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Der Tuchhändler

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
480 Seiten
Deutsch
Langen - Mueller Verlagerschienen am21.06.2023
Wir befinden uns im November 1475: Die reiche Handelsstadt Landshut steckt mitten in den Vorbereitungen für die Landshuter Fürstenhochzeit. Sogar der Kaiser hat sein Kommen zugesagt. Der mysteriöse Mord an einer polnischen Gräfin könnte die Hochzeit allerdings noch vereiteln. Von den Stadtoberen beauftragt, gerät der Tuchhändler Peter Bernward als Detektiv wider Willen in den Bann einer längst vergessen geglaubten Tragödie. Ein mitreißender historischer Roman um die Intrigen der Fürsten, die Schattenseiten der Macht und den Mut eines einzelnen Mannes. Dieses Buch ist der Auftakt der mehrteiligen Reihe um den Kaufmann Peter Bernward und war Dübells erster historischer Roman.mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR20,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR14,99

Produkt

KlappentextWir befinden uns im November 1475: Die reiche Handelsstadt Landshut steckt mitten in den Vorbereitungen für die Landshuter Fürstenhochzeit. Sogar der Kaiser hat sein Kommen zugesagt. Der mysteriöse Mord an einer polnischen Gräfin könnte die Hochzeit allerdings noch vereiteln. Von den Stadtoberen beauftragt, gerät der Tuchhändler Peter Bernward als Detektiv wider Willen in den Bann einer längst vergessen geglaubten Tragödie. Ein mitreißender historischer Roman um die Intrigen der Fürsten, die Schattenseiten der Macht und den Mut eines einzelnen Mannes. Dieses Buch ist der Auftakt der mehrteiligen Reihe um den Kaufmann Peter Bernward und war Dübells erster historischer Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783784484730
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum21.06.2023
Seiten480 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.11958709
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



2

Wenige Augenblicke später kehrte Hanns Altdorfer in Begleitung des Hauptmannes der Wappner zurück. Der gedrungene Mann hielt seine eigene Fackel in die Höhe und blickte sich ständig um, als wäre er von Feinden umgeben; sein Helm warf matte Reflexe und spiegelte das Fackellicht wider. Vor der Grube angekommen, straffte sich seine Haltung, und er machte eine exakte Ehrenbezeigung vor dem Richter und dem Kanzler. Den Polen ignorierte er, ebenso wie mich. Danach sah er von einem zum anderen; sein Gesicht wirkte gelassen, aber seine Haltung war angespannt. Die Anwesenheit der drei angesehenen Männer machte ihn unsicher.

»Ich danke Euch für Euer Kommen, Hauptmann Schermer«, sagte der Kanzler, als sonst niemand das Wort ergriff. Der Hauptmann nickte.

»Ihr habt Euch sicher gefragt, weshalb wir Euch und Eure Männer baten, die Kirche abzuriegeln«, fuhr Doktor Mair fort; und dann begann er, dem Hauptmann der Vilshofener Wappner das Garn aufzubinden, das wir zuvor gesponnen hatten. Ich beobachtete den Hauptmann: den Teil seines Gesichts, der unter dem weiten Helmrand zu sehen war. Er blähte die Nüstern und öffnete seinen Mund, als wolle er möglichst viele Sinnesorgane auftun, um die Nachricht zu empfangen. Dass er erfuhr, man wäre zufällig auf einen reichlich vom Feuer mitgenommenen Kirchenschatz gestoßen, war eine deutliche Ernüchterung. Sein Mund klappte beinahe hörbar zu, und seine Lippen schürzten sich, als wäre er enttäuscht. Sichtlich hatte er etwas Unerhörteres erwartet als ein paar geschwärzte, halb geschmolzene Monstranzen und Kelche, mochten sie auch noch so einen großen Wert darstellen. Ich dachte: Wenn du wüsstest, mein Freund, wenn du wüsstest; und war gleichzeitig erleichtert, als er keine Fragen stellte. Wir hatten uns zu wenig Zeit gelassen, um die holprigen Stellen in unserer Geschichte zu glätten, aber die tiefe Stimme des Kanzlers führte das Gedankenschiff des Hauptmanns sicher über die Untiefen hinweg in den Hafen, in dem wir es haben wollten.

»Herr Bernward hat große Erfahrung in solchen Dingen«, sagte der Kanzler und wies auf mich. Der behelmte Kopf ruckte kurz in meine Richtung und neigte sich nach hinten, so dass ich die zusammengekniffenen Augen sehen konnte, die mir einen unfreundlichen Blick zuwarfen. Er fragte nicht, worin meine Erfahrung bestehen könnte.

»Wir haben ihn gebeten, die Kostbarkeiten abholen zu lassen und zu untersuchen. Er wird seine Männer verständigen; bis diese ankommen, möchte ich Euch bitten, die Kirche weiterhin abzuriegeln.«

»Meine Männer können den Transport ebenso gut übernehmen«, sagte der Hauptmann. Der Kanzler erstarrte einen Moment, und sein linkes Auge zuckte.

»Es wäre mir lieber, Ihr würdet Euch um die Leute draußen kümmern«, sagte er dann zögernd. »Ich könnte mir niemand anderen vorstellen, auf den ich mich in dieser Angelegenheit verlassen möchte.«

Der Hauptmann mochte einfach über die Ungereimtheiten in einer hastig vorgetragenen Geschichte hinwegzutäuschen sein, aber auf seinem eigenen Gebiet war er nicht so mühelos zu hintergehen; auch nicht mit dick aufgetragenen Schmeicheleien.

»Der Ausfall von zwei Männern wird meine Leute nicht so sehr behindern, als dass sie das Volk nicht auf Distanz halten könnten«, erwiderte er hartnäckig.

Doktor Mair schien ratlos. Ich mischte mich ein und sagte unfreundlich: »Meine Männer werden die Truhen abholen, Hauptmann. Sie sind absolut zuverlässig.«

Er schaute wieder zu mir hoch. Ich sah, wie er die aufsteigende Wut bekämpfte, und erwiderte seinen Blick, bis er sich abwandte.

»Wir werden so verfahren, wie wir es eben geschildert haben«, sagte der Kanzler geistesgegenwärtig. Der Hauptmann gab sich geschlagen.

»Ich gebe meinen Männern Bescheid«, sagte er heiser.

»Bitte behaltet für Euch, was Ihr erfahren habt«, sagte der Kanzler.

»Wir wollen keine unziemliche Erregung unter den Bürgern und verfrühte Ansprüche der Nachkommen von etwaigen damaligen Besitzern.«

»Natürlich«, erwiderte der Hauptmann kurz und drehte sich auf dem Absatz herum, um die Kirche wieder zu verlassen. Er war nicht ein einziges Mal auf den Gedanken gekommen, in die Grube hinunterzuleuchten oder auch nur zu fragen, was um alles in der Welt der polnische Edelmann bei der Geschichte zu suchen hatte.

Manchmal scheint eine bestimmte Zeitspanne eine Ewigkeit zu währen; in Wahrheit sind jedoch nur wenige Augenblicke vergangen, und es wird einem schwindlig, wenn man sich unvermittelt des Umstandes bewusst wird, wie viele Ereignisse in wie kurzer Zeit abgelaufen sind. Als ich zum hinteren Seitenportal der Kirche hinaus ins Freie trat, war ich überrascht, dass es noch immer Nacht war. Noch immer wallte der Nebel in greifbaren Schwaden durch die dunkelblaue Finsternis, noch immer bildeten die wenigen Fackeln der Stadtknechte die einzigen, trübe blakenden Lichter, noch immer standen die Handwerker und ihre Bewacher wie regungslose, düstere Gestalten unter dem hoch aufragenden Kirchenbau. Ich hätte schwören mögen, dass die Sonne schon hoch am Himmel stehen müsste, aber es war keinerlei Licht zu sehen, wenn man nach Osten blickte; kein noch so geringer Anschein der Dämmerung hob den steilen Lenghart vom Firmament ab oder die gedrungene Burg, die sich auf seinem Kamm erhob.

Vielleicht hatte die stumme Anwesenheit der Ermordeten unsere Gedanken beschleunigt; im Nachhinein erschien es mir erschreckend und unglaubwürdig, was wir soeben besprochen hatten. Wenn die Seele der Toten noch am Tatort verweilt hatte, wie allgemein angenommen wird, was mochte sie sich über unser Gespräch gedacht haben? War sie voll hilfloser Entrüstung? Mir fiel ein, dass niemand auch nur ein Gebet für sie gesprochen hatte, und aus verschiedenen Gründen fühlte ich einen schmerzhaften Stich deswegen. Ihr Tod war zu einer so politischen Angelegenheit geworden, dass niemand einen Gedanken daran verschwendet hatte, dass ein Leben vernichtet worden war. Nicht einmal der polnische Ritter hatte ein Wort des Bedauerns ausgesprochen. Was hatte er gesagt? Der Tod der jungen Frau würde äußerst ernüchternd wirken. Ebenso ernüchternd war die Art und Weise, wie wir damit umgingen.

Ich wanderte ein paar Schritte unter dem vorspringenden Giebel des Portals hinaus ins Freie und drehte mich um. Die Strebepfeiler des Langhauses reckten sich ins Leere wie die Säulen im Inneren der Kirche. Ein paar der zunächst stehenden Wappner drehten sich zu mir um; da sie sahen, dass ich aus der Kirche gekommen war, wagten sie nicht, mir näher zu kommen. Ihre Neugierde konnte kaum geringer sein als diejenige der Bauleute, die sie von der Kirche fernhielten. Ich war erleichtert, dass ich daran gedacht hatte, ihnen eine falsche Erklärung für die Vorgänge liefern zu lassen.

Ich bemerkte, dass ich gedankenverloren weitergegangen war. Ich hielt an und wartete, bis die anderen mir nachfolgten. Sie kamen zusammen aus der Kirche; sie hielten sich kurz neben dem Portal auf, dann schritt Albert Moniwid grußlos in Richtung auf das herzogliche Stadthaus davon, in dem sich das Lager der Polen befand. Der Kanzler wandte sich zum Friedhof der Kirche; wahrscheinlich wollte er durch die Widumsgasse um den Chorbau der Kirche herum zu seinem Haus zurückkehren und so den Menschen ausweichen, die sich vor dem Turm des neuen Doms auf der Altstadt drängten. Er hatte beinahe dieselbe Strecke wie Moniwid, aber die beiden gingen getrennte Wege. Doktor Mair nickte mir zum Abschied zu. Hanns Altdorfer und der Richter gesellten sich zu mir.

»Du wirst deine Männer selbst verständigen, nicht wahr?«, fragte mich Altdorfer.

»Ich begleite sie sogar wieder mit hierher.« Er dachte einen Augenblick nach.

»Ich glaube, du hast den Hauptmann beleidigt«, sagte er dann.

»Musstest du ihm so deutlich zu verstehen geben, dass du seine Leute für weniger zuverlässig hältst als deine eigenen?«

»Tue ich das?«, fragte ich. »Hanns - ich habe das mit Absicht gesagt. Was glaubst du, was er seinem Leutnant oder seiner Frau oder meinetwegen auch nur irgendeiner Schlampe demnächst erzählt hätte? Sie wollten mir weismachen, dass ein Schatz in der Kirche gefunden wurde, würde er sagen; einer, der so wertvoll ist, dass keiner etwas davon erfahren soll, und doch haben sie diesen Krämer aus dem Säldental geholt, den keiner in der Stadt genau kennt, und ihm die ganzen Kostbarkeiten anvertraut. Ich glaube, dass daran etwas faul ist.«

Hanns Altdorfer zog die Augenbrauen zusammen. Ich ließ ihn nicht zu Wort kommen.

»Was wird er jetzt sagen?«, fuhr ich fort. »Er wird schäumen vor Wut und sagen: Sie haben einen Schatz in der Kirche gefunden, und sie wollten mir und meinen Männern nicht mal so weit vertrauen, dass wir ihn zu diesem Kaufmann außerhalb der Stadt tragen durften. Wahrscheinlich dachten sie, wir würden die Hälfte davon unterwegs selbst einstecken. Diesem Bernward vertrauen sie, den keiner kennt. Wir sind nur dazu gut, die Betrunkenen von der Straße zu kehren.«

Er sah mich an, dann lächelte er verkniffen.

»Ich denke, du hast recht«, sagte er. »Dennoch ist mir nicht wohl, wenn ich sehe, wie du einen schlichten Menschen, der nur seine Pflicht tut, manipulierst.«

Ich öffnete den Mund und wollte sagen: Was weißt du davon, doch dann schwieg ich. Er war mein Freund, und ich wusste, dass er die Wahrheit sprach. Es war eine Aussage, die auch Maria hätte tun können; oder Daniel, der in dieser Hinsicht schmerzhaft seiner Mutter glich. Nicht umsonst hatte sich mein Sohn seit Langem von mir ferngehalten und beschränkte seine Besuche auf allzu wenige Gelegenheiten.

Hanns legte eine Hand auf meine...

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