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Flächenbrand

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
470 Seiten
Deutsch
Pendragon Verlagerschienen am05.10.2009
Lothar Steingruber ist arbeitslos. Trotz intensiver Bemühungen gelingt es ihm nicht, in seinem alten Beruf als Maurer Fuß zu fassen. Deshalb nimmt er auch das Angebot des windigen Fuhrunternehmers Balke an, mit seinem Wagen Kisten zu transportieren. Eines Tages entdecken er und sein Freund Frank den brisanten Inhalt: Waffen. Steingruber kündigt, um als Friedhofsgärtner zu arbeiten. Gerade an diesem vermeintlich friedvollen Ort entdeckt er eines Nachts eine Gruppe junger Leute, die auf dem Friedhof Waffen verstecken. Sie gehören alle der neuerstarkten rechten Szene an. Dagegen muss er etwas unternehmen! Wäre da nicht seine Tochter Claudia, die er in der bewussten Nacht auf dem Friedhof gesehen hat. Die schwierige Entscheidung zwischen Moral und Vaterliebe macht ihm das Leben zur Hölle. Wie soll er sich verhalten?'Nichts als gegeben hinnehmen', war einmal Max von der Grüns Antwort auf die Frage nach seinem Motto. Mit seinem literarischen Schaffen mischte sich von der Grün ein. Ob es um Korruption oder Rechtsradikalismus ging, Max von der Grün war ein unbequemer Zeitgenosse, der unangenehme Fragen stellte - und dabei den Kern des Problems traf.'Flächenbrand' wurde mit Horst Frank und Manfred Krug verfilmt. Insgesamt lieferte Max von der Grün Vorlagen für elf Fernsehfilme. Damit zählt der 'Revier-Goethe' (Der Spiegel) zu den am häufigsten verfilmten deutschen Autoren.

Von der Grün, selbst von 1951 bis 1964 im Bergbau tätig, verarbeitet in seinen Werken auch eigene Erfahrungen. Er wurde1926 in Bayreuth geboren, absolvierte eine kaufmännische Lehre, war Soldat und drei Jahre in amerikanischer Kriegsgefangenschaft. Er lebte bis zu seinem Tod 2005 als freier Schriftsteller in Dortmund.
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Produkt

KlappentextLothar Steingruber ist arbeitslos. Trotz intensiver Bemühungen gelingt es ihm nicht, in seinem alten Beruf als Maurer Fuß zu fassen. Deshalb nimmt er auch das Angebot des windigen Fuhrunternehmers Balke an, mit seinem Wagen Kisten zu transportieren. Eines Tages entdecken er und sein Freund Frank den brisanten Inhalt: Waffen. Steingruber kündigt, um als Friedhofsgärtner zu arbeiten. Gerade an diesem vermeintlich friedvollen Ort entdeckt er eines Nachts eine Gruppe junger Leute, die auf dem Friedhof Waffen verstecken. Sie gehören alle der neuerstarkten rechten Szene an. Dagegen muss er etwas unternehmen! Wäre da nicht seine Tochter Claudia, die er in der bewussten Nacht auf dem Friedhof gesehen hat. Die schwierige Entscheidung zwischen Moral und Vaterliebe macht ihm das Leben zur Hölle. Wie soll er sich verhalten?'Nichts als gegeben hinnehmen', war einmal Max von der Grüns Antwort auf die Frage nach seinem Motto. Mit seinem literarischen Schaffen mischte sich von der Grün ein. Ob es um Korruption oder Rechtsradikalismus ging, Max von der Grün war ein unbequemer Zeitgenosse, der unangenehme Fragen stellte - und dabei den Kern des Problems traf.'Flächenbrand' wurde mit Horst Frank und Manfred Krug verfilmt. Insgesamt lieferte Max von der Grün Vorlagen für elf Fernsehfilme. Damit zählt der 'Revier-Goethe' (Der Spiegel) zu den am häufigsten verfilmten deutschen Autoren.

Von der Grün, selbst von 1951 bis 1964 im Bergbau tätig, verarbeitet in seinen Werken auch eigene Erfahrungen. Er wurde1926 in Bayreuth geboren, absolvierte eine kaufmännische Lehre, war Soldat und drei Jahre in amerikanischer Kriegsgefangenschaft. Er lebte bis zu seinem Tod 2005 als freier Schriftsteller in Dortmund.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783865321749
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2009
Erscheinungsdatum05.10.2009
Seiten470 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse858 Kbytes
Artikel-Nr.11957027
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


2

Man kommt auf die blödsinnigsten Gedanken, wenn man ohne Arbeit herumläuft, zu Hause sitzt und grübelt. Warum haben andere Arbeit und ich nicht?

Manche fahren zwei Mal im Jahr in Urlaub an die schönsten Flecken dieser Erde, dabei wohnen sie hier in Villen, mit nicht einsehbaren Gärten und beschäftigen einen Steuerberater, der ihnen verrät, wie man die Urlaubsreise als Geschäftsreise absetzt. Man kommt ins Grübeln, wenn die Frau am Monatsletzten ihr selbst verdientes Geld zum Leben einbringt, wenn sie am Morgen aus dem Haus geht und am Abend erschöpft heimkommt und trotzdem fröhlich fragt: Na, wie war s. Hast den Tag gut rumgekriegt?

Wer bin ich, dass ich zu Hause sitzen muss und warten, ein Mann Mitte Vierzig, wer bin ich, dass mich keiner mehr haben will, weil so viele Junge es billiger und williger machen. Wer bin ich. Ist meine Erfahrung und meine Zuverlässigkeit nicht mehr gefragt, ist nur noch Jugend Trumpf. Gehöre ich schon zur ausgepowerten Generation, die sich alles gefallen ließ, gehorsam war bis zum Rausschmiss. Überstunden klopfte, wenn es verlangt wurde und sich dann nach Hause schicken ließ, wenn es verlangt wurde. Wer bin ich.

Frank hatte nicht Unrecht, als er einmal zu mir sagte: Lothar, wir müssen ein Zeichen setzen. Etwas in die Luft sprengen oder eine Bank ausräumen, irgendwas ausrauben ⦠irgendwas. Wir können doch nicht rumsitzen und warten, warten, bis uns die gebratenen Tauben in den Mund fliegen.

Frank, hör auf, wir sind doch keine Kriminellen, hatte ich damals gesagt, denn mehr fiel mir dazu nicht ein. O dieser Frank, er hatte immer solche Ideen.

Und was sind die, die uns arbeitslos gemacht haben. Lothar, was! Das sind ehrbare Bürger, die sind natürlich keine Kriminellen, die haben sich nur verspekuliert. Und spekulieren ist in unserem Land erlaubt.

Vergleiche hast du, erwiderte ich.

Es wird höchste Zeit, dass wir einmal anfangen zu vergleichen, verstehst du, Lothar. Und dann wirst du staunen, was bei diesem Vergleich dabei herauskommt.

Frank und ich waren in einem Alter, wo einem leicht die Nerven durchgehen, vom Warten und Warten auf Arbeit. Mitte Vierzig sein heißt, wir sind noch zu jung, um warten zu können, aber schon zu alt, um Zeit zu haben. Die Tage rasen dahin und überschlagen sich. Soll ich mich auf die Couch legen und von Helen ernähren lassen. Das Brot, das ich esse, wird von ihr bezahlt, das Buch, das ich lese, leiht sie mir.

Helen hatte an dem Morgen, an dem Frank abends die Schüsse abgab, gesagt: Wann willst du dich eigentlich mal wieder rasieren. Du siehst verhauen aus.

Sie goss uns dabei Kaffee ein.

Für wen soll ich mich rasieren, für wen soll ich nicht verhauen aussehen, fragte ich.

Für mich ⦠du lässt dich gehen.

Beim Abschied küsste sie mich und strich mit dem Handrücken über meinen Stoppelbart. Dabei lächelte sie. Sie lächelte wie damals in der Buchhandlung, als ich mich in sie verliebte.

Ich wollte ihr nachrufen, dass der Wagen etwas nach rechts zieht, wenn sie scharf bremst, aber sie fuhr schon um die Straßenecke, als ich vor die Haustüre trat. Sie wird es merken, sie ist eine umsichtige Fahrerin, sie ist so sicher, dass ich beim Fahren neben ihr schlafen kann.

In der Küche trank Claudia im Stehen ihren Kaffee und aß meine mit Käse bestrichenen Brote auf; sonst verschmäht sie Käse am Morgen. Sie sagte nichts, stieß mir nur den Ellenbogen in die Seite und stürzte dann aus der Küche, ich hörte sie den Abschiedsgruß klingeln, als sie ihr Mofa aus der Garage schob und auf dem Bürgersteig vor dem Haus den Motor ankickte. Sie hätte zu Fuß gehen können, die Schule war nur ein paar Meter entfernt. Früher hatte ich mich über ihre Bequemlichkeit aufgeregt, ich habe sie geschluckt, so wie ich vieles zu schlucken gelernt habe.

Die Schutzbleche ihres Mofas waren mit Abziehbildern beklebt, die Eiserne Kreuze zeigten und um den Hals trug Claudia eine Kette, an der nicht etwa ein Schmuckstück baumelte, sondern wieder ein Eisernes Kreuz aus Blech.

Helen hatte das Claudia einmal, in einem Anfall von Wut, vom Hals gerissen, als unsere Vorwürfe nichts nutzten. Aber am nächsten Tag trug Claudia wieder ein Eisernes Kreuz um den Hals und als Helen es wieder abreißen wollte, hielt ich sie zurück: Lass das, Helen, das Zeug gibt es jetzt überall zu kaufen.

Nächstens kommt sie auch noch mit einem Hakenkreuz an, sagte Helen und stampfte mit dem Fuß auf, und das uns â¦

Auch das gibt es jetzt überall zu kaufen, warf ich ein. Was sollte ich sagen, ich kam mir so hilflos vor.

Ich war wieder allein im Haus, das ich so sehr liebe und für das ich ein halbes Leben geschuftet habe und das mir jetzt immer öfter auf den Kopf zu fallen droht. Drohend war auch die Leere geworden, in der ich mich tagsüber bewegte: vom Haus in den Garten, vom Garten in das Haus, vom Dach zum Keller, vom Keller zum Dach. Seit sieben Monaten, seit sieben langen Monaten. Ja, die Zeit kann schrecklich lang sein.

Während ich das Frühstücksgeschirr spülte, klingelte es an der Haustüre. Es war Frank. Es war neun geworden.

Frank sah aus, als hätte er die ganze Nacht durchgezecht, er folgte mir in die Küche und nahm wortlos ein Geschirrtuch vom Haken an der Wand und trocknete das gespülte Geschirr ab, so selbstverständlich, als wäre das der Job, mit dem er sein Geld verdiente. Er tat es ernst und sorgfältig.

Ganz schön blöd sind wir gewesen, sagte er endlich.

Stell das trockene Geschirr auf die Anrichte, ich ordne es später in die Schränke, Helen mag keine Unordnung, sagte ich und wagte nicht, ihn anzusehen.

Verrückt müssen wir gewesen sein, einfach herumballern, einfach so, aus lauter Langeweile ⦠erwachsene Männer ⦠Lothar, verrückt müssen wir gewesen sein, sagte er und rieb an einem Teller.

Frank, wo hast du die Pistole, fragte ich und trat ihm vor das Schienbein.

Du, die Nordsiedlung soll abgerissen werden, ich weiß es von unserem Ortsvorsitzenden und der hat es wieder von einem aus dem Stadtrat.

Wo hast du die Pistole, fragte ich lauernd.

Im Werkzeugkasten neben dem Reserverad im Wagen, wenn du es genau wissen willst ⦠Und jetzt lass mich mit der Pistole in Ruhe.

Wirf die Pistole weg, Frank, was sollen wir damit.

Wegwerfen? Es sind noch vier Patronen drin. Sie könnte einer finden. Wir haben sie auch gefunden ⦠Die Nordsiedlung. Verdammt, und meine Partei macht da mit.

Ich löffelte Kaffeemehl in das Filterpapier und goss heißes Wasser nach. Der Kaffeeduft füllte die Küche, ich kann mich an ihm berauschen.

Wir saßen uns gegenüber und schlürften unseren Kaffee. Es war schon zu einer Gewohnheit geworden, dass Frank einmal bei mir Kaffee trank und ich anderntags bei ihm.

Auf einmal sagte er: Ich halt s nicht mehr aus. Bin ich vielleicht schon Invalide. Bin ich Schrott.

Bist du im Bett schon Invalide, fragte ich.

Er schüttelte den Kopf und sah an mir vorbei.

Na also, dann gehts noch weiter, Frank.

Lothar, wir können doch nicht so dasitzen und zugucken, wir müssen selber etwas tun.

Was denn? Das Parlament in Bonn in die Luft sprengen, wenn die wieder so ein idiotisches Gesetz verabschieden, das nur ihnen Vorteile bringt.

Manchmal kommt man auf die blödsinnigsten Gedanken, antwortete er, das kommt nur vom Rumsitzen. Aber Parlament in die Luft sprengen geht nicht, macht zu viel Krach.

Er sah zur Küchenuhr.

Als wir die Uhr kauften, hatte der Verkäufer gesagt, weil wir uns über das leise Ticken freuten, das werde immer so bleiben. Jetzt ist das Tick-Tack zur Tortur geworden, es ist so laut, wie das Metronom, das Claudia auf ihrem Klavier stehen hat, aber seit Jahren schon nicht mehr benutzt, nur ich spiele manchmal mit dem Metronom.

Als meine Mutter starb, fünfundsechzig war sie geworden, ein Jahr nach dem Tod meines Vaters, den die Silikose erstickte, hinterließ sie mir fünftausend Mark. Weiß der Himmel, wie sie zu diesem Geld gekommen ist mit ihren 640 Mark Rente im Monat nach dem Tod meines Vaters. Von diesem Geld kauften wir Claudia ein gebrauchtes, fast neues Klavier, das alte klang nicht mehr.

Helen schrieb den Scheck aus im Musikhaus. Am nächsten Morgen um neun wurde das Klavier angeliefert. Nachbarn standen neugierig auf der Straße und staunten, denn in unserer Siedlung hatte es das noch nicht gegeben, dass vier gewichtige Männer mit Gurten ein Klavier in ein Haus trugen. Es ist schon komisch, wie über Kinder verfügt wird. Vor zwölf Jahren, als Claudia sechs Jahre alt war und kurz vor der Einschulung stand, besuchten wir Freunde. Claudia zupfte auf der Gitarre, die an der Wohnzimmerwand hing. Helen beschloss darauf, dass unsere Tochter ein Instrument erlernen soll, am besten Klavier, denn es war nach Helens Meinung das einzige Instrument, das einem zu Hause nicht auf die Nerven geht. Sie hatte sich gründlich getäuscht.

Frank und ich saßen uns stumm gegenüber, bis die Kaffeekanne leer war. Frank erhob sich mühsam, er hielt sich an der Tischplatte fest und sagte stockend, als müsste er sich bei mir entschuldigen: Ich habe was in Aussicht. Das traf mich.

Du hast was in Aussicht? Und das sagst du einfach so ruhig. Ist da nicht auch was für mich drin? Ich hatte Mühe, ruhig zu sprechen.

Für dich ist nichts drin, tut mir leid. Die suchen Fahrer. Für den Job musst du Führerschein Klasse zwei haben. Lastwagen fahren bei einer Speditionsfirma.

Scheiße, sagte ich, mehr zu mir als zu ihm.

Frank war gegangen.

Warum hatte er mir die Pistole nicht dagelassen. Wir hatten sie gefunden. Einfach so, wie man etwas findet. Wir fuhren nachts von der Kneipe nach Hause. Da blitzte etwas auf...

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