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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
192 Seiten
Deutsch
Hanser, Carl GmbH + Co.erschienen am29.05.20231. Auflage
Ein namenloser Fremder kommt nach Winthrop, einer verschlafenen Kleinstadt im Mittleren Westen. Der erfolgreiche Werbetexter soll der Stadt zu einem neuen Namen verhelfen. Für einen Mann, der einen Anflug von Unsterblichkeit verspürt, wenn er am Boden eine Plastikbechers den von ihm erfundenen Slogan liest, sollte die Aufgabe nicht allzu schwer sein. Doch lässt sich die Vergangenheit mitsamt den alten Kränkungen und Wunden nicht einfach durch cleveres Marketing verdrängen. Eine scharfsinnige Geschichte über das zeitgenössische Amerika in all seiner Abstrusität.

Colson Whitehead, 1969 in New York geboren, studierte an der Harvard University und arbeitete für die New York Times, Harper's und Granta. Whitehead erhielt den Whiting Writers Award (2000) und den Young Lion's Fiction Award (2002) und war Stipendiat des MacArthur 'Genius' Fellowship. Für seinen Roman Underground Railraod wurde er mit dem National Book Award 2016 und dem Pulitzer-Preis 2017 ausgezeichnet. Für seinen Roman Die Nickel Boys erhielt er 2020 erneut den Pulitzer-Preis. Bei Hanser erschienen bisher John Henry Days (Roman, 2004), Der Koloß von New York (Eine Stadt in dreizehn Teilen, 2005), Apex (Roman, 2007), Der letzte Sommer auf Long Island (Roman, 2011), Zone One (Roman, 2014), Underground Railroad (Roman, 2017), Die Nickel Boys (Roman, 2019) und Harlem Shuffle (Roman, 2021). Der Autor lebt in Brooklyn.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR17,90
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR13,99

Produkt

KlappentextEin namenloser Fremder kommt nach Winthrop, einer verschlafenen Kleinstadt im Mittleren Westen. Der erfolgreiche Werbetexter soll der Stadt zu einem neuen Namen verhelfen. Für einen Mann, der einen Anflug von Unsterblichkeit verspürt, wenn er am Boden eine Plastikbechers den von ihm erfundenen Slogan liest, sollte die Aufgabe nicht allzu schwer sein. Doch lässt sich die Vergangenheit mitsamt den alten Kränkungen und Wunden nicht einfach durch cleveres Marketing verdrängen. Eine scharfsinnige Geschichte über das zeitgenössische Amerika in all seiner Abstrusität.

Colson Whitehead, 1969 in New York geboren, studierte an der Harvard University und arbeitete für die New York Times, Harper's und Granta. Whitehead erhielt den Whiting Writers Award (2000) und den Young Lion's Fiction Award (2002) und war Stipendiat des MacArthur 'Genius' Fellowship. Für seinen Roman Underground Railraod wurde er mit dem National Book Award 2016 und dem Pulitzer-Preis 2017 ausgezeichnet. Für seinen Roman Die Nickel Boys erhielt er 2020 erneut den Pulitzer-Preis. Bei Hanser erschienen bisher John Henry Days (Roman, 2004), Der Koloß von New York (Eine Stadt in dreizehn Teilen, 2005), Apex (Roman, 2007), Der letzte Sommer auf Long Island (Roman, 2011), Zone One (Roman, 2014), Underground Railroad (Roman, 2017), Die Nickel Boys (Roman, 2019) und Harlem Shuffle (Roman, 2021). Der Autor lebt in Brooklyn.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783446297630
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum29.05.2023
Auflage1. Auflage
Seiten192 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.11766060
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1


Er lieferte die Namen. Es waren gute Zeiten. Er lieferte die Namen, und wie jeder gute Vater faßte er sie hart an, um ihnen eine Lehre fürs Leben zu erteilen. Er bog sie, um festzustellen, ob sie brechen würden, er schleifte sie an schweren Metallketten hinter Autos her, er setzte sie über längere Zeiträume hohen Temperaturen aus. Manchmal brachen Konsonanten ab und ließen zornige Vokale auf den Labortischen zurück. Woher sollte er sonst wissen, ob sie für das, was die Welt für sie bereithielt, gerüstet waren?

Es waren gute Zeiten. Im Büro begrüßten sie einander mit Hey und Hey, Mann und klopften sich häufig auf die Schultern. In der Teeküche warfen sie einander die Namen zu wie Wochenendurlauber, die ein bißchen Softball spielen. Schrottige Namen landeten mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden. Hey, was hältst du von dem? Sie veranstalteten Brainstormings, blödelten herum, betrieben allerlei Haarspaltereien, und manchmal landeten sie einen Volltreffer. Manchmal hatten sie einen echten Durchbruch und lieferten etwas so Spektakuläres und Unerwartetes, etwas, das zu dem Ding, das darauf wartete, so gut paßte, daß die anderen nur in Ehrfurcht erstarren konnten. Damit ging man dann in die Ruhmeshalle ein.

Es war die Art von Branche, in der es eine Menge Heureka-Geschichten gab. Ein Großteil der Arbeit ging auf der Ebene des Unbewußten vonstatten. Ohne nachzudenken stellte er Zusammenhänge zwischen Dingen her, und dann zack!, während er sich in der U-Bahn an der Nase kratzte, oder zack, zack!, wenn er sich am Bordstein den Zeh anstieß. Vor ihm schwebte in Neon der Name. Wenn die Produkte floppten, sagte er sich, daß es an den Marketingleuten lag. An den dämlichen Konsumenten. An dem Scheißprodukt selbst. Aber niemals am Namen, denn was er machte, war perfekt.

Manchmal mußte er den Namen laut aussprechen, obwohl er wußte, daß er beschissen war, bloß um zu hören, wie beschissen. Jeder hatte mal einen schlechten Tag. Manchmal war es ansteckend. Das Wetter schlug um, und sie mußten einen Monat voller Suffixe ertragen. Sie durchstöberten die Lager unten und hängten einem Wort die gängigen Seller an: verpaßten ihm ein ex oder ein it, klebten das gute alte ol dran. Sie warteten auf den Wind.

Manchmal lieferte er einen Namen, der nicht zu dem Kunden paßte, eines Tages aber perfekt zu etwas anderem passen würde, und solche Namen hielt er von der Welt fern, gab ihnen, seinen netten, unscheinbaren Töchtern, über lange Jahre ein Gefühl der Geborgenheit. Wenn ihre Prinzen auftauchten, war das ein glorreicher Augenblick. Ein guter Name vertrocknete und alterte nicht. Er wartete auf seinen Zukünftigen.

Es waren gute Zeiten. Er war ein Experte auf seinem Gebiet. Manche würden vielleicht sagen, Namen seien Schall und Rauch, aber er hielt nichts von solchem Mist. Das war dummes Gerede. Schlecht fürs Geschäft, schlecht für die Moral. Schall verklang, Rauch verwehte, oder man kriegte davon tränende Augen. Er gab ihnen die Namen und sah die Packungen gegen Rezept über die Ladentheke flutschen, sah, wie gierige Hände sie vom Süßigkeitenregal grabschten. Immer wieder sah er die auf die Verpackung gedruckten Namen. Selbst wenn das Kaugummipapier, zu kleinen Folienkäfern zerknüllt, im Rinnstein umherhuschte, sah er den aufgedruckten Namen und wußte, er stammte von ihm. Wenn sie zur Mülldeponie befördert wurden, bleichten die Namen oben auf dem Haufen in der Sonne und blieben erhalten, obwohl das, was sie benannten, schon konsumiert worden war. Ein auf der Unterseite eines Styroporbehälters aufgedruckter Name: das war Unsterblichkeit. Er konnte die Möwen entmutigt im Kreis herumfliegen sehen. Sie schafften es einfach nicht, das Ding zu fressen.

Roger Tipple hatte nicht so sehr ein schwaches Kinn als vielmehr einen sehr aggressiven Hals. Als er Rogers Telefonanruf entgegennahm, fiel ihm das als erstes ein. Er hatte sich immer vorgestellt, es handele sich um ein schlichtes Verteilungsproblem, das schon im Mutterleib aufgetreten war. Nach der breiten Fläche von Rogers Stirn und seiner Champignonnase war für die untere Gesichtshälfte nicht mehr viel übriggeblieben. Sogar Rogers Lippen waren zu kurz gekommen; sie waren winzig kleine Würmer, die sich um seine Mundöffnung ringelten. Ridochin für Menschen mit vorstehendem Unterkiefer, dachte er. Ganz einfach, aber im Moment kam er nicht darauf, was das Gegenteil sein könnte. Er konzentrierte sich auf das, was Roger sagte. Der Auftrag war merkwürdig.

Seit seinem Mißgeschick, wie er es nannte, hatte er sich nicht mehr bei Roger gemeldet. Er hatte sich bei überhaupt niemandem im Büro gemeldet, und das galt größtenteils auch umgekehrt für seine Kollegen. Nach dem, was passiert war, konnte man es ihnen im Grunde auch nicht verdenken. Ab und zu nahm jemand Kontakt zu ihm auf, und wenn das passierte, schreckte er zurück und murmelte irgendwas von wegen Verbandswechsel. Irgendwann gaben sie es dann auf. Er rechnete nicht mit dem Anruf. Eine Sekunde lang erwog er, wieder aufzulegen. Wenn er es richtig geplant hätte, wäre er bei Rogers Anruf in einer Einsiedlerhöhle in den Bergen, zwei Tagesmärsche von der Zivilisation entfernt, oder in einer Hütte am Ufer eines verschmutzten Sees gewesen. An einem Ort, wo man nach einem Mißgeschick zum Nachdenken kam, wie es sich für einen Rekonvaleszenten gehörte. Statt dessen war er hier in seiner Wohnung, und sie riefen ihn einfach an.

Er sah sich gerade einen alten Schwarzweißfilm im Fernsehen an, die Sorte von Streifen, wo ausnahmslos alles mit Streicherklängen untermalt war. Jedes Gesichtszucken hatte sein eigenes Thema. Jedes Lächeln verbrauchte zweieinhalb Seiten Partitur. Jede Kleinigkeit war schwer mit Bedeutung befrachtet. In seinem Job, der sein früherer, jetziger und künftiger Job war, obwohl er ein Mißgeschick erlitten hatte, versuchte er im allgemeinen, die Dinge kompakter zu gestalten. Die hervorstechenden Eigenschaften zu einem handlichen Paket zu komprimieren. Ein Lächeln war Kurzschrift für eine ganze Menge von Emotionen. Und hier bei diesem alten Film trauten sie einem nicht zu, daß man die Bedeutung eines Lächelns kannte, und deshalb mußten sie ein ganzes Orchester aufbieten. Das dachte er, als das Telefon klingelte: rausgeschmissenes Geld für Leihsmokings.

Er sah die grünen Wände des Büros beinahe vor sich, während Roger redete. Rogers Tür war angelehnt, und die Telefone auf sämtlichen Schreibtischen draußen dudelten ihre kleine Sonate. Wenn ein bestimmter Job richtig erfolgreich war, schickten einem die von der oberen Etage eine Bronzeplakette ins Büro, in die der Name des Kunden, der eigene Name und darunter der Name, den man geliefert hatte, eingraviert waren. Roger hatte eine Menge Plaketten aus seiner Zeit als Spitzentexter, bevor er Manager geworden war. Während er zuhörte, trat sein ehemaliger Chef vor sein inneres Auge. Er sah Roger vor sich, wie er mit dem Stift auf den Tisch klopfte, Gesprächsthemen und Stichpunkte abhakte, während er ihm erklärte, daß diese Art von Job sich wegen des damit verbundenen Interessenkonflikts nicht für die Firma eigne, daß der Kunde um eine Empfehlung gebeten habe und daß er ganz oben auf der Liste stehe. Für sie eignete sich der Job nicht, aber den Finderlohn würden sie trotzdem kassieren.

Ein bißchen Pro-forma-Geplauder fand auch statt. Murck, der Typ zwei Büros weiter, erfuhr er, hatte wieder Nachwuchs bekommen, genauso häßlich wie Murck senior. Solche Sachen, und wie sich die Baseballmannschaft dieses Jahr schlug. Roger brachte das Geplauder hinter sich und fing an, über den Kunden zu reden. Er hatte den Fernseher leise gedreht, bekam aber trotzdem noch mit, was passierte, weil ein Lächeln ein Lächeln war.

Wenn Roger vor einer Woche angerufen hätte, hätte er nein gesagt. Er sagte Roger, er werde es machen, und als er auflegte, fiel es ihm ein: Chinplant. Nicht gerade seine stärkste Leistung.

Namen konnte er gut, also riefen sie ihn an. Er war verfügbar, also fuhr er. Und er fuhr weit, er nahm ein Flugzeug, schnappte sich ein Taxi zur Bushaltestelle und bestieg einen Bus, der ihn aus der Stadt beförderte. Er drückte die Nase an die Scheibe, um zu sehen, was es zu sehen gab. Das beste an den Vororten waren die Garagen. Gott segne die Garagen. Die Ehemänner kauften Heimwerkerausrüstungen aus Informercials, die Dinger ...

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