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blau der wind, schwarz die nacht.

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
259 Seiten
Deutsch
lectorbookserschienen am04.09.2023
Was soll die Ärztin Hannah mit den vier Wochen Zwangsferien anstellen? Zwischen Job und Kindern aufgerieben, weiß sie nun nichts mit sich anzufangen. Währenddessen folgt Rosette einer mysteriösen Einladung und erlebt ein aufregendes Abenteuer in einem Luxusresort. Hannahs Ex-Mann Lukas verliert sich dagegen nach einem misslungenen Kinderausflug zunehmend im Livestream eines alaskischen Nationalparks. Dann löst Hannahs Begegnung mit der Patientin Alva eine Folge von Ereignissen aus, die die beiden jungen Frauen zu einem Ausloten der Grenzen zwischen Ich und Du, zwischen Wahn und Wirklichkeit verleiten: Grenzen, die immer mehr zu verwischen drohen. Mit einem scharfen Blick fu?r die Bru?che und Grenzu?berschreitungen in zwischenmenschlichen Beziehungen verdichtet Anna Stern in den vorliegenden Texten ihr Werk nochmals stark. In dieser mehrdimensionalen Identitätssuche stehen die Kapitel fu?r sich, doch die Figuren, die Fäden, die in den Seiten von Alvas Notizbuch gespannt werden, hängen zusammen und schaffen - thematisch, sprachlich und atmosphärisch - ein großes Ganzes. »blau der wind, schwarz die nacht.« ist einmal mehr ein meisterliches Werk von subtiler literarischer Wucht.

Anna Stern, *1990, ist eine Schweizer Schriftstellerin. Sie hat bisher vier Romane und einen Erzählband (»Beim Auftauchen der Himmel« lectorbooks 2017) veröffentlicht. Ihre Bu?cher wurden mehrfach ausgezeichnet, zuletzt 2020 mit dem Schweizer Buchpreis. Anna Stern hat an der ETH Zu?rich in Pathogenökologie doktoriert und lebt derzeit in Finnland.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR17,00

Produkt

KlappentextWas soll die Ärztin Hannah mit den vier Wochen Zwangsferien anstellen? Zwischen Job und Kindern aufgerieben, weiß sie nun nichts mit sich anzufangen. Währenddessen folgt Rosette einer mysteriösen Einladung und erlebt ein aufregendes Abenteuer in einem Luxusresort. Hannahs Ex-Mann Lukas verliert sich dagegen nach einem misslungenen Kinderausflug zunehmend im Livestream eines alaskischen Nationalparks. Dann löst Hannahs Begegnung mit der Patientin Alva eine Folge von Ereignissen aus, die die beiden jungen Frauen zu einem Ausloten der Grenzen zwischen Ich und Du, zwischen Wahn und Wirklichkeit verleiten: Grenzen, die immer mehr zu verwischen drohen. Mit einem scharfen Blick fu?r die Bru?che und Grenzu?berschreitungen in zwischenmenschlichen Beziehungen verdichtet Anna Stern in den vorliegenden Texten ihr Werk nochmals stark. In dieser mehrdimensionalen Identitätssuche stehen die Kapitel fu?r sich, doch die Figuren, die Fäden, die in den Seiten von Alvas Notizbuch gespannt werden, hängen zusammen und schaffen - thematisch, sprachlich und atmosphärisch - ein großes Ganzes. »blau der wind, schwarz die nacht.« ist einmal mehr ein meisterliches Werk von subtiler literarischer Wucht.

Anna Stern, *1990, ist eine Schweizer Schriftstellerin. Sie hat bisher vier Romane und einen Erzählband (»Beim Auftauchen der Himmel« lectorbooks 2017) veröffentlicht. Ihre Bu?cher wurden mehrfach ausgezeichnet, zuletzt 2020 mit dem Schweizer Buchpreis. Anna Stern hat an der ETH Zu?rich in Pathogenökologie doktoriert und lebt derzeit in Finnland.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783906913391
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum04.09.2023
Seiten259 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1819 Kbytes
Artikel-Nr.12433992
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

florentin.

die tropfen prasseln auf das grüne regenzeug des jungen, sie prasseln auf das grüne gras am hang und auf das graugrüne wasser des bachs und auf den grün schillernden kopf der stockente. die tropfen sind schwer, und der bach ist voll, voller als sonst, jede stunde klettert er weiter den hang hinauf, weißlich verfängt sich der schaum in der ufervegetation. der junge steht im wasser, seine gelben regenstiefel halbhoch umspült, fast schwappt die suppe über den rand, und er hält einen stecken in der hand, einen langen, grünen haselstecken, hält den blick auf die ente gerichtet, die sich der strömung entgegenstemmt, und dann pikt und sticht er den vogel, er schwingt den stecken, den blick immer auf die ente und ... felix! felix! er schaut sich nach der stimme um, es ist die mutter des jungen, die um die kurve kommt, sie ruft, felix, geht´s eigentlich noch, komm sofort her, und er denkt, schade, wie schade ist das. er hätte felix gern fallen sehen, es hat nicht viel gefehlt. stattdessen wirft felix den stecken weg und klettert den hang hinauf, auf allen vieren, nur der regen bleibt.

er wird maria trotzdem von dem jungen erzählen; von dem bach, der so viel wasser führt, und von der ente und von dem jungen, der mit dem stecken auf die ente losgegangen ist. und, so wird er sagen, und dann rief die mutter, felix!, rief sie, und felix ist erschrocken, und dann, so mit dem kopf voran, platsch, mitten in den bach. so wird er es maria heute abend erzählen, so und nicht anders. erst gestern hat er ihr erzählt, dass sarah krank ist; und vorgestern, dass es noch einmal geschneit hat, drüben auf dem berg; und vorvorgestern, dass der wolf gekommen ist und tax geholt hat, wie er das schaf mit offenem bauch auf der weide gefunden hat und überall innereien und überall blut. er tut das nicht aus bosheit; er tut es voller vermutlich vergebener hoffnung: auf dass maria aus dem keller komme und zum telefon greife; auf dass sie aus dem keller komme und aus dem fenster schaue zum berg; auf dass sie aus dem keller komme und die tür aufmache und hinausgehe auf die weide; auf dass maria aufsehe, aufhöre, aufwache vielleicht. doch nein, natürlich nicht, natürlich wird es nicht passieren, egal, wie sehr er es sich wünscht, wie fest er darauf hofft; wie viel mühe er sich gibt.

die mutter nimmt felix an der hand, das tut man nicht, sagt sie zu ihm, dass mir das nicht wieder vorkommt, sonst. als die beiden an ihm vorbeigehen, verstummt die mutter und nickt ihm zu, und plötzlich sieht er sich selbst, von außen, durch ihre augen: dieser mann, der da am waldrand steht mit seinem leiterwagen, zwischen crataegus und euonymus, in regenzeug wie mutter und sohn, von oben bis unten nass glänzend, auf ihr nicken nicht reagierend. er schaut ihnen nach, der mutter und felix, und als sie über die brücke gehen und in den weg zu den kleingärten einbiegen, bückt er sich über seinen wagen und zurrt noch einmal die plane fest, und dann macht auch er sich wieder auf den weg, in den wald und durch den wald und zu maria heim.

das grüngraue geschlurp im bachbett rauscht und gluckert, das wasser steht hoch. die wurzeln der bäume verschwinden darin und die zweige der sträucher hängen schwer vom regen, tief, bis auf die wasserfläche, streicheln sie. alte hagebutten vom letzten herbst leuchten rot im grün und grau, und die weidenkätzchen sind frotzlig von der nässe, und überall sprießt es und wächst es und leuchtet es in jungen farben aus dem alten grau heraus. ein anderer würde sich vielleicht fragen, wie es angefangen hat, wie es kommt, dass es heute so ist, wie es ist, mit maria im keller und ihm hier, im wald. er aber weiß, es gab keinen anfang, nicht wirklich, so weit kann man gar nicht zurückgehen bis dahin, wo es angefangen hat. es war einfach immer schon so, man hat es nur nicht sehen können: er hat es nicht sehen können, nicht sehen wollen vielleicht. und jetzt steht er hier im wald, allein mit dem leiterwagen, allein zwischen den bäumen, in der feuchtigkeit. er zieht den wagen mit den einkäufen, und sein ziel sind nicht fragen, sind nicht zweifel, sind nicht einmal antworten; sein ziel ist ein haus im wald, sein zuhause, maria wartet auf ihn.

der waldboden klebt schwer in den rillen seiner guten schuhe, nadeln und altes laub und der dreck, der alles zusammenhält. pfützen bilden sich in mulden, auf dem weg, in den niederungen, zwischen den wurzeln der bäume auch. erst letzte woche noch gab es bodenfrost, und am morgen lag der reif auf den feldern und in den spinnennetzen am waldrand. das jahr ist somit noch nicht alt genug, damit die laubbäume schon richtige kronen hätten, nur ansätze, andeutungen auf tausend nuancen von grün. an den tannen dagegen und an den fichten, da hängen die nadeln grün seit jeher, filtern das licht, das graue licht und das sonnenlicht, sodass der boden darunter dunkel und braun liegt mit den alten nadeln, sodass nichts wachsen kann, zu dunkel der ort. er schreitet vorsichtig, ausschau haltend nach weinbergschnecken, helix pomatia, damit nicht das knirschen von rad auf kalkigem schneckenhaus die musik des waldes stört: das trommeln des regens und die vögel, die amseln und die spechte und den zaunkönig. sein blick schweift über den boden, schnecken suchend, und er erinnert sich an einen artikel, den er kürzlich gelesen hat, über schnecken auf hawaii, wo sie, wie auf vielen anderen inseln, probleme mit eingeschleppten arten haben. über siebenhundertfünfzig schneckenarten gab es einst auf hawaii, so las er, die meisten davon baumschnecken, und jede von ihnen war optimal an die bedingungen in einem einzigen tal, auf einem einzigen berg angepasst, vielleicht auch nur auf einem einzigen baum: ein bemerkenswertes beispiel von adaptiver radiation. von den siebenhundertfünfzig arten sind inzwischen jedoch gut neunzig prozent verschwunden. hauptverantwortlich für den rapiden artenverlust sind die schweine und ziegen und das wild, die das habitat der schnecken zerstören oder sie ganz einfach fressen. dazu kommt seit einigen jahren eine neue bedrohung in form der euglandina rosea: die eingeschleppte rosige wolfsschnecke frisst sich quer über die insel und grast mit ihren langen labialpalpen, mit ihrer ausfahrbaren, karnivoren radula baum um baum ab: die wunderschönen baumschnecken verschlingend und wüsten zurücklassend, schneckenwüsten. hier wurde es ihm etwas zu kompliziert mit dem fressen und gefressen werden, er hat nicht alles vestanden, das weiß er. erst gegen ende des artikels hat er wieder begriffen: mittlerweile wird kein aufwand mehr gescheut, um die verbleibenden baumschneckenarten zu schützen. sie werden von schneckenhütern von den bäumen gepflückt, man hält sie in gehegen und päppelt sie auf und hofft: dass sie überleben und sich fortpflanzen. ganze baumgruppen werden eingezäunt, richtige festungen werden erbaut, mit salzgräben rundherum, mit glatten, chamäleon- und rattensicheren wänden, gekrönt von einem feinen, stromdurchflossenen kupfernetz.

die frage, ob er und maria zu früh geheiratet haben, ob es anders wäre heute: er stellt sie sich nicht, er will nicht, er darf nicht, er verbietet es sich, was ist der sinn. maria war vierzehn, als sie sich kennenlernten. es war der tag vor seinem sechzehnten geburtstag, ein tag voll sonnenschein in einem sommer voll sonnenschein, die tage so voll von licht von sonnenauf- bis sonnenuntergang, dass einen die augen schmerzten, dass einem die haut klebte mit schweiß und nach salz roch. an dem tag fuhr er nach der dorfmusikprobe mit daniel ins nachbardorf, und dort, im freibad, trafen sie dann sarah, die daniel vom schwimmverein kannte, und neben ihr im schatten lag ihre freundin, lag maria, und so kam es dann, und so ist es heute: er und maria, und sarah und daniel. zwei jahre später, als maria sechzehn wurde, musste sie ausziehen aus dem kinderheim. seine eltern waren schon tot damals, und mit achtzehn erbte er das haus, und was blieb ihnen da anderes übrig, sie waren beide allein. es war ganz einfach auf dem amt, niemand hat fragen gestellt, alle wussten, wer sein vater gewesen war. die trauung fand in kleinem kreis statt, wie es so heißt, da war maria, und da war er, und da waren sarah und daniel und dann noch der mann vom amt. und bald sagte maria, ja, und auch er sagte, ja, und sie steckten sich die ringe an, die er aus den stielen von alten zierlöffeln gebogen hatte, neunhundertfünfundzwanziger silber, gute qualität, zwei ringe, einen für sie und einen für sich. und nachher gingen sie zu viert zum mittagessen in die fischstube am see, und auf dem tagesmenu standen goldene bratkartoffeln und egli im bierteig, das weiß er noch, und das aßen sie dann.

jetzt im wald bleibt er am fuß des hügels einen augenblick stehen, lässt den griff des leiterwagens sinken, während der regen weiterregnet, in strömen, aus kübeln, das wasser frisst rillen in den kies, ein verzweigtes flusssystem vor ihm auf dem weg. da haben sie wirklich pech, peter und er, was für eine verschwendung, denkt er, von arbeitskraft, von sand und kies. erst vorige woche haben sie...
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Autor

Anna Stern, *1990, ist eine Schweizer Schriftstellerin. Sie hat bisher vier Romane und einen Erzählband (»Beim Auftauchen der Himmel« lectorbooks 2017) veröffentlicht. Ihre Bücher wurden mehrfach ausgezeichnet, zuletzt 2020 mit dem Schweizer Buchpreis. Anna Stern hat an der ETH Zürich in Pathogenökologie doktoriert und lebt derzeit in Finnland.