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Das ausgeglichene Gehirn - Was uns die Neurowissenschaft über mentale Gesundheit verrät

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am24.04.2024
Gehirn in Balance, statt Chaos in der Seele
Der Weg zu mehr Ausgeglichenheit und psychischer Gesundheit scheint heute simpel: Guter Schlaf, ein paar Yoga- und Achtsamkeitsübungen und im Zweifelsfall helfen passende Medikamente. Doch was, wenn die gängigen Rezepte keine dauerhafte Besserung bringen?
Neurowissenschaftlerin Camilla Nord bringt auf Basis neuester Forschung Licht ins Dunkel. Sie erklärt, wie Wohlbefinden im Gehirn entsteht, wie wir es selbst regulieren können und bringt dabei einige so erfrischende wie unerwartete Erkenntnisse zutage: Denn nicht ein Allheilmittel muss für uns das Richtige sein - vielmehr können Glücksrezepte, die wirklich funktionieren, so vielschichtig sein wie wir selbst.

Dr. Camilla Nord leitet das Mental Health Neuroscience Lab an der University of Cambridge, wo sie die Rolle des menschlichen Gehirns für unsere seelische Gesundheit untersucht. Sie studierte in Cambridge und Oxford und ist Mitglied des Vorstands der British Neuropsychiatric Association und der Redaktionsleitung der Scientific Reports des Nature Magazins sowie mehrfach ausgezeichnete und sehr gefragte Referentin.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR25,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR17,99

Produkt

KlappentextGehirn in Balance, statt Chaos in der Seele
Der Weg zu mehr Ausgeglichenheit und psychischer Gesundheit scheint heute simpel: Guter Schlaf, ein paar Yoga- und Achtsamkeitsübungen und im Zweifelsfall helfen passende Medikamente. Doch was, wenn die gängigen Rezepte keine dauerhafte Besserung bringen?
Neurowissenschaftlerin Camilla Nord bringt auf Basis neuester Forschung Licht ins Dunkel. Sie erklärt, wie Wohlbefinden im Gehirn entsteht, wie wir es selbst regulieren können und bringt dabei einige so erfrischende wie unerwartete Erkenntnisse zutage: Denn nicht ein Allheilmittel muss für uns das Richtige sein - vielmehr können Glücksrezepte, die wirklich funktionieren, so vielschichtig sein wie wir selbst.

Dr. Camilla Nord leitet das Mental Health Neuroscience Lab an der University of Cambridge, wo sie die Rolle des menschlichen Gehirns für unsere seelische Gesundheit untersucht. Sie studierte in Cambridge und Oxford und ist Mitglied des Vorstands der British Neuropsychiatric Association und der Redaktionsleitung der Scientific Reports des Nature Magazins sowie mehrfach ausgezeichnete und sehr gefragte Referentin.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641314187
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum24.04.2024
SpracheDeutsch
Dateigrösse2048 Kbytes
Artikel-Nr.12747778
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1. Natürliche Highs:
Lust, Schmerz und das Gehirn

Wie wir Schmerz und Lust empfinden, kann individuell extrem unterschiedlich sein und reicht von verstärkter Lust über chronischen Schmerz bis hin zu fehlender Schmerzwahrnehmung. Tatsächlich hängen Lustempfinden und psychische Gesundheit eng zusammen, und ein Leitsymptom für psychische Erkrankungen wie Depression oder Schizophrenie ist die Anhedonie - wenn normalerweise erfreuliche Aktivitäten keine Freude mehr machen oder das Interesse daran fehlt. »Normalerweise erfreulich« ist ein subjektives, nicht wertendes Kriterium und umfasst vielleicht gutes Essen, ein Lieblingsbuch lesen, einen Orgasmus erleben oder andere, ungewöhnlichere Dinge, die jemand gern mag. Bei Anhedonie fühlt sich das, was mich eigentlich glücklich macht, vergleichsweise öde an, weniger erstrebenswert und wertvoll. Eine Störung des Lustempfindens schwächt die Psyche massiv.

Auch Schmerz hat starken Einfluss auf die Psyche, aber in anderer Form. Menschen mit Depressionen geben im Alltag mehr subjektiven Schmerz an, was möglicherweise an einer niedrigeren Schmerzschwelle liegt.17 Dieser Zusammenhang besteht wechselseitig: Menschen mit chronischen Schmerzen (zu denen ich selbst zähle) haben ein erhöhtes Risiko für psychische Probleme.18 Generell steigt die Wahrscheinlichkeit einer psychischen Belastung, je häufiger jemand Schmerz erlebt und unangenehme Erfahrungen macht.19

Warum hängen psychische Gesundheit, Lust und Schmerz so eng zusammen? In diesem Kapitel geht es um die Zusammenhänge zwischen Schmerz und psychischer Belastung, die unter anderem darin wurzeln, dass bestimmte Veränderungen im Gehirn sowohl bei chronischem Schmerz als auch bei psychischen Erkrankungen auftreten. Wir sehen uns an, wie das Gehirn Angenehmes und Unangenehmes normalerweise verarbeitet und was das mit unseren Vorlieben und Abneigungen zu tun hat. Dass wir bestimmte Dinge subjektiv als angenehm, abstoßend oder schmerzhaft erleben, hat großen Einfluss auf Stimmungslage, Gedanken und Verhalten und damit auf die psychische Verfassung. Ob uns etwas angenehm oder unangenehm erscheint, beeinflusst auch, was das Gehirn darüber lernt und was wir in unserer Umgebung gern beschaffen oder aber meiden. Umgekehrt kann eine Verschlechterung der psychischen Verfassung beeinflussen, wie wir die Welt erleben, kann Freude dämpfen und Schmerz verstärken. Deshalb könnten Veränderungen der Schmerz- und Lustwahrnehmung eine Verschlechterung der psychischen Verfassung ankündigen, und die Stabilisierung der Schaltkreise hinter Schmerz und Lust kann umgekehrt ein Weg sein, uns mental gesund zu halten.

Berauscht vom Schmerz?

Die meisten von uns kennen das Gefühl, wenn wir uns nach einem sehr schmerzhaften oder erschreckenden Erlebnis plötzlich wie berauscht fühlen. Biologisch wird dieses Phänomen als stressinduzierte Analgesie bezeichnet. Dieses Gefühl kann während oder nach etwas wirklich Gefährlichem (zum Beispiel Fallschirmspringen) auftreten oder bei etwas eher Harmlosem (sich den Zeh anzustoßen). In beiden Fällen geht zugleich die Schmerzempfindlichkeit vorübergehend zurück.

Ob ein Raubtier hinter mir her ist oder ein Feind angreift - der Körper hat nur noch ein Ziel: überleben. Wenn Lebensgefahr nur Kampf oder Flucht zulässt, wäre ein normales Schmerzempfinden äußerst hinderlich, denn es könnte unser Überleben gefährden. Sich hinzusetzen und den gebrochenen Fuß oder das blaue Auge zu verarzten, ist keine Option. Jeder Schmerz könnte uns davon ablenken, am Leben zu bleiben. Deshalb verfügen wir über stressinduzierte Analgesie, die unter starkem Stress die Überlebenswahrscheinlichkeit erhöht. Vermutlich haben Tiere dank der Fähigkeit, Schmerz in gefährlichen Situationen auszublenden, im Verlauf der Evolution häufiger ausreichend lange überlebt, um diese praktische Eigenschaft an ihre Nachkommen weiterzugeben.

Bis heute äußert sich stressinduzierte Analgesie nicht bei jedem in gleichem Maße, das heißt, diese Eigenschaft ist in der Bevölkerung unterschiedlich ausgeprägt. Quantifizieren lässt sich das durch Messung der individuellen Schmerzschwelle vor und nach einem Stressereignis. Bei manchen Menschen (und manchen Tieren) ändert sich die Schmerzschwelle stärker als bei anderen: Sie sind für stressinduzierte Analgesie deutlich empfänglicher.20 Bei diesen Personen kann akuter Stress die Stimmung auch deutlich heben - bei Gefahr fühlen sie sich besonders euphorisch. Wenn Sie (wie ich) wenig Lust auf Unternehmungen haben, die mit viel akutem Stress verbunden sind, ist die stressinduzierte Analgesie bei Ihnen wahrscheinlich eher gewöhnlich ausgeprägt. (Menschen wie uns kann dennoch schwindelig werden, wenn wir uns den Zeh anstoßen, aber wir werden nicht unbedingt den Wunsch verspüren, das zu wiederholen.)

Die stressinduzierte Analgesie wurde in den 1980ern über Experimente mit »heißen und kalten Bädern« bestimmt. Dabei ließ man Ratten für eine festgelegte Zeit in unterschiedlich temperiertem Wasser schwimmen. Danach wurden die Ratten abgetrocknet und ihre Schmerzreaktion gemessen. Kurzes Schwimmen in kaltem Wasser, zum Beispiel drei Minuten bei 15 Grad Celsius, reduzierte die Schmerzreaktion. Viele Menschen mögen ein warmes Vollbad, wissen aber durchaus, dass kalte Bäder oder Schwimmen in kaltem Wasser euphorisch machen können. Wer sich dem kurzen Schmerz freiwillig aussetzt, schwört auf kaltes Wasser!

Die stressinduzierte Analgesie geht auf ein säugetierspezifisches System endogener Opioide im Gehirn zurück, das bei Schmerz und Stress aktiviert wird. Diese Substanzen dienen nicht nur der Schmerzunterdrückung (wie jeder weiß, der schon einmal ein opioidhaltiges Medikament wie Kodein eingenommen hat), sondern sorgen auch für ein schummeriges Gefühl.

Kurzes Schwimmen im kalten Wasser, das leichten Stress auslöst, lindert Schmerzen, weil es die Freisetzung körpereigener Opioide provoziert.21 Diese Substanzen werden meist pauschal als Endorphine bezeichnet, eine Verkürzung für »endogene Morphine« (»endogen« bedeutet »aus dem Körperinneren stammend«). Sie binden sich wie Opium oder Morphium an die für sie vorgesehenen Opioidrezeptoren im Gehirn. Opioidhaltige Medikamente imitieren die Wirkung dieser Endorphine. Wenn natürliche oder medikamentöse Opioide an diese Rezeptoren andocken, wird eine Verkettung zellulärer Prozesse ausgelöst, die unter anderem die Aktivität einiger Neuronen und die Ausschüttung anderer Hirnchemikalien hemmen.22 Diese Signalkaskade verändert die Kommunikation von Gehirnregionen mit Opioidrezeptoren bis in andere Gehirnregionen und ins Rückenmark, wo eingehende Schmerzsignale aus dem Körper gedämpft und bewertet werden.23 Endorphine können einen natürlichen Rausch auslösen (Schwindel, Entspannung, Euphorie), der sich angenehm anfühlt und die Schmerzempfindlichkeit herabsetzt. Unter bestimmten Umständen kann mäßiger Stress deshalb dazu führen, dass man sich gut fühlt, weil das Gehirn dann Opioide (und andere chemische Stoffe) freisetzt. (Sollten Sie zufällig die Budapester Thermalbäder besuchen, deren Temperaturen von wohlig warm bis hin zu schmerzhaft kalt reichen, können Sie das Experiment einmal an sich selbst ausprobieren.)

Aber auch wer keine große Lust hat, in kaltem Wasser zu baden, könnte Glück haben: Es gibt eine Vielzahl kurzer Stressfaktoren, mit denen Menschen natürliche Opioide freisetzen können. Sogar Aktivitäten, die evolutionstechnisch unerwartet sind (zum Beispiel sich aus einem Flugzeug zu stürzen), scheinen dasselbe Opioidsystem anspringen zu lassen wie unsere evolutionäre Überlebensreaktion. Die Opioide gegen akuten Schmerz bewirken (zumindest für manche Menschen) angenehme Reaktionen auf kurzfristigen Stress. In einer Studie senkte Fallschirmspringen die Schmerzempfindlichkeit vergleichbar mit den kalten Bädern für Ratten, was auf Opioidausschüttung hindeutet.24 Bekamen die Teilnehmenden unmittelbar vor dem Sprung ein Mittel, das die Opioidwirkung hemmte, so blieb ihre Schmerzempfindlichkeit höher als bei den Probanden, die ein Placebo erhielten. Das bestätigt, dass die geringere Schmerzempfindlichkeit mit dem endogenen Opioidsystem zusammenhängt. Andererseits war dies eine kleine Studie, und die Schmerzempfindlichkeit wurde erst nach der Landung überprüft (im freien Fall die Schmerzempfindlichkeit zu testen, dürfte selbst für die unerschrockensten Forschenden einen Schritt zu weit gehen).

Auch bei Ratten lässt sich stressinduzierte Analgesie durch diverse Überraschungen auslösen. Schmerz zählt selbstverständlich dazu: Natürliche Opioide, die nach einem kurzen, schmerzhaften Elektroschock frei werden, wirken bei Ratten anschließend schmerzmindernd.25 Einen ähnlichen Effekt hat Rotation in einem bestimmten Tempo (bitte nicht mit Haustieren nachahmen!). Wie Wassertemperaturen und Fallschirmspringen haben all diese Stressauslöser etwas gemeinsam: Sie sind mild und vorübergehend.a Schon wenn eine Ratte etwas zu schnell rotiert (was offenbar unangenehmer ist als langsamere Rotation), bleibt die Opioidausschüttung aus. Der Grund dafür ist nachvollziehbar. Eine vorübergehende Schmerzunterdrückung ist nützlich, denn sie kann den drohenden Tod hinauszögern oder uns trotz Verletzung vor einem Raubtier fliehen lassen. Wenn auch...

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Autor

Dr. Camilla Nord leitet das Mental Health Neuroscience Lab an der University of Cambridge, wo sie die Rolle des menschlichen Gehirns für unsere seelische Gesundheit untersucht. Sie studierte in Cambridge und Oxford und ist Mitglied des Vorstands der British Neuropsychiatric Association und der Redaktionsleitung der Scientific Reports des Nature Magazins sowie mehrfach ausgezeichnete und sehr gefragte Referentin.