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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am27.06.2024Auflage
Von der Anomalie namens Leben Bei einem verhängnisvollen Sherry beschließen Cyril und Kay Wilkinson, mit 80 Jahren freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Krankheit, Siechtum und Leid: Die beiden wissen, danach geht es bergab. Doch was, wenn einer von ihnen den letzten Akt nicht über sich bringt? Wenn sie die neue Freiheit des Alters so sehr genießen, dass ihr Plan aus dem Blick gerät? Oder sich der Tod am Ende ganz überwinden lässt - was tun mit all der Ewigkeit? Lionel Shrivers Lust am Fabulieren, ihr funkelnd böser Witz und ihre überragende Beobachtungsgabe machen diesen Roman zu einem Fest der Literatur. »Ein beißend komisches Gedankenexperiment.« The Times »Ein Lesegenuss ... Herrlich erfindungsreich und immer wieder urkomisch.« The Seattle Times »Shrivers Romane sind wundervoll ... Witzig, klug und vollkommen anders als alles, was Sie sonst jemals lesen werden.« Financial Times

Lionel Shriver, geboren 1957 in Gastonia, North Carolina, lebt mit ihrem Mann, dem Jazzmusiker Jeff Williams, in Portugal und London. Ihr in 25 Sprachen übersetzter Roman »Wir müssen über Kevin reden« wurde mit dem Orange Prize for Fiction ausgezeichnet. Auch ihr um ein Gedankenspiel kreisender Roman »Liebespaarungen« erhielt international höchstes Kritikerlob und stand über Wochen auf den Bestsellerlisten. Zuletzt erschien »Die Letzten werden die Ersten sein«.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR19,99

Produkt

KlappentextVon der Anomalie namens Leben Bei einem verhängnisvollen Sherry beschließen Cyril und Kay Wilkinson, mit 80 Jahren freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Krankheit, Siechtum und Leid: Die beiden wissen, danach geht es bergab. Doch was, wenn einer von ihnen den letzten Akt nicht über sich bringt? Wenn sie die neue Freiheit des Alters so sehr genießen, dass ihr Plan aus dem Blick gerät? Oder sich der Tod am Ende ganz überwinden lässt - was tun mit all der Ewigkeit? Lionel Shrivers Lust am Fabulieren, ihr funkelnd böser Witz und ihre überragende Beobachtungsgabe machen diesen Roman zu einem Fest der Literatur. »Ein beißend komisches Gedankenexperiment.« The Times »Ein Lesegenuss ... Herrlich erfindungsreich und immer wieder urkomisch.« The Seattle Times »Shrivers Romane sind wundervoll ... Witzig, klug und vollkommen anders als alles, was Sie sonst jemals lesen werden.« Financial Times

Lionel Shriver, geboren 1957 in Gastonia, North Carolina, lebt mit ihrem Mann, dem Jazzmusiker Jeff Williams, in Portugal und London. Ihr in 25 Sprachen übersetzter Roman »Wir müssen über Kevin reden« wurde mit dem Orange Prize for Fiction ausgezeichnet. Auch ihr um ein Gedankenspiel kreisender Roman »Liebespaarungen« erhielt international höchstes Kritikerlob und stand über Wochen auf den Bestsellerlisten. Zuletzt erschien »Die Letzten werden die Ersten sein«.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492607469
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum27.06.2024
AuflageAuflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse7575 Kbytes
Artikel-Nr.12531897
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2
Das erste letzte Abendmahl

Der zweiundzwanzigste Januar 2019 war im Anmarsch, und Cyril bestand mit Nachdruck darauf, dass die Familie zu seinem achtzigsten Geburtstag keine große Feier veranstaltete. Mit einer Heftigkeit, die jegliche Aussicht auf eine Party im Keim ersticken sollte, betonte er seinen sehnlichen Wunsch, den Anlass bei einem intimen Abendessen mit seiner Frau zu begehen. Es sei das Beste, die Familie darauf zu konditionieren, die runden Geburtstage des Paares als Privatangelegenheiten zu betrachten. Schon vor langer Zeit hatten er und Kay sich darauf verständigt, dass sie mit der Einlösung ihres Versprechens warten würden, bis auch sie achtzig wurde, sofern nicht eine Diagnose oder ein Herzfehler dazwischenkäme und ihnen die Entscheidung ersparte. Insofern war sein eigener Achtzigster ein Probelauf.

Die unheilvolle Symbolik der Schwelle, die er überschritt, war Kay nicht entgangen, und so war sie, als sie am zweiundzwanzigsten aufwachte, traurig und reserviert. Auf Cyrils Drängen hin planten sie, an diesem Abend daheim zu bleiben, und Kay sollte keinen großen Aufwand treiben: ein selbst gemachter Steak and Ale Pie mit überbackenem Blumenkohl - einfache Kost, aber gut zubereitet. Er zog klassische englische Gerichte den Espumas und den hauchfeinen Reduktionen vom Wild vor, die in dem schicken Restaurant, in das Simon sie zur rauschenden Feier ihres fünfzigsten Hochzeitstags eingeladen hatte, als Soße durchgingen. Beim Mittagessen schlug Kay vor, dass sie in diesem Jahr vielleicht auf Kuchen verzichten sollten, weil es in ihrem Alter ratsam wäre, ihren Zuckerkonsum einzuschränken.

»Aber wozu«, fragte er ungläubig. »Um was zu vermeiden? Back einen Kuchen, um Himmels willen!«

Er wollte in Wahrheit gar keinen Kuchen. Er wollte, dass sie aufhörte, Opfer für eine langfristige Perspektive zu bringen, die inzwischen identisch mit der kurzfristigen Perspektive war. Während ihr persönlicher D-Day drohend näher rückte, sehnte er sich nach regelmäßigen Zeichen ihrerseits, dass alle alten Regeln langsam ihre Gültigkeit verlören.

»Na gut, vergessen wir Diabetes«, sagte sie. »Aber du weißt schon, dass es Menschen gibt, die um jeden Preis vermeiden wollen, in schmutziger Unterwäsche einen Autounfall zu haben? Ich möchte nicht als Dickmadam auf meinem Sterbebett gefunden werden.«

Eine solche Gefahr bestand kaum. Als sie an diesem Abend in dem mit Paradiesvögeln bestickten Kimono, den sie in Kyoto gekauft hatten, den Pie auftrug, sah er ganz kurz wieder jene staatlich geprüfte Krankenschwester, in die er sich am Imperial College in London verknallt hatte. Eher war sie dünner geworden, und das Kerzenlicht milderte die Falten auf ihrer Stirn und an den Mundwinkeln. Er war sich nie sicher, ob sie für ihr Alter erstaunlich jung aussah oder ob er sie nicht mehr so wahrnahm, wie andere es taten. In erster Linie aber sah er sie, und es widerstrebte ihm, seinen Blick auf ihren Wesenskern als eine Form der Verklärung zu begreifen. In diesem Moment etwa zeigte sich in ihrem Gesicht jenes feine Zucken und Ziehen, das darauf hindeutete, dass die Menge der Gedanken in ihrem Kopf in umgekehrtem Verhältnis zur Menge der von ihr ausgesprochenen Sätze stand.

»Ich finde es erstaunlich«, bemerkte sie, nachdem sie sich gesetzt hatte, »dass wir nie darüber sprechen.«

Das Thema, auf das sie anspielte, dräute dermaßen über diesem freudlosen Anlass, dass das Wort »darüber« zu seiner Identifizierung mehr als ausreichend war. So besorgt Cyril angesichts der Sprunghaftigkeit seiner Frau im Hinblick auf das im nächsten Jahr bevorstehende Verfallsdatum auch sein mochte, er war zumindest erleichtert, nicht über »Sie wissen schon was« reden zu müssen, ein Thema, das bei jeder Zusammenkunft von Briten und Britinnen die Basil-Fawlty-Qualität von »Nur kein Wort vom Krieg« erreicht hatte. In der vorigen Woche hatte ihre schwächliche Premierministerin die größte Regierungsschlappe in der Geschichte des Parlaments erlitten. Die ganze Angelegenheit war einfach nur zum Kotzen.

»Ich dachte, du bist es, die nicht darüber sprechen will«, sagte er.

»Ich meide das Thema nicht um jeden Preis. Ich glaube, ich weiß nur nicht, was ich sagen soll. Es ist immer noch so irreal für mich. Surreal.«

Er wusste, was sie meinte, denn er hatte bisweilen genauso empfunden, aber in diesem Moment rang er schweigend darum, die Absurdität dieser Empfindung in Worte zu fassen. Es gab gewiss nichts Realeres als das, was seit mehr als siebenundzwanzig Jahren in all seiner Düsterkeit auf ihrer Agenda stand: der letzte und wohl kaum nebensächliche Punkt auf einer sehr langen To-do-Liste. Und doch war es irgendwie typisch für ihre Spezies, das krass Reale - das, wenn man so will, Hyperreale, das Reale als Sünde, das Reale, wie es realer nicht geht - als nicht real wahrzunehmen. Als jenseits des Begreifbaren und darum als Fake. Die Dissonanz war vergleichbar mit dem bizarren Drang der Menschen, sich lebendig zu fühlen, wenn sie doch genau das waren.

»Du hast«, fügte sie hinzu, »nie geschwankt? In deinem Entschluss? Du hast nie gezaudert, nie hin und her überlegt?«

» Nie ist vielleicht zu stark ausgedrückt. Du sagst doch immer, ich sei so ein Sturkopf -«

»Ich bewundere die Kraft deiner Überzeugungen. Es kann nur einfach frustrierend sein, mit einem Mann zusammenzuleben, der in Schwarz und Weiß denkt, während die Welt aus lauter Grautönen besteht.«

»Ich fürchte, hier haben wir es ausnahmsweise tatsächlich mit Schwarz und Weiß zu tun. Entweder wir tun es, oder wir tun es nicht. Als wir das zum allerersten Mal besprochen haben -«

»Also das einzige Mal, dass wir es besprochen haben.«

»Du hast gesagt, dass jeder sich einbildet, eine Ausnahme zu sein, und ganz gewiss einen frühen und gnädigen Abgang arrangieren wird, ehe er sich dem Unerträglichen ausliefert. Und dann liefert man sich doch dem Unerträglichen aus. Das liegt daran, dass man, um die Kontrolle über das eigene Ende zu behalten, bereit sein muss, irgendeinen kleinen Teil davon aufzugeben, der noch nicht besonders schrottig ist. Andererseits geht es mit einem bergab, Ärzte und Angehörige übernehmen das Kommando, und man ist dazu verdammt, jenen Teil von sich selbst aufzugeben, der Entscheidungen trifft und Maßnahmen ergreift. Es bleibt uns nur ein kleines Zeitfenster, in dem wir die Kontrolle ausüben können.«

»Wir können nicht wissen, wie klein dieses Zeitfenster ist.«

»Das stimmt, das können wir nicht. Wir spielen mit hohem Einsatz. Aber wir spielen kein reines Glücksspiel wie Roulette. Es ist ein kalkuliertes Spiel, eher wie Blackjack. Du erinnerst dich, wir haben uns die wichtigsten Online-Tipps in Las Vegas angeschaut, und die waren alles in allem zutreffend, auch wenn niemals auf die Siebzehn zu setzen nicht bedeutete, dass man gewinnt. Wir arbeiten mit ziemlich exakten Parametern. Wir werden keine dreihundert Jahre alt.«

»Ja, das ist alles fürchterlich vernünftig«, sagte Kay, die ihre Felle davonschwimmen sah. »Aber ich kann mich einer gewissen Ratlosigkeit nicht erwehren, wenn ich hier sitze und Selbstmordgedanken hege«, sie hielt inne, damit die Rohheit dieser selten benutzten Formulierung ihre Wirkung entfalten konnte, »und zwar in einem Zustand relativer Zufriedenheit. Tja. Du bist es, der uns drängt, alle Vorsicht in den Wind zu schlagen. Also trink noch ein Glas von dem Barolo. Er ist erstklassig.«

***

Danach fühlte Cyril sich schuldig. Sich selbst ein zusätzliches Jahr und zwei Monate zu gönnen, die er seiner Frau verweigern würde, kam ihm wie Betrug oder gar Diebstahl vor. Da es Zeit war, auf die Kay für ihn verzichten würde - Zeit, die im Umkehrschluss nicht lebenswert wäre -, wurde er von dem perversen Drang gepackt, seine eigene Bonusfrist von vierzehn Monaten so erbärmlich wie möglich aussehen zu lassen. Er übertrieb sein Ischiasleiden, und manchmal zuckte er zusammen oder humpelte auf der Treppe, obwohl die Schmerzen durchaus erträglich waren. (Man hatte ihm, als er Mitte siebzig war, gesagt, dass sich die Stenose operieren ließe. Aber warum all die Qualen durchmachen und dabei dem NHS einen Haufen Kosten verursachen, wenn er nicht die Absicht hatte, von der Operation mehr als ein paar Jahre zu profitieren?) Er behauptete, keinen Appetit zu...
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Autor

Lionel Shriver, geboren 1957 in Gastonia, North Carolina, lebt mit ihrem Mann, dem Jazzmusiker Jeff Williams, in London und Brooklyn. Ihr in 25 Sprachen übersetzter Roman »Wir müssen über Kevin reden« wurde mit dem Orange Prize for Fiction ausgezeichnet. Auch ihr um ein Gedankenspiel kreisender Roman »Liebespaarungen« erhielt international höchstes Kritikerlob und stand über Wochen auf den Bestsellerlisten. Zuletzt erschien »Die Letzten werden die Ersten sein«.