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Die Evolution des Handelns

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
238 Seiten
Deutsch
Suhrkamp Verlag AGerschienen am12.02.20241. Auflage
Die Natur kann Organismen nicht so »bauen«, dass sie biologisch auf alle Eventualitäten vorbereitet sind. Sie kann aber psychologische Akteure schaffen: Organismen, welche als Feedbacksteuerungssysteme funktionieren, die Ziele verfolgen, fundierte Verhaltensentscheidungen treffen und deren Ausführung überwachen. In seinem neuen Buch stellt Michael Tomasello eine Typologie der wichtigsten Formen psychologischen Handelns vor, die auf dem Weg der Evolution zum Menschen entstanden sind.

Er skizziert vier Haupttypen dieses Handelns in der evolutionären Reihenfolge ihres Auftretens: das zielgerichtete der Wirbeltiere, das intentionale der Säugetiere, das rationale der Menschenaffen und schließlich das sozial-normative der Menschen. Jede neue Form ging mit einer höheren Komplexität bei der Planung, Entscheidungsfindung und Kontrolle einher. Und jede führte zu neuartigen Erfahrungen mit der Umwelt sowie - in einigen Fällen - mit sich selbst. Schlussendlich kam es dazu, dass der Mensch eine sowohl objektive als auch normative Welt erlebt, die sein gesamtes Denken und Handeln bestimmt.

Die Evolution des Handelns ist ein ebenso kreatives wie kühnes Werk, das einen neuen theoretischen Rahmen präsentiert, der den evolutionspsychologischen State of the Art sowohl erweitert als auch vertieft.



Michael Tomasello, geboren 1950, ist Professor für Psychologie und Neurowissenschaft an der Duke University. Von 1998 bis 2018 war er Co-Direktor des Max-Planck-Instituts für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Für seine Forschungen wurde er mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Jean-Nicod-Preis, dem Hegel-Preis der Stadt Stuttgart und dem Max-Planck-Forschungspreis. 2015 erhielt er für sein Gesamtwerk den prestigeträchtigen Distinguished Scientific Contribution Award der American Psychological Association.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR34,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR29,99

Produkt

KlappentextDie Natur kann Organismen nicht so »bauen«, dass sie biologisch auf alle Eventualitäten vorbereitet sind. Sie kann aber psychologische Akteure schaffen: Organismen, welche als Feedbacksteuerungssysteme funktionieren, die Ziele verfolgen, fundierte Verhaltensentscheidungen treffen und deren Ausführung überwachen. In seinem neuen Buch stellt Michael Tomasello eine Typologie der wichtigsten Formen psychologischen Handelns vor, die auf dem Weg der Evolution zum Menschen entstanden sind.

Er skizziert vier Haupttypen dieses Handelns in der evolutionären Reihenfolge ihres Auftretens: das zielgerichtete der Wirbeltiere, das intentionale der Säugetiere, das rationale der Menschenaffen und schließlich das sozial-normative der Menschen. Jede neue Form ging mit einer höheren Komplexität bei der Planung, Entscheidungsfindung und Kontrolle einher. Und jede führte zu neuartigen Erfahrungen mit der Umwelt sowie - in einigen Fällen - mit sich selbst. Schlussendlich kam es dazu, dass der Mensch eine sowohl objektive als auch normative Welt erlebt, die sein gesamtes Denken und Handeln bestimmt.

Die Evolution des Handelns ist ein ebenso kreatives wie kühnes Werk, das einen neuen theoretischen Rahmen präsentiert, der den evolutionspsychologischen State of the Art sowohl erweitert als auch vertieft.



Michael Tomasello, geboren 1950, ist Professor für Psychologie und Neurowissenschaft an der Duke University. Von 1998 bis 2018 war er Co-Direktor des Max-Planck-Instituts für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Für seine Forschungen wurde er mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Jean-Nicod-Preis, dem Hegel-Preis der Stadt Stuttgart und dem Max-Planck-Forschungspreis. 2015 erhielt er für sein Gesamtwerk den prestigeträchtigen Distinguished Scientific Contribution Award der American Psychological Association.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783518778838
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum12.02.2024
Auflage1. Auflage
Seiten238 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.12533175
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


272âEin Feedbacksteuerungsmodell des Handelns


Natürliche Selektion ist die Theorie, [die erklärt], wie sich Formen angepasst haben, d.ââh. gleichsam durch einen Zweck bestimmt wurden. Sie legt eine wirksame Maschinerie zur Hervorbringung des Ziels nahe.

Charles Sanders Peirce, Collected Papers

 

Alle Tierarten vollziehen eine Vielfalt biologischer Tätigkeiten, darunter selbsterzeugte Bewegungen, die ihr Überleben und ihre Fortpflanzung fördern. Einigen Gelehrten zufolge machen diese Tätigkeiten alle Organismen zu »adaptiven Akteuren« im Evolutionsprozess (zum Beispiel Walsh, 2015). Diese organismische Perspektive ist in gegenwärtigen Erörterungen des Wesens der Evolution, die sich häufig nur auf molekulare Prozesse konzentrieren, äußerst wertvoll. Dennoch ist dieser Ansatz mit Bezug auf das Handeln für die vorliegenden Zwecke sowohl zu weit als auch zu biologisch. Mein Hauptaugenmerk liegt hier vielmehr auf dem engeren Begriff dessen, was man am besten als »psychologisches Handeln« bezeichnen könnte (siehe auch Sterelny, 2001).

Sich als psychologischer Akteur zu verhalten bedeutet, dass die zugrunde liegenden psychologischen Prozesse, die Handlungen generieren, auf eine ganz bestimmte Weise organisiert sind. Ein Akteur reagiert nicht einfach nur auf Reize, sondern richtet seine Handlungen auf Ziele (oder plant das sogar) und achtet zu diesem Zweck aktiv auf relevante Situationen. Und ein Akteur »zielt und schießt« nicht einfach nur ballistisch auf seine Ziele, sondern steuert (oder selbstreguliert sogar exekutiv) seine Handlungen, indem er sachkundige Entscheidungen darüber trifft, was an verschiedenen Punkten in einer sich dynamisch entfaltenden Situation am besten funktionieren wird. 28In methodischer Hinsicht ist der Hauptbeleg für psychologisches Handeln die »Verhaltensflexibilität« von Individuen, insbesondere unter neuen Umständen (siehe Lea et al., 2020, zu einer Erörterung der Bedeutung dieser Vorstellung für die moderne Erforschung der Tierkognition). Verhaltensflexibilität deutet darauf hin, dass der individuelle Organismus in einem bestimmten Augenblick neue Möglichkeiten findet, um mit herausfordernden neuen Umständen umzugehen.

Wenn das Ziel darin besteht, die verschiedenen Formen psychologischen Handelns auf dem Evolutionspfad zum Menschen zu rekonstruieren, muss ich zunächst dreierlei tun. Erstens muss ich, um die verschiedenen Formen des Handelns streng zu charakterisieren, einen integrierten Satz theoretischer Werkzeuge zur Beschreibung der Organisationsarchitektur des Handelns finden oder entwickeln. Die theoretischen Werkzeuge der Verhaltensökologie sind für diese Aufgabe nicht geeignet; die des Behaviorismus sind als solche zu eng fokussiert auf Lern- und Gedächtnisprozesse; und die der Evolutionspsychologie konzentrieren sich zu sehr auf modularisierte Fertigkeiten und vernachlässigen die übergreifende psychologische Organisation. Die theoretischen Werkzeuge der Tierkognition sind, wenn sie durch diejenigen der Theorie der Koevolution für Menschen ergänzt werden, der Aufgabe zwar angemessen, aber stark unterentwickelt. Daher werde ich versuchen, die theoretischen Werkzeuge der tierischen (und menschlichen) Kognition dadurch zu entwickeln, dass ich eine Klasse psychologischer Modelle des Handelns aus der modernen Kognitionswissenschaft anpasse und erweitere. Die Grundstruktur des psychologischen Handelns, so meine Behauptung, wird in klassischen kybernetischen Modellen zielgerichteter Handlungen, die auf Prinzipien der Feedbacksteuerung beruhen, offenkundig (zum Beispiel Miller, Galanter und Pribram, 1960). Diese Grundstruktur muss dann durch Modelle aus der modernen Entscheidungsforschung ausgestaltet werden, die sich auf verschiedene Typen von Entscheidungsprozessen unter verschiedenen Arten von Unsicherheit konzentrie29ren (zum Beispiel Gigerenzer et al., 2011). Für manche Organismen brauchen wir dann außerdem noch Modelle der Exekutivfunktion und kognitiven Steuerung, um zusätzliche Ressourcen für die Beschreibung der Art und Weise bereitzustellen, wie Individuen intentional handeln und ihre Handlungen von einer exekutiven Funktionsebene aus selbstregulieren (zum Beispiel Egner, 2017). Für andere Fälle wiederum müssen wir anschließend Modelle der Metakognition und »komputationalen Rationalität« anpassen, denen zufolge Akteure die Wirksamkeit ihrer exekutiven Prozesse erster Stufe von einer exekutiven Ebene zweiter Stufe aus einschätzen (zum Beispiel Gershman et al., 2015). Schließlich müssen wir all das noch an den Menschen anpassen, um seine einzigartigen Formen sozial geteilter Handlungsfähigkeiten zu charakterisieren, die die Art und Weise, wie Individuen ihre Entscheidungen treffen und selbstregulieren, grundlegend ändern.

Das Zweite, was ich als Vorbereitung meiner Rekonstruktionsaufgabe leisten muss, besteht in der Identifikation der ursächlichen ökologischen Umstände, die zur Erklärung der evolutionären Übergänge von einer Form der Handlungsfähigkeit zu einer anderen dienen. Laut allgemeiner theoretischer Überlegungen aus der Entscheidungsforschung sind Situationen der Unsicherheit - das heißt verschiedene Typen von Unsicherheit -, mit denen Entscheidungssubjekte konfrontiert sind (zum Beispiel Yu und Dayan, 2005), von besonderer Bedeutung. Die Evolutionshypothese besagt, dass, wenn Individuen regelmäßig mit Situationen von Unsicherheit konfrontiert sind, diejenigen Individuen am besten abschneiden, die agentiv operieren, um die vorliegende Situation flexibel einzuschätzen und eine Entscheidung zu treffen, die die relevanten lokalen Kontingenzen (sowie vielleicht bestimmte Heuristiken; siehe Gigerenzer et al., 2011) einbezieht, und dann die Verhaltensausführung bei ihrer Entfaltung überwachen und selbstregulieren. Meine spezifischere Hypothese lautet, dass die vier hauptsächlichen Typen agentiver Organisation auf dem Weg zum zeitgenössischen Menschen sich als Reaktion auf vier 30hauptsächliche Typen von Unsicherheiten entwickelten, die im Wesentlichen von vier verschiedenen Typen sozialer Interaktion erzeugt wurden. Ich bestimme diese Typen von Unsicherheit, indem ich ein Verfahren verwende, das das Gegenteil von Reverse Engineering darstellt und das man als »Prospective Engineering« bezeichnen könnte. Anstatt mit dem Mechanismus zu beginnen und zu bestimmen, welches Problem seine Entwicklung lösen sollte, beginne ich mit dem Problem (der ökologischen Herausforderung) und versuche - auf der Grundlage empirischer Beobachtungen aus Verhaltensexperimenten - zu bestimmen, welche Mechanismen möglicherweise zu seiner Lösung entworfen wurden.

Da wir das Verhalten ausgestorbener Lebewesen nicht beobachten können, müssen wir drittens und letztens gegenwärtig lebende Wesen identifizieren, die als Modellarten dienen können, wenn wir experimentelle Informationen über das Verhalten der urzeitlichen Vorfahren des Menschen gewinnen wollen. Für diese Aufgabe verwende ich die normalen Methoden der vergleichenden Biologie, nämlich die Sammlung allgemeiner Informationen anhand von Fossilien über die Physiologie der relevanten ausgestorbenen Organismen und ihren evolutionären Entwicklungsverlauf und die Verwendung dieser Informationen zum Auffinden heute lebender Organismen, die als Modelle fungieren sollen. Mit diesen Modellarten können wir dann Zugang zu Daten aus Verhaltensexperimenten gewinnen.


Maschinenmodelle des Handelns


Psychologen sind schon immer von Maschinen als Modellen im Hinblick darauf angezogen worden, wie Verhalten generiert und organisiert wird. Die klassischen Behavioristen benutzten die automatisierte Telefonzentrale aus den 1930er Jahren als Modell. Die Zentrale war untätig, bis ein Anruf (der Reiz) eintraf, worauf sie die Telefonleitung des Anrufers mit der Telefonleitung der gewählten Nummer 31verband (mit der Reaktion - die, wenn sie durch Erfolg verstärkt worden war, gelernt wurde). Die Ethologen hatten ein anderes Maschinenmodell, das jedoch ebenso passiv war. In Lorenz' Hydraulikmodell hatte der Organismus bestimmte »handlungsspezifische Energien«, die sich mit der Zeit aufstauten (zum Beispiel Hunger). Dann kam ein angeborener, auslösender Mechanismus daher (zum Beispiel das Erblicken von Nahrung als Reiz), der bestimmte starre Handlungsmuster aktivierte (zum Beispiel Fressverhalten als Reaktion), ...

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Autor

Michael Tomasello, geboren 1950, ist Professor für Psychologie und Neurowissenschaft an der Duke University. Von 1998 bis 2018 war er Co-Direktor des Max-Planck-Instituts für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Für seine Forschungen wurde er mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Jean-Nicod-Preis, dem Hegel-Preis der Stadt Stuttgart und dem Max-Planck-Forschungspreis. 2015 erhielt er für sein Gesamtwerk den prestigeträchtigen Distinguished Scientific Contribution Award der American Psychological Association.