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An den grünen Hängen des Vesuv

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Droemer Knaurerschienen am01.06.2024
Der neue große Italienromanvon Marie Matisek erzählt von einer jungen Frau, die am Fuß des Vesuv auf die Suche nach ihrer Familiengeschichte geht - und sich selbst findet. Als Sergio Catalongo stirbt, trifft das die ganze Familie, aber ganz besonders die achtundzwanzigjährige Selina, seine Enkelin. Ihr Großvater war ein Original - er kam mit 22 Jahren als einer der ersten 'Gastarbeiter' nach Deutschland und eröffnete mit dem 'Bella Italia' die erste italienische Eisdiele in Wuppertal. Selina hingegen hat nur wenig Verbindungen zum Land ihres Opas. Nicht nur sie, sondern auch ihr Vater sind in Deutschland geboren; dass in ihren Adern italienisches Blut fließt, macht sich vor allem an ihrem Namen bemerkbar. Doch Sergios Tod macht ihr klar, wie wichtig es ist, die eigenen Wurzeln zu kennen. Also macht sie sich kurzentschlossen auf den Weg, um an den grünen Hängen des Vesuv herauszufinden, wer ihr Großvater wirklich war - und wer sie wirklich sein möchte. SPIEGEL-Bestsellerautorin Marie Matisek erzählt eine ebenso leichtfüßige wie tiefsinnige Geschichte über die Bedeutung der Familie, die  Kraft der Liebe, und die Suche nach den eigenen Wurzeln

Die Autorin Marie Matisek lebt mit ihrer Familie, Hund und Kater im idyllischen Umland von München. Neben dem Schreiben pflegt sie ihre Leidenschaften: Kochen, spazieren gehen und gärtnern. Die gebürtige Berlinerin fühlt sich in ihrer Wahlheimat Bayern genauso zu Hause wie an der Nordsee, Südfrankreich oder Italien, seit vielen Jahren ihre bevorzugten Reiseziele.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextDer neue große Italienromanvon Marie Matisek erzählt von einer jungen Frau, die am Fuß des Vesuv auf die Suche nach ihrer Familiengeschichte geht - und sich selbst findet. Als Sergio Catalongo stirbt, trifft das die ganze Familie, aber ganz besonders die achtundzwanzigjährige Selina, seine Enkelin. Ihr Großvater war ein Original - er kam mit 22 Jahren als einer der ersten 'Gastarbeiter' nach Deutschland und eröffnete mit dem 'Bella Italia' die erste italienische Eisdiele in Wuppertal. Selina hingegen hat nur wenig Verbindungen zum Land ihres Opas. Nicht nur sie, sondern auch ihr Vater sind in Deutschland geboren; dass in ihren Adern italienisches Blut fließt, macht sich vor allem an ihrem Namen bemerkbar. Doch Sergios Tod macht ihr klar, wie wichtig es ist, die eigenen Wurzeln zu kennen. Also macht sie sich kurzentschlossen auf den Weg, um an den grünen Hängen des Vesuv herauszufinden, wer ihr Großvater wirklich war - und wer sie wirklich sein möchte. SPIEGEL-Bestsellerautorin Marie Matisek erzählt eine ebenso leichtfüßige wie tiefsinnige Geschichte über die Bedeutung der Familie, die  Kraft der Liebe, und die Suche nach den eigenen Wurzeln

Die Autorin Marie Matisek lebt mit ihrer Familie, Hund und Kater im idyllischen Umland von München. Neben dem Schreiben pflegt sie ihre Leidenschaften: Kochen, spazieren gehen und gärtnern. Die gebürtige Berlinerin fühlt sich in ihrer Wahlheimat Bayern genauso zu Hause wie an der Nordsee, Südfrankreich oder Italien, seit vielen Jahren ihre bevorzugten Reiseziele.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783426462218
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum01.06.2024
SpracheDeutsch
Dateigrösse2076 Kbytes
Artikel-Nr.12646410
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

Selina

Wuppertal, 2023

Buon giorno, Signorina, wasse sind Se wieder so wunderschön heute! Che bella! Neue Frisure?«

»Ah, i bambini, come si chiamano?«

»Allora, un gelato spaghetti für de Donne e un gelato al cioccolato per il signore. Buon appetito!«

Amüsiert verfolgte Selina die Bewegungen ihres Großvaters, der sich geschmeidig zwischen den Tischen hindurchschlängelte, hier ein Kompliment in seinem Deutsch-Italienisch-Kauderwelsch verteilte und dort einen Witz riss. Dann wieder begrüßte er diesen oder jenen Gast - so intim, so vertraut, dass sich jeder als Stammgast fühlen durfte.

Sergio Catalongo, der Seniorchef des Bella Italia, war siebenundachtzig Jahre alt und eine Legende. Eigentlich hatte er sich längst zur Ruhe gesetzt und das Geschäft, Wuppertals beste Eisdiele jenseits des Weißwurstäquators, an seinen Sohn Marcello übergeben. Aber was hieß das schon - zur Ruhe setzen? Konnte sich einer wie Sergio, eine Ikone, einer, der sein Leben lang gearbeitet hatte, Tag und Nacht, der schmal war und drahtig wie eine Reitgerte, der sein weißes Hemd noch immer fast bis zur Brust aufgeknöpft trug, sodass die goldene Gliederkette auf dem schlohweißen Brusthaar trefflich zur Geltung kam, konnte sich ein Charmeur wie er überhaupt zur Ruhe setzen?

Sein Sohn Marcello kannte die schmerzliche Antwort nur zu gut: Leider nein.

»Selina, was stehst du hier rum? Komm, mach hinne, Tisch siebzehn einmal Bananenschiffchen, einmal Eisbecher Carpe Diem und zwei Cappuccino«, wies Sergio in astreinem Ruhrpott-Dialekt seine Enkeltochter an, kaum dass er von der Terrasse wieder ins Innere der Eisdiele kam.

Selina stand mit ihrem Vater hinter dem gebogenen Tresen aus Glas, in dem vierundzwanzig Sorten Eis, hausgemacht, kunstvoll zu Wellen geformt und mit den entsprechenden Grundzutaten dekoriert - Limonen, Vanilleschoten, Ananas, Pralinen, Gummischlümpfe, winzige Champagnerflaschen -, den Gästen das Wasser im Mund zusammenlaufen ließen. Sie sah zu ihrem Papa hinüber. Der hob die Augenbrauen, schüttelte leicht die grauen Locken und griff an seine Brusttasche. »Ich geh mal aufs Klo.«

Sprach´s und verschwand aus der Schusslinie - natürlich nicht auf die Toilette, sondern zum Rauchen, wie Selina sehr wohl wusste.

Puh, dachte sie, während sie sich bemühte, die Bestellungen, die ihr Opa ihr gerade durchgegeben hatte, abzuarbeiten, puh, immer diese Hektik, die er verbreitete! Alles musste immer subito und pronto, jetzt und sofort ausgeführt werden. Für das Bananenschiffchen nahm sie die ovale Glasschüssel, füllte drei Kugeln Vanilleeis hinein, gab darauf eine in zwei Hälften geteilte Banane, einen Berg Sahne (»Nicht sparen mit der Sahne! Niemals an der Sahne sparen!«, hatte sie augenblicklich Sergios Stimme im Ohr), und darüber träufelte sie üppig Schokoladensirup. Ein paar geröstete Mandelblättchen, fertig war das Banana Boat. Was war das andere noch gewesen? Eine Coppa Bella Figura oder Carpe Diem? Selina seufzte. Statt ihr einen Zettel mit der Bestellung auf den Tresen zu legen, rief Sergio ihr lediglich immer zu, was zu tun war. Für sie war das purer Stress, denn niemand anders außer ihrem Großvater besaß die Fähigkeit, sich auch im größten Trubel zu merken, wer was bestellt hatte. Sergio war trotz seines hohen Alters in der Lage, unzählige Bestellungen im Kopf zu behalten, währenddessen quatschte er mit seinen Gästen und hatte jeden seiner Angestellten scharf im Visier. Er konnte ja auch so perfekt sein, wie er wollte, dachte Selina, aber dass er diesen Anspruch an alle stellte, die in seiner Eisdiele arbeiteten, war anstrengend. Sergio hatte ein Herz aus Gold, er liebte seine Familie, seine Eisdiele und seine Kunden. Aber er war auch fordernd. Insbesondere gegenüber seinem Sohn Marcello, dem das Geschäft mittlerweile gehörte - Sergio hatte es ihm auf Betreiben von Marianne, Selinas Oma, Sergios Ehefrau und Marcellos Mama, an dessen fünfzigstem Geburtstag endlich ganz überschrieben.

Wie hat Papa das nur ausgehalten, fragte sich Selina, während ihr Großvater ihr bereits die nächste Bestellung - einmal Coppa Roma, Espresso doppio, stilles Wasser und eine Kugel Stracciatella in der Waffel - zurief. Selina stellte das Banana Boat zur Seite, ließ zwei Cappuccini durch die Maschine laufen, notierte sich die aktuelle Bestellung und nahm sich vor, Sergio bei seinem nächsten Sprint durch den Laden zu fragen, welcher Eisbecher noch an Tisch siebzehn ging.

»Coppa Carpe Diem!« Ihr Großvater zog das Tablett mit Eis und Kaffee vom Tresen und verschwand mit seinem tänzelnden Gang nach draußen.

»Hiere kommte bella Banana für la bella signorina«, hörte Selina ihn schnurren.

Zwei Kugeln Aprikoseneis, einmal Vanille, dazu frisches Kompott aus Pfirsich und Maracuja, von ihrer Oma selbst gekocht, wieder eine ordentliche Sahnehaube - »Nicht sparen mit der Sahne! Niemals an der Sahne sparen!« -, bunte Zuckersprenkel in Herzform, und fertig war die Coppa Carpe Diem. Bestellung um Bestellung kam herein, Selina hätte zehn Arme gebraucht, um alles in der Schnelligkeit, die Sergio forderte, abzuarbeiten. Irgendwann kam auch Papa Marcello wieder zurück - aus der einen Zigarette mussten drei geworden sein, stellte Selina mit einem Blick auf die Uhr fest. Aber sie verkniff sich eine Bemerkung. Ihr Vater trauerte und war latent überfordert, wer konnte es ihm verdenken? Dass die Trauerphase nun schon fünf Jahre anhielt - geschenkt. Trotzdem machte es Selina ratlos, ihn so zu sehen. Sie warf einen Seitenblick auf ihn. Seiner großen, massigen Gestalt nach konnte man kaum glauben, dass er Sergios Sohn war. Der war drahtig, agil und nicht größer als eins fünfundsechzig. Marcello dagegen überragte seinen Vater um einen Kopf, er war breit, früher sportlich, heute jedoch folgten die Muskeln der Schwerkraft, der Bauch über dem Hosenbund war stattlich. Und trotzdem war er noch immer ein attraktiver Mann. Manchmal fing Selina die Blicke von Frauen in seinem Alter auf, durchaus interessierte Blicke, aber Marcello bemerkte sie nicht. Mensch, appellierten seine Kinder, seine Freunde und auch seine Ex-Frau an ihn, such dir doch eine neue Frau, bevor du zu alt bist! Woraufhin Großvater Sergio stets kommentierte, niemand sei jemals zu alt für die Liebe - dieser Punkt ging an ihn.

Selina liebte es, ihrem Vater bei der Arbeit zuzusehen. Schon als Kind hatte sie die Augen nicht von seinen Händen lassen können - kräftige Finger, der goldene Ehering, den er trotz der Trennung unverdrossen trug, die schwarzen Haare auf dem Handrücken. In diesen Pranken verschwand der Eisportionierer fast zur Gänze. Mit ihm pflügte er eine breite gerade Spur durch die Eiscreme, um anschließend eine perfekte, gleichmäßig runde Kugel in die Waffel abzustreifen. Nichts an seinen Bewegungen war jemals hektisch oder ungenau, ihrem Vater bei einer Tätigkeit zuzusehen verlieh Selina immer die größte Ruhe. Was er tat und vor allem wie er es tat, schien stets zu sagen: Mach dir keine Sorgen. Es kann nichts passieren. Dein Papa ist durch nichts zu erschüttern und wird immer für dich da sein.

Leider hatte sich der erste Teil des Satzes als Illusion erwiesen. Marcello war durchaus zu erschüttern, und zwar so heftig und in seinen Grundfesten, dass er nicht mehr ins Lot fand.

Trotzdem war ihr Vater immer für sie da, und seiner ruhigen und sicheren Ausstrahlung tat dies keinen Abbruch. Und genau das war der Grund gewesen, warum Selina nach Wuppertal zurückgekehrt war.

Nur für die Sommerferien, hatte sie ihrer Familie erzählt - schließlich hatte sie nicht mit der Tür ins Haus fallen wollen.

Nur für die Sommermonate, hatte sie sich vorgenommen, denn sie hatte nicht vor, sich selbst zu desillusionieren, indem sie vor sich zugab, dass sie in Berlin gescheitert war und nun schmachvoll in das familiäre Nest zurückkehrte.

Nur für die nächsten Jahre, hatte ihre beste Freundin Rieke gewitzelt und sie damit aufgezogen, obwohl sie beide wussten, dass es eigentlich ganz und gar nicht lustig, sondern vielmehr tragisch war.

Selina war siebenundzwanzig, und vor sieben Jahren war sie mit zwölf Umzugskisten und ein paar IKEA-Möbeln in einem Miettransporter voller Hoffnung von Wuppertal-Elberfeld nach Kreuzberg aufgebrochen. Sie hatte einen der begehrten Studienplätze für Politologie ergattert und dazu ein Zimmer in einer supernetten Frauen-WG. Sie hatte studiert, Freunde gefunden, gefeiert, gebüffelt, die Nacht zum Tag gemacht, ein Praktikum im Bundestag und ein Volontariat bei einer überregionalen Tageszeitung absolviert. Währenddessen hatten sich ihre Eltern getrennt, ihr Vater war Chef der Eisdiele geworden, ihre Freundin Rieke schwanger. Die Borussen waren auf- und wieder abgestiegen, kurzum: Die Welt hatte sich weitergedreht. Alles ganz normal.

Aber irgendwann hatte sich in ihrem Leben plötzlich nichts mehr bewegt. Selina konnte es nicht mal benennen - sie schleppte ihre Bachelorarbeit Semester für Semester weiter, konnte sich aber nicht dazu durchringen, sie jemals zu beenden. Corona kam und ging nicht mehr. Keine ihrer Beziehungen überlebte das erste halbe Jahr, und auch die Mädels in ihrer Wohngemeinschaft wechselten beständig, nur Selina blieb. Wie dieser eine Hut, den jemand bei einer Party an der Garderobe vergessen hatte und der nie mehr abgeholt wurde. Selina konnte nicht sagen, welcher der vielen Gründe der ausschlaggebende war, warum sie das Gefühl...
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