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Gertrude grenzenlos

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
240 Seiten
Deutsch
Gerstenberg Verlag GmbH & Co. KGerschienen am01.07.20231. Auflage
Wer heißt denn schon Gertrude?! Gertrude ist neu in Inas Klasse und sie ist anders als alle Mädchen, die Ina kennt: Sie trägt Westklamotten, ihr Lächeln haut einen um und niemand hat so klare blaue Augen. Aber Gertrude ist auch deshalb anders, weil ihr Vater Dichter ist und die Familie einen Ausreiseantrag gestellt hat. Damit sind sie in den späten 70er-Jahren in der DDR Staatsfeinde. Nicht nur die Schule ist gegen ihre Freundschaft, auch Inas Mutter macht sich große Sorgen. Alles gerät aus den Fugen. Was soll man machen, wenn man die Freundin fürs Leben gefunden hat, aber alles so kompliziert ist? Ina und Gertrude schmieden einen Plan: Kommando Rose, um ihre Freundschaft gegen alle Widerstände leben zu können. Eine Geschichte über eine große Freundschaft - einfühlsam, direkt und mitreißend erzählt.

Judith Burger ist 1972 in Halberstadt geboren und lebt seit fast dreißig Jahren in Leipzig. Nach ihrem Studium der Kultur- und Theaterwissenschaften arbeitete sie lange Zeit als Werbetexterin. Seit einigen Jahren ist sie redaktionelle Mitarbeiterin bei MDR Kultur. Außerdem schreibt sie Radio-Features. Ihre Kinderromane Gertrude grenzenlos und Roberta verliebt wurden von Presse und Lesern begeistert aufgenommen. 2019 erhielt sie für Gertrude grenzenlos den Gustav-Heinemann-Friedenspreis. www.judith-burger.de
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR12,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextWer heißt denn schon Gertrude?! Gertrude ist neu in Inas Klasse und sie ist anders als alle Mädchen, die Ina kennt: Sie trägt Westklamotten, ihr Lächeln haut einen um und niemand hat so klare blaue Augen. Aber Gertrude ist auch deshalb anders, weil ihr Vater Dichter ist und die Familie einen Ausreiseantrag gestellt hat. Damit sind sie in den späten 70er-Jahren in der DDR Staatsfeinde. Nicht nur die Schule ist gegen ihre Freundschaft, auch Inas Mutter macht sich große Sorgen. Alles gerät aus den Fugen. Was soll man machen, wenn man die Freundin fürs Leben gefunden hat, aber alles so kompliziert ist? Ina und Gertrude schmieden einen Plan: Kommando Rose, um ihre Freundschaft gegen alle Widerstände leben zu können. Eine Geschichte über eine große Freundschaft - einfühlsam, direkt und mitreißend erzählt.

Judith Burger ist 1972 in Halberstadt geboren und lebt seit fast dreißig Jahren in Leipzig. Nach ihrem Studium der Kultur- und Theaterwissenschaften arbeitete sie lange Zeit als Werbetexterin. Seit einigen Jahren ist sie redaktionelle Mitarbeiterin bei MDR Kultur. Außerdem schreibt sie Radio-Features. Ihre Kinderromane Gertrude grenzenlos und Roberta verliebt wurden von Presse und Lesern begeistert aufgenommen. 2019 erhielt sie für Gertrude grenzenlos den Gustav-Heinemann-Friedenspreis. www.judith-burger.de
Details
Weitere ISBN/GTIN9783836992077
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum01.07.2023
Auflage1. Auflage
Seiten240 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4222 Kbytes
Artikel-Nr.12100539
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2

Es fühlt sich an, als hätte ich eine Freundin. Alles ist anders als vorher. So war es noch nie. Bei Gertrude habe ich immer das Gefühl, richtig zu sein. Sie ist himmlisch. Ich weiß, das hört sich bescheuert an. Aber es ist so. Mit Gertrude ist es einfach so. Wir tauschen unsere Frühstücksbrote, laufen eingehenkelt die ganze Hofpause umher, lesen uns Sachen vor, schreiben uns Briefe, obwohl wir nebeneinander sitzen. Einmal hat sie mir einen französischen Zopf geflochten. Und eben - es ist gerade Schulschluss - hat mich Gertrude gefragt, ob ich mit zu ihr nach Hause komme auf einen Besuch. Ich geh natürlich mit. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als zu sehen, wie Gertrude wohnt. Es kommt ein bisschen plötzlich und ich habe auch nicht um Erlaubnis gefragt, aber ich bin ja wieder zu Hause, bevor Mutti heimkommt.

Als ich mit Gertrude geradewegs den Domplatz ansteuere, wird es mir fast ein bisschen mulmig. Dabei mache ich gar nichts Schlimmes. Ich besuche einfach eine Freundin. Da ist ja wohl nichts Schlimmes bei? Aber als ich plötzlich auf der anderen Straßenseite Frau Wendlers erstauntes Gesicht sehe, die dort mit zwei Einkaufsbeuteln steht, weiß ich, dass es nicht selbstverständlich ist, Gertrude zu besuchen.

»Ich frage mich, ob wir Ärger bekommen?«, sage ich zu Gertrude, als sie die Tür öffnet.

Kaum bin ich in Gertrudes Haus, denke ich an all das nicht mehr. Wie es hier aussieht! Die anderen Wohnungen, die ich sonst so kenne, sehen so aus wie unsere. Irgendwie alle gleich. Viele haben sogar die gleichen Möbel. Und die meisten Wohnungen, die ich kenne, sind furchtbar ordentlich. Aber diese Wohnung hier ist anders. Sie ist vollgestellt mit Möbeln, die teilweise ganz schön alt aussehen. Also richtig alt, fast schon ein bisschen kaputt. An den Wänden stehen Regale, die komplett mit Büchern vollgestopft sind, waagerecht, senkrecht, wie grad Platz ist. Dann hängen überall Setzkästen, in denen lauter hübsche Sachen verstauben: kleine Püppchen, Kerzenleuchter, Tassen, Vasen, Figuren ... und in der Mitte des großen Zimmers steht ein Flügel.

Gertrude lacht laut, als sie sieht, wie ich mit offenem Mund dastehe und alles bestaune. Dann kommt eine Frau ins Zimmer. Ihre langen Haare sind unordentlich aufgesteckt und sie trägt ein weites Kleid, an dem eine riesige Brosche prangt, die einem sofort ins Auge fällt. Also, ich vermute, dass es eine Brosche ist, denn ich habe noch nie etwas Vergleichbares gesehen. Sie scheint aus Holz oder Leder gemacht zu sein, zumindest sind Holzkugeln mit drin verarbeitet, ich kann auch ein Stück Strick sehen. Das absolut Merkwürdige daran: Man kann nicht erkennen, was sie darstellt, obwohl sie ziemlich groß ist. Ich meine, sie sieht nicht aus wie eine Blume oder so. Normalerweise legt man sich doch Schmuck an, um sich damit zu schmücken, das heißt ja auch, dass man den Schmuck dann besonders schön findet. Oder? Ich trage keinen Schmuck, aber Mutti hat Ohrringe aus Perlen und welche, die aussehen wie Blümchen, und sie hat jede Menge Armreifen in verschiedenen Farben, die sie dann passend zur Pulloverfarbe trägt. Wenn diese Frau also diese komische Brosche anlegt, muss sie sie ja irgendwie schön finden. Die Frau bemerkt meine Blicke und lacht.

»Diese Brosche habe ich selbst gemacht. Ich nenne sie Gewitterfront .«

Ich starre die Frau mit offenem Mund an. Ich höre, wie Gertrude lacht und dann sagt:

»Mutter, das ist Ina aus meiner Klasse.«

Mutter? Gertrude sagt »Mutter« zu ihrer Mutter und nicht »Mutti« wie alle anderen Kinder. Irgendwie ist bei Gertrude alles anders.

Ich gebe Gertrudes Mutter die Hand.

»Kannst Vera zu mir sagen, Ina. Freut mich, dass du hier bist. Gertrude hat schon viel von dir erzählt.«

»Guten Tag, Frau Vera«, murmele ich und ich kann spüren, dass ich knallrot werde.

Jetzt lacht Gertrudes Mutter laut auf: »Nur Vera, Ina, ohne Frau. Ich heiße Vera.«

Dann zeigt mir Gertrude den Rest der Wohnung. In der Küche steht ein riesiger Tisch mit vielen Stühlen. An der einen Wand befindet sich ein uraltes weinrotes Sofa mit vielen Kissen. Ein Sofa in der Küche, Mutti würde die Krise kriegen. An der Wand hängen ganz viele Bilder. Fotos von Kindern. Wilde Zeichnungen, die mit einem schwarzen Stift gemacht wurden. Und überall Unordnung. Ich könnte die ganze Zeit alles anschauen.

Dann führt mich Gertrude die Treppe hoch und oben vorbei an mehreren Türen.

»Das ist das Zimmer von Theodor und Wilhelm, da drüben wohnt Bettine und ganz am Ende des Flures hat Gotthold sein Reich.«

Wer in aller Welt ist das? Ich glaube nicht, dass es sich bei Bettine und Gotthold um Meerschweinchen handelt. Gertrude sieht mein fragendes Gesicht.

»Meine Geschwister.« Gertrude lächelt ihr Lächeln.

Moment! Ich zähle nach. »Ihr seid fünf Geschwister???«

Gertrude lacht und öffnet eine Tür zu einem Zimmer, es ist ihr Zimmer, das sehe ich sofort. Es ist sparsam eingerichtet. Wie Gertrude. Also, Gertrude ist natürlich nicht sparsam eingerichtet, aber sie ist so ruhig und aufgeräumt. Es gibt ein großes Bett, auf dem eine bunte Decke liegt. Ein kleiner Schreibtisch steht am Fenster, daneben ein Tisch mit Bücherstapeln. An den Wänden kleben Tierplakate, ich sehe auffällig viele Schildkröten und Füchse.

»Sind das deine Lieblingstiere?«

Gertrude nickt. »Schildkröten haben so ein kluges, verschmitztes Gesicht. Außerdem sind sie tapfer. Sie brauchen ewig, um von A nach B zu kommen, und lassen sich nicht beirren. Du musst mal den Gesichtsausdruck einer Schildkröte beobachten, wenn sie sich bewegt. Die Meeresschildkröten verbuddeln ihre Eier im Sandstrand. Wenn die kleinen Schildkröten schlüpfen, müssen sie ganz allein ins Wasser krabbeln, erst dann sind sie in Sicherheit. Aber auf dem Weg dahin kreisen Vögel über ihnen in der Luft, die nur darauf warten, die kleinen Schildkröten zu greifen und zu fressen. Aber sie lassen sich nicht beirren.«

Das ist Gertrude. Wer bitte schön hat je eine Schildkröte auf diese Weise betrachtet? Wenn Kathrin ein Tier mag, dann schreit sie nur: »Oh, wie süß!«

»Und Füchse finde ich einfach süß«, fügt Gertrude hinzu.

Na gut. Ist ja auch nichts Schlimmes bei, wenn man jemanden süß findet.

»Setz dich ruhig«, sagt Gertrude. Sie geht an einen kleinen Schrank und holt eine Schale mit Gummitierchen. Und: Es sind West-Gummitiere.

»Die schmecken so gut!«, rufe ich, den Mund voll mit einer klebrigen Masse, und muss aufpassen, dass ich vor Gier nicht unhöflich werde. Gertrude isst sowieso nur wenig davon. Sie scheint immer vernünftig zu sein.

»Gertrude, warum hast du so viele Sachen aus dem Westen?«

»Wir bekommen viele Westpakete. Vater hat viele Freunde drüben. Und ein Teil unserer Familie wohnt auch dort.«

Den letzten Satz sagt sie leiser. Ich höre auf zu kauen. Denn das ist was Ernstes. Ich sage nichts, denn ich weiß, dass Gertrude von allein weitersprechen wird, so gut kenne ich sie schon. Es dauert nur eine Weile.

»Mein Onkel, also Vaters Bruder, wohnt in Westberlin.«

Wenn Gertrudes Onkel in Westberlin wohnt, heißt das, dass sie ihn eigentlich nie sieht. Und ihr Vater bestimmt auch nicht. Denn Menschen aus der DDR fahren nicht in den Westen, da ist eine Grenze, und die ist bewacht. Nur wenige dürfen aus besonderen Gründen nach Westdeutschland fahren.

»Onkel Paul hat einmal hier gewohnt. Aber dann ist er für immer ausgereist.«

Und das ist hart. Denn wer einmal die DDR verlässt, wenn er überhaupt die Erlaubnis dafür bekommt, kann so gut wie nie wieder zurück. Das muss sehr traurig sein für Gertrude. Ich sitze immer noch unbeweglich da und traue mich nicht weiterzukauen. Inzwischen ist die klebrig-süße Gummitiermasse in meinem Mund größer geworden und droht an den Mundwinkeln herauszufließen. Aber wenn ich weiterkaue, wird es schmatzen. Und ein Schmatzgeräusch wäre in diesem Moment echt überflüssig. Die Masse in meinem Mund wird noch größer. Es geht nicht anders, ich muss meinen süßen Speichelstrom zurückschlürfen, und das geht nur laut. Sehr laut. Gertrude sieht mich irritiert an. Jetzt habe ich alles kaputt gemacht. Gertrude schweigt und das macht mein Kauen noch lauter. Ich habe das Gefühl, meine Schluckgeräusche hallen im Raum wider. Beschämt senke ich den Kopf. Warum passiert mir das denn immer? Wir sitzen nebeneinander auf dem Bett. Und dann schießt mir urplötzlich das Richtige in den Kopf:

»Vermisst du ihn, deinen Onkel Paul?«

Gertrude nickt. Dann klopft es an der Tür. Gertrudes Mutter kommt rein. Gertrudes Mutter klopft an, bevor sie das Zimmer ihrer Tochter betritt....
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Autor

Judith Burger ist 1972 in Halberstadt geboren und lebt seit fast dreißig Jahren in Leipzig. Nach ihrem Studium der Kultur- und Theaterwissenschaften arbeitete sie lange Zeit als Werbetexterin. Seit einigen Jahren ist sie redaktionelle Mitarbeiterin bei MDR Kultur. Außerdem schreibt sie Radio-Features. Ihre Kinderromane Gertrude grenzenlos und Roberta verliebt wurden von Presse und Lesern begeistert aufgenommen. 2019 erhielt sie für Gertrude grenzenlos den Gustav-Heinemann-Friedenspreis.
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