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Bella Famiglia

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
432 Seiten
Deutsch
Aufbau Verlage GmbHerschienen am15.07.20241. Auflage
Gelato D'Amore!

»Sofia tauchte den Löffel in das rosafarbene, das rötliche, das lilarote ... das erdbeerfarbene Eis, führte es zum Mund und ließ es auf der Zunge zergehen. Erdbeereis schmeckte eindeutig wie ein Kuss.« 

München, 1966: Sofia sehnt sich nach der wahren Liebe. Jeden Freitag im Eissalon Bella Italia träumt sie sich in den Süden: nach Venedig, den verheißungsvollen Sehnsuchtsort. Doch Eigenbrötler Lorenzo, der Besitzer des Salons, weiß, dass das Leben in Italien auch hart und entbehrungsvoll sein kann. Seit Generationen lebte seine Familie im Val di Zoldo, dem Tal der Eismacher. Bis zu dem einen, verhängnisvollen Tag, nach dem Lorenzo seiner Heimat für immer den Rücken kehrte ... 

Eine fulminante Geschichte über die Eismacher, die das Gelato zu uns brachten.


Nico Mahler, 1974 in München geboren, studierte Geschichte und Politikwissenschaften und arbeitet als freier Journalist. Sonntägliche Ausflüge in das Eiscafé Venezia seiner Heimatstadt gehören zu seinen liebsten Kindheitserinnerungen. Mit seinem Debütroman begibt er sich auf eine Spurensuche nach den Anfängen der Eismanufaktur und erzählt eine dichtgewobene deutsch-italienische Familiengeschichte über Generationen hinweg.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextGelato D'Amore!

»Sofia tauchte den Löffel in das rosafarbene, das rötliche, das lilarote ... das erdbeerfarbene Eis, führte es zum Mund und ließ es auf der Zunge zergehen. Erdbeereis schmeckte eindeutig wie ein Kuss.« 

München, 1966: Sofia sehnt sich nach der wahren Liebe. Jeden Freitag im Eissalon Bella Italia träumt sie sich in den Süden: nach Venedig, den verheißungsvollen Sehnsuchtsort. Doch Eigenbrötler Lorenzo, der Besitzer des Salons, weiß, dass das Leben in Italien auch hart und entbehrungsvoll sein kann. Seit Generationen lebte seine Familie im Val di Zoldo, dem Tal der Eismacher. Bis zu dem einen, verhängnisvollen Tag, nach dem Lorenzo seiner Heimat für immer den Rücken kehrte ... 

Eine fulminante Geschichte über die Eismacher, die das Gelato zu uns brachten.


Nico Mahler, 1974 in München geboren, studierte Geschichte und Politikwissenschaften und arbeitet als freier Journalist. Sonntägliche Ausflüge in das Eiscafé Venezia seiner Heimatstadt gehören zu seinen liebsten Kindheitserinnerungen. Mit seinem Debütroman begibt er sich auf eine Spurensuche nach den Anfängen der Eismanufaktur und erzählt eine dichtgewobene deutsch-italienische Familiengeschichte über Generationen hinweg.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783841234889
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum15.07.2024
Auflage1. Auflage
Seiten432 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse643 Kbytes
Artikel-Nr.13078129
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe




1
Erdbeer

München, Frühling 1966


Ein Erdbeereis war wie ein Kuss. Konnte man das sagen? Denken durfte man es immerhin. Sofia tauchte den Löffel in das rosafarbene, das rötliche, das lilarote ... ach was, sie tauchte den Löffel in das erdbeerfarbene Eis. Führte es zum Mund und ließ es auf der Zunge zergehen. Erdbeereis schmeckte eindeutig wie ein Kuss.

Das konnte man von Schokoladeneis nicht behaupten, erst recht nicht von Vanille. Vanilleeis hatte einen ernsten Charakter, süß natürlich, aber auch seriös. Deshalb wurde der Geschmacksgeber Bourbon Vanille genannt. Bourbon klang hoheitsvoll, königlich und ernst.

Erdbeereis erinnerte an die Frische eines Gartens, das Versprechen des Frühlings, die Aussicht auf einen Kuss. Sofia leistete sich Erdbeereis einmal in der Woche. Ihr Gehalt hätte ausgereicht, mehrmals in der Woche auf dem stillen Platz unter dem Kastanienbaum zu sitzen. Aber dann wäre das Ritual nicht mehr so heilig gewesen - ja, heilig war genau das richtige Wort dafür.

Wenn die Tage nach einem langen, grauen Winter endlich länger wurden, wenn erst die Forsythien, bald darauf die Birken und schließlich der wilde Wein ihr frisches Grün zeigten, wusste Sofia, es dauerte nicht mehr lange, bis das Eiscafé Bella Italia aus dem Winterschlaf erwachen würde. Die blauen Läden wurden aufgeklappt, sie waren azurblau, nicht bayerisch-blau. Diese Läden luden in kein bajuwarisches Paradies ein, sondern in ein südliches. In eine Welt, zu der ein Meer gehörte und Menschen, die gern lachten, außerdem ein wolkenloser Himmel und eine junge Frau namens Sofia. Ob ihre niederbayerischen Eltern diese Vorstellung gehabt hatten, als sie ihre Tochter Sofia nannten, wusste sie nicht. Sicher wusste sie aber: Waren die blauen Läden einmal offen, wurde eine Fahne gehisst. Gefrorenes! stand darauf, mit einem Rufzeichen. Und über dem Portal las man in voller Breite: Eiscafé Bella Italia.

Für Sofia stellte die Eissaison den eigentlichen Beginn des Jahres dar. Der stille Platz in München, den nur wenige Häuser säumten, hatte natürlich einen Namen, aber Sofia nannte ihn nur ihren stillen Platz. In der Mitte stand ein Kastanienbaum, der den Häusern eine Menge Licht nahm, aber im Sommer Schatten spendete. Die Tische, die unter der Kastanie standen, waren immer zuerst besetzt.

Sofia nahm den nächsten Löffel Erdbeereis, schloss die Augen und genoss.

»Noch ein Wunsch?«

Der Besitzer war herausgekommen, ohne dass sie es bemerkt hatte. Sofia fuhr zusammen. Wenn Männer sie zu plötzlich ansprachen, erschrak sie. Das war doch zu dumm. Der Eismacher sprach eben laut, weil er Italiener war.

»Nein danke.«

Groß war er und braun gebrannt, hatte schwarzes, welliges Haar, einen gestutzten Schnäuzer und die sonderbarsten Augen, in die Sofia je geschaut hatte. Waren sie grau oder grün? Jedenfalls blickten diese Augen in die Welt, als wollten sie eigentlich nichts sehen. Dieser Mann schaute auf unergründliche Weise nach innen. Er nahm die Bestellungen auf, servierte und räumte wieder ab, immer mit dem gleichen Ausdruck. Gern hätte Sofia ihn gefragt, warum er so ein finsteres Gesicht machte, aber das ging sie nichts an. Solange sein Eis so fruchtfröhlich schmeckte, durfte der Mann gucken, wie er wollte.

»Warum immer Erdbeer?«, wollte er heute wissen.

»Weil mir Ihr Erdbeereis am besten schmeckt.«

»Ja, aber jedes Mal nur Erdbeer.« Seine Stimme war freundlicher als das Gesicht. Die Laute rollten fröhlich daher und setzten sich im Ohr fest. Er hatte einen Akzent, wie man ihn von Italienern erwartete, dabei schien sein Deutsch perfekt zu sein. Er musste schon länger in München leben.

»Mir schmeckt Erdbeereis eben.«

»Warum probieren Sie nicht mal einen Becher aus?«

Sofia wollte ihr Eis weiteressen, bevor es schmolz und behielt demonstrativ den Löffel in der Hand. »Was für einen Becher?«

»Ich habe viele. Sehen Sie in die Karte.« Er schob ihr das Ding aus Pappe zu, das in einem kleinen Drahtständer festgeklemmt war. »Bananensplit wird viel genommen. Oder Schokobecher, Heidelbeerbecher. Oder sehen Sie: Erdbeerbecher.«

»Den esse ich doch gerade.«

»Sie essen Erdbeereis. Erdbeerbecher ist mit frischen Erdbeeren und Vanilleeis, mit Erdbeersoße und einem Schuss Likör.«

»Ein alkoholisches Eis?«, fragte sie überrascht.

»Kann ich weglassen. Auf Bestellung kein Likör.«

»Bei Ihrem Erdbeerbecher ist also gar kein Erdbeereis dabei?«

»Weil frische Erdbeeren drin sind. Was soll zu viel Erdbeer im Erdbeerbecher?«

Wenn er sich aufregte, wurde sein Deutsch schlechter, stellte Sofia fest. »Ich hatte mein Eis für heute schon. Ich kann doch nicht noch eines ...«

»Beim nächsten Mal. Beim nächsten Mal probieren Sie einen Becher, ja?« Er richtete sich zu voller Größe auf.

»Aber nicht den Erdbeerbecher.«

»Warum nicht?«

»Ich habe sonst das Gefühl, ich werde meinem Erdbeereis untreu.«

***

Hätte es die Drehtür nicht gegeben, wäre Sofia häufiger in den Bahnhofskiosk gegangen. Zweimal in der Woche kaufte sie einen Roman aus dem Drehständer und eine Tüte Kieferbrecher. Herr Oskar, der Besitzer, bot die Bonbons, die auch Zahnarzt-Alptraum genannt wurden, am Tresen an.

München-Giesing war ein gemütlicher Bahnhof. Man kam, man fuhr, man wartete, plauderte und kaufte im Kiosk Proviant. Als man die Strecke München Ost nach Deisenhofen im 19. Jahrhundert errichtet hatte, war der Bahnhof ein ganzes Stück von Giesing entfernt gewesen. Mittlerweile hatte die Stadt ihn umzingelt. Die Strecke verlief vom Ostbahnhof über Giesing zum Perlacher Forst.

Herr Oskar kannte viele seiner Kunden beim Namen. Hier kauften Leute ein, die täglich in Giesing ein- oder umstiegen. Auch Sofia kam jeden Tag zweimal durch.

»Die braunen, wie immer?«, fragte Herr Oskar.

»Nein, bitte 100 Gramm von den roten.« Sofia machte ihre Geldbörse bereit.

»Für die Kinder?«

Sie nickte. »Meine Schützlinge sind ganz wild auf die roten.«

Während Oskar die Papiertüte füllte, legte sie ein Buch auf den Tresen. »Und das hier.«

»Der Korsar des Königs«, las Oskar. »Das scheint ein interessantes Buch zu sein. Viel Vergnügen damit.«

Sofia wusste, dass es Kitsch war. Sie las die Bücher aus dem Drehständer trotzdem gern. Zum Beispiel Kein Schnaps für Tamara oder Das Gesicht der Liebe. Der Titel mochte blöd sein, aber es war eine Geschichte, in die man sich herrlich fallenlassen konnte.

Sie hatte Zeit zum Lesen. Nicht nur zu Hause, auch im Heim blieben ihr freie Minuten, wenn die Kleinen Mittagsschlaf hielten oder selbstvergessen spielten und ihre Betreuerin komplett vergaßen. Dann setzte sich Sofia an den Zaun, der das Kinderheim Fasangarten umgab, und las ihr Buch. Manchmal blieben ihr nur Minuten, bevor ein Kind weinte oder es Streit gab, doch in die Geschichte vom Gesicht der Liebe kam man schnell wieder hinein. Sie freute sich auf den Korsar des Königs, weil das Buch sie ans Meer entführen würde. Mit ihren vierundzwanzig Jahren war Sofia Gottlieb noch nie am Meer gewesen.

Sie bedankte sich, zahlte und näherte sich der Drehtür. Beherzt lief sie in das Segment hinein, das sich vor ihr auftat. Sie schob und drückte, gleich würde sie die andere Seite erreichen. Bahnhofslärm schlug ihr entgegen.

Zwei Halbstarke drängten in die Drehtür, zusammen rempelten sie dagegen. Die beiden hatten mehr Kraft als Sofia. Das rotierende Gebilde wurde zum Ungetüm, das sie nicht mehr losließ. Von hinten schob die Glaswand sie weiter. Um nicht zu stolpern, folgte sie der Bewegung und landete genau dort, von wo sie vor Sekunden aufgebrochen war. Sofia hoffte, Herr Oskar habe ihre Niederlage nicht beobachtet. Sie strich die Jacke glatt, hielt die Bonbontüte vor die Brust und nahm den nächsten Anlauf.

Das Glas der Drehtür hatte einen Sprung. Bei entsprechender Beleuchtung zeigte es zwei Bilder gleichzeitig. Sofia sah sich selbst im Spiegel. Sie sah die unmoderne Frisur, das aschblonde Haar, hinten zusammengesteckt. Die Brille, die sie nur zum Lesen brauchte, aber häufig abzusetzen vergaß. Ihr Gesicht konnte man hübsch...

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Autor

Nico Mahler, 1974 in München geboren, studierte Geschichte und Politikwissenschaften und arbeitet als freier Journalist.
Sonntägliche Ausflüge in das Eiscafé Venezia seiner Heimatstadt gehören zu seinen liebsten Kindheitserinnerungen. Mit seinem Debütroman begibt er sich auf eine Spurensuche nach den Anfängen der Eismanufaktur und erzählt eine dichtgewobene deutsch-italienische Familiengeschichte über Generationen hinweg.
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Mahler, Nico