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Machtübernahme

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
260 Seiten
Deutsch
neobookserschienen am02.01.2024
Berlin, 1932/33. Reichspräsident Hindenburg plant verfassungswidrige Experimente, Reichskanzler Papen regiert gegen das Volk, in einem Streik kämpfen Kommunisten und Nationalsozialisten Seite an Seite. Ein Bürgerkrieg scheint nicht ausgeschlossen. In dieser explosiven Situation fällt der Sohn eines ostelbischen Junkers einem Nitroglyzerinanschlag zum Opfer. Kommissar Gregor Lilienthal, sein Bruder Hendrik und seine Frau Diana untersuchen den Fall und finden heraus, dass die Junkerfamilie berüchtigt war für ihren brutalen Umgang mit Untergebenen. Außerdem scheint sich ein verbissener Kampf der Kinder um das Erbe herauszukristallisieren. Während ein kaltblütiger Mörder mit gnadenloser Präzision ein Familienmitglied nach dem anderen ermordet, ebnen Geheimgespräche Hitler den Weg zur Macht, und in den dramatischen Wochen des Januar 1933 entscheidet sich das Schicksal Deutschlands.

Gunnar Kunz hat vierzehn Jahre an verschiedenen Theatern in Deutschland gearbeitet, überwiegend als Regieassistent, ehe er sich 1997 als Autor selbstständig machte. Seither hat er etliche Romane und über vierzig Theaterstücke veröffentlicht, außerdem Kinderbücher, Hörspiele, Kurzgeschichten, Musicals und Liedertexte. 2010 wurde er für den Literaturpreis Wartholz nominiert.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR7,99

Produkt

KlappentextBerlin, 1932/33. Reichspräsident Hindenburg plant verfassungswidrige Experimente, Reichskanzler Papen regiert gegen das Volk, in einem Streik kämpfen Kommunisten und Nationalsozialisten Seite an Seite. Ein Bürgerkrieg scheint nicht ausgeschlossen. In dieser explosiven Situation fällt der Sohn eines ostelbischen Junkers einem Nitroglyzerinanschlag zum Opfer. Kommissar Gregor Lilienthal, sein Bruder Hendrik und seine Frau Diana untersuchen den Fall und finden heraus, dass die Junkerfamilie berüchtigt war für ihren brutalen Umgang mit Untergebenen. Außerdem scheint sich ein verbissener Kampf der Kinder um das Erbe herauszukristallisieren. Während ein kaltblütiger Mörder mit gnadenloser Präzision ein Familienmitglied nach dem anderen ermordet, ebnen Geheimgespräche Hitler den Weg zur Macht, und in den dramatischen Wochen des Januar 1933 entscheidet sich das Schicksal Deutschlands.

Gunnar Kunz hat vierzehn Jahre an verschiedenen Theatern in Deutschland gearbeitet, überwiegend als Regieassistent, ehe er sich 1997 als Autor selbstständig machte. Seither hat er etliche Romane und über vierzig Theaterstücke veröffentlicht, außerdem Kinderbücher, Hörspiele, Kurzgeschichten, Musicals und Liedertexte. 2010 wurde er für den Literaturpreis Wartholz nominiert.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783756569274
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum02.01.2024
Seiten260 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1268 Kbytes
Artikel-Nr.13406902
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2




Montag, 26. Dezember 1932 - Sonntag, 22. Januar 1933







Bei den innenpolitischen Kämpfen der Jahre 1930 - 1934 ging es in Wirklichkeit nicht mehr um die Verteidigung der Republik, sondern nur noch um ihre Nachfolge.

Sebastian Haffner







15




Nur Sekunden nach ihrer Ankunft auf dem Gutshof der von Hochsteins wurde Hendrik klar, dass sie nicht mit kooperativem Verhalten zu rechnen hatten. Drei Kinder umringten das Auto, zwei Mädchen und ein Junge, offenbar Geschwister. Die Älteste, ungefähr zehn Jahre alt, verkündete: »Sind Sie die Polizei aus Berlin? Sie haben hier keine Befugnisse.« Ein Wort, das kaum zum Wortschatz einer Zehnjährigen gehörte, das sie also von Erwachsenen übernommen haben dürfte. Da konnte Hendrik sich lebhaft vorstellen, mit welcher Begeisterung man sie gleich empfangen würde.

Der Junge, ein oder zwei Jahre jünger als seine Schwester, stürmte ins nahe gelegene Haus und brüllte: »Die Bullen sind da! Die Bullen sind da!«

»Das wollte ich sagen!«, schrie ihm die Jüngste hinterher. »Du bist gemein!« Und dann plärrte sie los und rannte ihm nach, vermutlich um sich bei ihren Eltern zu beschweren.

Gregor verdrehte die Augen und folgte den Kindern. Diana, die sich geweigert hatte, den zweiten Weihnachtstag allein mit Lissi zu verbringen - »Machen wir halt einen Ausflug aufs Land«, hatte sie gesagt -, half ihrer Tochter aus dem Wagen und nahm sie bei der Hand. Lissi starrte das fremde Mädchen an, das als Erste gesprochen hatte, und das Mädchen starrte zurück.

Hendrik stieg ebenfalls aus. Josephine war nicht begeistert gewesen, dass er mitfahren wollte, aber er fühlte sich durch die Bitten Ferdinand von Salburg-Oertzens verpflichtet, den Fall seines Bruders zu begleiten. Hoffentlich war sie ihm nicht allzu böse. Sie hatte eine Freundin angerufen und verbrachte nun den zweiten Feiertag mit ihr.

Der Junge hatte die Haustür offen gelassen; unaufgefordert traten sie ein. Eine zweite offen stehende Tür wies den Weg zum Wohnzimmer der von Hochsteins, das auf altmodische Weise mit schweren Möbeln vollgestopft war, unter anderem mit einem Mahagonischrank mit bleiverglasten Türen, einem Büffetschrank, in dem sich Porzellan und Gläser befanden, einem Vertiko, einem Zigarrenschränkchen, einem langen Esstisch, dessen Tischdecke eine Goldborte zierte, einem Dutzend Lehnstühlen mit grünem Plüschbezug, einem wuchtigen Sofa und einer monumentalen Standuhr. Tapeten mit Rankenmuster, Tüllgardinen, ein Eichenbord mit aufgereihten Zinnbechern sowie Ölgemälde von Landschaften und Abendstimmungen vervollständigten das Bild.

Familie von Hochstein, zumindest das, was von ihr übrig war, schien vollzählig versammelt zu sein. Das kleine Mädchen plärrte immer noch, wie gemein es sei, dass ihr Bruder die Polizei angekündigt hatte und nicht sie, obwohl es doch anders ausgemacht war, der Junge verteidigte sich wortreich. Von Trauer um den Tod einer Familienangehörigen war nicht viel zu spüren.

Irene Hauff erhob sich und setzte zu einer Begrüßung an, wurde jedoch von Estelle, der Witwe von Bodo von Hochstein, unterbrochen: »Ich bin jetzt die Hausherrin, Irene.«

Zwei, drei Sekunden herrschte peinliche Stille.

Ihre Schwägerin sah aus als wollte sie etwas erwidern, überlegte es sich jedoch anders und nahm wieder Platz mit den Worten: »Wenn es dir gefällt.«

»Guten Tag, Herr Kommissar«, sagte Estelle mit einer Gebärde, als sei sie eine Prinzessin, die sich zu einer Audienz herabließ, und begrüßte anschließend auch Diana und Hendrik.

Gregor bat darum, die Anwesenden vorgestellt zu bekommen. Irenes Ehemann war da, Immanuel Hauff, ein Jurist, der aussah und sprach, als wäre er bereit, jeden Atemzug seines Gegenübers auf Verstöße gegen ein Gesetz aus dem vergangenen Jahrhundert abzuklopfen. Konrad von Hochstein natürlich und seine Frau Margot, der es Hendrik und Diana zu verdanken hatten, dass sie zu der Mordermittlung hinzugezogen worden waren, weshalb Hendrik sie besonders interessiert in Augenschein nahm. Die geröteten Wangen und die leicht glasigen Augen ließen vermuten, dass sie dem Alkohol nicht abgeneigt war; eine Frau, die lieber kippte als nippte. Die drei Kinder schienen zu ihr und ihrem Mann zu gehören. Die Älteste, die jetzt ebenfalls hereinkam, hieß Ottilie. Edmund, der mit einer Nippesfigur herumspielte, einem gläsernen Fuchs, den er in die Luft warf und wieder auffing, war der Name des Sohnes. Die vielleicht Siebenjährige, die ihrem Bruder nicht verzieh, dass er an ihrer Stelle die Polizei angekündigt hatte, wurde Luzie genannt. Außerdem gab es ein Dienstmädchen von vielleicht fünfundzwanzig Jahren, Teresa, das die Familie bei Tisch bediente.

»Kriminalrat Gennat hat mich angekündigt, wie ich annehme«, begann Gregor.

»Die Aufklärung der Todesumstände obliegt der örtlichen Polizei«, kritisierte Immanuel. »De lege lata müssten Sie sich an die zuständigen Behörden wenden.«

»Vor einigen Wochen wurde ihr Schwager in Berlin ermordet«, erwiderte Gregor. »Ein Zusammenhang ist mehr als wahrscheinlich.«

»Nichtsdestotrotz wäre zunächst zu prüfen, ob damit in konkludenter Weise eine ermittlungsrelevante Voraussetzung für Ihr Eingreifen gegeben wäre, wovon nicht zwangsläufig auszugehen ist. Prima facie scheint mir zumindest die zeitnahe Einholung einer Erlaubnis der hiesigen Behörden maßgebend. Ausweislich einer solchen Erlaubnis und unter Abwägung der Interessen wäre dadurch unter Umständen eine Legitimation erbracht.«

Die verklausulierte Art des Juristen brachte Hendrik ein Bonmot von Lichtenberg in Erinnerung: Er schliff immer an sich und wurde am Ende stumpf, ehe er scharf war.

»Lass doch den Quatsch«, mischte sich Konrad ein. »Mir ist ein Kommissar aus Berlin allemal lieber als die Dorftrottel, die hier Gesetz spielen. Wir wollen schließlich so schnell wie möglich Ergebnisse sehen.«

»Gibt es einen Grund dafür, dass Sie eine Ermittlung von außerhalb fürchten?«, erkundigte sich Gregor bei Immanuel Hauff.

»Ich fürchte sie nicht. Ich halte nur viel von korrektem Vorgehen.«

Tatsächlich?, dachte Hendrik. Was steckte hinter der Ablehnung des Mannes? War es nur Klugscheißerei, oder hatte er etwas zu verbergen?

Der kleine Edmund starrte die ganze Zeit über Gregor an. »Haben Sie ne Knarre?«, wollte er wissen.

»Lass den Kommissar in Ruhe«, fuhr sein Vater ihn an. »Und hör, verdammt noch mal, auf, mit dem Fuchs zu spielen, wie oft soll ich dir das noch sagen?«

»Mama hat es mir erlaubt.«

»Und ich verbiete es dir, also stell das Ding gefälligst zurück.«

Murrend gehorchte der Junge.

Konrad wandte sich an seine Frau. »Wie soll unser Sohn Verantwortung lernen, wenn du ihm alles durchgehen lässt?«, schimpfte er.

Margot schenkte sich ihr Weinglas voll. »Wenn du gelegentlich mal zu Hause wärst, wäre er auch nicht so aufsässig«, nuschelte sie und nahm einen großen Schluck.

»Musst du immer so viel trinken?«

»Ich würde gern den Tatort sehen«, unterbrach Gregor die beiden.

»Herr Henschel, unser hiesiger Polizeibeamter, ist bereits unterwegs«, sagte Estelle. »Ich habe ihn angerufen, als ich Ihren Wagen hörte.«

»Ich nehme an, Ihre Schwiegermutter wurde bereits fortgebracht?«

Estelle nickte.

»Oma sah ganz verschrumpelt aus«, kicherte Edmund. »Wie ne vertrocknete Pflaume.«

Irene musterte erst den Jungen, dann ihren Bruder wie ein ekliges Insekt. »Wenn dein verdammter Rotzlöffel nicht augenblicklich die Klappe hält, werde ich sie ihm stopfen«, sagte sie.

»Wag es ja nicht!«, fauchte Konrad zurück. »Mein Sohn kann sagen, was er will!«

»Lass die Finger von meinem Kind!«, rief nun auch Margot.

»Wenn ihr eure Bälger nicht im Zaum halten könnt, solltet ihr vielleicht nicht ständig neue in die Welt setzen«, erwiderte Irene.

»Was versteht eine Unfruchtbare wie du schon von Kindern.«

»Pass auf, was du sagst!«, kam Immanuel seiner Frau zu Hilfe.

Hendrik sah den kleinen Edmund grinsen. Offenbar gefiel ihm, welche Wirkung seine Worte hatten.

Zum Glück traf in diesem Augenblick der verständigte Polizeibeamte ein. Herr Henschel benahm sich wie jemand, der erwartete, jeden Augenblick zum Weitergehen aufgefordert zu werden. Mit einem Diener begrüßte er Familie von Hochstein und stellte sich dann verlegen Gregor vor. »Ihr, äh, Kriminalrat hat uns um Amtshilfe gebeten«, sagte er. »Ein Mord bei uns, auf dem Land ⦠Das ist deftig.«

Gregor nickte. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn ich den Tatort sehen könnte.«

»Dann, äh, kommen Sie mal mit.«

Hendrik folgte den beiden durch einen Flur zum Ende des Erdgeschosses. Hier befand sich das Badezimmer.

Herr Henschel zog einen Schlüssel aus seiner Tasche. »Ich habe natürlich abgeschlossen«, sagte er Beifall heischend.

Abgeschlossen, das war alles? Vermutlich gab es weitere Schlüssel im Haus, die Familie hätte also jederzeit Zugang zum Bad gehabt und den Tatort kontaminieren können. Oder Indizien beiseite schaffen. Hendrik sah Anzeichen von Unmut im Gesicht seines Bruders, doch Gregor sagte nichts und wartete schweigend, bis der Polizeibeamte die Tür aufschloss.

Das Bad war geräumig und wurde von einer Badewanne dominiert, die ihre besten Zeiten hinter sich hatte. An mehreren Stellen drängte bereits der Rost ans Tageslicht. Außerdem gab es ein Klosett, ein Waschbecken, darüber eine Ablage und ein Badezimmerschränkchen. Nicht nur hatte jemand das Wasser in der Wanne...
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Autor

Gunnar Kunz hat vierzehn Jahre an verschiedenen Theatern in Deutschland gearbeitet, überwiegend als Regieassistent, ehe er sich 1997 als Autor selbstständig machte. Seither hat er etliche Romane und über vierzig Theaterstücke veröffentlicht, außerdem Kinderbücher, Hörspiele, Kurzgeschichten, Musicals und Liedertexte. 2010 wurde er für den Literaturpreis Wartholz nominiert.