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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
287 Seiten
Deutsch
Matthes & Seitz Berlin Verlagerschienen am26.05.20231. Auflage
Wer hat es erfunden, das Vokalalphabet? Kam es aus der Donaukultur nach Süden, brachten es die Phönizier auf ihren Handelsrouten mit, oder hat es seine Wurzeln doch in den semitischen Sprachen des Nahen Ostens? War es gar Homer, der es im Alleingang erschuf, als er die Illias und die Odyssee dichtete? Klar ist, dass sich um 800 v. Chr. das Vokalalphabet vom östlichen Mittelmeerraum ausgehend durchsetzt. In vielen Kulturtheorien sind Alphabetisierung und Demokratisierung aufs Engste verknüpft: Die massive Reduktion der nötigen Zeichen bei enormer Ausweitung des mit ihnen Ausdrückbaren stellt in ihnen einen Umschlagpunkt der Geschichte dar. Präzise und angriffslustig zugleich nimmt Klaus Theweleit die Fäden auf. Das Vokalalphabet, so seine spekulative Rekonstruktion, ist eine Erfindung von griechischen Händlern und Piraten, die auf keinen festen Heimathafen mehr zusteuern konnten. Auf stürmischer See trägt der Vokal einfach besser. Die im Versmaß des Hexameters memorierten Epen wurden zum zentralen Mittel der Kommunikation von Zugehörigkeit. »Die Erfindung des Vokalalphabets - auf See« ist eine rasante Reise zu den Ursprüngen der europäischen Kultur.

Klaus Theweleit, 1942 in Ostpreußen geboren, studierte Germanistik und Anglistik. Heute lebt er als freier Schriftsteller mit Lehraufträgen in Deutschland, den USA, der Schweiz und Österreich. Zwischen 1998 und 2008 war Theweleit Professor für Kunst und Theorie an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe. Er wurde bekannt durch sein Monumentalwerk Männerphantasien (1977/78), das bei Matthes & Seitz Berlin 2019 in Neuauflage erschienen ist. Rudolf Augstein bezeichnete es im Spiegel nach der Erstveröffentlichung als »vielleicht aufregendste deutschsprachige Publikation dieses Jahres«.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR28,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR20,99

Produkt

KlappentextWer hat es erfunden, das Vokalalphabet? Kam es aus der Donaukultur nach Süden, brachten es die Phönizier auf ihren Handelsrouten mit, oder hat es seine Wurzeln doch in den semitischen Sprachen des Nahen Ostens? War es gar Homer, der es im Alleingang erschuf, als er die Illias und die Odyssee dichtete? Klar ist, dass sich um 800 v. Chr. das Vokalalphabet vom östlichen Mittelmeerraum ausgehend durchsetzt. In vielen Kulturtheorien sind Alphabetisierung und Demokratisierung aufs Engste verknüpft: Die massive Reduktion der nötigen Zeichen bei enormer Ausweitung des mit ihnen Ausdrückbaren stellt in ihnen einen Umschlagpunkt der Geschichte dar. Präzise und angriffslustig zugleich nimmt Klaus Theweleit die Fäden auf. Das Vokalalphabet, so seine spekulative Rekonstruktion, ist eine Erfindung von griechischen Händlern und Piraten, die auf keinen festen Heimathafen mehr zusteuern konnten. Auf stürmischer See trägt der Vokal einfach besser. Die im Versmaß des Hexameters memorierten Epen wurden zum zentralen Mittel der Kommunikation von Zugehörigkeit. »Die Erfindung des Vokalalphabets - auf See« ist eine rasante Reise zu den Ursprüngen der europäischen Kultur.

Klaus Theweleit, 1942 in Ostpreußen geboren, studierte Germanistik und Anglistik. Heute lebt er als freier Schriftsteller mit Lehraufträgen in Deutschland, den USA, der Schweiz und Österreich. Zwischen 1998 und 2008 war Theweleit Professor für Kunst und Theorie an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe. Er wurde bekannt durch sein Monumentalwerk Männerphantasien (1977/78), das bei Matthes & Seitz Berlin 2019 in Neuauflage erschienen ist. Rudolf Augstein bezeichnete es im Spiegel nach der Erstveröffentlichung als »vielleicht aufregendste deutschsprachige Publikation dieses Jahres«.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783751805315
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum26.05.2023
Auflage1. Auflage
Seiten287 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse27105 Kbytes
Artikel-Nr.11775242
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


»I love to sail forbidden seas, and land on barbarous coasts«1
Vorrede

Der Anfangssatz eines Buchs entscheidet über sein Schicksal2: »Nennt mich Ismael« - oder so. Ein herber Fehlschlag, der Anfang, in England/USA im Jahr 1851. Im Jahr 2021, »heute«, berühmtester aller Buchanfänge. Call me Ismael. Die ganze Menschheit ansprechen in drei Worten! - »Was für ein Opener!« Auch wenn der Blick durchs Teleskop dieser Eröffnung erst in den 1920er-Jahren seine Wirkung zu entfalten begann.

Ganz sicher ist es nicht klug, ein Buch anzufangen mit einer Liste der Dinge, von denen es nicht handelt. Ich versuch s mal.

Dies Buch handelt nicht von »Schriften«. Nicht von - vor Jahrtausenden - in Stein, Lehm oder Holz gehauene, gemeißelte, geritzte, geschnitzte Zeichen; oder in Leder geschnittenes, auf Papyrus oder Wände gemaltes Lesbares. Es geht nicht um Piktogramme, Keilschrift oder sonstige Lettern; und auch nicht um die Zeichen uralter Höhlenmalereien/Felsmalereien - manche über 30 000 Jahre alt -, die in ihrer Struktur von der heutigen Forschung als Schriften gesehen werden, wenn auch unentzifferte. Von all diesen interessanten und heftig durchforschten Feldern handeln andere Bücher, viele Bücher: von den Zeichensystemen, die die diversen Menschheit(en) entwickelt haben im Lauf ihrer seit Jahrtausenden dominanten Tätigkeitsform: ihrer Wanderungen über den Erdball. »Menschheit« bewegt sich, seit sie diese Bezeichnung verdient. Ihre Besonderheiten, Übereinstimmungen oder Diversitäten entwickelten alle »menschlichen« Kulturen aus ihren Bewegungsformen über den Jahrmillionen lang nicht von menschlichen Grenzziehungen unterteilten Erdball. Irgendwann im Lauf dieser Bewegtheiten begann »Mensch« zu sprechen.

Dies Buch handelt von »Tönen«. Von jenen aufgeschriebenen Tönen, die vor ca. 2750 Jahren von »griechisch« sprechenden Menschen unter dem Label »Alphabet« zusammengefasst wurden. Das griechische Vokalalphabet hat vor dem Wort »Alphabet« das Vor-Wort »Vokal«, weil es das erste aller Zeichensysteme ist, das jene Laute menschlicher Münder, die wir heute mit a-e-i-o-u- bezeichnen, um ca. 750 Jahre v. u. Z. mit den Zeichen alpha, epsylon, iota, omikron, ypsilon/u auf einem Schreibuntergrund festhält. Also solche Töne, die menschlichen Mündern entströmen, ohne dass Zunge, Zähne oder Gaumen entscheidend an ihrem Ausströmen beteiligt wären - ebendas sind Vokale. Exakter: phonetisch Erklingendes wird in einem Zeichensystem, das normierte Zeichen für dieses Tönende - a-e-i-o-u - entwickelt, aufschreibbar. Historisch vorhergehende Aufschreibverfahren waren dazu nicht in der Lage, da sie nur Zeichen für Konsonanten kannten; also für die Kategorien der b-d-g-k-m-r-s-t-Laute, die ohne Lippen-, Zähne- oder Gaumenkontakt nicht gebildet werden können.

Wo der Unterschied ist? Betrachten wir ein Beispiel mit heutigen deutsch gesprochenen Buchstaben. Sagen wir: »PSTN«. Ein Wort ohne Vokale. Wie spricht man das aus? Mit dieser Frage standen »LeserInnen« vor ca. 3000 Jahren vor vier solchen Zeichen;3 um sie aussprechbar zu machen, musste das lesende Auge ihnen selber Vokale einfügen. Das ergibt eine Vielzahl phonetischer Möglichkeiten. Das deutsche »PSTN« können wir, je nachdem welche Vokale wir einfügen, aussprechen als etwa Po-stan; oder auch Pü-Sa-TeN, oder Pusten oder Pasten; oder vielleicht soll es »POSTEN« bedeuten; das ergibt sich aus dem Kontext. »Richtig« ergänzen werden es nur die, die eine »richtige Aussprache« für diese Zeichenfolge im Ohr haben; die dieses Wort muttersprachlich kennen und die Aussprache der umgebenden Zeichen auch, welche diesem speziellen »PSTN« erst einen Sinn verleihen.

So kann aus der Buchstabenfolge JHW nur ein Israeli die Tonfolge »Jahwe« mit seinem Mund formen, weil er dies, »muttersprachlich« so gelernt hat; weder Griechen noch Assyrer, noch Ägypter, die diese Zeichen sehen, können das. Ein Nicht-Semit kann diese Zeichen nicht transponieren in gesprochene Sprache. Das heißt, diese Zeichen ergeben Sinn für Lesende nur in der eigenen Sprachkultur. Und: das Sprechen einer anderen Gruppe oder »Kultur« kann mit dieser Methode der konsonantischen Zeichengebung nicht aufgezeichnet werden. Hebräische Zeichenformen z. B. können anderes Sprechen, sei es griechisch, assyrisch oder ägyptisch, nicht aufzeichnen; weil sie dafür deren Vokale notieren müssten; und ebendas ist ihnen nicht möglich, weil sie die Zeichen dafür nicht haben.

Alles klar?

Noch mal, auf Hochdeutsch. Hätten wir, um das hochdeutsche Sprechen aufzuzeichnen, nur ein Konsonantensystem, dann wäre »KRN« z. B. aussprechbar als Korn, Kern, Koran, Karen oder Kran oder Krone (oder noch anders); »BND« wäre lesbar als Band, Bund, Bond, Bande (oder, gelesen als Abkürzung, gleich BundesNachrichten-Dienst). Die Vokale machen den Unterschied, und zwar nur die Vokale.

Mit der Erfindung der Festlegung aller vokalistischen Töne, die menschlichen Mündern entströmen, auf die fünf Zeichen a-e-i-o-u, wird im Prinzip all dieses Tönende aufschreibbar. Und es wird für alle menschlichen Zungen auf der Welt, die in der Lage sind, a-e-i-o-u zu intonieren und a-e-i-o-u mit den Augen auf einem Schreibuntergrund zu erkennen, phonetisch wiederholbar. Auch jede andere, fremde Sprache, die an die Ohren von Alphabetisierten dringt, ist mittels der Vokalzeichen dieses Alphabets schriftlich fixierbar. Damit wird auch der semantische Sinn dieser Zeichen im Prinzip erkennbar, sobald »lesendes Auge« Wörter der eigenen Sprache in diesem Zeichensystem - dem »ABC« - zu lesen und zu schreiben lernt.4 Dies zu erlernen nennen wir heute »Alphabetisierung«.5 Leicht erlernbar für alle menschlichen Gehirne (und Zungen) überall auf der Welt.

»TNTSTTLN« etwa hätten Hernan Cortés und seine Söldner schreiben müssen, hätten sie nur Konsonanten zum Schreiben gehabt. Dank der Vokale konnten sie schriftlich festhalten: Tenochtitlan - so klang der Name ihrer Hauptstadt im Mund derer, die sie als »Azteken« in ihren Aufzeichnungen festhielten (und nicht als bloß ZTKN).

Das griechische Vokalalphabet ist somit die erste Aufzeichnungstechnik, die den Namen Alphabet zu Recht trägt, eben weil es mit einem alpha = a beginnt und mit beta = b fortsetzt; und eben genau deshalb alphabet heißt, weil es seinen Zeichen eine feste Reihenfolge gibt, in die die weiteren Vokale wie eingebettet sind. Die historischen Vorläufer dieses Aufschreib-Verfahrens sind keine Alphabete; sie sind Schrift-Systeme.6

»Erst das Vokalalphabet macht den Sprachfluß aufschreibbar«,7 befinden Friedrich Kittler und Wolfgang Ernst in ihrem großen Essay zur historischen Entstehung des Vokalalphabets. Der von ihnen herausgegebene Band Die Geburt des Vokalalphabets aus dem Geist der Poesie vereinigt die besten Texte, die wir zu diesem Komplex haben. Aufmerksamen LeserInnen wird sogleich aufgefallen sein, dass der Titel dieses Buchs hier auf den Titel von Kittler/Ernst Bezug nimmt; und zwar in einer Abweichung: wo bei ihnen »Poesie« steht, steht auf diesem Buch »Seefahrt«.

»Poesie« bezeichnet bei ihnen einen genau umrissenen Vorgang: sie nehmen an, (sie glauben und glauben belegen zu können), dass das Vokalalphabet zu einem bestimmten Zweck erfunden worden sei, nämlich für die Niederschrift der Verse des Troia-Epos Ilias durch den Poeten Homer; und dass dies dessen spezielle Eigenleistung war. Ich wiederum nehme an, (glaube und glaube belegen zu können): das ist eine irrige Spur. Aus dieser Annahme und den zugehörigen Belegen resultiert dieses Buch.

Fast alles, was Friedrich Kittler und Wolfgang Ernst sonst über das griechische Vokalalphabet schreiben, teile ich. Als hervorstechendste Besonderheit des griechischen Vokalalphabets betonen sie seine Multifunktionalität. Seine Zeichen, die Phonetisches aufzeichenbar machen, werden im Lauf der ersten Jahrhunderte nach seiner Entstehung zuständig auch für die Gebiete Mathematik/Geometrie und die Musik.

Die zwischen dem 8. Jhd. und dem 3. Jhd. v. u. Z. entwickelte algebraische Mathematik und euklidische Geometrie bedienen sich zur Bezeichnung ihrer Größeneinheiten griechischer (und später dann lateinischer) Zeichen, kombiniert mit arabischen Zahlen; a2 +...
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Autor

Klaus Theweleit, 1942 in Ostpreußen geboren, studierte Germanistik und Anglistik. Heute lebt er als freier Schriftsteller mit Lehraufträgen in Deutschland, den USA, der Schweiz und Österreich. Zwischen 1998 und 2008 war Theweleit Professor für Kunst und Theorie an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe. Er wurde bekannt durch sein Monumentalwerk Männerphantasien (1977/78), das bei Matthes & Seitz Berlin 2019 in Neuauflage erschienen ist. Rudolf Augstein bezeichnete es im Spiegel nach der Erstveröffentlichung als »vielleicht aufregendste deutschsprachige Publikation dieses Jahres«.