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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
331 Seiten
Deutsch
treditionerschienen am22.02.20221. Auflage
'Queeres entdecken' bietet ein Panorama aktueller, ausgewählt guter queerer Literatur. Über 120 Autor*innen bewarben sich mit ihren Texten für die Teilnahme am Litfest homochrom, dem bisher größten Festival für deutschsprachige Literatur mit LSBTIAQ-Bezug, welches im August 2021 erstmals in Köln stattfand. Die 33 besten, abwechslungsreichsten Romanauszüge, Kurzgeschichten wie auch Monologe, jeweils mit einer Leselänge von zirka 20 bis 25 Minuten, wurden ausgewählt, um von den Schreibenden persönlich vor Publikum und Kamera vorgetragen zu werden. 27 dieser Texte, einschließlich aller drei Publikumspreisgewinner, sind in dieser Anthologie versammelt, um von dir entdeckt zu werden - und um dir hoffentlich Lust auf mehr queere Literatur zu machen.mehr
Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR12,99
BuchGebunden
EUR19,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR2,99

Produkt

Klappentext'Queeres entdecken' bietet ein Panorama aktueller, ausgewählt guter queerer Literatur. Über 120 Autor*innen bewarben sich mit ihren Texten für die Teilnahme am Litfest homochrom, dem bisher größten Festival für deutschsprachige Literatur mit LSBTIAQ-Bezug, welches im August 2021 erstmals in Köln stattfand. Die 33 besten, abwechslungsreichsten Romanauszüge, Kurzgeschichten wie auch Monologe, jeweils mit einer Leselänge von zirka 20 bis 25 Minuten, wurden ausgewählt, um von den Schreibenden persönlich vor Publikum und Kamera vorgetragen zu werden. 27 dieser Texte, einschließlich aller drei Publikumspreisgewinner, sind in dieser Anthologie versammelt, um von dir entdeckt zu werden - und um dir hoffentlich Lust auf mehr queere Literatur zu machen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783347550681
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum22.02.2022
Auflage1. Auflage
Seiten331 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse5933 Kbytes
Artikel-Nr.12572050
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Aimée Goepfert

Ungeschminkt über den Wolken

Heute drehe ich meinen ersten Monologfilm und zwar ganz allein. Ein altes Handy mit einer Kamera und einem Stativ, mehr habe ich als Ausstattung nicht zur Verfügung. Das muss reichen für mein Experiment, das, was gerade das Wichtigste in meinem Leben ist, einzufangen und mich selbst als Spiegel zu betrachten und mit meinem Spiegelbild in Resonanz zu gehen.

Ich werde mich ausziehen, nicht zu Hause, das machen alle abends, bevor sie zu Bett gehen. oder gewöhnlich, wenn sie miteinander schlafen - also, ich meine damit, sich sexuell vereinigen.

Ich folge meinem Gefühl. Wo ich es tun werde, weiß ich noch nicht. Aber es wird passieren, das ist gewiss. Ohne, dass ich eine Stripperin bin, die dafür bezahlt wird.

Aber um noch mal zurückzukommen, wie alles begann, ohne bei meinen Ahnen oder meiner Geburt zu starten - das wäre eine andere und sicher auch spannende Story. Doch ein klein wenig möchte ich mit dir in meine Vergangenheit reisen, damit du vielleicht verstehen kannst, mich verstehen kannst. Wie die Inspiration für die Veränderung in meinem Leben kam und das tiefe Bedürfnis, das mit der Kamera nun auch festzuhalten.

Ich bin nackt. Ohne zu wissen, dass es einen Ort gibt, der mich so inspiriert und zu meiner Freiheit verhelfen wird. Ohne zu suchen, habe ich ihn entdeckt. Vielleicht sogar die schönste und wichtigste Entdeckung meines Lebens. Ein Mysterium. Energie pur!

Für viele ist es vielleicht ein Ort, um Drogen zu konsumieren, um schnellen Sex zu haben oder um ne lange Party zu feiern, die einfach nicht enden will. Das wäre es früher wahrscheinlich auch für mich gewesen.

Etwas muss also schon vorher in mir, in meinem Inneren eingesetzt haben, sich verändert haben, damit ich mich noch tiefer verändern kann. Eine bewusste andere Wahrnehmung. Meine wachen Sinne haben mir dazu verholfen. Damit ich mir über meinen Wunsch überhaupt bewusst werden kann und diesem dann zu folgen.

Das hat mein Leben verändert und war für mich der Start, in Freiheit zu sein.

Ein Club mitten in der Großstadt. Ich bin vor sieben Jahren das erste Mal dort gewesen und habe bisher viele Partys gefeiert. Getanzt, eben Partys gefeiert, ne ganze Menge, viele Männer und Frauen, einfach Menschen, kennengelernt, geflirtet, Sex gehabt. Alles ist erlaubt, ohne Tabu. Alle Geschlechter, nicht nur männlich, weiblich, alles. Jede sexuelle Richtung und Form, die du dir vielleicht erträumst, oder jede Mischform, die du dir vorstellst, von denen wir uns eine Meinung bilden können, ob es sie gibt oder nicht.

Aus der ganzen Welt stoßen dort Menschen aufeinander. Alle wollen dort rein, die hierher kommen. Viele fliegen extra fürs Wochenende hierher.

Für viele bleibt die Tür aber von außen zu, symbolisch. Sie spüren und strahlen nicht die Energie des Ortes aus. Es passt einfach nicht energetisch.

Die Tür ist die letzte Station in der Hoffnung, doch noch reinzukommen.

Das macht diesen Ort so einzigartig und wunderschön einfach. Für mich kreativ und inspirierend. Ich bin nüchtern, trinke schon seit zweieinhalb Jahren keinen Alkohol mehr und nehme auch sonst nichts.

Ich bin ausgeschlafen, steige aus dem Zug in der Großstadt aus. Es ist Sonntagnachmittag. Die Schlange ist mal wieder bis zur Straße über den Bürgersteig, kaum einsehbar, wo ihr Ende liegt. Mindestens zwei bis drei Stunden müsste ich regulär anstehen. Ich laufe wie immer direkt zur Absperrung.

Bist du allein oder zu zweit? Allein. Und ich komme nach kurzem rein, die Türsteher kennen mich. Mein Beutel und mein Body wird kurz gecheckt und die Handykamera abgeklebt, sofern ich mein Handy dabei hätte. Das liegt natürlich brav zu Hause. Und dann noch 20 Euro Eintritt an der nächsten Station zahlen und die Party kann starten.

Ein ausgiebiges Frühstück habe ich noch zu Hause genossen und meditiert. Bis mittags noch zu Hause produktiv für mein derzeitiges Projekt gewesen.

Ein Sonntag ohne Tanzen und Techno ist für mich undenkbar. Die Musik ist atemberaubend dort und ich tanze schon vorher vor meinem Spiegel zu Hause in größter Vorfreude. Ich liebe alles an diesem Tag in der Woche. Für andere ist es Weihnachten einmal im Jahr. Für mich ist es jede Woche, das ganze Jahr über: Mich zu freuen über einen weiteren Tag meines Lebens und schon am Abend davor aufgeregt zu sein, endlich einzuschlafen, weil ich mich so auf meinen Sonntag freue und das jede Woche.

Es war der 2. Juni 2019, als ich spürte:

Heute bin ich bereit. Das war ungefähr ein Jahr vor dem heutigen Tag. Es im Club zu tun, ist etwas anderes als auf der Straße. Ein anderer Kitzel auch abhängig von der Tageszeit, ob dich jemand sieht oder um die Ecke kommen könnte, ist schon aufregend genug für meinen Herzschlag. Eigentlich sehr unspektakulär an einem Ort, wo es erlaubt ist, nackt zu sein. Aber es tut keine Frau. Keine Frau habe ich bis dahin nackt im Club gesehen, den einen oder anderen Mann, ja, aber keine Frau.

Irgendwie war all die Jahre eine Grenze erreicht für mich, den Slip anzulassen. Ich weiß nicht genau, was es ist, als ob der Slip ein Schutz ist. Oberkörper frei, meine Brüste zu zeigen, weil ich es fühle und sie auch wirklich wunderschön sind, war schon immer besonders, nur wenige Frauen taten es, aber schon einige mehr, als nackt zu sein, und auf der Straße natürlich keine einzige.

Aber nun den Impuls zu spüren, bereit zu sein, ganz nackt diesen Ort zu erleben, einfach weil ich es fühle, macht für mich den Tag besonders, besonders natürlich auch nüchtern dabei zu sein, keine Hemmschwelle, die anderweitig übertreten werden müsste. Das bin also wirklich ich.

Auf der Tanzfläche war es am besagten Tag eher unspektakulär, ein paar Tanzwütige haben drin getanzt. Im Winter ist es sonst megavoll hier, aber im Sommer spielt sich viel im Garten ab.

Aber ich wollte es drin tun und so habe ich mich in der dunklen Halle, die einem Bunker mit hohen Decken ähnelt, erst mal warm getanzt. Der Sonntagsgottesdienst eben. Viele Klamotten hatte ich beim Reinkommen sowieso nicht an, meine kurze Hose und mein Top waren schnell am Eingang entkleidet und in meinem Beutel verstaut, den ich am liebsten beim Tanzen zwischen meinen Beinen abstelle, um alles bei mir zu haben. Und meine Wasserflasche, die ich auf der Toilette immer wieder auffülle, habe ich auch immer dabei. Etwas zu essen noch von zu Hause mitgebracht. Ich greife kurz danach in meinen Beutel und ich verspüre kurz wieder diese innere Blockade. Aber ich will es!

Ich tanze auf dem Podest. Dann habe ich dabei innerlich bis drei gezählt und das Nachdenken setzte aus. Kurz beim Tanzen, ohne dabei die Bewegung anzuhalten und ohne noch einmal darüber nachzudenken, einfach meiner Entscheidung zu folgen. Ich ziehe meinen schwarzen Slip über meine Turnschuhe aus und halte ihn noch ein wenig in der Hand, den Slip.

Ich tanze weiter. Ich bin überwältigt. Ich habe es getan.

Ich bin nackt. Ich bin frei.

Ich nehme meinen Beutel und spaziere noch etwas in den Garten, um dort mit der großen Menge an Tanzwütigen meine Befreiung zu feiern.

Nach ungefähr drei Stunden trete ich am Abend meine Heimreise an, um mich auszuschlafen für den frühen Morgen und die neue Woche danach.

Was für eine Explosion! Einmal die Hemmschwelle natürlich überschritten, wie Fahrradfahren als Kind fühlt es sich für mich gerade an.

Eine Befreiung von innen, die sich einfach nicht beschreiben lässt. Ich bin Mensch. Ich bin Frau, dachte ich bis dahin.

Doch die noch größere Überraschung steht mir noch bevor:

Nun ein Jahr später. Eine innere Transformation, die sich auch im Außen zeigt, hat weiter ihren Lauf genommen. Sie ist nicht zu stoppen. Ich bin nicht zu bremsen. Ich gehöre einfach dazu.

Ich bin Teil einer queeren Community. Ohne dass ich jemanden persönlich kenne, dem einen oder anderen sage ich Hallo. Und lächle sie oder ihn an.

Ich liebe es, bei ihnen zu tanzen. Auf der linken Seite, bei den Männern. Dass dort auch der Eingang zum Darkroom ist, ist wahrscheinlich wirklich kein Zufall. Dass in diesem Bereich auch eine Frau tanzt, ohne sich dorthin verirrt zu haben oder jemanden unter hunderten, tausenden Menschen sucht, wenn es abends voll ist, ist eine Seltenheit. Also, dass dort eine Frau ist.

Ich fühle mich einfach wohl hier, gehöre hierher, zu ihnen.

Bin ich auch schwul? Die Frage stelle ich mir immer häufiger in meinem Leben.

Kann ich auch schwul sein und trotzdem biologisch als Frau mich glücklich und gesund fühlen?

Am 23. April 2019, also ungefähr sechs Wochen, bevor ich mich das erste Mal auf dem Podest ausgezogen habe, war die legendäre Osterparty. Noch mehr schöne Menschen aus der ganzen Welt, als sowieso schon hier sind.

Die Party geht bis Dienstagmittag. Ich komme wie häufig am frühen Morgen zum Closing ausgeschlafen noch mal in die Großstadt...

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Autor

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