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Eishaut

Ein Ólafur Davídsson Roman
eure-l verlagerschienen am01.07.2023
Im Kölner Dom wird ein Bundestagsabgeordneter ermordet. Die Tatwaffe ist die Petersglocke. Die Partei des Opfers ist zerstritten und der Abgeordnete wird dafür verantwortlich gemacht. Ist die politische Gesinnung oder seine Verstrickung mit dem religiösen Parteiflügel das Motiv für die grausame Tat? Der Präsident des Verfassungsschutzes wird wegen seiner Nähe zum religiösen Parteiflügel abgesetzt und drei weitere Bundestagsabgeordnete werden nacheinander hingerichtet. Alle haben ein dunkles Geheimnis. Gibt es hier einen Zusammenhang? Die Ermittlungen führen Ólafur Davídsson in das Herz der Demokratie - in den Deutschen Bundestag. Hinweise am Tatort deuten plötzlich auf ein religiöses Motiv und der Fallanalytiker steht vor der Wahl: Soll er seine Karriere aufs Spiel setzen, um den Fall zu lösen?

Alexander Guzewicz ist in der Nähe von Heidelberg aufgewachsen und hat dort eine juristische Ausbildung beim Land Baden-Württemberg absolviert. Er hat schon sehr früh, im Alter von fünfzehn Jahren, mit dem Schreiben begonnen. Alexander Guzewicz lebt und arbeitet heute in Berlin.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR12,00

Produkt

KlappentextIm Kölner Dom wird ein Bundestagsabgeordneter ermordet. Die Tatwaffe ist die Petersglocke. Die Partei des Opfers ist zerstritten und der Abgeordnete wird dafür verantwortlich gemacht. Ist die politische Gesinnung oder seine Verstrickung mit dem religiösen Parteiflügel das Motiv für die grausame Tat? Der Präsident des Verfassungsschutzes wird wegen seiner Nähe zum religiösen Parteiflügel abgesetzt und drei weitere Bundestagsabgeordnete werden nacheinander hingerichtet. Alle haben ein dunkles Geheimnis. Gibt es hier einen Zusammenhang? Die Ermittlungen führen Ólafur Davídsson in das Herz der Demokratie - in den Deutschen Bundestag. Hinweise am Tatort deuten plötzlich auf ein religiöses Motiv und der Fallanalytiker steht vor der Wahl: Soll er seine Karriere aufs Spiel setzen, um den Fall zu lösen?

Alexander Guzewicz ist in der Nähe von Heidelberg aufgewachsen und hat dort eine juristische Ausbildung beim Land Baden-Württemberg absolviert. Er hat schon sehr früh, im Alter von fünfzehn Jahren, mit dem Schreiben begonnen. Alexander Guzewicz lebt und arbeitet heute in Berlin.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783939984870
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum01.07.2023
Seiten292 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2315
Artikel-Nr.12650493
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1

Der Wind war eisig.

Es war nicht jene angenehm kühle Brise, die man in heißen Sommermonaten hinter den dicken Gemäuern suchte.

Diese Kälte war gleichbedeutend mit Leere.

Obwohl zwischenzeitlich gut zwanzig Personen - die meisten davon in Uniform - auf den gleichen Punkt vor ihnen starrten, als seien sie von einer unsichtbaren Kraft betäubt worden, war es im Glockenstuhl des Kölner Doms leer.

Das Menschliche war abwesend.

Ólafur Davídsson sah die Fassungslosigkeit in ihren Gesichtern. Es war eine Mischung aus Ekel, Angst und Neugierde, die den Blick auf den Punkt vor ihnen fixierte. Ein Anblick, der sich binnen Sekunden für immer eingebrannt hatte und auf den jeder gerne verzichtet hätte.

Selbst Davídsson konnte sich nicht daran erinnern, so einen Tatort jemals zu Gesicht bekommen zu haben.

Die Petersglocke, die im Volksmund nur dicker Pitter genannt wurde, dominierte den hohen steinernen Raum. Sie hatte eine leicht grünliche Patina, die von weißem Licht aus eilig aufgestellten LED-Scheinwerfern angestrahlt wurde.

Eine Mischung aus Kleiderfetzen, Blut und Teilen des menschlichen Körpers hatte sich überall verteilt. Feine Blutspritzer hatten sich bis an den Stahlträger und die riesigen Antriebsräder links und rechts von der Aufhängung verteilt.

Es würde Wochen dauern, bis sie alle forensisch erfasst, in Fotografien festgehalten und schließlich von Tatortreinigern beseitigt wären.

Die Spurensicherung beschäftigte sich seit Davídssons Ankunft mit den Körperresten, die sich noch am Klöppel befanden. Der männliche Torso war mit Seilen am glänzenden Metall des Klöppels verschnürt worden. Über dem Brustkorb kreuzten sich die Seile, so dass er an Ort und Stelle geblieben war, als die Glocke zu schwingen begonnen hatte. Bevor ein Glockenschlag ertönte, musste eine Glocke dieser Größe mit Sicherheit einige Male hin und her bewegt werden, bis der Klöppel auf das dickwandige Gusseisen stieß und den ersten Klang erzeugte.

Der Brustkorb war vermutlich schon bei diesem ersten Schlag völlig zerschmettert worden.

Davídsson hoffte für das Opfer, dass es zu diesem Zeitpunkt bereits tot gewesen war.

Der grauhaarige Mann, der neben ihm vor einem Eisengeländer stand, war bei seiner Ankunft beinahe über einen Infostand gestolpert, auf dem Davídsson gelesen hatte, dass der Klöppel gut dreieinhalb Meter lang war und rund 600 Kilogramm wog.

Wenn das Opfer noch gelebt hatte, als die Glocke zu schwingen begann, war der Klöppel die Mordwaffe. Er war nach einem Bruch erst vor ein paar Jahren wieder neu eingesetzt worden und glänzte deshalb noch, während die Patina der Glocke rau und matt wirkte.

Auf den Holzdielen, über denen die Petersglocke hing, waren die Kollegen von der Spurensicherung und ein Fotograf mit der Aufnahme des Tatortes beschäftigt. Alle anderen Anwesenden waren hinter der Absperrung geblieben, die die Besucher des Südturms von den verschiedenen Glocken, die hier hingen, fernhalten sollten.

Davídssons Blick wanderte zu den gotischen Spitzbögen über ihnen. Sie fingen jetzt den warmen Atem der Anwesenden auf, als seien sie hungrig danach. Die Luft war trocken. Es roch nach jahrhundertealtem Staub und Holz.

Der Mann neben ihm hatte seinen Namen gemurmelt, als er von Ólafur Davídsson aufgefangen worden war, aber Davídsson hatte ihn nicht verstanden. Er hatte nur ein »von« gehört, aber den Rest nicht.

»Von welcher Dienststelle sind Sie?«, fragte der Grauhaarige jetzt und zeigte dabei seinen Dienstausweis.

Raimo von Böhmer, Bundestagspolizei, las Davídsson und antwortete: »Ólafur Davídsson, Bundeskriminalamt.«

»Sie sind der Profiler?«

»Fallanalytiker - ja.«

Für einen Moment schien alles gesagt worden zu sein, was an diesem Ort und mit diesem Anblick auszusprechen war.

Davídsson war namentlich von Wolfram Scheible angefordert worden.

Vor seinem Amt als Bundestagspräsident, immerhin das zweithöchste Staatsamt in Deutschland, war Scheible Bundesinnenminister und damit oberster Dienstherr des Bundeskriminalamtes gewesen. Ólafur Davídsson konnte sich jedoch nicht erinnern, ihm jemals persönlich begegnet zu sein.

Hans-Jürgen Wittkampf, Davídssons Chef bei der operativen Fallanalyse, hatte Davídsson etwa zwei Stunden zuvor aus einer Besprechung in der Dienststelle des Bundeskriminalamtes in Meckenheim geklingelt und ihm mit kurzen Worten mitgeteilt, dass er sofort nach Köln fahren solle, um sich dort einem Ermittlerteam in einem Mordfall anzuschließen. Er sei namentlich angefordert worden und von allen anderen Aufgaben mit sofortiger Wirkung entbunden. Davídsson war erst während der Fahrt nach Köln richtig bewusst geworden, wie ungewöhnlich dieser Anruf war.

Wittkampf war noch fahriger als sonst gewesen. Der Ort, zu dem er geschickt wurde, hatte Davídsson irritiert und die Tatsache, dass er für die Bundestagspolizei tätig werden sollte, war mindestens genauso irritierend.

Die meisten Menschen wussten nicht einmal, dass der Bundestag eine eigene Polizei hatte. Noch weniger wussten vermutlich, dass die Bundestagspolizei keine eigenen Polizisten ausbildete, sondern Kolleginnen und Kollegen von den anderen deutschen Sicherheitsbehörden abwarb - mit Vorliebe von der Bundespolizei und vom Bundeskriminalamt.

»Das Opfer ist Bundestagsabgeordneter«, hatte Wittkampf fast ins Telefon gebrüllt, bevor er aufgelegt hatte, ohne sich zu verabschieden.

Davídsson fragte sich jetzt, nachdem er den Tatort und die Leiche gesehen hatte, wie man das herausgefunden hatte. Die menschlichen Reste waren jedenfalls nicht mehr zur Identifizierung geeignet. Der Schädel des Opfers war bis zur Unkenntlichkeit zertrümmert worden. Davídsson konnte nicht einmal mehr erkennen, ob das Opfer rücklings am Klöppel hing oder mit dem Gesicht nach vorne. Die Haare klebten in einer blutigen Masse am Metall, ohne dass man das erkennen konnte.

»Bernd Höbel, AfD. Die Kollegen von der Landespolizei haben da drüben«, er zeigte auf das gegenüberliegende Fenster, hinter dem man in der Dunkelheit schemenhaft den Nordturm des Doms erkenenn konnte, »seine Brieftasche gefunden, und darin steckte ein Abgeordnetenausweis«, sagte von Böhmer, als ob er Davídssons Gedankengang gehört hätte.

»Ich habe Sie angefordert, weil es eine Inschrift auf der Glocke gibt, die vermutlich vom Täter stammt und die ich nicht verstehe.« Von Böhmer bewegte sich an den Polizisten vorbei, die noch immer die Tatortarbeiten der Spurensicherung beobachteten.

Er blieb schließlich am Motor der linken Aufhängung stehen. Von den Antriebsmotoren führten zwei schmale Metallketten zu den beiden riesigen Rädern über ihren Köpfen, die den Stahlträger in Bewegung versetzten, an dem wiederum der dicke Pitter verankert war.

»Die Petersglocke hat eine eigene Inschrift, aber über ihr hat jemand etwas eingeritzt. Die Kratzer sind frisch. Sie sind bisher keinem aufgefallen und sie könnten mit diesem Tötungsdelikt zusammenhängen.«

Ólafur Davídsson versuchte die Stelle mit dem bloßen Auge zu erkennen, sah aber nur die Glockeninschrift:

St. Peter bin ich genannt

schütze das deutsche Land.

Geboren aus deutschem Leid

ruf ich zur Einigkeit.

Von Böhmer schob seine Brille auf dem Nasenrücken nach oben, konnte die Stelle jedoch offenbar ebenfalls mit bloßem Auge nicht erkennen.

»Der Fotograf hat hochauflösende Digitalfotos davon gemacht. Darauf lassen sich die Kratzer erkennen. Kommen Sie gleich mit zur Besprechung ins Polizeipräsidium.«

Davídsson nickte und dachte an die schmale Wendeltreppe, über die alle Anwesenden gekommen waren. 53 Meter unter ihnen war das fast 12 Meter dicke Turmfundament durchbrochen worden, um einer halben Million Besuchern jährlich einen direkten Zugang zum Südturm zu ermöglichen. Vor dem Durchbruch im Jahr 2009 mussten alle Besucher durch das Kirchenschiff und hatten so die Gläubigen beim Gottesdienst gestört.

Der oder die Täter müssen - wie das Opfer auch - die gesamten 260 Treppenstufen überwunden haben, um hierher zu gelangen, dachte Davídsson.

Wie bringt man jemanden dazu, freiwillig zu seiner eigenen Hinrichtungsstätte zu gehen?, fragte er sich leise und notierte diese Frage zugleich in seinem Gedächtnis.

Das Polizeipräsidium lag auf der anderen Rheinseite - der Schäl Sick, wie ihm ein uniformierter Kollege in breitem rheinischem Dialekt erklärte. Der Mann mit dem gezwirbelten Bart kam dem Stereotypen eines Kölner Urgesteins freiwillig oder unfreiwillig nahe. Die ganze Erscheinung schien jedenfalls an jeder Karnevalssession teilzunehmen, die ihm zwischen dem 11. November und Aschermittwoch in Köln geboten wurde.

Das war nicht Davídssons Welt. Dafür floss zu viel Wikingerblut in seinen Adern.

Das Polizeipräsidium war ein zweckmäßiger Neubau, der 2001 mit großem Tamtam eröffnet und zwischenzeitlich bereits um weitere Bauabschnitte erweitert worden war. Der Landesrechnungshof von Nordrhein-Westfalen hatte die hohen Mehrkosten medienwirksam angeprangert, was unter anderem dazu geführt hatte, dass man den Neubau der Liegenschaft des Bundeskriminalamtes in Treptow, in dem sich Davídssons Büro befunden hätte, noch einmal auf den Prüfstand gestellt hatte. Bisher hatte man deshalb nur einen Teil des Bauvorhabens umgesetzt und den Rest auf Eis gelegt.

Raimo von Böhmer hatte die Besprechung in der gläsernen Konferenzkanzel des neingeschossigen...

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