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True Crime Tatort Franken (eBook)

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
200 Seiten
Deutsch
ars vivendi Verlagerschienen am06.04.20231. Auflage
Wahre Kriminalfälle In True Crime Franken erzählen Tessa Korber und Elmar Tannertzehn wahre Kriminalfälle der fränkischen Geschichte nach und erwecken das jeweilige Lokal- und Zeitkolorit zum Leben. Sie widmen sich unter anderem dem Tod eines Rothenburger Ratsherrn 1408, dem Gefängnisausbruch in der Fronfeste Nürnberg 1830, dem Bamberger Fenstersturz 1858, dem Doppelmord in der Fürther Spiegelstraße 1920, dem Madonnenraub in Volkach 1962, dem Tod eines RAF-Mitglieds in Nürnberg 1979 und der Geiselnahme auf dem Gelände der Würzburger Leighton Barracks 1980. True Crime aus Franken: 10 historische Verbrechen, literarisch nacherzählt

TESSA KORBER ist promovierte Germanistin und lebt als freie Schriftstellerin in Nürnberg.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR16,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextWahre Kriminalfälle In True Crime Franken erzählen Tessa Korber und Elmar Tannertzehn wahre Kriminalfälle der fränkischen Geschichte nach und erwecken das jeweilige Lokal- und Zeitkolorit zum Leben. Sie widmen sich unter anderem dem Tod eines Rothenburger Ratsherrn 1408, dem Gefängnisausbruch in der Fronfeste Nürnberg 1830, dem Bamberger Fenstersturz 1858, dem Doppelmord in der Fürther Spiegelstraße 1920, dem Madonnenraub in Volkach 1962, dem Tod eines RAF-Mitglieds in Nürnberg 1979 und der Geiselnahme auf dem Gelände der Würzburger Leighton Barracks 1980. True Crime aus Franken: 10 historische Verbrechen, literarisch nacherzählt

TESSA KORBER ist promovierte Germanistin und lebt als freie Schriftstellerin in Nürnberg.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783747205341
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum06.04.2023
Auflage1. Auflage
Seiten200 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3495 Kbytes
Artikel-Nr.11616173
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

EINE FRÄNKISCHE WINTERREISE

DIE FLUCHT AUS DER NÜRNBERGER FRONFESTE 1830

Friedrich heißt der Schmied und stapft mit eisernem Schritt durch Nacht und Schnee, jeder Schritt ein Schlag auf den Amboss. Sein Kumpan Hannes stolpert mehr, als dass er geht, ist öfter hinter ihm als neben ihm, und auch sonst will er nicht recht zu ihm passen.

Hannes hält erschöpft inne. Wie lange gehen sie schon? Eben haben sie die Rednitz überquert, und vor ihnen wächst das Dorf Oberasbach aus den Flussauen empor; also liegt Nürnberg erst eineinhalb Meilen hinter ihnen, Nürnberg mitsamt ihrer unfreiwilligen Wohnstätte, der Fronfeste, bewacht vom Eisengerichtsdiener Vogelsang und seinen drei Eisenknechten.

»Friedrich, mein Freund, mein Bruder! Halt ein! Mir ist kalt!«, ruft Hannes und zweifelt, noch während ihm die Worte aus dem Mund fliegen, ob sie den Schmied erreichen, so matt scheinen sie sich durch die Luft zu bewegen, woran liegt das nur? Können denn Worte ebenso einfrieren wie das Land um sie herum? Hannes hat von Vögeln gelesen, die bei übergroßer Kälte tot vom Himmel fielen, und fragt sich, ob dergleichen auch mit Worten geschehen kann. Gerufene Worte, die einfrieren und zu Boden stürzen - fast wäre er bei dem Gedanken in Gelächter ausgebrochen, wäre die Kälte nicht so groß, dass jeder Atemzug ihn schmerzt.

Friedrich bleibt stehen und wendet sich um. Worte können also doch nicht sterben.

Als Hannes ihn erreicht, holt Friedrich aus und versetzt ihm eine Ohrfeige, dass er einige Schritte rückwärtstaumelt.

»Willst du das ganze Dorf wecken? Geh gefälligst schneller, dann wird dir schon warm.«

Hannes hält sich die Wange. So hat er sich die Antwort nicht vorgestellt, aber Friedrich hat ja recht, weiter müssen sie, immer weiter, vielleicht ihr ganzes Leben lang immer weiter, weit weg von dort, wo der Vogelsang womöglich schon alles entdeckt hat, und als Hannes das bestürzte Gesicht des Eisengerichtsdieners vor sich sieht, will ihm bei allem Schmerz beinah schon wieder Gelächter aus dem Leib springen, der gute Vogelsang, der gütige Vogelsang, wie wird er sich erschrecken, wenn er sieht, was sie angerichtet haben.

Da schlägt eine Kirchturmuhr. »Eins«, zählen sie beide mit, »zwei«, »drei«, »vier«, beim zehnten Schlag ist Schluss.

»In einer halben Stunde, vielleicht auch erst um elf, wird der Vogelsang mit seiner Familie aus dem Theater zurückkommen«, sagt Friedrich und lässt unausgesprochen, was beiden vor Augen steht: die tote Magd in ihrem Blut, der tote Wärter in seinem Blut. »Die Reiter werden in der Nacht nicht mehr ausschwärmen, aber gleich früh am Morgen. Da wollen wir wenigstens schon in Heilsbronn sein. Weiter geht s!«

»Friedrich«, flüstert Hannes, »mein Freund, mein Bruder! Gib mir vorher einen Schluck zu trinken!«

Friedrich trägt den Tornister, darinnen der Proviant, den sie eilig zusammengerafft haben, Brot und Käse, Räucherwurst und Schinken und auch eine Flasche Birnenschnaps. Aber Hannes ist noch jung, zehn Jahre jünger als er, gerade einundzwanzig geworden, und er weiß noch nicht, dass man den Schnaps nicht auf dem Weg trinkt, sondern erst, wenn alles überstanden ist.

Du musst nur schneller gehen, will Friedrich noch einmal sagen, aber als er Hannes ansieht, weiß er, dass sein Kumpan niemals so schnell gehen wird, wie er gehen müsste. Hannes ist kein Schmied, er ist Buchhändler, er hat das Leben mehr gelesen als erlebt.

»Friedrich«, fleht er, »wozu haben wir denn dem Vogelsang den guten Schnaps davongetragen, wenn wir nicht davon trinken?«

Friedrich durchwühlt den Tornister. »Einen Schluck kannst du meinetwegen haben, aber dann muss es gut sein bis zum Morgen!«

Hannes setzt die Flasche an und nimmt mehr als einen Schluck. Dann sieht er sich um. Wie hell die Nacht ist vom Schnee, so hell, dass man Angst bekommen könnte vor dem noch helleren Tag, der ihr folgen wird. Weiß wie unbeschriebene Buchseiten ist die Welt; nur er und Friedrich setzen mit ihren Stiefeln Buchstaben hinein, aus denen hoffentlich niemand ganze Wörter wird lesen können, denn die Wörter müssten lauten: Da entlang sind sie gegangen, die zwei Spitzbuben, die aus der Nürnberger Fronfeste ausgebrochen sind und im Heim des braven Gerichtsdieners Karl Vogelsang blutige Spuren hinterlassen haben. Den Wächter Adam Kämmerer haben sie in einen Hinterhalt gelockt und ihn blutig gemeuchelt, ebenso die brave Magd, die Barbara Neubauer, und als wäre das nicht genug, haben sie fünfzig Gulden aus der Familienschatulle geraubt.

»Friedrich«, sagt er, nachdem er vom Schnaps getrunken hat, »diese Welt ist unser unbeschriebenes Blatt, nein, aus vielen Blättern besteht sie, auch wenn die Bäume gerade kein einziges an sich tragen und wie schwarze Grabsteine auf einem verschneiten Friedhof stehen. Aber ich bin es gewohnt, Buchstaben und Wörter um mich zu haben, ich kann nicht in der Welt lesen, ich kann nur in Büchern lesen, und jetzt schreibe ich mich erstmals selbst in die Welt hinein, mit roter Tinte, die weithin leuchten wird.«

»Ich seh nichts von roter Tinte!«, gibt der Schmied zurück. »Weiter geht s!«

Er hat sich seit dem letzten Sommer die Zelle mit dem wunderlichen jungen Burschen geteilt, hat ihm beigebracht, wie man Wasserkessel fertigt, Leuchter, Laternen, die Frau Vogelsang auf den Markt getragen und verkauft hat. Dafür durften sie nach getaner Arbeit manchen Abend in der Vogelsang schen Wohnstube statt in der Zelle verbringen, bekamen jeder vom Braten etwas ab und auch eine Maß Bier dazu, und Hannes hat zuweilen die kleine Gesellschaft mit Gedichten unterhalten, die er allesamt auswendig im Kopf hatte.

Mutter Vogelsang war davon stets hoch entzückt, fast noch mehr als von all der Gerätschaft, die ihr auf dem Markt einen ansehnlichen Verdienst nebenbei einbrachte.

»Es ist so schade um einen jungen, gebildeten Menschen wie Sie, Herr Lober«, hat sie oft bei diesen Gelegenheiten gesagt. »Versprechen Sie mir, dass Sie als ein besserer Mensch aus dem Gefängnis gehen und Ihr Lebtag kein Geld mehr stehlen werden.« Hannes hat es jedes Mal versprochen. »Unser Franz, der hat so gar keinen Kopf für Gedichte. Im Rechnen hat er immer ein sehr gut , aber die Gedichte, die der Lehrer aufgibt, wollen ihm einfach nicht in den Kopf hinein. Meinen Sie nicht, dass Sie ihm ein wenig helfen können?«

So wurde Hannes von Fall zu Fall auch zum Hauslehrer für den ältesten Sohn der Familie Vogelsang.

Und jetzt ist er von einem seiner Mäntel umhüllt; auf dem Kopf wiederum trägt er eine Fellmütze von Vater Vogelsang, doch der frostige Wind, der ihnen entgegenbläst, ist wie mit Nadeln gespickt, die ihnen die Kleider durchstechen.

Das Dorf haben sie glücklich umrundet und bewegen sich nun abwärts in eine Niederung hinein, in der im Frühjahr ein munteres Bächlein sprudeln wird. Eigentlich eine kurze Zeitspanne, die den Februar vom Mai trennt, ein Vierteljahr nur, was ist schon ein Vierteljahr?, aber eben doch genug Zeit, um die Welt so zu verwandeln, als würde sie neu erschaffen.

Eine Weile später kommen sie an einem Gasthaus vorbei, davor eine Linde, es muss eine Linde sein, denn so steht es am Haus angeschrieben, »Zur Linde«, zwei Fenster schimmern, es müssen noch späte Gäste in der Stube sitzen, ach, wenn man da jetzt einfach hineingehen und sich wärmen könnte!

»Friedrich«, flüstert Hannes, »Friedrich! Können wir nicht ⦫, aber das Gesicht, das der Schmied ihm zuwendet, ist so furchterregend, dass es Hannes augenblicklich die Sprache verschlägt. Erst vor drei Stunden hat er dieses Gesicht zum ersten Mal gesehen - das war, als Friedrich dem Wächter den gewaltigen Hammerschlag auf den Kopf versetzt und ihm dann die Kehle durchgeschnitten hat, mit einem Gesicht, als wäre er plötzlich ein anderer Mensch geworden, ein ganz anderer Mensch als der, der sein Zellenkamerad gewesen, ja, ebenso wie die Welt ein freundliches Sommergesicht oder ein abweisendes, todverheißendes Wintergesicht zeigen kann, so kann es auch der Mensch. Das hat Hannes nie zuvor so erlebt, und er fragt sich, welches der beiden Gesichter denn das wahre ist, aber das ist, als würde man fragen, ob der Welt wahres Gesicht das des Sommers oder das des Winters ist. Hannes fühlt sich einem großen Gedanken auf der Spur, und der Gedanke treibt ihn voran, einem Ort entgegen, an dem er ihn aufschreiben kann, denn irgendwann, das weiß er, wird er Gedichte nicht mehr nur lesen und memorieren und deklamieren, er wird seine eigenen schreiben, und sein Name Johann Georg Paul Lober wird auf einem Buchumschlag prangen â¦

Nein.

Er wird seinen Namen nie wieder verwenden können. Johann Georg Paul Lober wird für alle Zeiten der Mann sein, der am 19. Februar 1830 aus...
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