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Die Frau mit den roten Haaren

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
240 Seiten
Deutsch
Books on Demanderschienen am24.05.20232. Auflage
Joy Peters erzählt uns in seiner Autobiografie von seinem Weg aus der Provinz auf die Bühnen der Welt als "Die Frau mit den roten Haaren".

Autor - Sänger - Schauspieler - Travestiekünstler. Von Ihm sind ausserdem erschienen: "Ich war nie ein dickes Kind" "Die Frau mit den roten Haaren" "Notlandung". "Mein Leben auf dem Pulverfass" "Ich bin noch da"
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR23,00
BuchKartoniert, Paperback
EUR25,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR13,99

Produkt

KlappentextJoy Peters erzählt uns in seiner Autobiografie von seinem Weg aus der Provinz auf die Bühnen der Welt als "Die Frau mit den roten Haaren".

Autor - Sänger - Schauspieler - Travestiekünstler. Von Ihm sind ausserdem erschienen: "Ich war nie ein dickes Kind" "Die Frau mit den roten Haaren" "Notlandung". "Mein Leben auf dem Pulverfass" "Ich bin noch da"
Details
Weitere ISBN/GTIN9783757848927
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum24.05.2023
Auflage2. Auflage
Seiten240 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.11769999
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

80er, Italo & Co.

Wenn ich zurückdenke, wie bekloppt wir alle in den 80er Jahren waren und wieviel Spaß wir hatten, wird mir heute noch ganz anders zu Mute. Doch der Spaß und die spontane Lebensfreude wurden Anfang des neuen Jahrzehnts plötzlich unterbrochen. Ich gucke mir Bilder oder Plakate aus dieser Zeit, zum Beispiel aus dem CHEZ NOUS, an und muss feststellen, dass ich auf so manchem Bild der einzige Überlebende bin - so viele Kollegen und Freunde haben diesen Planeten bereits verlassen und manche waren vielleicht gerade mal Anfang zwanzig.

Die meisten wurden Opfer von AIDS, dieser schreck -lichen Krankheit, von der wir alle erstmal überhaupt keine Ahnung hatten, was das ist oder wie man sich ansteckt. Ich weiß noch ganz genau, dass die ersten Kollegen, die erkrankten dann auch ziemlich schnell verstarben.

Die in der Branche unvergessene POMPILIA war ein hochtalentierter Künstler, mit einer guten Stimme und einem unvergleichlichen Talent atemberaubende Perücken zu knüpfen und zu frisieren. Er war sehr oft in New York und machte dort wohl die Clubs und Saunen unsicher. Das war sein dramatisches Schicksal. Erstaunlicherweise haben wir alle die Tragweite seines Todes nicht sofort begriffen.

Natürlich war es schrecklich, dass er tot war, aber was das für uns alle und unsere Zukunft bedeutete, war uns nicht klar. Dieser enorme Einschnitt und die erneute Beschränkung der sexuellen Freiheit und Freizügigkeit, die sich die Generation der 60er und 70er Jahre gerade erst mühsam erkämpft und erstritten hatte, war in ihren Grundfesten erneut erschüttert. Und religiöse Fanatiker fanden bereits wieder Argumente, um Sexualität, und ganz besonders gleichgeschlechtliche Sexualität, erneut zu verdammen und wieder einmal in das Schattenreich des Bösen zu verbannen.

AIDS war also die Strafe Gottes fürs schwul sein.

Da verschwendeten selbst einige der hartgesottensten Atheisten mal ganz kurz einen Gedanken in diese Richtung. Eine Krankheit, die unheilbar schien, und wie sich herausstellte, es ja selbst vierzig Jahre später immer noch ist.

Bei den ersten Krankenbesuchen dachte man noch, man ist in einen Science Fiction Film geraten und nicht in ein Krankenhaus. Sterile Anzüge, Mundschutz, Isolierstation Handschuhe, Berührungsverbot, und Krankenschwestern und Ärzte, die die Patienten oft wie Aussätzige im Mittelalter behandelten. Gott sei Dank hat sich das ja alles verändert und neue Therapien geben neue Hoffnung. Wenn vielleicht nicht auf Heilung, dann aber zumindest auf ein relativ normales Weiterleben. Die Menschen haben dazu gelernt und trotzdem ist es auch heute noch für viele Betroffene schmerzlich, offen über ihre Krankheit zu reden, da ist noch viel zu tun.

Ich denke aber, dass Bigotterie und Doppelmoral ganz besonders in unserer Szene und Branche äußerst beliebt sind.

Das Unglaublichste, was ich diesbezüglich jemals erleben musste, war die Trauerfeier für einen lieben Kollegen in Berlin, der über 30 Jahre als Travestiekünstler in ganz Europa große Erfolge gefeiert hatte, und nun durfte bei seiner Trauerfeier nicht ein Wort darüber verloren werden, weder über seine großen künstlerischen Erfolge noch über die wahren Ursachen seines Todes. Denn, und jetzt kommt der Clou, die Familie wusste von all dem nichts. Ein 45-jähriges Leben komplett in Lüge verbracht.

Ich fand das sehr, sehr traurig.

Wenn ich mich nicht irre, Anfang Neunzehnhundertfünfundachtzig, war ich, nachdem ich ein Jahr Ensemblemitglied in der damals sehr bekannten Tourneegruppe Madame Gigi sein durfte, für einen Monat im CABARET ALCAZAR in Hannover engagiert.

Leider gibt es dieses schöne Haus schon längere Zeit nicht mehr und Hannover hat damit ganz bestimmt einen wichtigen Teil seines nächtlichen Kulturlebens verloren. Das ALCAZAR war nach seinem berühmten Pariser Vorbild benannt und fand seinen Platz im Untergeschoss eines großen Hotels in Bahnhofsnähe. Ich habe es kurz nach seiner Eröffnung kennengelernt und wurde von dem damaligen künstlerischen Leiter Jan Parker, den ich bereits von Tourneeproduktionen bei Madame Gigi her kannte, zwei bis dreimal pro Jahr engagiert.

Das Theater war, da ursprünglich als Discothek oder Nachtbar geplant, ein großer Raum mit Tischen und Sitznischen. Eine richtige Bühne gab es nicht, aber eine sehr große Tanzfläche mit einer riesigen Spiegelwand dahinter. Spiegel gab es in diesem Lokal jede Menge, und so mancher Artist war mehr damit beschäftigt, sich selbst während seines Auftritts zu beobachten, als sich auf seine Nummer oder das Publikum zu konzentrieren. Die große Tanzfläche war mit spiegelglatten Fließen belegt, die es immer zu einer richtigen Holiday on Ice Aktion machten, wenn man verzweifelt versuchte, mit wahnwitzig hohen Pumps, nicht auf sein mit viel Hingabe geschminktes Antlitz zu fallen und einiger -maßen Eleganz , Grazie und Stil auszustrahlen.

Aber der Erfolg, der übergroße Erfolg, den man in diesem Haus beim Publikum haben konnte, war jeden Balanceakt wert.

Nun sind ja die meisten Hannoveraner nicht unbedingt für ihre überschäumende Lebensfreude oder für ihren fast rheinländisch anmutenden Humor bekannt, aber da kann man mal wieder sehen, wie sehr so eine klischee -hafte Vorstellung in die Irre führen kann.

Im ALCAZAR wurde man, vorausgesetzt man verstand sein Handwerk, vom Publikum auf Händen getragen. Die Shows waren zumeist sehr gut besucht und Künstler und Mitarbeiter bildeten eine harmonische Einheit.

Natürlich waren auch in diesem Etablissement die Künstlerwohnungen, in denen man tagsüber sein sonstiges Leben verbrachte, eine Art Lager für die Sendung Der Trödeltrupp . Ein Phänomen, das ich mit ganz wenigen Ausnahmen in meiner gesamten Karriere beobachten und erleben musste. Offensichtlich geht so mancher Chef bei Künstlern tatsächlich von einem derart unverkrampften Verhältnis zu Kakerlaken und anderen putzigen Haustieren aus. Wie erwähnt, es gab und gibt Ausnahmen, diese stechen dann aber auch gleich ganz deutlich heraus und man macht sich einen roten Kringel in den Kalender. Na und wenn dann der Abend hereinbrach und man sich wieder in der Garderobe befand, dann denkt man natürlich nicht mehr an das kaputte Bett oder das Sammelsurium an Möbeln aus drei Jahrhunderten, inklusive seiner Bewohner. Und immer nach dem Motto Ich leg ein bisschen mehr Mascara auf , tauchte man ein in die glitzernde Welt der Illusion. Zuweilen gab uns auch der Chef, oder besser gesagt die Chefs des Hauses, die Ehre ihrer Anwesenheit, meist durch ein oder auch mehrere Gläschen Jägermeister zu viel bereits in der Wahrnehmung getrübt.

Das hat der allgemein guten Stimmung aber keinen Abbruch getan, und so ein Monat in diesem schönen Haus in Hannover ging meist viel zu schnell zu Ende.

Als eines Abends nach meinem Auftritt ein Mann zu mir kam und mir, in vielen, sehr vielen von mehreren alkoholischen Getränken bereits geschwängerten Worten, eine Weltkarriere versprach und mich schluss -endlich zu Schallplattenaufnahmen einlud - JA, liebe Kinder, ihr habt richtig gelesen, Schallplatte von CD`s und Mp3 war nämlich noch keine Rede, erreichte der Abend seinen Höhepunkt. Im ersten Augenblick dachte ich allerdings mehr an eine Käseplatte und zeigte mich gar nicht so begeistert. Das heißt, begeistert hätte mich der Gedanke an eine Veröffentlichung schon, aber ich habe es in diesem Moment einfach nicht geglaubt.

Denn wenn wirklich alles wahr geworden wäre, was mir vor und nach meinen Auftritten von so manchem Manager versprochen wurde, dann wäre ich heute ein Weltstar und meine Wände zu Hause über und über mit Gold- und Platinschallplatten (heute CD`s) behangen.

Meine Schränke würden buchstäblich auseinander -brechen durch die riesigen Mengen meiner Tonträger und Filme. Dem ist aber leider nicht so.

Er hörte aber nicht auf, pausenlos auf mich einzureden und ich konnte mich am nächsten Tag gerade noch daran erinnern, dass ich mich am drauffolgenden Mittwoch, um dreizehn Uhr, mit ihm am Kröpke verabredet hatte und stand pünktlich am vereinbarten Platz. Und die Fügung hatte die Chance tatsächlich ergriffen und führte mich direkt in ein Tonstudio nach Northeim bei Göttingen, und ich konnte es zwar kaum begreifen, aber ich war tatsächlich dabei, meine erste Schallplatte aufzunehmen. Na gut , dachte ich mir - es soll keiner behaupten können, ich hätte dem Schicksal keine Chance gegeben. Das Leben war einfach nur toll. Den Song vom Demoband, das er mir vorher zum Einstudieren mitgebracht hatte, nahmen wir allerdings dann doch nicht auf und mein Produzent Axel Breitung zauberte eine andere Nummer aus dem Hut: Don´t Lose Your Heart Tonight , die ich dann ganz schnell in der Tee-Küche des Studios einstudierte, und dieses Lied sollte dann auch mein größter Erfolg im "seriösen" Musikgeschäft werden. Wir hatten allerdings damals die Wahl...
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