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Pavel und Ich

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
168 Seiten
Deutsch
Pendragon Verlagerschienen am04.03.2020
Zwei Länder, zwei Generationen und zwei völlig verschiedene Menschen. Die Autorin Sandra Brökel ist ein Adoptivkind, auf der Suche nach ihren Wurzeln. Bei ihren Recherchen zum Thema stößt sie schließlich auf ein Buch aus den 1960ern. Autor ist der Prager Kinderarzt und Psychiater Dr. Pavel Vodák. In ihrer Kollegin und Freundin Paula entdeckt sie viele Jahre später überraschend Pavel Vodáks Tochter. Und nicht nur das: Paula hütet das Lebenswerk ihres Vaters, ein umfangreiches Manuskript. Sandra Brökel zeigt eindrucksvoll, auf welch außergewöhnliche Weise zwei Menschenleben miteinander verbunden sein können. Ein bewegendes Buch über die Suche nach der Bedeutung von Heimat und dem eigenen Seelenfrieden.

Sandra Brökel, geboren 1972 in Arnsberg, arbeitet als Schreib- und Trauertherapeutin. An ihrem Beruf fasziniert sie besonders die Aufarbeitung von Lebens­geschichten. So entstand ihr Roman über das Leben von Dr. Pavel Vodák. »Das hungrige Krokodil« war ihr Debüt, welches mittlerweile in der 4. Auflage vorliegt. »Pavel und Ich« erzählt die Geschichte hinter der ­Geschichte des Romans »Das hungrige Krokodil«. Gemeinsam mit Pavels Tochter reist Sandra Brökel nach Prag und begibt sich auf die spannende Suche nach Pavels Familiengeschichte.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextZwei Länder, zwei Generationen und zwei völlig verschiedene Menschen. Die Autorin Sandra Brökel ist ein Adoptivkind, auf der Suche nach ihren Wurzeln. Bei ihren Recherchen zum Thema stößt sie schließlich auf ein Buch aus den 1960ern. Autor ist der Prager Kinderarzt und Psychiater Dr. Pavel Vodák. In ihrer Kollegin und Freundin Paula entdeckt sie viele Jahre später überraschend Pavel Vodáks Tochter. Und nicht nur das: Paula hütet das Lebenswerk ihres Vaters, ein umfangreiches Manuskript. Sandra Brökel zeigt eindrucksvoll, auf welch außergewöhnliche Weise zwei Menschenleben miteinander verbunden sein können. Ein bewegendes Buch über die Suche nach der Bedeutung von Heimat und dem eigenen Seelenfrieden.

Sandra Brökel, geboren 1972 in Arnsberg, arbeitet als Schreib- und Trauertherapeutin. An ihrem Beruf fasziniert sie besonders die Aufarbeitung von Lebens­geschichten. So entstand ihr Roman über das Leben von Dr. Pavel Vodák. »Das hungrige Krokodil« war ihr Debüt, welches mittlerweile in der 4. Auflage vorliegt. »Pavel und Ich« erzählt die Geschichte hinter der ­Geschichte des Romans »Das hungrige Krokodil«. Gemeinsam mit Pavels Tochter reist Sandra Brökel nach Prag und begibt sich auf die spannende Suche nach Pavels Familiengeschichte.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783865326812
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum04.03.2020
Seiten168 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1607 Kbytes
Artikel-Nr.11957062
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Einfach mal klingeln ⦠Teil 1

Die Oma, die nicht zu bremsen war â¦

Es ist ein kleines Haus am Ende der Sackgasse auf der linken Seite. Auf der rechten Seite der Straße wuchern Tannen und Laubbäume an einem Hang. Wie man sich das Sauerland vorstellt. Ein bisschen idyllisch, auch ein bisschen dunkel durch die vielen Nadelhölzer. Ganz bestimmt aber sehr ländlich und bodenständig. Eine Assoziation von Schützenfesten und dem Lebensmotto Glaube, Sitte, Heimat kommt mir in den Sinn.

Hier also hatte ich das Licht der Welt erblickt, hier irgendwo wäre ich aufgewachsen, wenn mein Leben in den ersten Wochen und Monaten nicht so chaotisch verlaufen und ich in einem Kinderheim gelandet wäre ⦠Ich frage mich in diesem Augenblick, was dann aus mir geworden wäre?

Würde ich Schützenfeste lieben und an der Wahlurne ein konservatives Kreuzchen setzen? Wäre ich hier sesshaft geworden oder hätte es mich in die weite Welt gezogen? Ich weiß es nicht und werde es auch nie erfahren. Denn das Leben ist manchmal wie eine Wegkreuzung. Biege ich links ab, werde ich nie herausbekommen, was ich auf der rechten Seite entdeckt hätte.

Das Einzige, was ich in diesem Moment weiß, ist ein Name. Mehr nicht. Ein Vor- und ein Nachname eines fremden Mannes. Und ich weiß, dass dieser Mann als Junge in diesem Haus gewohnt hat. Wenn meine Nachforschungen stimmen, ist er mein Vater.

Ich parke meinen Kleinwagen ein Stück abseits des Hauses und frage mich, ob jemand durch das Nummernschild auf meine Adresse würde schließen können. Ich bin vorsichtig. Mehrfach hatte ich auf dem Weg hierher ein mögliches Treffen mit meinem leiblichen Vater in Gedanken durchgespielt. Nun habe ich einen Plan im Kopf, der vorsieht, dass ich nichts von mir preisgeben möchte. Nur meinen Vornamen. Keine Adresse, keine Details. Denn ich weiß ja nicht, auf wen ich treffe. Ich möchte die Fäden in der Hand behalten und selbst entscheiden, ob dieser Mensch mich später einmal kontaktieren kann oder nicht. Sicher ist sicher. Ich will ihn nur einmal sehen, um die Leerstelle in mir zu füllen. Ihm einmal in die Augen schauen, vielleicht einen Small Talk halten. Innerlich abgleichen, was ich von ihm geerbt haben könnte. Denn als ich vor vier Wochen erstmals meiner leiblichen Mutter gegenüber stand, merkte ich, dass wir weniger gemeinsam hatten, als ich zuvor gedacht, als ich mir gewünscht hatte. Ich schloss daraus, dass bei meiner Zeugung vor 35 Jahren die väterlichen Gene das Rennen gemacht haben mussten.

Als ich zur Haustür schlendere, staune ich selbst über meine Gelassenheit. Was soll schon passieren? Ohne groß zu überlegen drücke ich den Klingelknopf und es dauert nur wenige Augenblicke, da öffnet eine ältere Dame die Tür. So stelle ich mir eine sauerländische Hausfrau vor: Die Haare etwas wirr, Küchenschürze, Hände in die Hüften gestemmt. Ihre Ausstrahlung lässt sich mit den Worten schnodderig-ehrlich-direkt-pragmatisch auf den Punkt bringen. »Tach«, sagt sie und in ihren blauen Augen steht: Wat willste? Ich hab noch wat anderes zu tun â¦

Ich bin sprachlos und brauche einen Moment, um mich zu sortieren. Ihr dauert das offenbar zu lange und sie hakt nach: »Wat wollen Se denn?« Ich atme einmal tief durch und sage den Namen meines Vaters. Umgehend schnoddert sie: »Der wohnt nicht mehr hier. Wat wollen Se denn von dem?«

Ich suche nach den richtigen Worten und plötzlich schlägt sie ihre Hände an die Wangen. Ihre Augen weiten sich, ihre Kinnlade kippt runter. Langsam hakt sie nach: »Wat wollen Se von dem?«

Ich bin immer noch in einem leichten Schockzustand. Vielleicht hätte ich doch nachdenken sollen, bevor ich klingle. So beobachte ich erstaunt, wie mir die Worte »Ich glaube, er ist mein Vater« über die Lippen stolpern.

In dem Augenblick macht die Ausstrahlung der Frau eine 180 Grad Kehrtwende: »Mädchen, wo warste denn so lange? Komm rein!«

Ich husche hinterher. Sekunden später hocke ich auf einem weichen Sofa im Wohnzimmer. Die Kissen haben ein dezentes Blumenmuster und einen ordentlichen Knick in der Mitte. Die Frau, die offenbar meine Oma ist, bindet ihre Schürze los, richtet sich kurz mit ihren Fingern die Haare und übernimmt das Ruder. Sie ist nicht mehr zu bremsen. In wenigen Minuten erhalte ich einen Überblick über die Familienstruktur, meine Großeltern, Onkel und Tante, Cousinen und Cousins. Auch über meinen Vater. Sie seufzt und lacht gleichzeitig: »Wenn de sechs Kinder hast, haste einen Chaoten dabei. Das ist dein Vatter.« Dabei schlägt sie sich auf die Schenkel und ich freue mich über ihren Humor. Sie hat ihn sehr lieb, das ist unübersehbar. »Als du da eben in der Tür standest ⦫, sie macht eine Pause und mustert mich noch einmal ganz genau, »du siehst ihm ähnlich.«

Dann schlurft sie gemächlich zur alten dunklen Eichenschrankwand und geht langsam in die Hocke. Sie dreht an einem kleinen Messingschlüssel an einem der unteren Fächer und öffnet es. Ihre Hände erzählen mir, dass sie ihr Leben lang hart gearbeitet hat. Während sie in Kisten kramt, will sie wissen, ob sie Urenkel von mir hat: »Ich sage immer zu meinen Freundinnen: Ich bin bestimmt Uromma und weiß et nich!« Ich, die nichts von sich preisgeben wollte, zücke mein Portemonnaie aus der Hosentasche und fingere nach Fotos meiner beiden Kinder. Mühsam erhebt sie sich wieder vom Fußboden, massiert sich mit einer Hand ihr Kreuz. »Ich bin jetzt im knackigen Alter«, lacht sie. »Jeden Tag knackt was anderes.« In der anderen Hand hat sie einen kleinen Karton voller Fotos. »Da, das isser!«

Ich glaube es nicht: Sie reicht mir ein Schwarz-WeißFoto in Fotografenqualität aus den 50er Jahren. Darauf ein etwa zweijähriges, strahlendes Kleinkind mit langen Locken. Sieht aus wie ein Mädchen. Lebendig blitzende Augen mit einem mächtigen Schalk dahinter strahlen in die Kamera, kleine weiße Milchzähnchen funkeln um die Wette. Das Kind wurde in ein weißes Pullöverchen und eine dunkle Latzhose gesteckt und auf einem Podest drapiert. Es hat offenbar ganz viel Spaß. Entweder macht sich jemand hinter der Kamera zum Affen oder das Kind ist wirklich eines von der ganz unbeschwerten, fröhlichen Sorte.

Das ist also der Mann, dem ich mein Leben verdanke. Hm, niedlich, aber nicht das, was ich suchte. Ich hätte es gerne etwas erwachsener.

Die Oma blättert weiter durch die Kiste, findet aber kein aktuelleres Bild. Stattdessen freut sie sich unendlich über die Fotos meiner Kinder und sackt diese direkt ein. Will sie ihren Freundinnen beim nächsten Kegelabend präsentierten. Dass sie dann eine Runde Schnaps ausgeben wird, wie all die anderen, wenn sie Uroma geworden sind, erfüllt sie mit Stolz. »Na, das sind aber zwei Kinder. Dann werden Sie zwei Runden ausgeben müssen«, werfe ich ein und fange mir umgehend einen Anranzer, weil ich sie gesiezt habe. »Du willst doch wohl »du« zu deiner Omma sagen!« Puh, sie ist definitiv schneller als ich.

Es gibt für sie kein Halten mehr. Sie steht wieder auf und greift zum Telefonhörer. Ich bin fast enttäuscht, dass das Telefon keine Wählscheibe mehr hat, sondern dieses Telekomtastenmodell aus den 1980er Jahren ist. Dunkelgrün auf einem kleinen Eiche-rustikal-Schränkchen. Natürlich mit Spitzenhäkeldeckchen drunter. Ich habe das Gefühl, als hätte ich nur eine Statistenrolle ergattert. Ich weiß nicht mal, wen sie anruft. »Ich bin s«, kreischt sie in den Hörer und fummelt mit der freien Hand aufgeregt an der aufgedröselten Telefonschnur. »Wo ist Rolf?«

Während die Stimme am anderen Ende der Leitung antwortet, deutet sie mir mit einem diebischen Grinsen und einem zuversichtlichen Kopfnicken, dass sie alles regeln werde. Ich traue meinen Ohren kaum, als sie in den Hörer triumphiert: »Sach ihm, er soll sofort hierhin kommen. Ich habe ne Riesenüberraschung! Seine Jugendsünde sitzt hier aufm Sofa. Sach ihm aber nix davon, sach nur, dass er kommen soll.« Immer wieder reibt sie sich die Hände vor Übermut und läuft weiter zur Höchstform auf. Nach dem Gespräch delegiert sie mich nach draußen: »Haste nen Auto? Dann fahren wir jetzt zu deiner Tante. Ich muss auf die Enkel aufpassen. Dann lernste die auch gleich kennen. Dein Vatter kommt heute Abend. Seine Lebensgefährtin, im Moment hatter ne janz patente, schickt den.« Ich trotte ungläubig hinter ihr her, fahre sie artig zur Wohnung ihrer Tochter, meiner Tante.

Dort weigere ich mich, mit nach oben zu kommen, verspreche ihr aber hoch und heilig, in zwei Stunden wieder da zu sein.

Der Tag dreht sich unaufhörlich weiter. Ich schaue mir das Krankenhaus an, in dem ich geboren wurde, danach fahre ich irgendwo rechts ran, um Luft zu holen. Sauerland. Am Wegesrand stapelten sich Holzstämme, abholbereit fürs nächste Sägewerk. Ich hocke mich auf einen der Stämme, es riecht nach Sägespänen und frischem Gras nach einem Sommerregen. Diese Frau, meine Oma, gefällt mir. Eine lebendige Mischung aus Temperament, unverblümter Direktheit und einem Humor an der Grenze zum Sarkasmus. Darunter wittere ich eine herzensgute Seele. Das könnte noch ein spannender Tag werden! Mir ist ein wenig schwindelig ob ihres Tempos, aber ich beschließe, mich einfach drauf einzulassen. Eine innere Stimme sagt mir, dass sie noch einige Überraschungen parat haben wird, und ich sollte recht behalten.

So sitze ich auf diesem Baumstamm und lehne meinen Rücken gegen einen anderen. Das Holz ist trocken, hart und standfest. Das tut mir gut. Ich angele mein Handy aus der Hosentasche und schreibe eine SMS an meinen Mann, der zu Hause auf die Kinder aufpasst und mir diesen Tag zwecks Wurzelsuche ermöglicht. Ich schreibe nur, dass es wohl länger dauern wird, denn ich hätte gerade meine Oma gefunden und mein Vater würde später noch...

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Autor

Sandra Brökel, geboren 1972 in Arnsberg, arbeitet als Schreib- und Trauertherapeutin. An ihrem Beruf fasziniert sie besonders die Aufarbeitung von Lebens­geschichten. So entstand ihr Roman über das Leben von Dr. Pavel Vodák. »Das hungrige Krokodil« war ihr Debüt, welches mittlerweile in der 4. Auflage vorliegt.

»Pavel und Ich« erzählt die Geschichte hinter der ­Geschichte des Romans »Das hungrige Krokodil«. Gemeinsam mit Pavels Tochter reist Sandra Brökel nach Prag und begibt sich auf die spannende Suche nach Pavels Familiengeschichte.
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Brökel, Sandra

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