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Die Löffelliste

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
240 Seiten
Deutsch
Wörterseh Verlagerschienen am26.09.2023
Die Pflegefachfrau Karin Kaufmann hat genug. Von ihrem Beruf, in dem nichts mehr ist, wie es einmal war. Von ihrer Ehe, die sich so entwickelt hat, wie sie es nie wollte. Vom Oberarzt Dr. Theo Eberle, der ihr auf niederträchtigste Art und Weise mitgespielt hat. Das ist denn auch der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt und Karin aufs Dach des Krankenhauses steigen lässt, um hinunterzuspringen. Sie wird allerdings von ihrem todkranken Patienten Reto Rösti gestört, der dort jeweils heimlich seine Stumpen raucht. Das ungleiche Paar kommt ins Gespräch, und dabei wird schnell klar, dass nicht nur Karin Kaufmann verschwinden will, sondern auch Reto Rösti. Er allerdings nur ins Oberengadin. Und weil beide nichts mehr zu verlieren haben, denken sie über Dinge nach, die gestern noch komplett undenkbar schienen. Haben Sie Ihre Löffelliste schon gemacht? Die Liste, auf der alles steht, was Sie noch erleben möchten, bevor Sie - hoffentlich erst eines fernen Tages - den Löffel abgeben müssen?

Blanca Imboden, geb. 1962, liebt die Berge, reist aber auch gern auf Lesetour durch die Schweiz. Für Wörterseh schrieb sie zahlreiche Bestseller. Der erste, »Wandern ist doof - Ein Kreuzworträtsel mit Folgen«, erschien 2013 und wurde zum sehr erfolgreichen Longseller. 2021 veröffentlichte sie ihren persönlichsten Roman, der zum Nummer-1-Bestseller avancierte: »Rigi - Ein fröhlicher Roman über traurige Menschen«. Für ihr neuestes Buch, »Die Löffelliste - Ein St.-Moritz-Roman«, verbrachte sie einen Monat als Writer in Residence im Oberengadin, wo sie sich von der Gegend bezaubern und zu dieser Geschichte inspirieren liess. Die Autorin, die im Schwyzer Talkessel aufgewachsen und verwurzelt ist, lebt heute in Malters LU. www.blancaimboden.ch
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR24,90
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR18,99
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR18,99

Produkt

KlappentextDie Pflegefachfrau Karin Kaufmann hat genug. Von ihrem Beruf, in dem nichts mehr ist, wie es einmal war. Von ihrer Ehe, die sich so entwickelt hat, wie sie es nie wollte. Vom Oberarzt Dr. Theo Eberle, der ihr auf niederträchtigste Art und Weise mitgespielt hat. Das ist denn auch der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt und Karin aufs Dach des Krankenhauses steigen lässt, um hinunterzuspringen. Sie wird allerdings von ihrem todkranken Patienten Reto Rösti gestört, der dort jeweils heimlich seine Stumpen raucht. Das ungleiche Paar kommt ins Gespräch, und dabei wird schnell klar, dass nicht nur Karin Kaufmann verschwinden will, sondern auch Reto Rösti. Er allerdings nur ins Oberengadin. Und weil beide nichts mehr zu verlieren haben, denken sie über Dinge nach, die gestern noch komplett undenkbar schienen. Haben Sie Ihre Löffelliste schon gemacht? Die Liste, auf der alles steht, was Sie noch erleben möchten, bevor Sie - hoffentlich erst eines fernen Tages - den Löffel abgeben müssen?

Blanca Imboden, geb. 1962, liebt die Berge, reist aber auch gern auf Lesetour durch die Schweiz. Für Wörterseh schrieb sie zahlreiche Bestseller. Der erste, »Wandern ist doof - Ein Kreuzworträtsel mit Folgen«, erschien 2013 und wurde zum sehr erfolgreichen Longseller. 2021 veröffentlichte sie ihren persönlichsten Roman, der zum Nummer-1-Bestseller avancierte: »Rigi - Ein fröhlicher Roman über traurige Menschen«. Für ihr neuestes Buch, »Die Löffelliste - Ein St.-Moritz-Roman«, verbrachte sie einen Monat als Writer in Residence im Oberengadin, wo sie sich von der Gegend bezaubern und zu dieser Geschichte inspirieren liess. Die Autorin, die im Schwyzer Talkessel aufgewachsen und verwurzelt ist, lebt heute in Malters LU. www.blancaimboden.ch
Details
Weitere ISBN/GTIN9783037638354
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum26.09.2023
Seiten240 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4589 Kbytes
Artikel-Nr.12480196
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



 
1 ICH WILL DIESES GESCHENK NICHT MEHR

»Wer ist da?«, frage ich misstrauisch. Ich stehe mit zittrigen Knien am Rand des Dachs und sammle mich vor meinem endgültigen Schritt ins Jenseits, als ich irritierende Geräusche hinter mir höre.

»Ich bins nur, Reto Rösti. Ich rauche hier regelmäßig«, vernehme ich dann eine alte Männerstimme. »Lassen Sie sich nicht stören, Oberschwester Karin.« Rösti atmet schwer.

Ich trete vom Abgrund zurück. Das kann doch wohl nicht wahr sein! Der Mann hat Lungenkrebs im Endstadium und raucht hier! Regelmäßig!? Wir geben alles, um unsere Patienten am Leben zu erhalten - und er tritt unseren Einsatz für ihn mit Füßen? Die Empörung lenkt mich kurz von meinem Vorhaben ab.

»Und was machen Sie hier?«, fragt der alte Herr ungerührt. Er hat sich gerade mit einem unterdrückten Stöhnen auf einem Mäuerchen niedergelassen.

Soll ich lügen?

»Ich wollte gerade springen«, gebe ich zurück. »Aber vorher muss ich Ihnen noch sagen, dass ich es ziemlich undankbar finde, wenn Sie regelmäßig rauchen, während wir alles dafür tun, Sie am Leben zu erhalten. Wir investieren viel Zeit, Geld und Wissen in Sie. Wir kümmern und sorgen uns um Sie.«

Reto Rösti zündet sich trotz meiner Standpauke umständlich einen Villiger-Stumpen an. Dass er überhaupt die steile Treppe bis zur Dachterrasse geschafft hat, wundert mich.

Er erwidert ungerührt: »Es gibt sicher auch Menschen, die es undankbar finden, wenn sich jemand umbringt, der jung und gesund ist. Auch mich verwirrt das gerade ein wenig - mit Verlaub.«

Gesund bin ich schon. Aber jung? Für einen Achtzigjährigen kann eine Frau mit fünfundvierzig durchaus noch jung erscheinen. Alles ist relativ. Doch leider hat auch das gefühlte Alter seine Bedeutung.

Ich antworte unfreundlich: »Was wissen Sie schon von mir!«

»Was wissen Sie denn von mir?«, kontert mein Patient unbeeindruckt. »Ich meine jetzt mal abgesehen von der Kenntnis meiner Blutwerte und Röntgenbilder?«

Eins zu null für ihn.

»Setzen Sie sich zu mir und rauchen Sie eine mit!«, schlägt er dann versöhnlich vor.

Ich wehre mich empört: »Ich habe noch nie geraucht! Ich weiß zu viel über die Schädlichkeit von Nikotin und allen anderen krebserregenden Substanzen in Raucherwaren. Diese Giftstoffe landen nicht nur in der Lunge, sondern im ganzen Körper und richten überall Schaden an. Nein, danke. Sie selber sind ja ein abschreckendes Beispiel, Herr Rösti, wenn ich das mal so offen sagen darf. Man könnte Sie geradezu in Schulklassen herumzeigen, um den Kindern vorzuführen, was das Rauchen alles anrichten kann.«

Ich bin gerade ein wenig außer mir, das entschuldigt vielleicht diesen Wortschwall. Und weil ich so in Fahrt bin, lege ich noch nach: »Doch nicht nur sich selber schaden die Raucher, nein, sogar die Umwelt versauen sie. Schauen Sie sich nur mal hier oben um: überall Zigarettenstummel! Weggeschnippte Zigarettenkippen sind das häufigste Abfallprodukt. Laut der WHO werden weltweit 5,6 Billionen Zigaretten pro Jahr gequalmt. Davon landen tonnenweise Kippen irgendwo auf dem Boden, in der Natur. Die aus den Filtern ausgewaschenen Gifte landen dann in Seen, in Flüssen, im Meer.«

Rauchen ist ein Thema, bei dem ich mich immer wunderbar ereifern kann - und zugegeben, diese Rede habe ich auf meiner Station schon oft gehalten. Ich habe einfach schon zu viele unbelehrbare Raucher mit Lungenkrebs behandelt. Und zu viele Hinterbliebene trösten müssen.

Rösti lacht mich aus und meint: »Ich glaube, vom Dach zu springen, macht auch eine rechte Sauerei, wenn ich das mal so unverblümt sagen darf.«

Mein Ärger, der mich eben noch fest im Griff hatte, verflüchtigt sich innert einer Sekunde. Ich setze mich neben meinen Patienten auf das Mäuerchen und bin nur noch ein Häufchen Elend. Soll doch jeder rauchen, so viel er will! Was geht mich das an, wenn andere ihre Gesundheit aufs Spiel setzen? Ich habe ganz andere Sorgen. Ich habe nicht nur meinen Ehemann verloren, sondern auch gleich noch meinen Liebhaber - der eigentlich nur ein One-Night-Stand war, wie ich erkennen musste -, und außerdem habe ich mich in meinem Job so lächerlich gemacht, dass ich mich auf der Station nicht mehr blicken lassen kann. Alles innert vierundzwanzig Stunden. Das muss mir erst mal einer nachmachen.

Der alte Mann neben mir hustet und sagt mit belegter Stimme: »Schauen Sie mich an, Oberschwester Karin, und erklären Sie mir, warum nicht eher ich mich umbringen sollte.«

Oberschwester Karin. Schon wieder. Wie oft habe ich ihm und anderen Patienten wohl schon erklärt, dass diese Bezeichnung nicht mehr zeitgemäß ist? Doch im Moment habe ich nicht die Kraft, ihn ein weiteres Mal darauf hinzuweisen, sondern folge reflexartig seiner Aufforderung und lasse meinen Blick über ihn schweifen. Was ich sehe, ist ein kleines, abgemagertes Männchen, das Gesicht blass und eingefallen, auf dem Kopf ein paar wenige silbergraue Haarbüschel, die gerade widerspenstig in die Luft zeigen. Ein wandelndes Elend.

Reto Rösti ist austherapiert. Nach Chemo und Bestrahlung und Operationen ist der Krebs wieder zurückgekommen. Ein Rezidiv. Ableger überall. Seine Tage, im besten Fall werden es Wochen, sind gezählt. Mein Patient weiß das sehr wohl.

Doch kann man einen Kummer gegen einen anderen aufwiegen? Natürlich möchte ich nicht seinen Krebs haben. Aber mein Unglück fühlt sich auch an wie eine Krankheit. Ich bin zurzeit genauso in Lebensgefahr wie Reto Rösti.

»Also? Ich habe Zeit«, bringt er sich in Erinnerung. »Was ist es, was Sie so plagt? Lassen Sie mich raten: Liebeskummer?«

»Liebeskummer, das klingt so banal«, erkläre ich, fast schon entrüstet, und überlege kurz, wie ich meinen Schmerz, meinen allumfassenden, überwältigenden Seelenschmerz beschreiben könnte. Zaghaft versuche ich es: »Weltschmerz würde es wohl am ehesten treffen.«

»Das ist natürlich schlimm«, sagt Herr Rösti mitfühlend. »Das tut mir leid. Wenn man an der ganzen Welt leidet oder sich so fühlt, als würde man das Unglück und den Schmerz der ganzen Welt auf seinen Schultern tragen, dann ist das natürlich zu viel für einen einzelnen Menschen.«

Ich bin etwas verwundert über seine Worte, sein so genaues Hinhören. Trotzdem: Sein Mitgefühl fühlt sich falsch an. In seinen Augen bin ich jung und gesund und habe mein Leben noch vor mir - mit Millionen von Möglichkeiten -, während er nur noch Abschied nehmen kann.

Unbeholfen versuche ich mich zu rechtfertigen: »Mein Job laugt mich aus, macht mich immer müder. Wir sind ständig unterbesetzt, sodass ich meinen eigenen Ansprüchen an die Pflege nicht mehr genügen kann. Zu lange müssen Patienten warten, zu wenig Zeit haben wir für sie. Verzweifelte Angehörige, die oft auch Zuwendung bräuchten, müssen wir abwimmeln. Das ist einfach nicht mehr der Beruf, den ich einmal gelernt habe. Aber für einen Neuanfang woanders bin ich längst zu alt.«

Herr Rösti hört mir aufmerksam zu, während er die Luft verpestet und den grässlichen Rauch tief in seine todkranken Lungen zieht.

»Ich habe hier als junge Frau voller Idealismus und Enthusiasmus angefangen«, fahre ich weiter. »Ich wollte helfen und pflegen. Heute komme ich von der Arbeit nach Hause und habe meist das Gefühl, nirgendwo genug getan zu haben, meinen Patienten nicht gerecht geworden zu sein. Und das geht schon seit vielen Jahren so. Das ermüdet.«

»Und?«, fragt der alte Mann.

»Was und?«, frage ich zurück.

»Gibt es noch andere Baustellen?«, will er wissen.

»Meine Ehe. Sie ist keine mehr. Wir sind beide nicht mehr nett zueinander. Wir haben uns irgendwie verloren. Mein Mann verbringt mehr Zeit mit seinen Freunden vom Kegelklub und von der Radsportgruppe als mit mir. Wenn ich heimkomme, bin ich oft viel zu erledigt, um noch große Sprünge zu machen, sehne mich nur nach Ruhe.« Ich wundere mich, was in mich gefahren ist. Wieso erzähle ich diesem todkranken Greis das alles? Doch wie ferngesteuert rede ich weiter: »Wir sind bloß noch ein Ehepaar, weil keiner den Mut hat, das Ganze zu beenden, oder weil jeder von uns zu bequem ist, an der Situation etwas zu ändern. Oder weil wir Angst davor haben, uns das Scheitern unserer Beziehung einzugestehen. Wir machen einfach weiter - wie so viele andere Ehepaare. Jede dritte Ehe wird ja geschieden. Ich denke, dass sich sogar noch weit mehr Paare trennen müssten, wenn alle ehrlich zueinander wären.«

»Okay. Beruf. Ehe. Und sonst? Da muss es doch noch einen aktuellen, akuten Auslöser geben? Für einen Sprung vom Spitaldach reicht das noch nicht, wenn Sie mich fragen.« Reto Röstis kleine Äuglein schauen mich durchdringend an.

Ganz schön neugierig, der Alte. Noch einmal frage ich mich, warum ich ihm das alles erzähle. Ich muss mich vor ihm doch nicht rechtfertigen! Aber es spielt ohnehin keine Rolle mehr, wem ich was erzähle. Ich springe nachher sowieso.

»Ich wurde in letzter Zeit von Dr. Theo Eberle umworben«, fahre ich also weiter. »Er hatte ein leichtes Spiel, obwohl ich nicht zu den jungen Dingern auf der Station gehöre, die jeden männlichen Weißkittel - vor allem mit Doktortitel - anhimmeln. Er war einfach geschickt und raffiniert, als hätte er mir angesehen, wie sehr ich mich nach Respekt, nach Komplimenten, nach Liebe sehnte. Er flirtete mit mir, war aufmerksam, schenkte mir Blumen, führte mich aus. Ganz alte Schule. Er ist ja...

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Blanca Imboden, geb. 1962, liebt die Berge, reist aber auch gern auf Lesetour durch die Schweiz. Für Wörterseh schrieb sie zahlreiche Bestseller. Der erste, »Wandern ist doof - Ein Kreuzworträtsel mit Folgen«, erschien 2013 und wurde zum sehr erfolgreichen Longseller. 2021 veröffentlichte sie ihren persönlichsten Roman, der zum Nummer-1-Bestseller avancierte: »Rigi - Ein fröhlicher Roman über traurige Menschen«. Für ihr neuestes Buch, »Die Löffelliste - Ein St.-Moritz-Roman«, verbrachte sie einen Monat als Writer in Residence im Oberengadin, wo sie sich von der Gegend bezaubern und zu dieser Geschichte inspirieren liess. Die Autorin, die im Schwyzer Talkessel aufgewachsen und verwurzelt ist, lebt heute in Malters LU. blancaimboden.ch