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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
240 Seiten
Deutsch
BeBra Verlagerschienen am15.05.2023
Berlin war neben Paris und Wien ein Hauptschauplatz der europäischen Revolution von 1848. Rüdiger Hachtmann schildert die dramatischen Ereignisse des Revolutionsjahres und ordnet sie in die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenhänge ein. In den Blick geraten dabei auch die Rolle der zahlreichen Klubs und Berufsverbände, die politischen Einstellungen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen, das Verhalten der staatlichen Institutionen sowie die Rolle der Frauen, der Kirchen und der jüdischen Bevölkerung. Eingebettet in den Kontext der Ereignisse im übrigen Deutschland und Europa entsteht so weit mehr als eine Berliner Lokalgeschichte der Revolution.

Rüdiger Hachtmann, Jahrgang 1953, ist Senior Fellow am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam und außerplanmäßiger Professor an der TU Berlin. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Wirtschafts-, Sozial- und Demokratiegeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. 1997 erschien seine viel beachtete Habilitationsschrift »Berlin 1848. Eine Politik- und Gesellschaftsgeschichte der Revolution«.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR26,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR19,99

Produkt

KlappentextBerlin war neben Paris und Wien ein Hauptschauplatz der europäischen Revolution von 1848. Rüdiger Hachtmann schildert die dramatischen Ereignisse des Revolutionsjahres und ordnet sie in die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenhänge ein. In den Blick geraten dabei auch die Rolle der zahlreichen Klubs und Berufsverbände, die politischen Einstellungen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen, das Verhalten der staatlichen Institutionen sowie die Rolle der Frauen, der Kirchen und der jüdischen Bevölkerung. Eingebettet in den Kontext der Ereignisse im übrigen Deutschland und Europa entsteht so weit mehr als eine Berliner Lokalgeschichte der Revolution.

Rüdiger Hachtmann, Jahrgang 1953, ist Senior Fellow am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam und außerplanmäßiger Professor an der TU Berlin. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Wirtschafts-, Sozial- und Demokratiegeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. 1997 erschien seine viel beachtete Habilitationsschrift »Berlin 1848. Eine Politik- und Gesellschaftsgeschichte der Revolution«.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839341391
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum15.05.2023
Seiten240 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse9529 Kbytes
Artikel-Nr.11717015
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

»Zu den Waffen!«

In den frühen Vormittagsstunden des 18. März 1848 waren zahllose Berliner auf den Beinen. Das lag nicht an dem für diese Jahreszeit lauen Wetter. Erwartet wurden vielmehr weitere Zugeständnisse des Königs, nachdem dieser am 14. März bereits ein Patent wegen der beschleunigten Einberufung des Vereinigten Landtags hatte plakatieren lassen. Darin verkündete Friedrich Wilhelm IV., er wolle schon bald die vereinigten nach ständischen Prinzipien - nicht nach einem allgemeinen und gleichen Wahlrecht - zusammengesetzten Provinziallandtage ein zweites Mal in Berlin zusammenrufen, nachdem dieses vordemokratische Parlament am 26. Juni 1847 weitgehend ergebnislos auseinandergegangen war.

Von einer auch nur eingeschränkten Verantwortlichkeit der preußischen Regierung gegenüber diesem Landtag oder gar von freien und gleichen Wahlen zu einem echten Parlament war in dem Patent vom 14. März nicht die Rede. Es war offensichtlich, dass der König Zeit gewinnen wollte. Viele Berliner ärgerten sich, dass - wie der Mediziner Rudolf Virchow formulierte - »der König solchen Zeiten gegenüber sein Volk immer noch wie eine Heerde kleiner Kinder behandelt u[nd] Dinge, welche so notwendig sind wie das tägliche Brot, z.âB. Pressefreiheit, noch in weite Entfernung hinausrückt«. »Alle Welt« erwartete, so Victor von Unruh, der spätere Präsident der Preußischen Nationalversammlung, »einlenkende Schritte, erhebliche Konzessionen«. Aber »es geschah nichts«.[1] Der Druck stieg.

Am 17. März sah sich Friedrich Wilhelm IV. genötigt, ein weiteres Patent zu verkünden, das nun - am 18. März - an den Straßenecken plakatiert war. Darin kündigte er eine »Änderung« des preußischen Ministeriums, die nationale Einigung und »eine constitutionelle Verfassung aller deutschen Länder« an - allerdings ohne konkreter zu werden. Daneben versprach er seinen Berlinern die Bürgerbewaffnung und die Entfernung des Militärs aus dem Stadtbild der preußischen Hauptstadt - ebenfalls in unverbindlichen Worten. In einer Audienz am frühen Morgen hatte der König einer Delegation der Stadtverordneten außerdem ein »Preßgesetz« in Aussicht gestellt.

Neugier und die Erwartung, konkreter erfahren zu können, was sich hinter den vagen Versprechungen verbarg, trieben Tausende von Berlinern auf den Schlossplatz. Einige ließen den König hochleben, andere waren nicht so euphorisch, sondern »erregt«, indes noch »keineswegs feindselig«. Ein wieder anderer Teil der vor dem Schloss Versammelten war dagegen von Anbeginn misstrauisch. Diese Berliner fürchteten, dass die Geschenke des Monarchen bei erstbester Gelegenheit wieder zurückgenommen würden, wenn die revolutionäre Gefahr in den Nachbarstaaten nur erst vorüber war. Sie wussten, dass erst die Revolutionswelle, die Europa erfasst hatte, den Monarchen auf dem Hohenzollernthron dazu veranlasst hatte, die (wie viele empfanden) lauen Zugeständnisse zu machen. Begonnen hatte die europäische Revolution in der Schweiz, mit dem kurzen Bürgerkrieg vom November 1847, in dem die liberaldemokratischen Kantone über die konservativ-katholischen gesiegt hatten. Im Januar 1848 war die Revolution im »Königreich der beiden Sizilien« mit der Hauptstadt Neapel gefolgt.

Erst mit der Pariser Februarrevolution, der Vertreibung des »Bürgerkönigs« Louis Philippe und der Ausrufung der Republik am 24. Februar 1848 wurde den Zeitgenossen bewusst, dass nun die Revolution einen erneuten Siegeszug durch ganz Europa angetreten hatte. Am 13. März war in Wien der lange Zeit allmächtig scheinende österreichische Staatskanzler Metternich gestürzt worden und ins englische Exil geflohen. Damit war auch die Habsburgermonarchie, nach dem zaristischen Russland der größte Flächenstaat Europas, - scheinbar - in das revolutionäre Lager übergeschwenkt. Erst nachdem die Nachrichten über die Ereignisse in Wien am 15. März Berlin erreicht hatten, wurde dem Hohenzollernhof der Ernst der Lage bewusst. Am 17. März war zudem eine Deputation aus dem Rheinland in Berlin eingetroffen. Sie hatte vorsichtig angedeutet, dass die in den Westprovinzen ohnehin starken Tendenzen einer Abspaltung ohne Zugeständnisse der preußischen Krone zum offenen Bruch führen könnten.

Am 18. März versammelten sich bis mittags etwa 10â000 Menschen auf dem Schlossplatz. Anfangs sahen Augenzeugen vor den Toren des Schlosses »nur die besseren Stände, [â¦] nur Cylinderhüte und dunkle bürgerliche Anzüge, von Plebs und Janhagel keine Spur«.[2] Gegen 13.30 Uhr erschien der König auf einem der Balkone. Die Freude über sein Erscheinen schien zunächst ziemlich einhellig, jedenfalls unter den Bürgern im Vordergrund . Die Stimmung »ganz im Hintergrund, an den Ecken der auf den Platz mündenden Straßen«, war dagegen ganz anders. Hier sah ein Augenzeuge »Proletarier und Arbeiter stehen, [â¦] die, als sie die vergnügten Gesichter [der Bürger] ringsum sahen, sagten: das hilft uns armen Leuten noch alles nichts!«[3] Bereits am Mittag des 18. März waren die Einstellungen der Berliner also entlang der sozialen Scheidelinien zweigeteilt: Viele Bürger waren in Hochstimmung, weil sie ihre Forderungen erfüllt glaubten. In den Unterschichten war die Skepsis gegenüber den königlichen Zugeständnissen dagegen bereits zu diesem Zeitpunkt stark.

Zudem veränderte sich die Zusammensetzung der Menge, die vor dem Schloss der Dinge harrte, die da noch kommen würden. Die Zahl derjenigen, die den Platz verließen, wurde »mehr als ersetzt durch die Schaaren der neu Hinzuströmenden«. Die immer dichter zusammengedrängten Menschen kam dem Schlossportal näher. Sie sahen nun deutlicher die zahlreichen Soldaten innerhalb des Schlosses, ohne jedoch »ungebührlich zu werden oder [diese] zu beleidigen«.[4] Allerdings wurde nun die Forderung nach einem Rückzug des Militärs nachdrücklicher laut. Namentlich die Kavallerie hatte sich in der Woche vor der Märzrevolution keine Freunde gemacht, als sie Menschenansammlungen mit gezogenen Säbeln rücksichtslos auseinandergetrieben hatte. Verstärkt wurde das Misstrauen dadurch, dass am 17. März zusätzliche Truppen, 5â700 Mann, aus Potsdam in die Hauptstadt geholt und am Vormittag des 18. März im Schlosshof konzentriert worden waren. Im Berliner Stadtgebiet waren damit etwa 15â000 Soldaten präsent.

Statt den Aufforderungen nachzukommen, das Militär zurückzuziehen und so die aufgeheizte Stimmung zu beruhigen, glaubten die militärischen Befehlshaber, gegenüber der zahlenmäßig vielleicht bedrohlichen, jedoch unbewaffneten Menge Stärke zeigen zu sollen. Sie setzten auf die (wie das in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dann genannt wurde) Leberwursttaktik : Von der Stechbahn her setzte sich ein Schwadron Dragoner in Bewegung und hieb mit blanken Säbeln auf die weiterhin dichtgedrängte Menge ein, um so die eine Seite des Schlossplatzes zu säubern . Kurz darauf marschierte eine Abteilung Infanterie aus dem nahe der Spree gelegenen zweiten Schlossportal heraus und stellte sich auf der anderen Seite (zwischen der Kurfürstenbrücke und der Breiten Straße) kampfbereit auf. Ungefähr zu diesem Zeitpunkt, kurz nach 14.30 Uhr, fielen dann die zwei Schüsse, die die Barrikadenkämpfe auslösten.

Kaum waren die Schüsse verhallt, stob das »Volk« wie »die Möwen vor dem Sturme« auseinander. Es floh in die angrenzenden Straßen hinein, »knirschend, bleich, athemlos«, »mit Entsetzen« und »zornglühenden Mienen gen Himmel Rache schreien[d]«. Allenthalben war der Ruf zu hören: »Verrat! Verrat! Man mordet das Volk! Zu den Waffen! Zu den Waffen!«. Angesichts des, so die Zeitschrift Der Publicist , maßlosen »Waffengebrauch[s] des Militairs an den vorangehenden Tagen kam [â¦] eine andere Meinung gar nicht auf, als daß die Infanterie [am Mittag des 18. März] auf Befehl gefeuert hätte, und diese Meinung, mit unglaublicher Schnelle bis in die entlegensten Stadttheile verbreitet, versetzte die ganze Bevölkerung in eine unbeschreibliche Wuth«.

Während in der Bevölkerung die Empörung gegen die »Militärbarbarei« hochloderte, war der Schlossplatz, »eben noch überfüllt von Menschen, jetzt todtenstill«. Er wurde umgehend durch die im Schloss stationierten Truppen besetzt und sah nun ebenso wie die übrigen großen Plätze im Stadtzentrum »wie ausgefegt aus«.[5]

Schon bald aber türmte sich in den Straßen der preußischen Hauptstadt »eine Barrikade hinter der anderen« auf. Bis zum Abend »gab es in Berlin keine Straße, ja keine Gasse, die nicht doppelt und dreifach verrammelt gewesen wäre. Tausend und abertausend Hände waren hierbei mit einer unglaublichen Thätigkeit beschäftigt«. Droschken, Omnibus- und Postkutschen oder Brunnengehäuse wurden umgestürzt, Rinnsteinbrücken aufgerissen, Balken, Wollsäcke, Pflastersteine und andere Gegenstände als Baumaterial für die Verschanzungen herangeschleppt. Vor allem an den Straßenecken wurden oft ganze Häuser abgedeckt und die Ziegel oben aufgeschichtet, um gegen die anrückenden Truppen als Wurfgeschosse verwendet zu werden. »Berlin sah aus, als ob es von Grund auf zerstört werden sollte.«

 


Angriff auf die Demonstranten am Mittag des 18. März 1848. Holzstich nach einer Zeichnung von Johann Jacob Kirchhoff.


 

Die Kämpfe begannen am späten Nachmittag. Während noch das »Krachen vom Aufbau...
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Autor

Rüdiger Hachtmann, Jahrgang 1953, ist Senior Fellow am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam und außerplanmäßiger Professor an der TU Berlin. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Wirtschafts-, Sozial- und Demokratiegeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. 1997 erschien seine viel beachtete Habilitationsschrift »Berlin 1848. Eine Politik- und Gesellschaftsgeschichte der Revolution«.