren, sondern frau werde von der Gesellschaft nach und nach dazu gemacht. Zur Frau nämlich. Magda verschluckte sich fast, schien ihm aber die naive Nachfrage nicht weiter übelnehmen zu wollen.

Die Männer müssen eben noch üben, das alles einzusehen, das wird dauern. Wir stehen ja erst am Anfang. Bis es so weit sein wird, müssen wir Frauen uns eben wehren. Gott sei Dank gehört das zur biologischen Grundausstattung jedes weiblichen Wesens. Da brauchen Sie nur ein ganz normales Taubenpärchen zu beobachten. Wie die Taube die dümmlichen Annäherungsversuche des Täuberichs elegant abwehrt oder sie einfach ignoriert, indem sie weiter nach ihren Krümelchen pickt. Viel anders ist das im Normalfall bei den Menschen auch nicht. Allerdings ist es auf die Dauer anstrengend und zuletzt leider eintönig. Seit Tausenden von Jahren haben die Männer nichts dazugelernt. Wiederholen bloß die alten Reflexe. Es gibt aber auch genug Frauen, die das ähnlich machen.

Ihr Redefluss stockte. Sie sah sich um, als hätte sie sich in einer fremden, unfreundlichen Gegend verlaufen. Dann blieb ihr Blick an Josef hängen, als fragte sie sich erst jetzt, wem sie denn das alles erzählt hatte, und warum.

Josef hielt ihrem Blick stand. Es war wie ein stummes Eingeständnis, das Gespräch an einer ganz falschen Ecke begonnen zu haben. Er schämte sich sogar dafür. Aber da hatte sie schon das Thema gewechselt.

Mein nächstes Buch wird von Kindern handeln. Ein Kinderbuch. Ja, genau. Das möchte ich machen. Vielleicht ist das heute die wichtigste Aufgabe für jeden Schriftsteller. Man muss doch verhindern, dass den Kindern andauernd Übles widerfährt. Falsches eingeredet wird. Zu Hause, in der Schule. Oft gar nicht aus Bosheit, sondern aus Dummheit, weil es keiner besser weiß.

Sie kam wieder in Fahrt. Ihre Gedanken turnten von einem Gerät zum nächsten, nicht ohne sich zwischendurch zu überschlagen. Dass sie dabei nicht streng methodisch vorging, gab sie auch ungefragt gerne zu.

Die meisten Erwachsenen halten sich ja an das, was ihnen selbst eingebläut wurde. Dann bläuen sie es den Kindern ein. Tag und Nacht. Von allen Seiten. Schalten Sie den Fernseher an. Hören Sie Radio. Lesen Sie Zeitung. Dann wissen Sie genau, was ich meine.

Der Regisseur fühlte, mit steigendem Vergnügen, wie er auf seinen vorbereiteten Argumenten sitzenblieb. Trotzdem nutzte er den Moment, in dem sie sich eine erste Zigarette anzündete, um dem Gespräch noch eine andere, persönlichere Richtung zu geben.

Warum eigentlich schreiben Sie so oft über Ihre Vergangenheit? Über Ihr Privatleben?

Sie antwortete wie aus der Pistole geschossen. Ist doch klar: Der Zukunft wegen! Haben Sie das nicht bemerkt? Nennen Sie mir ein einziges Beispiel, wo es mir nicht um die Zukunft geht.

Sie lehnte sich herausfordernd zurück.

Dazu fehlten Josef wegen seiner eher flüchtigen Lektüre die passenden Zitate. Bedauernd hob er die Hände.

Eins zu null für Sie!

Sie wollte ihn nicht wirklich blamieren und half ihm daher aus der Verlegenheit.

Ein Beispiel: Wenn Sie Bauchschmerzen haben, werden Sie sich doch fragen, was Sie zuvor gegessen haben. Oder? Sie müssen sich also um die Vergangenheit kümmern, damit es Ihnen in Zukunft bessergeht. Unglück ist eine Art seelischer Bauchschmerz, dessen Ursache man finden und beschreiben muss. Auch wenn diese meist viel weiter zurückliegt als bloß eine verdorbene Mahlzeit.

Immer noch sprach sie lebhaft und oft wie ins Blaue hinein. Es war das Blau ihrer Pläne und Vorhaben. Das Blau umgab sie, wie der Himmel die Wolken umgab, die durch ihn segelten.

Für mich ist das ganz einfach: Ich grabe in der Vergangenheit, um Licht in die Zukunft zu bringen. Mir genügt das als Grund. Ihnen nicht?

Statt auf eine Antwort zu warten, zog sie einen kleinen Block aus der Tasche, überlegte kurz und schrieb ein paar Worte auf. Während der entstandenen Pause schien sie ihn zu vergessen. Obwohl er sie die ganze Zeit über aufmerksam beobachtete, war für ihn kaum zu erkennen, wie ernst sie ihre Argumente im Einzelnen meinte. In ihren Augen spielten Lächeln und Ironie mit dem Ernst Katz und Maus. Oder Hase und Igel. Vielleicht merkte sie es selbst gar nicht. Was sie jedoch genau merkte, war, dass ihr da einer zuhörte. Einer, der sie verstehen wollte. Schon lange nicht mehr hatte sie so viel und so frei geredet. Er hörte zu und seine vorgefassten Einwände verblassten wie Wolken, die sich in ihrem Blau auflösten. Man sah es ihm an. Mehr und mehr war sie von dem Mann überrascht, sehr angenehm überrascht.

Geraume Zeit war schon vergangen, und noch hatte sie kein Wort über ihre Filmpläne verloren. Als er nach einem Blick auf die Uhr fragte, ob sie noch etwas mit ihm trinken wolle, lehnte sie zwar ab, ermunterte ihn aber, für sich selbst etwas zu bestellen. Als er dann tatsächlich einen Campari bestellte, blickte sie ihn erstaunt an. Er glaubte, sich verteidigen zu müssen.

Ausnahmsweise! Normalerweise genehmige ich mir erst nach Sonnenuntergang einen ersten Schluck.

Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen.

Ihr Blick war, er wusste nicht wie, weicher geworden. Gleichzeitig nahm sie, wie nach getaner Arbeit, ihre Brille ab. Es war nur eine kleine Geste. Auf ihn wirkte sie, als ob sie einen Schutz aufgab, oder eine Bastion räumte. Oder wollte sie unbewusst ihr Aussehen verbessern?

Als sie mit einer halben Stunde Verspätung das Lokal betreten hatte, hätte er sie beinahe übersehen, so sehr war sie in ihren Kleidungsstücken wie eingegraben gewesen. Ein etwas unmodischer Anorak, ein kratziger Schal, eine konturlose Hose, die über geschnürten Wanderschuhen hing. Achtlos hatte sie Anorak und Schal auf die Bank neben sich geworfen. Ein Pullover war zum Vorschein gekommen, der die Formen ihres Körpers verbarg oder - mit Absicht? - verunstaltete.

Jetzt, so ohne Brille, ungeschützt durch das Glas, wirkten ihre Augen wie nackt. Nackter hätte sie in diesem Moment gar nicht sein können, dachte er plötzlich, selbst wenn sie sich gänzlich ausgezogen hätte. Fast alles Kindliche war aus ihrem Gesicht gewichen.

Während seine Gedanken sich verwirrten, hatte sie weitergeredet. Er musste etwas versäumt haben. Der Ton ihrer Stimme war fremder, ernster geworden. Er folgte, so gut er vermochte. Das vertiefte ihr Vertrauen zu ihm weiter. Sie sprach von sich, von ihrer jüngsten Trauer. Es ging um zwei Tote. Ein Mann und eine Frau. Ein schwarzes halbes Jahr lag hinter ihr, denn beide waren ihr sehr nah gewesen.

Sehr, sehr nahe â¦

Die Erinnerung an die Trauer verdunkelte ihr Gesicht, ließ es älter erscheinen. Vor wenigen Wochen noch hätte sie gar...
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Autor

Jürgen Kaizik, 1950 in Wien geboren, studierte Mathematik, Philosophie und Germanistik in Wien und Saarbrücken sowie Regie am Max Reinhardt Seminar. Dissertation über Robert Musil. Zahlreiche Theaterstücke, Drehbücher und Romane. Der freie Autor, Theater-, Film- und TV-Regisseur lebt in Wien, Berlin und Bad Aussee.
Bei Braumüller erschienen:
Die Zukunft der Gottesanbeterin (2015)
Musils Mörder (2016)
Liber Gott" (2017).