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Passage

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
332 Seiten
Deutsch
Books on Demanderschienen am20.06.20232. Auflage
Noch ist Nick jung, frei von Verpflichtungen. Aber sein Verlangen nach Orientierung wird immer drängender. Das treibt ihn auf eine riskante Suche in ein weit entferntes Land. Neugierig sucht er seinen Weg in der Natur, in Beziehungen, in Drogen und bei Gurus. Getrieben von inneren Widersprüchen, Abenteuerlust und Umsicht, Naivität und Scharfsinn begibt er sich auf eine Entdeckungstour voller Überraschungen.

Einige Semester Völkerkunde, ein Abschluss in Grafik-Design. Viele Reisen weltweit, vor allem in Asien. Grenzbereiche reizen mich.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR14,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextNoch ist Nick jung, frei von Verpflichtungen. Aber sein Verlangen nach Orientierung wird immer drängender. Das treibt ihn auf eine riskante Suche in ein weit entferntes Land. Neugierig sucht er seinen Weg in der Natur, in Beziehungen, in Drogen und bei Gurus. Getrieben von inneren Widersprüchen, Abenteuerlust und Umsicht, Naivität und Scharfsinn begibt er sich auf eine Entdeckungstour voller Überraschungen.

Einige Semester Völkerkunde, ein Abschluss in Grafik-Design. Viele Reisen weltweit, vor allem in Asien. Grenzbereiche reizen mich.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783757874582
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum20.06.2023
Auflage2. Auflage
Seiten332 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.12048441
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Namaste Ravi. Nick legt die Hände grüßend zusammen, und lächelt ihn an. Es tut gut den alten Bekannten zu treffen. Oh, namaste Sir, how are you? strahlt der Alte, und seine Augen funkeln voll freudiger Energie. Fine. I've just arrived. I am here for going the Jomsom Treck this time. Tomorrow I'd like to rent a boat. Do you still have one? . Yes, shure, right here. When you come? Er macht ein paar Schritte in Richtung des Seeufers auf der anderen Straßenseite. Es geht hier einige Meter steil die Uferböschung hinunter. Unten kann Nick zwischen den Ästen Bootsumrisse auf der schimmernden Wasseroberfläche erkennen. Actually in the afternoon, let's say four p.m.? Ravi nickt heftig. Sein ganzer Körper ist jetzt in Bewegung. Dieser Kunde erschien überraschend wie ein guter Geist aus dem Dunkel, erneuert seine Verbindung zur wunderbaren Welt der Fremden, und verspricht Umsatz. Er dachte schon, dass er heute keine Rupee mehr verdient, und seine Frau das Gesicht verzieht, wenn sie es erfährt. Reisopfer und Mantras heute morgen am Hausaltar in seiner Hütte haben gewirkt, heute wird noch ein Deal gemacht. Ok, four p.m.! I will here, and keep boat for you. Nick grüßt Ravi mit einer Handbewegung und geht weiter. Er braucht jetzt dringend etwas Vernünftiges zu essen. Links geben die Bäume den Blick auf den See frei. Er ist vom bläulichen Mondlicht übergossen, sein jenseitiges, bewaldetes Ufer liegt im Dunkel. Er ist weit und tief. Er ist nun versunken in seine stillen Gespräche mit dem sachten Nachtwind, dem Mondlicht und den Bergen ringsum, hat nichts mehr zu schaffen mit den aufdringlichen Lichtern, Geräuschen und Geschäften hier. All diese Touristen-Schuppen sind sich ähnlich, aber er erinnert sich an das Ganesha . Da gab es deutsches Bier und Steak mit Pommes, Kraftfutter, ein Gräuel für jeden westlichen Möchtegern-Yogi. Das gefällt ihm, das steuert er jetzt an. An dem langen Tisch im Ganesh sitzen zwei junge Männer. Während Nick die Karte studiert, hört er, dass sie sich auf Deutsch unterhalten. Er fragt sie, ob es kein Paulaner mehr im Ganesh gebe, er könne es auf der Karte nicht mehr finden. Jo, es gibt nur Heineken, dieses Brunzwasser. Aber besser als nix. Hauptsache es haut nei. Sie kommen aus Bayern. Harri ist klein und hat zerzaustes, dunkelblondes Haar. Er guckt meist verschmitzt unter seinem Wuschelkopf hervor. Seine Oberlippe steht ein wenig vor, was ihm einen gutmütigen Ausdruck verleiht. Er ist Tischler. Martin ist lang, hat ein langes Gesicht, lange, fettige, schwarze Haare, eine hohe Stirn, und einen langen dünnen Schnurrbart. Der erst oberhalb der Mundwinkel beginnt, und fast bis zum Kinn reicht. Seine Gesichtsfarbe ist ungesund bleich. Seine Körperhaltung aber ist aufrecht, und er dreht seine Zigaretten mit Eleganz und ernsthafter Konzentration. Beruflich hat er sich noch nicht so recht entschieden. Eine Buchhändler-Ausbildung hat er abgebrochen. Er dachte dabei könne er viel lesen, sollte aber vor allem älteren Damen die aktuellen Bestseller und kitschige Dramen verkaufen, was ihn schnell die Flucht ergreifen lies. Beide sind offenbar lustige Burschen. Sie waren vorher in Indien unterwegs und überlegen ob sie, wie Nick, den Jomsom-Trail gehen sollen. Von Indien haben sie jedenfalls genug, erzählen sie. In Patna standen sie an einer Kinokasse in einer langen Schlange für einen Bollywood-Film an. Plötzlich drehte sich der Mann vor ihnen um, ein gut gekleideter Sikh mit Turban, betrachtete sie von oben bis unten, sagte lapidar you are like animals! , und wandte sich wieder ab. Ihre Empörung hat seither kein bisschen nachgelassen. Nick kennt keinen Sikh näher. An der Rezeption des Campingplatzes mitten in Delhi saß, immer wenn er dort abstieg, ein älterer Sikh, der manchmal seinen Turban abgenommen hatte, um seine unglaublich langen, weißen Locken auszubürsten. Nick hatte dann das Gefühl als ob er ihn bei einer intimen Verrichtung überrascht hätte. Aber vermutlich dürfen Andere durchaus die offenen Haare sehen, die sonst immer vollständig vom Turban verborgen werden. Zumindest schien es den würdigen Alten nicht zu stören. Sein edles Antlitz, markant wie das einer Zeus-Statue, wurde umrahmt von dieser, im Neonlicht wie ein Heiligenschein leuchtenden Haarpracht, die ihm bis über die Schultern fiel. Er sah dann aus wie der Inbegriff des indischen Weisen, das Idealbild eines Guru. Er war aber nur ein einfacher Campingplatz-Betreiber, der tagaus tagein die langen Spalten seiner Anmeldebücher mit akribischer, kleiner Schrift ausfüllte. Was allerdings nicht ausschließt, dass er auch ein Weiser war. Nick möchte Sikhs nicht pauschal in ein schlechtes Licht rücken. Es gefällt ihm, dass sie meist gepflegt und respektabel aussehen, sonst weiß er nicht viel von ihnen. Aber er gibt aus Solidarität mit den Zweien ein Erlebnis zum Besten:

In Varanasi machte er sich eines Morgens Richtung Ganges auf. Er kam an einer Ladenzeile vorbei die teils noch geschlossen war. Bei einem der Läden, Nick glaubt sich zu erinnern, dass es ein Juwelier war, waren die Gitter schon hochgezogen. Vor der Tür lag eine alte, ausgemergelte Frau, notdürftig bedeckt mit einem dünnen Sari, direkt auf den Platten des Gehwegs. Es sah aus als sei sie tot, oder dem Tode nahe. Da öffnete sich die Tür und der beleibte Inhaber, ein Sikh, erschien. Als sei es das Normalste der Welt, stieg er mit einem großen Schritt über die Frau, ohne sie auch nur anzublicken. Dann blieb er stehen, und prüfte behaglich, den Bauch vorgestreckt und die Daumen hinter die Hosenträger geklemmt, den Morgenhimmel und die Verkehrslage. Nick war entsetzt, hatte das Gefühl unversehens in den Abgrund dieser Gesellschaft zu blicken. Dass Armut und Not als Folge eigenen Verschuldens betrachtet werden, ergibt sich aus der Lehre von Karma und Wiedergeburt. Solch eine Idee kann sich in einem Land wohl bis zu einem bestimmten Maß als allgemeine Mentalität, Ethnie und Religion übergreifend, ausbreiten. Nick kann aber mit Karma und Wiedergeburt nichts anfangen. Es gibt in der Idee zu viele logische Schwachstellen. Soweit Nick weiß, nennen sich die Sikhs die Gemeinschaft der Reinen . Was im Umkehrschluss bedeutet, dass Nicht-Sikhs weniger rein sind. Ein Konzept das es auch in anderen Religionen gibt, und das er sehr unsympathisch findet. Er bedauert, dass seine progressiven, weltläufigen Freunde in der Heimat dieses Problem meist vereinfachen, indem sie jede Kritik an einer anderen Religion und Kultur grundsätzlich, kulturrelativistisch, ablehnen. Das ist auch logisch widersprüchlich, weil sie die eigene Kultur durchaus vernichtend kritisieren. Sie beschädigen damit aus Selbsthass die Grundlage für Fortschritt. Denn wenn alle Religionen und Kulturen gleich sinnvoll und legitim wären, hätte es im europäischen Spätmittelalter auch keiner Aufklärung bedurft, und später keiner Säkularisierung. Gottesstaat, Aristokratie und Feudalismus wären nach wie vor in Ordnung. Er findet, dass nicht nur die Welt sehr komplex ist, sondern zugleich die Menschen denkfaul und opportunistisch. Aufklärung war ein Versuch der Entwirrung. Der wird zunehmend aufgegeben. Warum? Das menschliche Leiden ist zwar universell und unvermeidlich, aber er bevorzugt im Zweifel das Leiden eines bürgerlichen Freigeistes aus einem Godard-Film, gegenüber dem primitiven Leiden in einer religiös-patriarchalen Gesellschaft. Aber das zuzugeben, würde ein Dogma der modernen Ideologie des Kulturrelativismus und Postkolonialismus aufgeben. Die Kolonialmächte missbrauchten ja die Idee des Fortschritts, um ihre Herrschaft zu legitimieren. Um ihnen diese Legitimation zu entwinden, hat man nun die Idee des Fortschritts selbst relativiert. Nick findet diese Therapie schlimmer als die Krankheit, zumal die Krankheit des Kolonialismus ja, wie die Pest, längst verschwunden ist, vorausgesetzt dass sie nicht in ökonomischen Beziehungen weiter schwärt. Nick muss das mal klären, er fühlt sich da wenig kompetent. Was das Christentum betrifft, so spielt es in seinen Überlegungen allerdings keine Rolle mehr, seit im Alter von zwölf Jahren seine Telefonleitung zu Gott abrupt abgerissen ist. Wie so oft wollte er zu ihm beten, und bemerkte plötzlich, dass die Leitung tot ist, dass vermutlich nie jemand am anderen Ende war. Ein unvergesslicher Augenblick, eine der Zäsuren in seinem Leben. Dass der katholische Religionslehrer mal durchblicken ließ, dass irgendetwas damit nicht stimmt, dass Nicks Eltern unverheiratet sind, besorgte den Rest. Nick ist sich nicht ausreichend bewusst, dass viele seine Begeisterung für solche Grundsatzdebatten nicht teilen. Sie finden sie einfach langweilig. Den Augenblick genießen, nicht zu viel denken, das ist doch klug, oder? Auch hat Nick noch keinen eindeutigen politischen Standpunkt. Er verwirrt seine Gesprächspartner. Einer warf ihm vor eine Links-Rechts-Schwäche zu haben, er sei ein politisch Farbenblinder. Aber ist man ohne diese Brille nicht eher ein klarer Sehender?

Martin hört schweigend zu, das Kinn an- und die Augenbrauen hochgezogen, lächelt still in sich hinein, während Nick sprudelt. Er konzentriert sich darauf mit seinen langen Fingern...
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