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Unsere blauen Nächte

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
240 Seiten
Deutsch
Loewe Verlagerschienen am19.07.2023
Ausgezeichnet mit dem Harzburger Eselsohr der Stadt Bad Harzburg Oscar und seine Freunde lieben es, zu feiern. Alkohol darf dabei nicht fehlen. Als Oscars sechzehnter Geburtstag aus dem Ruder läuft, stehen für ins Sozialstunden auf einem Gnadenhof auf dem Plan. Dort muss er sich um den Hund kümmern, dem er im Rausch Alkohol eingeflößt hat. Je mehr Zeit Oscar auf dem Gnadenhof verbringt, desto mehr stellt er sich Fragen nach dem Sinn des Lebens und wahren Freundschaft. Die Geschichte beschreibt eindrücklich, welch große Rolle Alkohol im Leben vieler Jugendlicher spielt und wie schnell der Konsum zum Zwang wird.

Annette Mierswa war bereits für Film, Theater und Zeitung tätig und arbeitet heute als freie Autorin in Hamburg. Ihre Kinder- und Jugendbücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt, mit diversen Preisen ausgezeichnet und 'Lola auf der Erbse' auch verfilmt. Annette Mierswa hat ein Stipendium des deutschen Literaturfonds erhalten und bietet Lesungen und Schreibworkshops an. Sie hat zwei Hamburger Jungs. Mehr über die Autorin unter annettemierswa.de.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR9,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextAusgezeichnet mit dem Harzburger Eselsohr der Stadt Bad Harzburg Oscar und seine Freunde lieben es, zu feiern. Alkohol darf dabei nicht fehlen. Als Oscars sechzehnter Geburtstag aus dem Ruder läuft, stehen für ins Sozialstunden auf einem Gnadenhof auf dem Plan. Dort muss er sich um den Hund kümmern, dem er im Rausch Alkohol eingeflößt hat. Je mehr Zeit Oscar auf dem Gnadenhof verbringt, desto mehr stellt er sich Fragen nach dem Sinn des Lebens und wahren Freundschaft. Die Geschichte beschreibt eindrücklich, welch große Rolle Alkohol im Leben vieler Jugendlicher spielt und wie schnell der Konsum zum Zwang wird.

Annette Mierswa war bereits für Film, Theater und Zeitung tätig und arbeitet heute als freie Autorin in Hamburg. Ihre Kinder- und Jugendbücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt, mit diversen Preisen ausgezeichnet und 'Lola auf der Erbse' auch verfilmt. Annette Mierswa hat ein Stipendium des deutschen Literaturfonds erhalten und bietet Lesungen und Schreibworkshops an. Sie hat zwei Hamburger Jungs. Mehr über die Autorin unter annettemierswa.de.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783732019601
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum19.07.2023
Seiten240 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2372 Kbytes
Artikel-Nr.12163428
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


3

Um den Hauseingang herum hingen lauter Luftballons und dazwischen ein besonders großer, mit einer Sechzehn darauf. Als ich die Tür öffnete, duftete es nach meinem Lieblingsessen, Kartoffelgratin.

»Mama?«

Niemand reagierte.

Auf dem Esstisch war ein Platz für mich dekoriert. Eine Linzer Torte von König & König, mit sechzehn Kerzen. Und daneben eine Nachricht von Mama, mit dem Hinweis auf das Essen in der Mikrowelle und der Info, dass Papa noch eine dringende geschäftliche Verabredung hätte und sie zu ihrer Freundin Rachel müsse, der es gerade sehr schlecht ginge. Ich hatte ja leider nur Geburtstag, konnte keinen Megadeal anbieten oder mit Selbstmordabsichten aufwarten.

Ich zündete die Kerzen an, sang mir selbst ein Ständchen und pustete die Kerzen wieder aus. Dabei dachte ich an Julia. Und Bella. Dann an Flinte und Puschkin, das Wasser, das ich nicht trinken konnte. Shit.

Ich öffnete den Kühlschrank und blickte auf die Moët & Chandon-Schampusflasche, die mit tausend Flüchen belegt war, sollte ich es wagen, sie anzurühren. Ha. Eine lag da immer, für besondere Anlässe. Wenn Papa einen Moët köpfte, dann war gute Laune angesagt, irgendwas war supi gelaufen und der Tag versprach entspannt zu werden. Warum sollte ich dieses Recht nicht auch haben? Schließlich war mein Geburtstag ja wohl verdammt noch mal auch ein besonderer Anlass. Selbst wenn Papa es bevorzugte, mit irgendwelchen wahnsinnig wichtigen Leuten essen zu gehen. Scheiß drauf!

Ich ließ den Korken knallen und füllte ein langstieliges Glas aus der Vitrine, eines von den edlen. Weil da auch Papas Whisky stand, trank ich einen Schluck aus der Flasche. Papa liebte den Whisky nämlich mehr als den Moët, vielleicht sogar mehr als Mama ... Von Mama war er besessen und oft grob, wenn er ihr nicht traute. Aber mit dem Whisky - der ja logischerweise immer zu ihm hielt - pflegte er eine absurd zärtliche Beziehung. Ich fand den Geschmack ekelhaft. Dennoch nahm ich einen zweiten Schluck, als könnte ich meinem Erzeuger damit voodoomäßig Schmerzen zufügen.

»Lieber Oscar«, ich nahm das Schampusglas und ließ es an die Whiskyflasche klirren, »wir erheben das Glas auf dich, du verdammter Idiot.« Damit kippte ich das Zeug auf ex herunter. Eine viel zu große Luftblase quälte sich durch meine Speiseröhre, trotzdem schenkte ich nach. Diesmal trank ich etwas langsamer. Was an dem teuren Gesöff nun besser war als an dem billigen Fusel von der Blauen Lagune, war mir ein Rätsel. Ich stand eh nicht so auf das Prickelzeug. Bier war mir lieber. Aber hier ging es ums Prinzip. Für meinen Vater war der Schampus ein Symbol seiner Potenz, sprich Kohle. Ein Moët im Kühlschrank, das fand er cool.

Das dritte Glas trank ich zur Linzer. Und dann öffnete ich einen crèmefarbenen Umschlag, der neben dem Teller lag. Fünfhundert Euro in Hunderterscheinen! Wow! Nicht kleckern, klotzen. Auch so ein Spruch von meinem Vater, der nicht müde wurde zu erzählen, aus was für einfachen Verhältnissen er kam und welches Glück ich hätte, so leben zu können und so weiter und so fort. Ich nahm hundert Euro und steckte sie in den Umschlag zurück, den ich später bei Frau Bronner einwerfen wollte. War so ein Sozialprojekt von mir geworden, die Bronner. Jedenfalls hatte ihr Auto wieder einen neuen Außenspiegel.

Flinte brachte manchmal den Spruch, dass Kohle ja nicht alles sei. Dann fuhr er sich durch die perfekt gelockten Haare und stellte sich adonismäßig in Pose. Ich lachte immer über seinen Witz und ließ mir nicht anmerken, dass ich ihn gar nicht witzig fand, denn Fakt war: Flinte war vielleicht nicht reich, sah aber verdammt gut aus. Und irgendwie schaffte er es immer, dass andere für ihn bezahlten, allen voran sein bester Kumpel Oscarowitsch. Zwar war ich selbst nicht gerade hässlich, würde eher sagen, durchschnittlich gutaussehend, aber wenn eine Gruppe Mädchen an uns vorbeilief, dann beachteten alle - wirklich ALLE - nur Flinte. Das war schon deprimierend. Er hatte sogar mal gemodelt. War einfach auf der Straße angesprochen worden. Wem passierte denn so was, bitte schön?

Bing. Eine Nachricht von Julia.

War das mit dem Durchmachen Flintes Idee?

Ja, war es!, brüllte mein Herz. Aber die Freude darüber, dass sie auf der richtigen Spur war, verflog sofort, als mir klar wurde, dass ich das so nicht schreiben konnte, ohne Flinte in den Rücken zu fallen. Warum klärten die beiden ihren Scheiß nicht einfach allein?

In meinem Kopf hämmerte eine Mördermaschine und forderte Taten, Entscheidungen, Stellungnahmen. Ich nahm noch ein paar Schlucke aus dem Glas. Die Maschine drosselte ihre Geschwindigkeit. Dann schaute ich wieder auf das Display. Die Buchstaben waren verschwommen. So verschwommen wie alles gerade, meine Probleme, mein Leben, alles. Und das tat gut. Ich entspannte mich in diesen diffusen Raum des wohligen Nichts. Versank in seligem Selbstmitleid und dachte daran, melancholische Liebesgedichte zu schreiben, die ich anschließend verbrennen würde. Schließlich nahm ich die Schampusflasche und torkelte in mein Zimmer, wo ich die Tür von innen schloss und mir gepflegt einen runterholen wollte. Aber ich bekam keinen hoch. Happy Birthday, Meister des Selbstmitleids.

»Wo ist der Moët?« Papa rüttelte an meinem Arm und schreckte mich aus Pfirsichträumen. Seine Augen wurden immer größer, während sein Blick an etwas außerhalb meines Gesichtsfelds hängen blieb. Er griff danach und starrte eine fast leere Flasche an. Die Farbe seines Gesichts änderte sich so schnell wie in einer Zeitrafferaufnahme. Großes Kino. »Das findest du auch noch lustig?« Au! Der Ton war eindeutig zu laut eingestellt. »Oscar. Verdammt. Jetzt hör mir mal zu.« Er schwenkte die Flasche viel zu nah vor meinen Augen hin und her. Ich wollte danach greifen, verfehlte sie aber. »Wir hatten eine Abmachung, Freundchen.«

»Eine? Ohohoh ... da war doch noch was?«

»Wie konntest du es wagen, diese Flasche zu öffnen?«

»Is´ ´n besonnerer Anlass, nä?«

Mama kam hereingestürzt, meine schöne Mama, die sich vor Verehrern kaum retten konnte und die Papa regelmäßig in Eifersuchtsanfälle trieb, wenn sie nur einen Handwerker in seiner Abwesenheit in die Wohnung ließ.

»Um Gottes willen, Oscar.« Sie drängte sich an Papa vorbei und umarmte mich. »Was ist passiert?«

»Gebursdag. Sechsehnder.«

Plötzlich wurde mir schlecht. Ich sprang auf, stürzte an ihr vorbei und schaffte es gerade noch zur Toilette, bevor ich mich übergeben musste. Mama quiekte panisch. Als ich mir den Mund ausspülte, stand sie mit dem Handy neben mir.

»Ich ruf den Notarzt.«

»Blödsinn.« Papa nahm ihr das Smartphone aus der Hand und legte es auf die Kommode. »Das ist ein stinknormaler Rausch. Da hat dein Sohn ja schon Erfahrungen drin.«

»Mir gehs schon wieda gud, Mama.«

»Wirklich?«

»Ja. War niemand sum Ansdosen da. Hab mit mir selbs...«

»Auf deine Mathearbeit?« Papa wollte mich unter die Dusche dirigieren, aber darauf hatte ich nun gar keine Lust und hielt mich am Waschbecken fest. »Weißt du, was du gerade tust? Du fährst dein Leben an die Wand. Du verspielst alles, was wir dir ermöglichen. Wenn du so weitermachst, Freundchen, dann landest du in der Gosse.« Endlich ließ er mich los. »Und ich werde dich da nicht rausholen.«

»Holger, hör auf.« Mama legte einen Arm um mich. »Wegen zwei Gläsern Champagner geht die Welt nicht unter.«

»Drei Gläser«, verbesserte ich sie grinsend.

»Wisst ihr eigentlich, dass ich uns heute einen neuen Auftrag verschafft habe, der die Portokasse ordentlich aufbessert?« Papa schwenkte einen Zeigefinger hin und her und mir wurde schwindlig dabei, ihm zu folgen. »Das sollte eine Überraschung werden. Darauf wollte ich anstoßen.«

»Ich wollt auch nur anstosn.«

»Er hat recht, Holger.« Mama stellte sich neben mir auf. »Du hast ihm beigebracht, dass der Moët für besondere Anlässe ist. Und heute ist immerhin ...«

»So ist das also.« Papa unterbrach sie laut bellend. »Jetzt bin ich auch noch schuld an seinem Besäufnis, ja? Na dann feiert doch grad allein.« Sein rotes Gesicht kam ganz nah an meines heran. »Aber lass dir eins gesagt sein: Wenn ich dich noch einmal mit Moët erwische, dann kannst du das hier alles vergessen.« Er ließ seinen ausgestreckten Arm durch die Luft gleiten wie über riesige Ländereien. »Surfurlaube und Taschengeld und ... alles.« Damit wandte er sich ab, durchschritt den Flur wie der Champion eines Wettkampfs und knallte die Haustür von außen zu.

Einen Moment standen wir stumm da und ich spürte Mamas Anspannung. Ich berührte sie am Arm, darauf gefasst, einen Stromschlag zu kriegen. Aber nichts passierte.

»Ich mach dir jetzt erst mal das Essen warm.« Mama tat einfach so, als wäre nichts gewesen, und ging in die Küche. »Was ist eigentlich mit deinen Freunden?«

»Wir breiern Freidag.« Ich wollte ihr hinterher, musste mich aber ständig irgendwo festhalten, weil die Wohnung sich bewegte. »Is´ wie aufm Dom«, kicherte ich.

»Und Flinn? Warum ist der nicht da?«

Ich zog die Schultern hoch, die plötzlich Tonnen wogen. Es war unerträglich, wie Mama sich bemühte, den Anschein zu erwecken, alles wäre in bester Ordnung.

Sie drehte sich zu mir. »Oh, hast du eigentlich diesen streunenden Hund gesehen? So einen dunklen, langhaarigen. Ist hier in der Gegend unterwegs. Der wäre mir vorhin beinah vors Auto gerannt.«

»Nee ... ah, doch. Gesdern habich auch ein gesehn.« Der blaue...
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Autor

Annette Mierswa war bereits für Film, Theater und Zeitung tätig und arbeitet heute als freie Autorin in Hamburg. Ihre Kinder- und Jugendbücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt, mit diversen Preisen ausgezeichnet und "Lola auf der Erbse" auch verfilmt. Annette Mierswa hat ein Stipendium des deutschen Literaturfonds erhalten und bietet Lesungen und Schreibworkshops an. Sie hat zwei Hamburger Jungs.
Mehr über die Autorin unter annettemierswa.de.