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Neusiedler Tod

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
272 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am14.02.2024
Eigentlich will sich Journalistin Laura nur eine Auszeit nehmen und am Neusiedler See ihrer Berufung nachgehen: dem Schreiben eines Reiseführers über den idyllischen Steppensee. Bei den Recherchen für das Buch rechnet sie mit allem - nur nicht mit dem Fund von Leichenteilen, noch dazu genau an der Staatsgrenze zwischen Österreich und Ungarn. Ihre Nachforschungen zur Austrocknung des Sees verschwimmen bald mit der Polizeiarbeit und führen sie in die Abgründe beider Länder. Sie entdeckt, dass fast jeder am See ein Geheimnis hat - nur, wie sehr sie selbst in Gefahr schwebt, merkt sie zu spät ...

Bernadette Németh wurde 1979 in Wien geboren, wuchs zweisprachig mit Deutsch und Ungarisch auf und schreibt seit ihrer Kindheit. Neben ihrer Tätigkeit als Ärztin und Ausflügen in den Journalismus erfolgten Platzierungen bei Literaturwettbewerben. Nach einem Kurzgeschichtenband, einem Kinderbuch und Lyrik erschien 2017 ihr Debütroman. 2019 schrieb sie ihren ersten Reiseführer über Wien mit Kindern und aus Liebe zum Burgenland ein Jahr später einen Reiseführer rund um den Neusiedler See. Inzwischen lebt und arbeitet sie in einem Dorf am Neusiedler See, der im Mittelpunkt ihres literarischen Schaffens steht.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,50
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextEigentlich will sich Journalistin Laura nur eine Auszeit nehmen und am Neusiedler See ihrer Berufung nachgehen: dem Schreiben eines Reiseführers über den idyllischen Steppensee. Bei den Recherchen für das Buch rechnet sie mit allem - nur nicht mit dem Fund von Leichenteilen, noch dazu genau an der Staatsgrenze zwischen Österreich und Ungarn. Ihre Nachforschungen zur Austrocknung des Sees verschwimmen bald mit der Polizeiarbeit und führen sie in die Abgründe beider Länder. Sie entdeckt, dass fast jeder am See ein Geheimnis hat - nur, wie sehr sie selbst in Gefahr schwebt, merkt sie zu spät ...

Bernadette Németh wurde 1979 in Wien geboren, wuchs zweisprachig mit Deutsch und Ungarisch auf und schreibt seit ihrer Kindheit. Neben ihrer Tätigkeit als Ärztin und Ausflügen in den Journalismus erfolgten Platzierungen bei Literaturwettbewerben. Nach einem Kurzgeschichtenband, einem Kinderbuch und Lyrik erschien 2017 ihr Debütroman. 2019 schrieb sie ihren ersten Reiseführer über Wien mit Kindern und aus Liebe zum Burgenland ein Jahr später einen Reiseführer rund um den Neusiedler See. Inzwischen lebt und arbeitet sie in einem Dorf am Neusiedler See, der im Mittelpunkt ihres literarischen Schaffens steht.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839279120
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum14.02.2024
Seiten272 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.12608381
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Sarród, Juli 2019

Es war heiß, außerordentliche 35 Grad Celsius, und windig. Wüstengleich knatterte der glühende Wind durch das Schilfrohr und erzeugte gemeinsam mit dem Vogelgeschrei einen ohrenbetäubenden Lärm. Genügte es anderenorts, die Wetterlage in »wenig windig« und »stark windig« einzuteilen, hatte die Kraft des Windes hier am Neusiedler See etwas Bestimmendes. Der Wind hatte die Landschaft geformt, Bäume verkrümmt, regelmäßig Wellen aufgetürmt und am Rand des Schilfes, das aus dem Wasser ragte, schmale Sandbänke geformt. In der ungarischen Sprache, die Laura mittlerweile so vertraut war, war der Name des Sees gleichbedeutend mit »infektiös«; eine Ansicht, die viele Unkundige teilten, wenn sie das schlammig-braune Wasser des Neusiedler Sees zum ersten Mal sahen. Nichtsdestotrotz brüteten im kilometerweiten Schilf Kolonien an Vögeln, die es nirgends sonst in Europa gab oder die Jahr für Jahr für die Brutplätze hier eine beschwerliche Reise auf sich nahmen.

Normalerweise war Nordwind schuld am zeitweisen Schwefelgeruch, den der verblasene Seeboden erzeugte, doch in diesem Fall hatte der stechende Geruch einen anderen Ursprung. Er kam von dem schmalen Sandstreifen hinter den letzten Schilfhalmen, auf dem nun rot-weiß-rotes Absperrband im Wind flatterte. Der Gestank zog konzentrische Kreise, breitete sich vom Holzsteg, den sie in der Ferne sehen konnte, ringförmig aus und hätte von einem unvoreingenommenen Beobachter zu dem üblichen Fäulnisgeruch gezählt werden können, der an heißen Tagen aus den Stellen am Rande des Neusiedler Sees aufstieg, wo der schwefelhaltige Seeschlamm in der Sonne trocknete. Nur dass er süßlicher war und jetzt, wo Laura wusste, woher er stammte, deutliche Spuren von Tod und Verwesung enthielt. Er wurde mit dem Wind verweht und presste sich Laura ins Gesicht, sodass sie dankbar ein Taschentuch entgegennahm, das der blasse Polizist ihr reichte. Er lehnte neben ihr an einem krummen Baum, der wie eine Ölweide aussah.

»Drücken Sie das in Gesicht«, sagte der Polizist. »Hoffentlich kommen die Österreicher bald.«

Der Blasse sprach ausreichend gut Deutsch wie die meisten Ungarn in der Grenzregion, und er sah mit seinen hellen Haaren und der dünnen Statur aus wie ein Skispringer, der aus Versehen in die falsche Landschaft verweht worden war. Gerade schraubte er die dritte Flasche Mineralwasser, beschriftet mit einem unleserlich langen Wort, auf, und reichte sie Laura, die dankbar trank.

Wenige Meter neben dem Pfad, in dessen Mitte der Weidenbaum stand, erstreckte sich das braune vertrocknete Schilf wie ein undurchdringlicher Wall bis nach vorne zur Wasserkante, die mit dem Himmel zu verschmelzen schien. Der Pfad war eine mehrere 100 Meter lang, in den Schilfgürtel geschnittene Schneise, die von der Landstraße bei Sarród zum Seeufer führte und die fast niemand kannte, offenbar auch nicht die österreichischen Polizisten, die sich gerade verspäteten und dies durch regelmäßiges verärgertes Schnurren im Funkgerät des Skispringers bemerkbar machten. Die Ungarn waren schneller gewesen; die Spurensicherung hatte in Windeseile den Bereich um den morschen Stegrest, der vor dem Schilfgürtel ins niedrige Wasser führte, abgesteckt, und Laura zum Blassen geschickt, dem solche Anblicke offenbar ebenso nahegingen wie ihr. Sein Einwand, der Steg stehe genau auf dem Grenzgebiet zwischen Österreich und Ungarn, hatte einen dicken rotgesichtigen Polizisten zum Ausruf gebracht: »Jetzt müssen wir sogar schon den Dreck der Nachbarn wegräumen!«, und zu einem wütenden Seitenblick auf Laura, die als Anruferin der Polizei den ganzen Schlamassel verursacht zu haben schien.

»László mag nicht arbeiten, wenn es heiß ist«, sagte der Skispringer mit einem Kopfnicken zum Dicken, dessen roter Kopf trotz der Entfernung gut sichtbar war.

»Noch Wasser?« Er streckte Laura eine weitere Flasche hin. »Ich würde Ihnen ja lieber eine Marille anbieten«, fügte er entschuldigend hinzu, verschluckte aber den zweiten Teil des Satzes, sodass Laura erst im Nachhinein verstand, dass der Ungar damit einen Marillenschnaps gemeint haben musste.

Sie lehnte am Weidenbaum und bemühte sich, das Gesehene in die Kategorie der Dinge einzuordnen, für die sich bestimmt bald eine Erklärung finden ließ, wenn es einmal in den Händen der Fachleute war.

Die Klumpen am Seeufer waren hell-dunkel marmoriert gewesen, und hätte in dem größten nicht eine Lücke geklafft, hätte Laura vermutlich dem Gestank nach an verwesenden Müll gedacht. Einer war sanft auf dem Wasser auf und ab geschaukelt, die anderen waren mit einer Art grobem Seil unter den Brettern des morschen Steges befestigt gewesen. Den Steg kannten nur wenige Menschen, vermutlich nur einige ungarische Fischer und eine Handvoll Jugendliche des Dorfes Sarród, die hier baden gingen und ab und zu eine Flasche Bier im Schilfgürtel vergaßen. Er war bereits teilweise verrottet und befand sich haarscharf auf ungarischem Staatsgebiet, dem Landkreis Sarród. Direkt daneben verlief die Landesgrenze, sodass die kleine Sandbank ihre Existenz wohl der Tatsache verdankte, dass zu Zeiten des Eisernen Vorhangs ein Überwachungsturm hier gestanden haben musste. Genau dieser Umstand hatte diesen Ort für Laura interessant gemacht.

Der Geruch hatte sie abgeschreckt. Zwar kannte sie mittlerweile die Odeurs des Neusiedler Sees, vom fruchtigen Wind aus dem Süden, der vor allem im Herbst wie die Trauben roch, über die er entlanggestrichen war, über den pestilenzartigen Gestank eines toten Fisches, wenn er im Flachwasser trieb, bis hin zu der friedlichen Modrigkeit des Flachwassers, doch der an diesem Tag hatte alles bisher Dagewesene in den Schatten gestellt. Dennoch war sie Stück für Stück nähergetreten, angezogen von den seltsamen braun-weißen Klumpen im See, die sie für algenbewachsene Bojen gehalten hatte, bis sie die Lücke sah, die im größten Klumpen klaffte. Die gummiartig weiße, an einigen Stellen vom Seeschlamm braun gefärbte Hülle war an dieser Stelle vom Seewind regelrecht aufgeklappt worden. Darunter klaffte ein Loch. Überbrückt von drei eindeutig erkennbaren Rippen.

Laura hörte die Polizisten, bevor sie sie sah. Mit raschelnden Schritten brachen sie sich einen Weg durch den Schilfpfad.

»Herbert Wasser«, sagte ein Polizist, als er vor Laura und dem Skispringer stand. »Bin ich hier richtig bei den Kollegen aus Fertöd?«

Der Skispringer nickte.

»Leichenfund?«, fragte Kommissar Wasser. »Das ist übrigens mein Kollege, Kommissar Riedl.«

Ein zweiter Polizist drückte sich durchs Schilf. Er trug eine rote Kappe und wirkte im Gegensatz zum etwas steifen Wasser angenehm zwanglos; alles an ihm erinnerte Laura an den Volleyballtrainer ihres Ex-Freundes, den sie einmal kennengelernt hatte.

Der Skispringer nickte erneut.

»In Ungarn oder Österreich?«

Endlich schien der Skispringer seine Sprache wiederzufinden. »Halb, halb«, sagte er. Und, als Kommissar Wasser seine Brauen hob:

»Der Kopf war auf österreichischem Teil.«

Wasser wurde einen Hauch blasser, was auch der Hitze angelastet werden konnte.

»Wer hat Sie angerufen?«

Der Skispringer deutete auf Laura.

»Die Tante hier.«

»Dame«, korrigierte Riedl. Der Skispringer wurde zum ersten Mal rot.

»Dame, natürlich«, wiederholte er.

Laura schüttelte entschuldigend den Kopf.

»Kein Problem«, sagte sie. Sie wusste, dass in Ungarn Menschen, die ungefähr das 16. Lebensjahr überschritten hatten, prinzipiell als »Tante« oder »Onkel« bezeichnet wurden, ganz ohne Berücksichtigung des Verwandtschaftsgrades. Wenn der Skispringer so gut Deutsch konnte wie sie Ungarisch, waren solche sprachlichen Ungeschliffenheiten verzeihbar. Wenngleich Wasser, wie ihr jetzt bewusst wurde, sie anstarrte. Es kam nicht oft vor, dass sich Frauen im undurchdringlichsten Teil des Schilfgürtels herumtrieben und dabei auf Leichenteile stießen, die noch dazu über Staatsgrenzen verstreut waren.

»Was haben Sie hier gesucht?«, fragte er Laura.

Der Skispringer seufzte. Das hatte er auch schon zu fragen versucht, aber die Antwort nicht verstanden.

»Um ganz ehrlich zu sein - eine Arena des Kampfläufers«, sagte Laura. Während Riedl grinste, färbte sich Wassers Gesichtsfarbe zart rötlich. Frauen, die mit Kämpfern zu tun hatten und dabei auf Leichenteile stießen, waren noch seltener.

»Sie kommen mit uns, nicht wahr«, sagte er in scharfem Ton. »Da können Sie uns alles erklären.«

»Selbstverständlich«, antwortete Laura.

Sie war es gewohnt. Die meisten Menschen stiegen nach den vier, fünf Worten, wenn sie ihr Projekt vorstellte, aus, hörten nur »Neusiedler See« und dachten je nach Branche in Segelknoten oder Weinfässern weiter. Frauen waren willkommen, wenn sie sich auf der Seeterrasse Aperitif in die Gläser füllen ließen, der farblich zu ihren Tuniken passte, oder sich in neonfarbenen Acrylanzügen über ihre Fahrradsättel erhoben. Im Schilfgürtel sah man sie weniger.

»Geht Ihnen noch gut?«, fragte der Skispringer. »Sie fahren gleich zum Polizerei. Mein Kollega hat noch Spuren gesehen. Von Reifen.«

Offenbar mangelte es ihm an Fachvokabular, das hatte er mit Laura gemeinsam, nur umgekehrt. Während sie regelmäßig nach ungarischen Worten suchte, sich aber behalf, indem sie das deutsche Wort nahm und das ungarische für »machen« dranhing, deutschte er ungarische Nomina ein. Hauptsache, sie verstanden einander.

Aus der Richtung des Absperrbandes näherte sich ein Kollege, klein, untersetzt und mit knallrotem Gesicht. »Reifenspuren«, sagte er zum...

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Bernadette Németh wurde 1979 in Wien geboren, wuchs zweisprachig mit Deutsch und Ungarisch auf und schreibt seit ihrer Kindheit. Neben ihrer Tätigkeit als Ärztin und Ausflügen in den Journalismus erfolgten Platzierungen bei Literaturwettbewerben. Nach einem Kurzgeschichtenband, einem Kinderbuch und Lyrik erschien 2017 ihr Debütroman. 2019 schrieb sie ihren ersten Reiseführer über Wien mit Kindern und aus Liebe zum Burgenland ein Jahr später einen Reiseführer rund um den Neusiedler See. Inzwischen lebt und arbeitet sie in einem Dorf am Neusiedler See, der im Mittelpunkt ihres literarischen Schaffens steht.