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Steppengras und Stacheldraht

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
440 Seiten
Deutsch
Hamburger Edition HISerschienen am18.09.2023
Die chinesisch-russische Grenze war einst die längste Landgrenze der Welt. Während sie im 17. Jahrhundert vage markiert durch die Steppe verlief, entwickelte sie sich im 20. Jahrhundert zu einer streng patrouillierten Barriere mit Wachtürmen und Stacheldraht. Sie scheidet zwei Staaten, denen heute große Aufmerksamkeit zukommt, die Grenze jedoch hat in der Geschichte der Imperien bisher wenig Beachtung gefunden. Der Historiker Sören Urbansky erza?hlt die Geschichte ihres Verlaufs und stellt dabei die Lebenswelten der Grenzbewohner und die globalen Verstrickungen in den Mittelpunkt. Seine Protagonisten sind Eisenbahnangestellte, Hirten, Schmuggler und Partisanen. Da die Welten der dort lebenden Menschen eng miteinander verwoben sind, blieben nationale Trennungen weitgehend unsichtbar. Das änderte sich erst, als das Konzept »Grenze« im 20. Jahrhundert an geopolitischer Bedeutung gewann. Anhand einer Fu?lle von unbekannten Quellen zeigt Urbansky, wie es den Staaten gelang, traditionelle Grenzlandkulturen zu unterdru?cken, indem sie verwandtschaftliche, kulturelle, wirtschaftliche und religiöse Verbindungen durch Gesetze, physische Gewalt, Deportation, Zwangsassimilation und Propaganda kappten. So erweitert dieses Buch unser Verständnis davon, wie Grenzen festgelegt werden und welche Konsequenzen das zeitigt - nicht zuletzt für die dort lebenden Menschen.

Sören Urbansky ist Historiker und seit 2023 Professor für Osteuropäische Geschichte an der Ruhr-Universität Bochum. Zuvor forschte er am Deutschen Historischen Institut Washington und leitete zuletzt dessen Pazifikbüro im kalifornischen Berkeley.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR40,00
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR35,99

Produkt

KlappentextDie chinesisch-russische Grenze war einst die längste Landgrenze der Welt. Während sie im 17. Jahrhundert vage markiert durch die Steppe verlief, entwickelte sie sich im 20. Jahrhundert zu einer streng patrouillierten Barriere mit Wachtürmen und Stacheldraht. Sie scheidet zwei Staaten, denen heute große Aufmerksamkeit zukommt, die Grenze jedoch hat in der Geschichte der Imperien bisher wenig Beachtung gefunden. Der Historiker Sören Urbansky erza?hlt die Geschichte ihres Verlaufs und stellt dabei die Lebenswelten der Grenzbewohner und die globalen Verstrickungen in den Mittelpunkt. Seine Protagonisten sind Eisenbahnangestellte, Hirten, Schmuggler und Partisanen. Da die Welten der dort lebenden Menschen eng miteinander verwoben sind, blieben nationale Trennungen weitgehend unsichtbar. Das änderte sich erst, als das Konzept »Grenze« im 20. Jahrhundert an geopolitischer Bedeutung gewann. Anhand einer Fu?lle von unbekannten Quellen zeigt Urbansky, wie es den Staaten gelang, traditionelle Grenzlandkulturen zu unterdru?cken, indem sie verwandtschaftliche, kulturelle, wirtschaftliche und religiöse Verbindungen durch Gesetze, physische Gewalt, Deportation, Zwangsassimilation und Propaganda kappten. So erweitert dieses Buch unser Verständnis davon, wie Grenzen festgelegt werden und welche Konsequenzen das zeitigt - nicht zuletzt für die dort lebenden Menschen.

Sören Urbansky ist Historiker und seit 2023 Professor für Osteuropäische Geschichte an der Ruhr-Universität Bochum. Zuvor forschte er am Deutschen Historischen Institut Washington und leitete zuletzt dessen Pazifikbüro im kalifornischen Berkeley.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783868544992
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum18.09.2023
Seiten440 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse8346 Kbytes
Artikel-Nr.12463190
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
Danksagung

Anmerkung zu Übersetzung, Umschrift und Datumsangaben

Einleitung

1 Kosaken und Bannerleute im Argun-Grenzland

2 Eisenbahnen, Bakterien und Gold

3 Revolutionen ohne Grenzen

4 Der sowjetische Staat an der Grenze

5 Offene Steppe unter Verschluss

6 Freundschaftsinszenierung am Stacheldrahtzaun

7 Unsichtbare Feinde über den gefrorenen Fluss

8 Wassermelonen und verlassene Wachtürme

Fazit

Quellenverzeichnis

Sekundärliteratur

Abbildungsnachweise

Zum Autor
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Leseprobe

Einleitung

Flüsse sind, selbst wenn Staatsgrenzen durch sie verlaufen, oft stärker verbindend als trennend. Der Argun an der Grenze zwischen Russland und China bildete lange Zeit keine Ausnahme. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein überschritten Nomadenvölker den Fluss in beide Richtungen, um ihre Tiere in den Sommer- und Winterquartieren der hügeligen Steppenlandschaft weiden zu lassen. Auch die sesshaften Völker des Grenzlands verband der Fluss, da er Siedler, ungeachtet ihrer Nationalität, an beiden Ufern Platz zum Leben bot. Kosaken am Argun kamen auf chinesisches Territorium, um dort zu jagen oder von Mongolen Land zur Heugewinnung zu pachten. Andere feilschten in den Buden chinesischer Kleinhändler. Chinesische Migranten aus den Provinzen südlich der Großen Mauer arbeiteten an beiden Flussufern als Jäger und Goldschürfer. Viele sprachen fließend Russisch und kleideten sich russisch in kurze schwarze Fellmäntel und Mützen mit Ohrklappen. Manche siedelten sich in russischen Dörfern an, ließen sich taufen und heirateten russische Frauen. Auch diejenigen, die nicht durch Heirat oder Religion assimiliert waren, kamen in Kontakt mit den Menschen von der anderen Flussseite, wobei sie sich zur Kommunikation oft Pidgin-Sprachen bedienten.

Diese Überlappung und Vermischung unterschiedlicher nomadischer und sesshafter Kulturen und der europäischen und asiatischen Zivilisationen entlang des Argun kam erst zu einem Ende, als die Grenze im späten 19. Jahrhundert an geopolitischer Bedeutung gewann. In den folgenden Jahrzehnten prallten die imperialen Interessen Russlands und später der Sowjetunion mit denen des Qing-Reichs (später der chinesischen Republik) und Japans aufeinander. Noch später zelebrierten die zwei Leviathane des Kommunismus zuerst ihre Freundschaft und inszenierten dann ihre Feindschaft. Von diesem Wendepunkt an strebten beide Machtzentren danach, ihre nationalen Grenzen abzuriegeln. Im Verlauf dieses längeren Prozesses kamen die grenzüberschreitenden Beziehungen diverser Völker zum Erliegen. In weniger als einem Jahrhundert gelang es diesen Staaten, die traditionellen Grenzlandkulturen weitgehend zu unterdrücken, indem sie über Grenzen hinweg bestehende Verwandtschafts- und Freundschaftsnetzwerke blockierten und die grenzüberschreitende Landnutzung und Wirtschaftsaktivität mittels Gesetzen, Gewalt, Deportation, Umerziehung und Propaganda unterbanden. Erst nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion öffneten China und Russland wieder ihre gemeinsame Grenze.

Die schwankende Permeabilität der russisch-chinesischen Grenze - durchlässig, undurchlässig, durchlässig - widerspricht teleologischen Annahmen über eine unumkehrbare Entwicklung der Grenzen von vage definierten Zonen hin zu klaren Demarkationslinien. Dennoch ist in diesem Fall das Bild einer gemeinsamen zweckmäßigen Trennlinie noch nicht völlig überholt. Mehr als drei Jahrzehnte nach dem Zerfall der Sowjetunion erinnern Überbleibsel wie verlassene Wachtürme und verrostete Stacheldrahtzäune Besucherinnen daran, dass die Militärmacht dieser Staaten einst ungeheure physische Präsenz in den Grenzgebieten entfaltete. Trotz zunehmender grenzüberschreitender Verflechtung beider Seiten durch Handel, Tourismus und sich überlappende russische und chinesische Mobilfunknetze gehört die Grenze auch heute nicht vollständig der Vergangenheit an. Der Argun trennt zwei klar unterschiedene Regionen zu beiden Ufern - eine in Russland, die andere in China. Im russischen Grenzland leben mehrheitlich Russen: Sie sprechen Russisch, leben in Häusern im sowjetischen oder altrussischen Stil, schauen die Nachrichtensendung Wremja und kleiden sich wie Menschen in anderen ländlichen Gebieten Russlands. Auf der chinesischen Seite der Grenze weisen die Pässe die meisten Ortsansässigen als Han-Chinesen aus. Am rechten Ufer spricht man Mandarin, schaut am Abend die in Peking-Zeit ausgestrahlten Xinwen Lianbo und trägt chinesische Mode. Doch über Phänotyp, Sprache und Kultur hinaus markiert die Grenze noch zahlreiche weitere Differenzen. Obwohl für diese Grenzregion keine Ernährungsstatistiken vorliegen, darf sicher angenommen werden, dass die Vorlieben für Kartoffeln und Reis mit hoher Wahrscheinlichkeit auch an der roten Linie auf der Karte auseinandergehen. Die bestehenden Unterschiede weisen auf tief verankerte Strukturen hin, die die Kultur und Sprache der heutigen Grenzbevölkerung bestimmen. Aktuell stimmt die chinesisch-russische Staatsgrenze mit den kulturellen und sprachlichen Begrenzungen überein. Doch wie ist die rote Linie überhaupt zu dieser klaren Trennlinie geworden? Und wie konnte eine derart willkürliche Teilung fast jeden Lebensbereich der typischen Grenzbewohner durchdringen?

Auf der Suche nach Antworten folgt dieses Buch der Verwandlung der chinesisch-russischen Grenze aus einem offenen interimperialen Grenzland in eine Trennlinie zwischen Grenzgebieten im modernen Sinne - das heißt in eine Landschaft, die durchzogen ist von sich überlagernden Linien ökonomischer, politischer, sozialer, kultureller, ethnischer und psychologischer Differenzen. Die Entwicklung der Grenze zwischen den beiden größten eurasischen Reichen zog einen allmählichen Vermittlungsprozess nach sich: zwischen unterschiedlichen Gruppen der lokalen Grenzgesellschaft, zwischen verschiedenen politischen Kräften, die Souveränität über die Grenze und angrenzenden Gebiete beanspruchten, sowie zwischen den Metropolen der politischen Macht und der Grenzlandbevölkerung in der Peripherie. Die hier vertretene Hauptthese ist, dass sowohl die Bevölkerung als auch die Staaten für die Ausformung der chinesisch-russischen Grenze prägend waren. Ihre Entstehung beruhte auf einem Komplex sukzessiver und doch oft sich überlappender und miteinander verzahnter politischer Maßnahmen. Das Ziel dieser Programme war es letztendlich, Ambivalenzen zu beseitigen und die Kontrolle der Metropole über die Peripherie ganz bis zur Staatsgrenze (und oft darüber hinaus) auszudehnen. Doch auch die heterogene Bevölkerung vor Ort spielte eine wichtige Rolle dabei, den Aufbau der Grenze teils zu unterstützen, teils zu unterminieren. Das vorliegende Buch untersucht, wie Zentralbehörden versuchten, Kontrolle über die Staatsgrenze, die Grenzzone und das Grenzgebiet zu gewinnen, und wie die lokale Bevölkerung diese Bemühungen zu hintertreiben versuchte, manchmal aber auch selbst im Sinne der Staatsmacht agierte oder von ihr drangsaliert wurde. Auf diesem Wege - und durch Verbindung einer Geschichtsschreibung von oben mit einer von unten - geht dieses Buch den politischen Maßnahmen der Metropolen nach und zeigt die Flexibilität der Strategien und Praktiken, die gewöhnliche Menschen einsetzten, um mit den Wandlungen der Grenze zurechtzukommen.
Reiche und Völker, Grenzland und Grenzgebiete

Zu dem vielschichtigen Aushandlungsprozess der chinesisch-russischen Grenze vor Ort besteht nach wie vor eine Forschungslücke. Dieses Versäumnis ist umso eklatanter angesichts der geopolitischen Bedeutung dieser Trennlinie und ihrer zentralen Rolle in der Weltgeschichte, ihres einzigartigen und radikalen Wandels im Laufe der Zeit und des wachsenden akademischen Interesses an Grenzen im Allgemeinen. Wenn diese Grenzregion im Fokus der Forschung stand, wurde sie in einer vertikalen, zentristischen Makroperspektive analysiert, wie sie die konventionelle Diplomatie-, Wirtschafts- oder Militärgeschichte liefert, aus deren Sicht Macht, unbeeinflusst von Wechselbeziehungen an der Grenze selbst, immer von den Metropolen in die Peripherie hineinwirkt.1

Dieses Buch bietet daher einen radikal neuen Blickwinkel: Indem es das Leben der Bevölkerung auf beiden Seiten eines eng umschriebenen Gebiets in den Mittelpunkt stellt, zeigt es die Entstehung und Veränderung dieser ausgedehnten eurasischen Landgrenze in der longue durée. Es setzt im 17. Jahrhundert ein, als beide Reiche begannen, ihre gemeinsame Grenze zu bestimmen, und folgt deren Geschichte bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion 1991, als sie schlussendlich wieder geöffnet wurde. Über diese lange Zeitspanne, besonders aber im Laufe des vergangenen Jahrhunderts, folgten einander in schneller Abfolge zahlreiche neue Grenzregime, die jeweils tiefgreifende Auswirkungen auf die Bewohner der gesamten Grenzwelt mit sich brachten. Oft folgten Grenze und Grenzland ihrem ganz eigenen Zeitlauf. Veränderungen traten dort früher oder später ein als in den urbanen Zentren Chinas und Russlands. Dabei machte das Grenzland eine radikale Verwandlung durch - von einer nur lose bestimmten interimperialen Grenze, die von Nomadinnen, Kosaken, findigen Schmugglerinnen und anderen mobilen Bevölkerungsgruppen per Kahn oder auf dem Pferderücken nach Belieben überquert wurde, hin zu einem streng überwachten Grenzgebiet, dessen Bewohnerinnen größtenteils die Idee territorialer Souveränität von Nationen anerkannten und die ihre Nachbarn am anderen Flussufer nur aus der staatlichen Propaganda kannten, obwohl von den Kuppen der Steppenhügel aus die andere Seite der Grenze mit...
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Autor

Sören Urbansky ist Historiker und seit 2023 Professor für Osteuropäische Geschichte an der Ruhr-Universität Bochum. Zuvor forschte er am Deutschen Historischen Institut Washington und leitete zuletzt dessen Pazifikbüro im kalifornischen Berkeley.