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Jakob hinkt nicht mehr

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
238 Seiten
Deutsch
BoD - Books on Demanderschienen am14.07.20231. Auflage
Eigentlich ist Kommissarin Kristin Neven nach einer Coronainfektion schwer an ME/CFS erkrankt und im Vorruhestand. Dann aber wird ihr Hausmitbewohner Jakob Schäfer direkt unter ihrem Balkon tot aufgefunden. Kristin Neven packt die Lust am Ermitteln. Obwohl ihre Kraft nur für etwa eine Stunde am Tag reicht, begibt sie sich auf die Suche nach dem Mörder oder der Mörderin. Dabei gerät sie in eine religiöse Gruppierung, die mit Hilfe der Bibel und des Gebets ihre Mitmenschen manipuliert.

Maria A. Sinning, Jahrgang 1971, lebt mit ihrer Frau und ihren zwei Hunden im Süden Deutschlands. Sie ist schwer von LongCovid und ME/CFS betroffen.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR11,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR4,99

Produkt

KlappentextEigentlich ist Kommissarin Kristin Neven nach einer Coronainfektion schwer an ME/CFS erkrankt und im Vorruhestand. Dann aber wird ihr Hausmitbewohner Jakob Schäfer direkt unter ihrem Balkon tot aufgefunden. Kristin Neven packt die Lust am Ermitteln. Obwohl ihre Kraft nur für etwa eine Stunde am Tag reicht, begibt sie sich auf die Suche nach dem Mörder oder der Mörderin. Dabei gerät sie in eine religiöse Gruppierung, die mit Hilfe der Bibel und des Gebets ihre Mitmenschen manipuliert.

Maria A. Sinning, Jahrgang 1971, lebt mit ihrer Frau und ihren zwei Hunden im Süden Deutschlands. Sie ist schwer von LongCovid und ME/CFS betroffen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783757857608
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum14.07.2023
Auflage1. Auflage
Seiten238 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse447 Kbytes
Artikel-Nr.12145552
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Donnerstag

Träumte sie?

Ein Stimmengewirr drang durch das offene Fenster in ihr Schlafzimmer und erfüllte den Raum mit Gemurmel, Geräuschen und wohlvertrauten Klängen. Die Stimmen waren so vertraut, klangen wie ihre ehemaligen Kollegen. Sie hörte Gespräche über Fotos, Spuren und Tatwaffen, die Witzeleien nebenher. Wie früher, wenn wir mit der Mordkommission zu einem neuen Fall kamen dachte sie.

Nur langsam dämmerte es Kommissarin Kristin Neven, dass sie tatsächlich die Stimmen ihrer ehemaligen Kollegen hörte. Offensichtlich stand direkt unter ihrem Balkon eine beachtliche Abordnung der Freiburger Mordkommission, und genau dort schien auch ein Mordopfer zu liegen: unmittelbar unter ihrem Balkon, neben ihrem Hochhaus am Moosweiher, im Freiburger Stadtteil Landwasser. Sie schaute auf die Uhr: Fünf Uhr dreißig. Früher wäre sie um diese Zeit längst munter gewesen. Aber seit ihre Erkrankung sie in den einstweiligen Ruhestand gezwungen hatte, brauchte sie morgens deutlich länger, bis sie überhaupt nur aufstehen konnte.

Ein Mord, direkt unter ihrem Balkon - und sie konnte nicht mitermitteln. In diesem Moment traf sie der Schmerz über den Verlust ihres Berufs tiefins Herz. Mühsam hatte sie in den Monaten seit ihrer Erkrankung versucht zu lernen, ihren heißgeliebten Beruf loszulassen und nicht mehr so wichtig zu nehmen. Mühsam hatte sie gelernt, sich an den kleinen Spaziergängen zu erfreuen, die sie früher in einer halben Stunde erledigt hätte, und die nun ein Tagewerk waren. Mühsam hatte sie gelernt mit dem Alleinsein umzugehen, anstatt sich begeistert in das Getümmel einer Mordermittlung zu stürzen. Sie hatte vieles innerlich loslassen müssen, bis sie sich mit den wenigen Möglichkeiten, die ihr die Krankheit ließ, einigermaßen arrangiert hatte. Aber nun, da ihre ehemaligen Kollegen in Hörweite und unter ihrem Fenster arbeiteten, wollte sie an ihrer elenden Situation verzweifeln.

Vorsichtig schlich sie sich auf den Balkon. Sie wollte nicht von ihren ehemaligen Kollegen gesehen werden. Als Kommissarin wusste sie, wie sehr man es bei der Mordkommission hasste, wenn Schaulustige am Tatort waren. Und da sie nicht mehr Teil der Mordkommission war, galt sie nur noch als das: als lästige Schaulustige, die am Tatort nichts zu suchen hatte. Zudem nahm es der Chef der Ermittlung, Nils Baumgart, dessen Stimme wie immer laut aus dem Gewirr herausstach, bei diesen Dingen sehr genau. Jeder Schaulustige wurde verscheucht wie lästige Fliegen.

Nils Baumgart hatte, kaum dass die Kommissarin vergangenen Herbst frühpensioniert war, ihren Posten als Chefermittler übernommen. Nun ließ er keine Gelegenheit aus kundzutun, dass er diesen Posten viel besser ausfüllte als sie. Man hätte ihn schon vor Jahren bei der Beförderung berücksichtigen müssen - eine Sicht, die seine Untergebenen nicht teilten, vor allem nicht die weiblichen.

Die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne beschienen den Tatort und alle, die ihn aufnahmen. Auf der Wiese um ihr Hochhaus herum herrschte das vertraute, bunte Gewimmel aus Kommissaren, Technikerinnen und Polizisten in Uniform. Wie immer zeigten die einzelnen Beteiligten unterschiedlichen Ehrgeiz, sich in die Arbeit einzubringen. Mitten im Gewusel der Tatortsicherung stand Nils Baumgart und hatte die Oberaufsicht übernommen. Damit war seiner Ansicht nach seine Aufgabe hinreichend erfüllt. Seit er die Leitung übertragen bekommen hatte, arbeitete er in erster Linie mit seinen zwei Zeigefingern. Mit dem rechten deutete er jeweils auf einen Kollegen, mit dem linken auf eine Aufgabe: Du machst das, du übernimmt das! bellte er dabei. Als sie Nils Baumgart bei seiner Arbeitseinteilung beobachtete, fragte sich die Kommissarin einen kurzen Augenblick, ob die Frühpensionierung nicht zumindest besser sei als so einen Vorgesetzten zu haben.

Ihre Blicke wanderten weiter über die Szenerie. Fasziniert beobachtete sie zwei Polizisten in Uniform, die es sich geschickt hinter der Hecke zum Nachbar-Hochhaus gemütlich gemacht hatten. Wann immer jemand sich zu ihnen umdrehte, taten sie so, als suchten sie auch dort nach verwertbaren Spuren. Bei dieser Art von Eifer würden sie nicht viele finden.

Jetzt entdeckte Kristin auch ihr beste Freundin und liebste Kollegin Katja Berg. Sie stand etwas abseits und betrachtete den Tatort schweigend und unbeweglich. Kristin und Katja waren unzertrennlich seit der Polizeischule, genauer gesagt, seit jener legendären Polizeischul-Party, bei der die Feierfreude so eskaliert war, dass sogar überregionale Zeitungen darüber berichtet hatten. Beinahe wären Kristin und Katja hinterher von der Polizeischule geflogen. Das hatte die Beiden für immer zusammengeschweißt - und ihnen den Spitznamen K2 eingebracht.

Katja hielt sich etwas entfernt von Nils Baumgart, und Kristin wusste warum. Er duldete um sich herum nichts, das nach Stillstand aussah. Katja aber sog den Tatort immer auch eine Zeitlang still in sich auf, ließ die Gedanken sich selbst sortieren: Sie versuchte sich auszumalen, wie genau die Tat passiert sein könnte. Ihr inneres Auge drehte gleich mehrere Filme mit möglichen Tathergängen. Mal kam ein möglicher Täter von rechts, mal die Täterin von links. Mal kannten sich die Beiden und stritten vor der Tat, mal war es ein Überfall aus dem Hinterhalt. Während sie diese inneren Filme an Ort und Stelle ablaufen ließ, achtete sie auf Stimmigkeit und eventuelle Ungereimtheiten. Schon oft waren ihr dabei Kleinigkeiten aufgefallen, die später entscheidend zur Aufklärung des Falles beigetragen hatten.

Auch Katja hatte, trotz ihrer inneren Filmarbeit, ihre Freundin Kristin schnell entdeckt, ließ sich aber nichts anmerken. Sie wusste, dass auch ihre Freundin den Tatort begutachten wollte, und ließ sie gewähren.

Vorsichtig beugte sich Kristin nun über die Reling ihres Balkons. Dort lag das Mordopfer. Es war Jakob Schäfer, ihr Nachbar aus einer der oberen Etagen. Jemand hatte ihm mit voller Wucht ein Küchenmesser von beachtlicher Größe in die Magengegend gerammt. Wer immer das getan hatte, musste sehr wütend gewesen sein. Die ganze Szenerie erzählte von Emotionen, Wut, Zorn, Verzweiflung. Am Ende dieser Emotionen lag Jakob Schäfer geradezu filmreif unter Kristins Balkon: Das rote Blut hatte auf dem weißen Hemd des Mordopfers fast schon ästhetisch schöne Formen hinterlassen. Hätte Kristin dieses Bild in einem Fernsehkrimi gesehen, sie hätte schallend gelacht. Es war zu unwirklich, fast inszeniert. Aber hier hatte der Zufall tatsächlich dieses filmreife Bild gemalt: Auf der grünen Wiese lag Jakob Schäfer. Auf seinem weißen Hemd kam das Rot des Blutes besonders gut zur Geltung. Die blaue Hose und die beigefarbene Jacke machten das Farbenspiel perfekt.

Kristin Neven versuchte sich das Messer genauer anzuschauen, so genau es ihr von ihrem Balkon aus möglich war. Es schien deutlich größer als eines, das Menschen für ein Picknick am Moosweiher im Handgepäck dabei hatten. Gleichzeitig aber sah es für jemanden, der gern gefährliche Waffen und Messer mit sich herum trug, zu sehr nach Küche aus. So ein Messer hatte man nicht einfach so dabei. Kristin Nevens erster Gedanke war: Der Täter stammt aus unserem oder aus dem Nachbarhochhaus. Er hat sich das Messer aus seiner Küche mitgebracht, als er Jakob Schäfer unten auf der Wiese stehen sah. Jakob Schäfer wurde von einem Nachbarn ermordet. Der Täter oder die Täterin wohnt im Haus, hatte eine extreme Wut auf Jakob Schäfer, und jetzt fehlt ihm oder ihr ein Messer.

Kristin konnte sich nicht recht vorstellen, wieso irgendjemand wütend auf das Mordopfer sein konnte. Nicht dass sie ihren Nachbarn gut gekannt hätte. Aber in den zufälligen Begegnungen mit ihm hatte sie ihn als höflichen, zugewandten Menschen kennen gelernt. Zwei Dinge fielen ihr spontan zu ihm ein: dass er sein linkes Bein auffallend hinterher gezogen hatte, und dass er für Kristins Geschmack seinen christlichen Glauben etwas zu offensiv vor sich her getragen hatte. Einmal hatte er sie in ein langes Gespräch verwickelt, warum sie nicht aus der Kirche austrat und statt dessen seine Glaubensgemeinschaft unterstützte. Die Kirche sei doch gar nicht fromm genug, hatte er ihr nahegelegt. Aber sie meinte nur: wenn ich austrete, dann, weil mir meine Kirche zu fromm wird! Danach hatte er nicht mehr von dem Thema angefangen. Er grüßte, hielt die Tür auf, unterhielt sich kurz mit ihr und den anderen Hausbewohnern. Man konnte sich nicht vorstellen, dass ihm irgendwer Böses wollte. Nun aber lag er tot unter ihrem Balkon, ermordet - wahrscheinlich von jemandem aus diesem oder aus dem Nachbarhaus.

Dreißig Jahre bei der Mordkommission bereiten einen nicht auf den Moment vor, in dem man realisiert, dass man möglicherweise Tür an Tür mit einem Mörder oder einer Mörderin wohnt. Über hundert Menschen wohnten in Kristin Nevens Hochhaus. Alle kamen als potentielle Täter oder Täterin in Frage. Wie sollte sie ihnen noch unbefangen gegenüber treten? Wenn sie sich weiter in ihrem Haus wohlfühlen wollte, musste der Täter schnell gefunden...
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