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Sage nichts

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
416 Seiten
Deutsch
Hanser Berlinerschienen am13.05.20241. Auflage
»Eine erschütternde, absolut fesselnde Saga.«
The New York Times
Eines Nachts im Dezember 1972 wird Jean McConville aus ihrem Haus in Belfast entführt. Sie wird nie wieder lebend gesehen. Ausgehend von diesem Moment entfaltet Patrick Radden Keefe eine gewaltige Erzählung über die blutige Vergangenheit des Nordirlandkonflikts.
Sage nichts verwebt die Geschichte von Jean McConville mit der von Dolours Price, die als 22-Jährige das Old Bailey bombardierte, und mit der von Brendan Hughes, einem furchterregenden Kommandeur, der den Schweigekodex der IRA brach. Dabei fängt Patrick Radden Keefe die Intrigen, die Dramatik und den hohen menschlichen Preis der sogenannten »Troubles« ein - und erzählt, wie Gesellschaften nach einem langen und blutigen Konflikt wieder zusammenwachsen können.
»Nordirland und seine Vergangenheit haben mich nie interessiert - bis ich dieses Buch in die Hand genommen habe.«
The Times
»Unbedingt lesen!« Gillian Flynn, Autorin von »Gone Girl«

Patrick Radden Keefe, geboren 1976, ist preisgekrönter Investigativjournalist des Magazins The New Yorker. Er studierte an der Columbia University, der Yale Law School, der Cambridge University und der London School of Economics. Seine Bücher sind große Bestseller und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Keefe lebt mit seiner Familie in New York.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR34,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR28,99

Produkt

Klappentext»Eine erschütternde, absolut fesselnde Saga.«
The New York Times
Eines Nachts im Dezember 1972 wird Jean McConville aus ihrem Haus in Belfast entführt. Sie wird nie wieder lebend gesehen. Ausgehend von diesem Moment entfaltet Patrick Radden Keefe eine gewaltige Erzählung über die blutige Vergangenheit des Nordirlandkonflikts.
Sage nichts verwebt die Geschichte von Jean McConville mit der von Dolours Price, die als 22-Jährige das Old Bailey bombardierte, und mit der von Brendan Hughes, einem furchterregenden Kommandeur, der den Schweigekodex der IRA brach. Dabei fängt Patrick Radden Keefe die Intrigen, die Dramatik und den hohen menschlichen Preis der sogenannten »Troubles« ein - und erzählt, wie Gesellschaften nach einem langen und blutigen Konflikt wieder zusammenwachsen können.
»Nordirland und seine Vergangenheit haben mich nie interessiert - bis ich dieses Buch in die Hand genommen habe.«
The Times
»Unbedingt lesen!« Gillian Flynn, Autorin von »Gone Girl«

Patrick Radden Keefe, geboren 1976, ist preisgekrönter Investigativjournalist des Magazins The New Yorker. Er studierte an der Columbia University, der Yale Law School, der Cambridge University und der London School of Economics. Seine Bücher sind große Bestseller und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Keefe lebt mit seiner Familie in New York.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783446297869
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum13.05.2024
Auflage1. Auflage
Seiten416 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4290 Kbytes
Artikel-Nr.12814906
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe




2. Alberts Töchter


Schon als kleines Mädchen hatte Dolours Price irische Märtyrer zu ihren Lieblingsheiligen erkoren. Eine sehr katholische Tante väterlicherseits sagte oft: »Für Gott und Irland.«1 Im Rest der Familie stand Irland an erster Stelle. Dolours wuchs in den 1950er-Jahren in West Belfast auf, sie ging jeden Tag in die Kirche, ihre Eltern aber nicht, wie ihr irgendwann auffiel. Mit ungefähr vierzehn erklärte sie: »Ich gehe nicht mehr zur Messe.«2

»Das musst du«, sagte ihre Mutter Chrissie.

»Muss ich gar nicht, und tu ich auch nicht mehr«, antwortete Dolours.

»Das musst du«, sagte Chrissie noch einmal.

»Hör mal«, sagte Dolours, »ich kann auch einfach losgehen und mich eine halbe Stunde an die Ecke stellen und hinterher sagen, ich wär zur Messe gewesen. War ich aber gar nicht.«

Sie hatte schon als Kind ihren eigenen Kopf, für sie war der Fall damit erledigt. Familie Price bewohnte eine kleine Doppelhaushälfte in Andersonstown, im aufgeräumten, leicht abschüssigen Slievegallion Drive.3 Vater Albert war Polsterer, die Sessel im vollgestopften vorderen Zimmer hatte er selbst gebaut.4 Auf dem Kaminsims, den andere Menschen mit Fotos von glücklichen Familienferien schmückten, prangten bei den Prices Schnappschüsse aus Gefängnissen.5 Albert und Chrissie waren glühende Verfechter der irisch-republikanischen Sache, also zutiefst überzeugt, dass die Briten seit Jahrhunderten als Besatzungsmacht auf der Insel waren und Iren die Pflicht hatten, sie mit allen erforderlichen Mitteln zu vertreiben.

Als kleines Mädchen saß Dolours oft auf Alberts Schoß und lauschte seinen Geschichten - wie er in den 1930er-Jahren als Junge in die Irisch-Republikanische Armee eingetreten und als Teenager nach England gefahren war und einen Bombenanschlag verübt hatte.6 Seine Schuhe hatten Pappeinlagen, weil er sich nicht leisten konnte, die Sohlen flicken zu lassen, aber er hatte das mächtige britische Empire herausgefordert.7

Albert war ein kleiner Mann mit Nickelbrille und tabakvergilbten Fingern und erzählte Geschichten voller Gewalt von längst toten, aber sagenhaft heldenmütigen Patrioten.8 Dolours hatte zwei ältere Geschwister, Damian und Clare, aber am vertrautesten war sie mit ihrer kleinen Schwester Marian. Albert beglückte die beiden vor dem Schlafengehen gern mit der Geschichte, wie er mal mit zwanzig anderen Insassen aus dem Knast in Derry abgehauen war: Sie hatten einen Tunnel gegraben, der direkt nach draußen führte, und ein anderer Insasse hatte Dudelsack gespielt, um die Fluchtgeräusche zu übertönen.9 10

In verschwörerischem Ton brachte er den Kindern sogar bei, wie man sicher Sprengstoff herstellt: Die Schale und das Werkzeug müssen aus Holz sein, auf keinen Fall aus Metall! »Ein Funke, und du bist hin.«11 Er schwelgte gern in Erinnerungen an geliebte Genossen, die von den Briten gehängt worden waren, und Dolours wuchs mit der Vorstellung auf, dass alle Kinder Eltern mit gehängten Freunden hatten und das das Natürlichste auf der Welt war.12 Die Geschichten des Vaters waren so erregend, dass sie manchmal beim Zuhören bebte und Gänsehaut am ganzen Körper hatte.13

Praktisch alle in der Familie hatten im Gefängnis gesessen. Chrissies Mutter, Granny Dolan, war Mitglied im Cumann na mBan gewesen, dem Frauenrat der IRA, und hatte drei Monate Knast in Armagh bekommen, weil sie versucht hatte, einen Polizisten der Royal Ulster Constabulary (RUC) um seine Dienstwaffe zu erleichtern.14 Auch Chrissie war beim Cumann, und sie und drei ihrer Schwestern hatten in Armagh gesessen, wegen eines »verbotenen Abzeichens« - sie hatten sich kleine orange-weiß-grüne Papierblumen angesteckt, die sogenannten »Osterlilien«.15

Bei Familie Price - wie in Nordirland allgemein - sprach man von längst vergangenen Schicksalsschlägen gern so, als wären sie erst letzte Woche passiert. Infolgedessen war es nicht ganz leicht festzulegen, wann der uralte Zwist zwischen Britannien und Irland eigentlich begonnen hatte. Ein Irland davor - also vor »der Sache«, wie die Prices schlicht sagten - war eigentlich kaum vorstellbar. Egal, wo eine Erzählung losging, »die Sache« war immer schon da. Sie lag schon vor der Einteilung in protestantisch und katholisch, denn sie war älter als die protestantische Kirche. Man konnte fast tausend Jahre zurückgehen, bis zu den normannischen Plünderern, die im zwölften Jahrhundert auf der Suche nach eroberbarem Neuland über die Irische See kamen.16 Oder bis zu König Heinrich VIII. und den Tudorherrschern, die Irland im sechzehnten Jahrhundert schließlich vollständig unterwarfen. Oder bis zu den protestantischen Einwanderern aus Schottland und Nordengland, die im Lauf des siebzehnten Jahrhunderts nach Irland einsickerten und ein Plantagensystem aufzogen, das die gälischsprachigen Einwohner zu Pächtern und Vasallen auf dem Land machte, das einst ihr eigenes gewesen war.

Aber als bedeutsamstes Kapitel der Saga galt im Haus auf dem Slievegallion Drive der Osteraufstand von 1916, bei dem eine Schar irischer Revolutionäre das Dubliner Hauptpostamt gestürmt und die freie, unabhängige Republik Irland ausgerufen hatte. Dolours wuchs auf mit Legenden über die verwegenen Helden des Aufstands und über Patrick Pearse. Der sensible gälische Dichter war einer der Anführer des Aufruhrs, er hatte auf den Stufen des Postamts verkündet: »In jeder Generation hat das irische Volk sein Recht auf nationale Freiheit und Souveränität geltend gemacht.«17

Pearse war ein unerschütterlicher Romantiker und zutiefst fasziniert vom Ideal des Blutopfers. Er träumte schon als Kind davon, sein Leben für etwas zu geben, und empfand Blutvergießen später als etwas »Reinigendes«.18 19 Er pries das christushafte Sterben früherer irischer Märtyrer und schrieb bereits 1915, also ein Jahr vor dem Osteraufstand: »Das alte Herz der Erde bedurfte der Erwärmung durch den roten Wein des Schlachtfelds.«20 21

Sein Wunsch ging in Erfüllung. Nach einem kurzen ruhmreichen Moment schlugen die britischen Machthaber den Aufstand in Dublin erbarmungslos nieder und stellten Pearse und vierzehn Genossen erst vors Kriegsgericht und dann vor ein Erschießungskommando.22 Der irische Unabhängigkeitskrieg von 1918 bis 1921 endete mit der Teilung des Landes, die Insel zerfiel in zwei Hälften. Die sechsundzwanzig Countys im Süden erlangten ein gewisses Maß an Unabhängigkeit als Irish Free State, die sechs Countys im Norden blieben unter britischer Herrschaft. Bei strammen Republikanern und auch bei Familie Price hieß die Gegend, in der sie zufällig lebten, weiterhin »der Norden Irlands« und nicht »Nordirland«. In der Umgangssprache waren selbst Eigennamen politisch aufgeladen.

Märtyrerkult birgt Gefahren, und in Nordirland waren alle Gedenkrituale durch den Flags and Emblems Act streng reguliert.23 Die Furcht vor dem irischen Nationalismus saß im Norden so tief, dass man ins Gefängnis kommen konnte, wenn man nur die republikanische Trikolore zeigte. Die kleine Dolours zog ostersonntags immer ihr bestes weißes Kleid an und ging mit einem Korb Eier am Arm und der dreifarbigen Osterlilie an der Brust zum Gedenkmarsch für die verpfuschte Rebellion. Ein berauschendes Ritual für ein Kind, fast wie der Eintritt in einen Geheimbund der Geächteten. Als Erstes lernte sie, Polizisten schon von Weitem zu erspähen und sofort die Hand über die Lilie zu halten.24

Sie machte sich keine Illusionen, dass die Hingabe an die Sache einen hohen persönlichen Tribut erfordern konnte. Ihr Vater hatte sein erstes Kind nie kennengelernt, die älteste Tochter starb noch im Säuglingsalter, während er hinter Gittern saß.25 Dolours´ Tante Bridie, eine Schwester ihrer Mutter, war als Jugendliche im Kampfeinsatz gewesen. 1938 hatte sie beim Transport einer Kiste mit Brandsätzen geholfen,...


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Autor

Patrick Radden Keefe, geboren 1976, ist preisgekrönter Investigativjournalist des Magazins The New Yorker. Er studierte an der Columbia University, der Yale Law School, der Cambridge University und der London School of Economics. Seine Bücher sind große Bestseller und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Keefe lebt mit seiner Familie in New York.