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Südstern

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
288 Seiten
Deutsch
Kanon Verlagerschienen am30.08.20231. Auflage
Auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2023 Breaking Bad in Berlin: Vanessa liefert Glücksmittel, Deniz fährt Streife. Ihre Begegnung öffnet den Himmel über einer pulsierenden Stadt Vanessa ist Pharmakologin. Sie liefert Substanzen, die für Erfolg und Glück sorgen. Ihre Kunden sind Sportler, Krankenpflegerinnen und Politiker. Deniz ist Streifenpolizist. Er fährt Doppelschicht und pflegt seinen parkinsonkranken Vater. Jeden Tag suchen Vanessa und Deniz verlorene Menschen auf, doch dann treffen sie sich. Ein zarter, starker Großstadtroman, der danach fragt: Wie halten wir dem Druck stand? Wie wollen wir leben, und wie können wir lieben? »Sein rasendes Gespür für Rhythmus macht süchtig. Auf unsere Stadt, auf die Romantik!« Julia Franck »Tim Staffel hat einen absolut zeitgemäßen halluzinogenen Großstadtroman geschrieben.« Jan Brandt »Ich lebe nicht in Berlin und das ist auch nicht meine Generation, von der da erzählt wird, aber mich hat das trotzdem überzeugt. Man ist von der ersten Seite an gefangen « Julia Schröder, Jury SWR Bestenliste

Tim Staffel hat vier Romane veröffentlicht. Sein Debüt »Terrordrom« wurde 1998 von Frank Castorf für die Volksbühne dramatisiert und inszeniert. Daneben schrieb Staffel zahlreiche Hörspiele. Er wurde u. a. mit dem Alfred-Döblin-Stipendium und mehrmals mit dem Literatur-Stipendium des Deutschen Literaturfonds ausgezeichnet.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR25,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextAuf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2023 Breaking Bad in Berlin: Vanessa liefert Glücksmittel, Deniz fährt Streife. Ihre Begegnung öffnet den Himmel über einer pulsierenden Stadt Vanessa ist Pharmakologin. Sie liefert Substanzen, die für Erfolg und Glück sorgen. Ihre Kunden sind Sportler, Krankenpflegerinnen und Politiker. Deniz ist Streifenpolizist. Er fährt Doppelschicht und pflegt seinen parkinsonkranken Vater. Jeden Tag suchen Vanessa und Deniz verlorene Menschen auf, doch dann treffen sie sich. Ein zarter, starker Großstadtroman, der danach fragt: Wie halten wir dem Druck stand? Wie wollen wir leben, und wie können wir lieben? »Sein rasendes Gespür für Rhythmus macht süchtig. Auf unsere Stadt, auf die Romantik!« Julia Franck »Tim Staffel hat einen absolut zeitgemäßen halluzinogenen Großstadtroman geschrieben.« Jan Brandt »Ich lebe nicht in Berlin und das ist auch nicht meine Generation, von der da erzählt wird, aber mich hat das trotzdem überzeugt. Man ist von der ersten Seite an gefangen « Julia Schröder, Jury SWR Bestenliste

Tim Staffel hat vier Romane veröffentlicht. Sein Debüt »Terrordrom« wurde 1998 von Frank Castorf für die Volksbühne dramatisiert und inszeniert. Daneben schrieb Staffel zahlreiche Hörspiele. Er wurde u. a. mit dem Alfred-Döblin-Stipendium und mehrmals mit dem Literatur-Stipendium des Deutschen Literaturfonds ausgezeichnet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783985680955
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum30.08.2023
Auflage1. Auflage
Seiten288 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2015 Kbytes
Artikel-Nr.12317653
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

Ich heiße Vanessa und bin ein Engel. Alle aus meiner Gemeinde warten darauf, dass noch etwas passiert. Ich dimme das Licht. Ein Paar sitzt am runden Tisch neben dem Durchgang zum Raucherzimmer. Noch sind sie kein Paar, erst morgen werden sie eins sein. Sie trinkt ihren Wodka-Lemon mit dem Strohhalm; er wirft den Strohhalm weg. Sie will Kinder; er denkt nicht mal darüber nach. Fünf sitzen am Ecktisch beim großen Fenster, mit Blick auf die Bierbänke draußen, die habe ich schon um elf angekettet. Nach elf schenken wir draußen nicht mehr aus, weil sonst die ausgesperrten Hunde auf den Balkonen zu heulen beginnen und nicht mehr damit aufhören. Die Fünf sind ein Stammtisch, der steht jedes Mal woanders. Keiner ist von hier, vor zehn Jahren sind sie unabhängig voneinander in die Stadt gekommen, haben sich kennengelernt, sind zusammengezogen. Einmal im Monat feiern sie gemeinsam, dass sie sich noch immer kennen, nur leben sie verschiedene Leben. Sie haben sich viel weiter voneinander entfernt, als sie sich eingestehen möchten, deshalb trinken sie schnell und viel, damit sich Nähe einstellt. Ich fülle den Kühlschrank mit Flaschen auf, er ist größer als ich. Ich zerteile Zitronen und schaufele Crushed Eis in Gläser. Der Junge, der vor mir sitzt, liest Gedichte, am liebsten die von Rimbaud. Er würde gerne nach Hause gehen, noch ein, zwei Folgen The Big Bang Theory gucken und dann einschlafen. Sein Freund ist auf der Toilette, ihm kann er das nicht sagen. Sein Freund möchte feiern, er weiß nicht, wer Rimbaud ist. Sie studieren beide, nur nicht dasselbe. Ich gehe ins Raucherzimmer, leere die Aschenbecher, nur eine Frau sitzt noch da, mit ihrem Freund, seinen Heiratsantrag hat sie abgelehnt, das ist schon ein paar Wochen her. Sie raucht und denkt darüber nach, warum sie nicht mehr singt. Ihr Freund ist Steinmetz, er trägt ein dunkelblaues Seidenhemd, das zieht er nur an, wenn sie mit ihm zusammen ist. Sie möchte Swing tanzen, er hat zwei linke Füße, an ihrem Zigarettenfilter bleibt auberginefarbener Lippenstift haften. Er hört schlecht, sie spricht trotzdem leise. Sie möchte sich verändern, nicht mehr nur vom Geld des Vaters leben, der nicht aufhören kann, sich um sie zu sorgen. Er hat nichts dagegen. Sie möchte helfen, er weiß nicht wie. Er möchte Zigaretten, die Schachtel in ihrer Handtasche ist leer, ich bringe ihm welche, woher weißt du, fragt er. Der Freund von Rimbaud sitzt wieder neben seinem Freund. Wo gehen wir hin, wird er gleich fragen. Die Textiltapete an den Wänden klebt dort schon seit Ewigkeiten. Früher blühten Rosen darauf, jetzt sind sie verblasst, lassen die Köpfe hängen. Ich bin bereit für die letzte Runde, aber noch ist es zu früh. Draußen flackert Blaulicht die Wrangel hinauf und herunter. Die Kerzen im Kronleuchter flackern auch, es sind Attrappen, sie verbrauchen Strom, nur die Kristalle sind echt, sie glitzern und funkeln. Der Kronleuchter ist riesig, unser ganzer Stolz. Die Decke hält ihn, trotz seines Gewichts, nur olivegrüne Farbe blättert von ihr herab, hinterlässt ein zufälliges Muster, die Kartierung einer fremden Welt. In der Nische am Eingang hockt einer und schreibt in sein Notizbuch. Zu Hause wird er versuchen, das Geschriebene zu entziffern. Oft sind es Träume, aus denen formt er dann Geschichten, die zum Tagtraum werden. Abend für Abend trinkt er ein Bier nach dem anderen und schreibt in kleine Hefte mit linierten Seiten. Er hat noch keinem davon erzählt, er stapelt sie zu Hause an einem Ort, an dem niemand diese Stapel je zu sehen bekommt. Die Tür geht auf, einer schlendert herein, möchte Geld wechseln. Er ist nur auf der Durchreise, er kommt aus Polen und weiß nicht, wohin die Reise geht. Draußen wartet seine Freundin, die hat er gerade erst kennengelernt, sie möchte nicht weg. Letzte Runde, sage ich und spiele die Erkennungsmelodie. Die Flaschen in meinem Rücken reihen sich vor einem Spiegel in Regalen aneinander, sie leuchten bunt, reflektieren die Lichter der Lampen, die sich unter einer Leiste über dem Tresen verbergen. Bier schäumt aus den Hähnen, ich schöpfe den Schaum ab. Fritz sieht mir zu, er wackelt mit dem Kopf. Es ist auf jeden Fall ein Fritz. Er sitzt an der Bar auf seinem Hocker, zwischen ihm und Rimbaud bleiben zwei Plätze frei. Fritz taxiert die beiden Jungs, gleich wird er sie ansprechen. Der Stammtisch löst sich auf, eine der Frauen träumt von Indien, doch sie hat Flugangst, eine andere hat ihren Job gekündigt, sie weiß nicht, was nun aus ihr werden soll. Sie zahlt für alle, in zwei Wochen wird sie ein Vorstellungsgespräch bei Amazon haben, das weiß sie nur noch nicht. Die wollen sie unbedingt, werden ihr aber nicht das Gehalt bieten, das sie erwartet. Die beiden Männer der Runde werden sagen, viel mehr bekommt sie woanders auch nicht, trotzdem wird sie ablehnen und ihre Entscheidung schon kurz darauf bereuen. Heute Abend beläuft sich ihre Rechnung auf 150 Euro, sie rechnet, 155 wird sie gleich sagen, ich zähle die Sekunden, 155, sagt sie, ich lächele, bedanke mich, das habe ich geübt. Fritz wackelt weiter mit dem Kopf, folgt den dahinrasenden Zeilen auf einem unsichtbaren Bildschirm. Ich spreche ihn an, Hallo Fritz. Ich kann es nicht lassen, rate ihm, seine Bildschirme ab und zu mal auszuschalten. Sofort hält er still, begreift nicht, woher ich seinen Namen kenne. Erst denke ich, er hat eine Frau und Kinder, ich denke, ja, aber sie leben woanders, doch dann wird mir klar, Fritz lebt nur mit sich selbst, seit neunundvierzig Jahren. Rimbaud und sein Freund kommen nicht weiter, Rimbaud bestellt einen letzten Gin Tonic, sein Freund möchte noch ein Hefeweizen. Ich rolle die Flasche hin und her. Gleich wird Fritz nicht mehr an sich halten können, wird die beiden fragen, ob sie etwas zu rauchen haben. Der Freund von Rimbaud hat Gras dabei, aber das wird er für sich behalten. Fritz gehört zu IBM, er findet keinen Schlaf mehr. Sie aktivieren Kameras in seinem Rechner, die laufen wie eine Stechuhr, überwachen ihn und seine Arbeit, wollen sehen, ob er seine IBM-Gebete spricht. Den ganzen Tag löst Fritz Probleme am Rechner, er kann nicht abschalten, das schafft er ohne Hilfe nicht, deswegen möchte er etwas zu rauchen, damit er runterkommen kann. Rimbaud leert sein Gin Tonic-Glas, Fritz soll es mit Trinken probieren. Rimbaud würde gern mit mir nach Hause, er traut sich nicht, sein Freund möchte wissen, wo es jetzt hingeht. Fritz möchte schlafen. Der in der Nische schreibt noch in sein Notizbuch. Er beobachtet Rimbaud, malt ihn zum Prinzen aus. Ich kann mich nicht entschließen, das Licht hochzudimmen, die Szene aufzulösen, sie hinauszuwerfen. Draußen erwartet sie nur Treibsand, hier drinnen können sie sich noch für einen Augenblick an etwas Unsichtbarem festhalten. Die aus dem Raucherzimmer haben sich auf keinen Tanz geeinigt, morgen wird es ihnen gelingen. Die Musik verstummt, ich stelle den Verstärker aus, bei Fritz geht es nicht so einfach. Rimbaud und sein Freund lassen ihn sitzen. Rimbaud wird seinem Freund folgen, sie werden weiter trinken, Eintritt zahlen. Der Freund wird mit anderen lachen, die er noch nie zuvor gesehen hat, Rimbaud wird schweigen, lächeln, träumen. Ich spüle Gläser, lösche Lichter. Fritz ahnt noch nichts von seinem Glück, warte, sage ich, bleib. Ich habe ein sanftes Indica für ihn, Fritz strahlt. Ich wünsche ihm eine gute Nacht, die wird er haben. Ich schließe die Tür zur Bar ab, ziehe die Vorhänge zu, gehe hinten raus, über den Hof. Am Schlesischen Tor ist es auffällig ruhig, niemand scheint es eilig zu haben, der Verkehr steht still, alle halten inne für eine Gedenkminute, jeder denkt an etwas anderes. Oben an den Gleisen leuchten Neonlichter die Gesichter aus, in allen steht Erschöpfung, niemand gibt es zu. In der Bahn steht mir eine gegenüber, ganz jung noch, ihr Blick streift erst den Boden, dann richtet sie ihn geradeaus, er geht durch alles, durch alle hindurch. Vor ihr verschwimmt die Welt auf einer Leinwand, sie weiß nicht, was sie tun soll. Ein Studium wäre gut, denkt sie, aber welches. Ihre Freunde studieren Musik, Film, Schauspiel, Kulturwissenschaft, das möchte sie auch, aber nur vielleicht, vielleicht auch lieber nicht. Sie erwägt, sich stattdessen für etwas Soziales einzuschreiben, im Bereich der Pflege möglicherweise. Sie könnte sich in einem Praktikum ausprobieren. Viel lieber möchte sie mit den anderen zusammen verreisen, nach Italien, aber sie wohnt noch zu Hause, kann nicht einfach verreisen, ohne zu wissen, was sie irgendwann einmal tun wird. Sie kann nicht ewig für ein Taschengeld zwei Tage die Woche an der Garderobe der Deutschen Oper Mäntel und Taschen entgegennehmen, fürchtet sie, deshalb hat sie sich die Haare gefärbt heute Morgen, damit sich etwas tut, etwas verändert. Ihre Haare sind jetzt schwarz und weißblond, ihre helle Haut hat sie puderweiß überschminkt, der armygrüne Parka ist neu, den hat sie sich bestellt und behalten. Ihre Lippen hat sie in ein dunkles Rot getaucht, schwarz umrandet, aber hier steht sie alleine in der U-Bahn, so wie sie sich immer fühlt. Nur um...
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Tim Staffel hat vier Romane veröffentlicht. Sein Debüt »Terrordrom« wurde 1998 von Frank Castorf für die Volksbühne dramatisiert und inszeniert. Daneben schrieb Staffel zahlreiche Hörspiele. Er wurde u. a. mit dem Alfred-Döblin-Stipendium und mehrmals mit dem Literatur-Stipendium des Deutschen Literaturfonds ausgezeichnet.
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