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Helvetias Töchter

E-BookEPUBDRM AdobeE-Book
368 Seiten
Deutsch
Arisverlagerschienen am17.06.2021
Hélène, Emerita, Luisa, Véronique, Elsa, Thea, Inez und Amara. Sie sind keine Leuchtgestalten der feministischen Bewegung, sondern gewöhnliche Frauen. Sie entstammen verschiedensten gesellschaftlichen Schichten und leben in unterschiedlichen Kantonen und zu unterschiedlichen Zeiten. 'Helvetias Töchter', das Buch der Historikerin und Journalistin Nadine A. Brügger, erzählt nicht die Geschichte zum Frauenstreik und Frauenstimmrecht, sondern deren acht. Wir begleiten die fiktiven Frauenfiguren auf dem langen Weg zum Stimmrecht und zur Gleichstellung, während einer Zeitspanne von 1846 bis 2019. Im Jahr 2021 feiert die Schweiz 50 Jahre Frauenstimm- und Wahlrecht. Am 14. Juni jährt sich zudem der erste Schweizer Frauenstreik zum 30. Mal. Um zu verstehen, warum gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, Elternzeit oder ausgeglichene Geschlechteranteile in Führungspositionen noch immer unerfüllte Forderungen sind, braucht es den Blick zurück. Nur, wenn wir verstehen, warum die Schweiz so lange brauchte, um das Frauenstimmrecht einzuführen, können wir verstehen, warum dieses Land sich noch immer schwer tut darin, seine Frauen und Männer gleichwertig zu behandeln.

Nadine A. Brügger wurde 1989 in Bern geboren. Sie ist Historikerin und Germanistin. Als Journalistin hat sie für diverse Medien in Basel, Bern, Biel und Zürich gearbeitet. Aktuell ist Brügger Redaktorin bei der NZZ. Der Basler Verlag Belles Lettres hat in zwei Sammelbänden Kurzgeschichten der Autorin publiziert. 'Helvetias Töchter' ist ihr erster Roman.
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Produkt

KlappentextHélène, Emerita, Luisa, Véronique, Elsa, Thea, Inez und Amara. Sie sind keine Leuchtgestalten der feministischen Bewegung, sondern gewöhnliche Frauen. Sie entstammen verschiedensten gesellschaftlichen Schichten und leben in unterschiedlichen Kantonen und zu unterschiedlichen Zeiten. 'Helvetias Töchter', das Buch der Historikerin und Journalistin Nadine A. Brügger, erzählt nicht die Geschichte zum Frauenstreik und Frauenstimmrecht, sondern deren acht. Wir begleiten die fiktiven Frauenfiguren auf dem langen Weg zum Stimmrecht und zur Gleichstellung, während einer Zeitspanne von 1846 bis 2019. Im Jahr 2021 feiert die Schweiz 50 Jahre Frauenstimm- und Wahlrecht. Am 14. Juni jährt sich zudem der erste Schweizer Frauenstreik zum 30. Mal. Um zu verstehen, warum gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, Elternzeit oder ausgeglichene Geschlechteranteile in Führungspositionen noch immer unerfüllte Forderungen sind, braucht es den Blick zurück. Nur, wenn wir verstehen, warum die Schweiz so lange brauchte, um das Frauenstimmrecht einzuführen, können wir verstehen, warum dieses Land sich noch immer schwer tut darin, seine Frauen und Männer gleichwertig zu behandeln.

Nadine A. Brügger wurde 1989 in Bern geboren. Sie ist Historikerin und Germanistin. Als Journalistin hat sie für diverse Medien in Basel, Bern, Biel und Zürich gearbeitet. Aktuell ist Brügger Redaktorin bei der NZZ. Der Basler Verlag Belles Lettres hat in zwei Sammelbänden Kurzgeschichten der Autorin publiziert. 'Helvetias Töchter' ist ihr erster Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783907238172
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisDRM Adobe
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum17.06.2021
Seiten368 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1203 Kbytes
Artikel-Nr.12648230
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Emerita

Die Welt befindet sich im Krieg, die internationale Schwesternschaft wankt. Da erkennt eine junge Frau, dass sie keine Lückenfüllerin mehr sein will.

«Und Sie?», fragte die Frau im gelben Kleid. Wie ein Kanarienvogel sah sie damit aus, fand Emerita. Nicht schrill, aber exotisch. Zumindest hier, in den Bündner Bergen. Anders als die übrigen Patienten trug Mary Fitzherbert stets ihre eigene Garderobe. Zum Kleid, das bis zur Taille eng saß und von dort in verschwenderischen Bahnen zu Boden fiel, hatte die Lady heute einen Strohhut und goldene Ohrringe gewählt. Emerita überschlug die Stoffmenge des Rocks im Kopf: Aus den gelben Bahnen hätte sie gut und gerne zwei Sonntagskleider nähen können. Sie war sich nicht sicher, ob die Frau wirklich eine Lady war oder ob die Angestellten im Kurhaus sie einfach so nannten, weil sie so elegant und erhaben wirkte. Emerita war neu im Kurhaus und neu in Arosa. Sie fühlte sich unsicher. Noch nie in den 17 Jahren ihres Lebens hatte sie ihr Tal verlassen. Jetzt war sie hier, einen Tagesmarsch von ihrem Elternhaus entfernt, und sollte lernen, sich um ihre Patienten zu kümmern. Dabei verstand sie nichts von Krankenpflege. Bis jetzt hatte ihre Arbeit hier darin bestanden, Handlangerdienste für die Patienten durchzuführen und sie zu bedienen. Ihnen etwa das Frühstück ans Bett zu bringen. So, wie sie es nun gerade für die englische Dame tat. Mit Spritzen und Tinkturen hatte sie, und darüber war Emerita froh, noch kaum zu tun gehabt.

Miss Fitzherbert hatte vom Krieg erzählt, der jetzt seit bald einem Jahr in Europa wütete, und Emerita hatte sich gefürchtet.

«Der Krieg hat auch seine guten Seiten», hatte Miss Fitzherbert gesagt, als sie Emeritas Angst bemerkte. «Ich glaube, er wird die althergebrachte Ordnung umkrempeln und etwas Neues entstehen lassen.»

Wenn die Lady sprach, klangen ihre Worte rund, als hätte sie etwas im Mund, was sie daran hinderte, die deutschen Worte genauso kantig auszusprechen, wie Emerita das tat. Das Gespräch schien die Lady zu unterhalten; Emerita hatte ihren Frühstückstisch längst eingedeckt, aber die Patientin schien gar nicht daran zu denken, sie zu entlassen. Stattdessen nun also diese Frage, dieses «Und Sie?», das sich nach Ebenbürtigkeit anhörte. Das war ungewohnt und hatte Emerita noch mehr verunsichert. Sie spürte den auffordernden Blick der Lady auf sich. Aber sie wusste doch gar nicht, was die althergebrachte Ordnung überhaupt war, geschweige denn, was Neues kommen könnte. Sie errötete leicht und schaute zu Boden.

«Der Krieg macht mir Angst, Miss Fitzherbert», sagte sie nach einer kurzen Pause. «Mein Vater steht seit einem Jahr an der Grenze. Darum bin ich ja auch hier, um Geld zu verdienen, damit wir einigermaßen durchkommen. Ich habe schreckliche Angst um ihn. Dabei ist die Schweiz nicht einmal aktiv dabei, beim Krieg. England hingegen schon, Sie müssen sich wohl wahnsinnig sorgen», Emerita stockte. Selbstverständlich stand es ihr nicht zu, der Lady zu sagen, was sie zu fühlen hatte.

Zu ihrem Erstaunen lächelte Miss Fitzherbert.

«Ich sorge mich nicht allzu sehr. Die Menschen, die ich liebe, befinden sich nicht im Krieg. Zumindest nicht an jener Front, an der Blut vergossen wird. Obwohl auch sie natürlich viele Opfer bringen müssen», sagte sie und Emerita verstand nicht. Waren die Fitzherberts so reich, dass sie sich aus dem Krieg hatten herauskaufen können? War das möglich? Miss Fitzherbert sah Emeritas fragenden Blick.

«Die Frauen, meine ich», sagte sie lächelnd.

«Aber, Sie haben doch bestimmt auch einen Vater? Und Brüder? Oder Cousins? Und einen lieben Mann, auf den Sie sehnsüchtig warten?»

Die letzte Frage ging zu weit. Emerita merkte es augenblicklich, nachdem sie ihr herausgerutscht war. Sie wusste, dass Miss Fitzherbert nicht verheiratet war, und es interessierte sie brennend, warum. Eine wunderschöne Frau war sie, zart und strahlend und intelligent dazu. Stapelweise Zeitungen las sie jeden Tag, auf Englisch und Französisch und Deutsch. Ihre Kleider ließen ahnen, wie viel Geld die Familie besaß. Doch obwohl sie viel und teuren Schmuck trug, war ihr Ringfinger leer. In ihrem Alter, die Lady musste der Dreißig schon sehr nah sein, wäre es wohl an der Zeit, sich einem passenden Gatten versprechen zu lassen. Aber - Emerita biss sich auf die Lippen - fragen hätte sie die Lady niemals dürfen. Schon wieder eine Indiskretion. Innerlich verfluchte sie ihre Neugierde. Wenn die Patientin das meldete, war Emerita wieder daheim, lange bevor der Krieg zu Ende ging. Sie beugte sich tief über das Tablett mit dem Frühstück und beeilte sich, der Lady Tee einzugießen.

Aber Emeritas Sorge war vorerst unbegründet: Miss Fitzherbert lachte.

«Mein Vater war ein guter Mann, da haben Sie recht. Um ihn würde ich mich sorgen. Aber er ist gestorben, als ich noch ein kleines Mädchen war. Mein Bruder, nun, er ist der Grund dafür, dass ich jetzt hier bin, statt in England bei meinen Schwestern im Geiste. Der Earl ist eine Beleidigung für jeden intelligenten Menschen, der sich mit ihm abzugeben hat, auch wenn er dafür wenig kann. Ich fürchte, die meisten Männer in meinen Kreisen sind dieser Art geraten. Es entspricht dem Zeitgeist. Auch meine Cousins spielen lieber Polo, als die Geschäfte ihrer Grafschaften zu besorgen, essen importierte Gänseleber, während das Proletariat in hartes Brot beißt, und vergnügen sich mit jungen Mädchen, ohne auch nur an eine Ehe mit ihnen zu denken. Oder daran, dass das gleichwertige Wesen sind. Darum gibt es keinen Mann, auf den ich sehnsüchtig warte. Da muss ich Sie enttäuschen.»

«Ich bitte um Entschuldigung», sagte Emerita und knickste unbeholfen, «diese Frage war unziemlich. Ich gehe jetzt hoch und richte alles für Sie ein. Sobald die Terrasse bereit ist, gebe ich Ihnen Bescheid.»

Miss Fitzherbert hatte um einen Schattenplatz auf der Sonnenterrasse gebeten, damit sie nach dem Frühstück die internationale Presse studieren konnte. Mit ihrer hellen Haut konnte sie allerdings kaum eine Viertelstunde an der Bergsonne sitzen, ohne danach rot wie ein Marienkäfer in ihr Zimmer zurückzukehren. Auch jetzt, im Mai, musste die Lady bereits vorsichtig sein. Emerita richtete ihr darum einen Platz im hinteren Teil der Terrasse ein. Die Aussicht auf das herrliche Bergpanorama, die man von weiter vorne hatte, war hier nicht ganz so beachtlich. Aber die Lady ignorierte die Berge ohnehin meistens. Sie wollte ihre Lektüre und ihre Ruhe. Diesen Wunsch konnte Emerita gut verstehen. Wie gerne hätte sie sich auch einmal einige Stunden zurückgezogen. Ihr aber blieb hier in Arosa nur das kleine Zimmer im Dach, das sie sich mit drei anderen Mädchen teilte. Einmal hatte die freie Zeit für einen Spaziergang am Untersee gereicht. Herrlich war das gewesen.

«So ruhig und schattig, der Lady täte das auch gefallen», hatte Emerita bei sich gedacht. Aber niemals hätte sie sich getraut, einer Patientin einen Vorschlag zu machen. Schon gar nicht, wenn dieser sie aus dem Kurhaus herausgebracht hätte. Emerita trug Decken und Kissen hoch und richtete den Liegestuhl so warm wie möglich ein. Dann ging sie nach unten zum Empfang und ließ sich die Post der Lady geben. Ein Brief aus schwerem Pergament war dabei. Dazu, wie jeden Tag, ein dicker Stapel Zeitungen. Das aufgedruckte Datum lag bei den meisten Zeitungen bereits einige Zeit zurück. Emerita war erstaunt, dass Post aus dem Ausland überhaupt in der Schweiz ankam. Den Poststapel in der einen, ein Tablett mit Tee in der anderen Hand, ging sie auf die Terrasse. Als sie alles auf das Beistelltischchen stellen wollte, wehte ein Windstoß die obersten Zeitungen auf den Boden und verfing sich in den knisternden Seiten.

«Herrje», rief Emerita aus, hob die Zeitungen auf und versuchte vergeblich, das dünne Papier wieder glatt zu streichen.

«Ach, lassen Sie nur, das wird nicht schöner, wenn ich zu lesen beginne», winkte die Lady ab, als sie hinter Emerita auf die Terrasse trat. Als Emerita die Post dennoch wieder möglichst hübsch zu drapieren versuchte, fiel ihr Blick auf das Bild von einem guten Dutzend formidabler Frauen,23 die sich an einer langen Tafel aufgereiht hatten. Hinter ihnen, Friedenszweigen gleich, eine Reihe von Palmwedeln. Vor ihnen, ebenfalls als Zeichen des Friedens, Sträuße verschiedener weißer Blumen. Unter dem Bild wand sich ein Band aus gedruckten Namen: «Die Damen am internationalen Frauenkongress in Den Haag».24 Emerita konnte den Blick kaum davon lösen. Anita Augspurg - aus Deutschland? Chrystal Macmillan - aus England? Da saßen Frauen aus verfeindeten Nationen nebeneinander an einem Tisch. Derweilen trachteten sich ihre Brüder und Väter in den Schützengräben nach dem Leben. Emerita blieb der Mund offen stehen.

Miss Fitzherbert folgte Emeritas Blick und nickte: «Frauenrechtlerinnen aus aller Welt wollten in Den Haag über den Frieden sprechen und Forderungen an die Nationen der Welt stellen, um den Frieden nach dem Ende dieses grässlichen Krieges lange erhalten zu können. Auf dass wir nicht gleich ein zweites Mal in einen solchen Schlamassel schlittern.»

«Da sitzen Frauen zusammen am Tisch, deren Vaterländer miteinander im Krieg liegen. Dass das überhaupt möglich ist», rief Emerita aus.

«Bei Männern bestimmt nicht. Wenn wir Frauen nicht eingreifen, gibt es über kurz oder lang einen zweiten und vielleicht gar einen dritten großen Krieg», sagte die Lady. «Viele meiner Freundinnen aus dem Vereinigten Königreich hatten sich ebenfalls für den Kongress angemeldet. Aber man hat ihnen keine Reisepässe ausgestellt. Herbert Henry Asquith gefiel es gar nicht, dass die englischen Frauen ohne...
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Autor

Nadine A. Brügger wurde 1989 in Bern geboren. Sie ist Historikerin und Germanistin. Als Journalistin hat sie für diverse Medien in Basel, Bern, Biel und Zürich gearbeitet. Aktuell ist Brügger Redaktorin bei der NZZ. Der Basler Verlag Belles Lettres hat in zwei Sammelbänden Kurzgeschichten der Autorin publiziert. "Helvetias Töchter" ist ihr erster Roman.
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Brügger, Nadine A.