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Dem Wahnsinn entkommen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
288 Seiten
Deutsch
Edition Förgerschienen am12.09.2022
Vier ehemalige Soldaten des Zweiten Weltkriegs erzählen in diesem Buch ihre eigene Geschichte, die einem immer wieder einmal den Atem raubt. Heinz Polke war als Fahrer eines Oberleutnants beim Aufstand im Warschauer Ghetto, Erich Menzel wurde als Radarspezialist auf dem berühmten letzten U-Boot Hitlers, der U 234, eingesetzt, Josef Hamberger spazierte regelrecht allein als 'Schweijk' in der unendlichen Weite Russlands und die Schwester eines jungen Soldaten berichtet, dass ihr Bruder direkt nach Kriegsende von der Waffen-SS hingerichtet worden ist. Dazu konnte Michael Strasser unglaubliche Fotos für seinen Beitrag gewinnen, die aus einem russischen Gefangenenlager herausgeschmuggelt worden sind.

Klaus G. Förg ist Verleger und freier Publizist. Seiner großen Leidenschaft, der Fotografie, verlieh er schon in einer beachtenswerten Zahl an Bildbänden Ausdruck. In seiner neuen Reihe widmet er sich bewegenden Soldatenschicksalen: Durch zahlreiche Gespräche mit diesen Zeitzeugen reflektiert und dokumentiert Klaus G. Förg eine grausame Zeit. Seine Zeitzeugenromane 'Irgendwie überlebt', 'Hinter rotem Stacheldraht' und 'Unglaubliches überstanden' wurden bereits nach Großbritannien und Tschechien verkauft.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR19,99

Produkt

KlappentextVier ehemalige Soldaten des Zweiten Weltkriegs erzählen in diesem Buch ihre eigene Geschichte, die einem immer wieder einmal den Atem raubt. Heinz Polke war als Fahrer eines Oberleutnants beim Aufstand im Warschauer Ghetto, Erich Menzel wurde als Radarspezialist auf dem berühmten letzten U-Boot Hitlers, der U 234, eingesetzt, Josef Hamberger spazierte regelrecht allein als 'Schweijk' in der unendlichen Weite Russlands und die Schwester eines jungen Soldaten berichtet, dass ihr Bruder direkt nach Kriegsende von der Waffen-SS hingerichtet worden ist. Dazu konnte Michael Strasser unglaubliche Fotos für seinen Beitrag gewinnen, die aus einem russischen Gefangenenlager herausgeschmuggelt worden sind.

Klaus G. Förg ist Verleger und freier Publizist. Seiner großen Leidenschaft, der Fotografie, verlieh er schon in einer beachtenswerten Zahl an Bildbänden Ausdruck. In seiner neuen Reihe widmet er sich bewegenden Soldatenschicksalen: Durch zahlreiche Gespräche mit diesen Zeitzeugen reflektiert und dokumentiert Klaus G. Förg eine grausame Zeit. Seine Zeitzeugenromane 'Irgendwie überlebt', 'Hinter rotem Stacheldraht' und 'Unglaubliches überstanden' wurden bereits nach Großbritannien und Tschechien verkauft.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783475549267
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum12.09.2022
Seiten288 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse14399 Kbytes
Artikel-Nr.11909238
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Das Grauen im Warschauer Ghetto

Zeitzeugenbericht von Heinz Polke

Wenige Tage meines Lebens war ich ein Dresdner Kindl. Am 14. August 1925 wurde ich in der sächsischen Hauptstadt geboren, aber von meiner Mutter bald nach der Geburt zu fremden Leuten weggegeben. Nachdem Großvater davon erfahren hatte, erkundigte er sich nach dem Aufenthaltsort seines Enkels und nahm mich dann zu sich ins fränkische Mainaschaff. Mein Start ins Leben war also zunächst sehr holprig, weil meine Eltern nichts von mir wissen wollten. Es hieß, Mutter wäre arm und meine Eltern keine guten Menschen gewesen. Meine Oma hatte in Russland schon fünf Kinder großgezogen und beschloss nun, auch noch ein Sechstes aufzuziehen. Sie war wie eine liebevolle Mutter zu mir, aber der Großvater war sehr streng. Trotzdem blicke ich auf eine schöne Kinderzeit zurück.

Wenn man sie nach den Gründen für ihr großherziges Handeln befragte, pflegte meine Oma zu sagen: »Ihr versteht das nicht. Das Kind sucht seine Mutter. Ich musste Heinz einfach aufnehmen und darauf hoffen, dass ich ihn groß bekomme.«

Sie hat alles für mich getan, mich umsorgt und auf mich aufgepasst. Besser hätte ich es bei einer Mutter nicht haben können. Als dann der erste Schultag heranrückte, habe ich mich wegen der großen Schultüte nicht gefreut, sondern geweint, weil ich nicht in die Schule wollte. Also ging Oma mit mir ins Klassenzimmer und saß die ganze Zeit neben mir. Am zweiten Tag ging sie wieder mit, aber die Lehrerin meinte, sie sollte mich allein lassen und erst später wieder von der Schule abholen. Sie hat mich dann täglich von der Schule abgeholt.

Die Kinderjahre vergingen, ohne dass ich die politischen Veränderungen irgendwie besonders wahrgenommen hätte. Als ich 14 Jahre alt geworden war, brach der Krieg aus. Sorgenvoll sprach ich mit meiner Oma darüber. Die aber reagierte gelassen.

»Du brauchst keine Angst zu haben. Ehe du in den Krieg ziehen müsstest, ist er bestimmt wieder zu Ende.«

Inzwischen hatte ich eine Lehre zum Elektroinstallateur begonnen. Der nationalsozialistische Staat hatte zu dieser Zeit bereits alle Lebensgebiete durchdrungen. Hitler wurde von den meisten Leuten verehrt, und wenn Beflaggung angesagt war, wehte die Hakenkreuzfahne an den meisten Häusern. Wenn sich einer ablehnend zeigte, wurde er sofort schief angesehen - sofern ihm nichts Schlimmeres widerfuhr.

Ich hatte meine Lehre in Aschaffenburg bei einem Meister absolviert, der wirklich ein feiner Mensch war. Die Chefin hat mich immer wieder nach oben in die Wohnung mitgenommen und mir zu essen gegeben. Beide haben versucht, die anderen Lehrlinge nicht merken zu lassen, dass ich keine Eltern hatte, und mich eigentlich wie einen eigenen Sohn behandelt.

Der Meister hat mich überallhin mitgenommen. Bei den Kunden war ich sehr beliebt, und ich erinnere mich an eine vornehme Frau in einer Villa in der Platanenallee, die zu meinem Meister sagte: »Schicken Sie mir doch den kleinen Schwarzen.«

Ich sollte irgendetwas im Haus reparieren. Die Dame ging zum Einkaufen und ließ mich in der Villa ganz allein zurück. Sie hat mir voll vertraut. Als sie dann wieder zurückkam, gab sie mir als Belohnung eine feine Mahlzeit. Dann bekam ich noch ein Trinkgeld von ihr und ging nach Hause.

Am nächsten Tag fragte mich die Chefin, wie es denn gewesen sei.

»Alles in Ordnung«, antwortete ich. Da schüttelte sie nur den Kopf und wunderte sich, dass mir so viel Vertrauen entgegengebracht worden war.

Während meine Oma dem nationalsozialistischen Regime relativ gleichgültig gegenüberstand, legte Opa doch eine gewisse Begeisterung für die militärischen Erfolge der Wehrmacht an den Tag. Vor allem schwärmte er für August von Mackensen, einen preußischen Generalfeldmarschall, der im Ersten Weltkrieg an der Ostfront bedeutende Erfolge hatte erzielen können. Mein Opa hatte viele Jahre in Russland verbracht, im Mittelabschnitt der Front, und hatte dort Holz für die Gewinnung von Zellstoff für eine Firma in Pirna organisiert. Immer noch trieb er sich in den Wäldern herum, um Bäume für die Fällung zu kennzeichnen. Mit einer Kutsche kam er dann immer wieder zu uns nach Mainaschaff. Bei seinen Besuchen hat er mir häufig etwas mitgebracht. Ein zweites Mal in den Krieg ziehen musste er aber nicht, dafür war er glücklicherweise bereits zu alt.

Der Krieg nahm seinen Lauf, und meine Lehrzeit neigte sich dem Ende zu. Wenige Tage nach der Gesellenprüfung ahnte mein Meister, was kommen würde. »Ich weiß, dass du bald eingezogen werden wirst.«

Und so war es dann auch. Ich bekam im Jahre 1942 den Einberufungsbefehl zum Reichsarbeitsdienst in Irlbach. Im Wesentlichen mussten wir für eine Brauerei einen Eisweiher ausheben. Im Winter sollte daraus das Eis gewonnen werden, mit dem man den Sommer über das Bier kühlte. Das hieß schaufeln, was das Zeug hielt, Tag für Tag. Abends fielen wir erschöpft auf die Matratzen. Es war wirklich eine unglaublich harte Zeit. Das Ausheben des Weihers erfolgte ohne technische Hilfsmittel allein mit dem Spaten. Mit dem Aushub beluden wir Loren, die wir dann ebenfalls mit Muskelkraft wegschieben mussten, da es keine Lokomotive gab. Unsere Arbeit war begleitet von militärischem Drill. So war der Spaten wie ein Gewehr zu präsentieren. Wir sind schon unglaublich getriezt worden.

Am Ende der Dienstzeit haben sie für den Beitritt zur Waffen-SS geworben. Man versprach uns, dass wir dort bessere Verpflegung und sogar eine Kiste Apfelsinen bekommen würden. Unglaublich, dass man mit Apfelsinen einen jungen Soldaten zur Waffen-SS überreden wollte.

»Möchtest du nicht zur Waffen-SS?«, wurde ich gefragt.

Aber ich widerstand dem Werben. »Nein, ich will nicht und bitte um Verständnis.«

Um diese Worte zu sprechen, habe ich all meinen Mut zusammengenommen, denn der uniformierte Offizier war schon einschüchternd, und Widerspruch schien nur schwer möglich. So machte ich also weiterhin meinen Dienst im RAD, und ich habe trotz meiner Ablehnung keine Repressalien erfahren.

Dann kam die Einberufung zur militärischen Ausbildung in Gelnhausen bei Frankfurt bei der Panzerjäger-Abteilung 87, 25. Panzerdivision, geführt von Generalmajor Adolf von Schell, einem Offizier, der sehr respekteinflößend war. Einmal musste ich ihn sogar fahren und war ganz schön nervös, weil ich nichts falsch machen wollte.

»Wie geht´s dir, mein Sohn? Bist du zufrieden? Ist alles in Ordnung?«, fragte er jovial.

»Jawohl, Herr Generalleutnant!«

Die kurze Militärausbildung in Gelnhausen war sehr hart. Immer wieder mussten wir durch Schlamm waten, dann unsere nasse Kleidung reinigen und innerhalb von zehn Minuten wieder antreten. Wer das nicht schaffte, der musste strafexerzieren und dabei noch einmal durch den Schlamm robben.

Der Unteroffizier, der das befohlen hatte, war ein wahrer Teufel. Einmal zwang er einen Kameraden, sich auf der Stube splitternackt auszuziehen. Dann musste er eine Gasmaske anlegen und einen Stahlhelm aufsetzen.

In diesem Augenblick aber kam ein Offizier hinzu und schnauzte den unglücklichen Kameraden an: »Was machen Sie da? Sofort anziehen!«

Für den Unteroffizier hatte der Vorfall üble Folgen, denn er wurde daraufhin sofort degradiert. Er war einer der ersten von unserer Einheit, der gefallen ist.

Die Ausbildung dauerte ungefähr ein halbes Jahr, dann wurden wir nach Norwegen abkommandiert, in die Osloer Gegend. In Friedrichstadt wurden wir eingeschifft, fuhren dann den Skagerrak hinauf und sahen die Mastspitzen der Schiffe, die im Ersten Weltkrieg dort versenkt worden waren. Ich hatte allerdings andere Probleme, als diese Relikte anzuschauen, denn ich war fürchterlich seekrank. Nach dem Ausschiffen kamen wir in Arnes auf den Truppenübungsplatz, auf dem eine ganze Menge los war. Mein Chef dort war Oberleutnant Knudsen, ein wirklich feiner Mensch. Als wir einmal angetreten waren, musterte er die Reihe der Kameraden, überlegte einen Moment, trat dann auf mich zu und sagte: »Du wirst mein Fahrer.«

»Herr Oberleutnant, aber ich habe doch gar keinen Führerschein«, entgegnete ich.

»Dann machst du ihn eben. Und wenn du mit dem Führerschein fertig bist, dann meldest du dich bei mir. Ist das klar?«

»Bei den Kameraden sind doch Autoschlosser, warum nehmen Sie nicht einen von diesen?«

»Ich möchte aber dich als Fahrer haben.«

»Jawohl, Herr Oberleutnant!«

Und so kam ich 1943 zu ihm. Er wollte halt den »kleinen Schwarzen« haben. Ich stand dann bis zum Schluss, bis zum Kriegsende, bei ihm im Dienst, und er hat mir immer wieder sein besonderes Wohlwollen bewiesen. Als ich ihm in einer Phase knapper Verpflegung eine Mahlzeit servieren wollte, schob er das Kochgeschirr zu mir herüber und sagte: »Nimm es, du brauchst es, du bist ja noch so jung.«

Unser Aufenthalt in Norwegen war nur sehr kurz, dann kamen wir zur Auffrischung nach Dänemark, zuerst nach...
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Autor

Klaus G. Förg ist Verleger und freier Publizist. Seiner großen Leidenschaft, der Fotografie, verlieh er schon in einer beachtenswerten Zahl an Bildbänden Ausdruck. In seiner neuen Reihe widmet er sich bewegenden Soldatenschicksalen: Durch zahlreiche Gespräche mit diesen Zeitzeugen reflektiert und dokumentiert Klaus G. Förg eine grausame Zeit. Seine Zeitzeugenromane "Irgendwie überlebt", "Hinter rotem Stacheldraht" und "Unglaubliches überstanden" wurden bereits nach Großbritannien und Tschechien verkauft.

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt